Über die Ohnmacht des Ruhrparlamentes


Die Verwaltungsspitze des RVR (v.l.n.r): Dieter Funke, Bereichsleiter Wirtschaftsführung,
Heinz-Dieter Klink, Regionaldirektor, Ulrich Carow, Bereichsleiter Umwelt, und
Dr. Thomas Rommelspacher, Bereichsleiter Planung. Foto: RVR/Kazani

Alle Macht dem Parlament. Das sollte auch fürs Ruhrgebiet gelten, denke ich, gerade wenn es um das Geld geht. Doch hier macht mir das Ruhrparlament Sorgen. Haaaachh

Heute habe ich die vollständige Liste der neuen Förderanträge des Ruhrgebietes angesehen. Da wird auf duzenden Seiten unter Federführung der Tochter des Regionalverbandes Ruhr (RVR), also der Metropole Ruhr GmbH, alles das zusammengetragen, was nach Ansicht des Reviers Anspruch auf Europäische Förderungmillionen hat.

Was sollte man erwarten? Irgendwas wie Tokyo in Flammen oder so, ein Konzept, eine Idee von einem Aufbruch, der eigentlich schon bevorsteht und nur noch ein paar Flocken braucht, damit die Funken fliegen! Ja, so was sollte man erwarten.

Doch das gibt es leider gar nicht. Stattdessen, die übliche Tristesse: Zum Beispiel wird in Bottrop ein Innenstadtumbau geplant, um die City attraktiver zu machen – damit die Bottroper Kaufkraft bei dem aktuell anschwellenden Leerstand trotzdem in der Kommune bleibt. Ach so. Dieser völlig realitätsfremde Antrag berücksichtigt nicht, dass dieser phantasielose Innenstadtumbau, lange im Gang ist, völlig unmodern bleibt und dafür auch noch an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei geht.

Falls mir diese Behauptungen keiner abnimmt, was ich mir denken kann, hier nur ein Hinweis: In der Realität wird in Essen mit dem neuen Arcandor-Shopping-Center gerade eines der größten Kaufrauschhäuser der Welt gebaut. Bottrop liegt direkt daneben. Kann nun ein von Brüssel bezahltes Bürgerbüro in Bottrop den Abfluss der Kaufkraft aufhalten? Nein, kann es nicht.

Brüssel sollte also lieber ein Projekt bezahlen, mit dem alle Revierstädte sich auf ein übergreifendes Einzelhandelskonzept einigen, damit alle Kommunen davon was haben. Im Fall von Bottrop könnte das heißen: warum nicht aus der Stadt eine Kneipenlandschaft machen, ein Westbermudadreieck, oder so? Etwas, das abends und nachmittags Leute in diese verschnarchte Schlafstadt von Essen holt?

Was auch immer. Der Leerstand im Einzelhandel kann nur Städteübergreifend in einen Raum für zukünftiges Wachstum umgewandelt werden.

Womit wir endlich beim Thema sind.

Die Arena, in der die Ideen für die wichtigsten Förderprojekte des Ruhrgebietes im Wettstreit miteinander bestehen müssten, sollte das Ruhrparlament sein.

Denn das ist der Kern jeder Demokratie. Über Geld wird im Parlament gestritten.

Auch im Ruhrparlament ist das eigentlich so. Doch hier wird über Fahrradwege parliert, während über den dicksten Brocken, die rund 1,6 Milliarden Euro Fördergeld aus Brüssel und Düsseldorf, kein Wort verloren wird.

Stattdessen stellt die Wirtschaftsförderung eine zusammenhangslose Liste von Einzelprojekten aus jeder Kommunen zusammen, und versucht erst künstlich über Bezeichnungen und Tabelletitel eine Art von Zusammenhang zu kreieren. Eine Addition von Nullen bleibt aber eine Ideenlose Null fürs Große und Ganze.

Warum die Liste nicht ins Parlament geholt wird, um hier darüber zu diskutieren?

Ganz einfach, weil die Oberbürgermeister und Landräte das nicht wollten. In ihrer Kirchturmdenke soll der RVR nicht zu der Arena der Zukunft werden.

Das ist Schade. Die Parteien im Ruhrparlament hätten sich gegen diese Abwertung wehren sollen. Dass sie es nicht taten, spricht für die Macht der Bürgermeister und Lokalos und gegen die Tatkraft der Parteien im RVR.

Nachtrag: Den kleinen Parteien ist da eigentlich kein Vorwurf zu machen. In erster Linie wäre es der Job von RVR-Direktor Heinz-Dieter Klink (SPD) gewesen, seinen Untergebenen Hanns-Ludwig Brauser (SPD) von der Wirtschaftsförderung anzuweisen, den Beschluss über die Förderanträge ins Ruhrparlament zu geben. Und als Klink dies nicht tat, hätten die Fraktionschefs von CDU und SPD dies fordern müssen, auch gegen den Willen ihrer jeweiligen Oberbürgermeister und Landräte.

6000 demonstrierten für Nokia-Belegschaft

Foto: Ruhrbarone/Görges

Zwischen 5000 und 6000 Menschen demonstrierten am gestrigen Sonntag in Bochum-Riemke für den Erhalt des Nokia-Standortes. Höhepunkt des Familienprotesttages war ein Ring of Fire, eine Menschenkette rund um das Werk, bei der tausende von Fackeln ein weithin sichtbares Zeichen des Protestes zeigen sollten. Alles war von der Gewerkschaft hervorragend organisiert – im Abstand von wenigen Metern waren mit Wasser gefüllte blaue Mülltonnen aufgestellt, in denen man die Fackeln entsorgen konnte.

Ansonsten waren es eher Randaspekte. die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Zum Beispiel welche Grüppchen sich an den Protest des Betroffenen ranhängten, ihn instrumentalisieren, um ihr eigenes, politisches Süppchen zu kochen.  Da war zum einen die DKP. Mittlerweile sind deren Mitglieder so sehr in die Jahre gekommen, dass der Kampf gegen wackelnde künstliche Hüftgelenke den gegen den Klassenfeind abgelöst haben dürfte. Selbstbewusst forderte auch die DKP die Verstaatlichung Nokias. Zur DKP ist mir auch wieder eine kleine Anekdote eingefallen: Vor zehn Jahren interviewte ich den damaligen Verfassungsschutzchef von NRW und fragte ihn, ob denn die älteren Damen und Herren der DKP immer noch überwacht werden. Eine Gefahr würde von ihnen ja kaum noch ausgehen. Der Mann gab mir, was die Gefahr betraf, recht, zeiget jedoch soziale Verantwortung: „Nicht nur die DKP besteht aus vornehmlich älteren Menschen, auch unsere Quellen in der DKP sind schon etwas betagt. Man kann doch jetzt nach zum Teil 30 Jahren nicht hingehen und denen sagen „Danke, das war es, wir brauchen Euch nicht mehr“. Also lassen wir die DKP immer noch von unseren alten freien Mitarbeitern beobachten.“ Ach, war es nicht nett in NRW unter Johannes Rau?
Zu den klassischen Protesttrittbrettfahrern gehört auch die MLPD. Zielsicher haben die Schwaben einst das Ruhrgebiet als den Ort lokalisiert, an dem in Deutschland die Revolution ausbrechen wird – und sich in Gelsenkirchen Horst nieder gelassen. Dort haben sie ein kleines K-Gruppen Imperium aufgebaut. Auch ihre Forderung – 30 Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich – wurde nur von wenigen Nokia-Mitarbeitern als ernsthafter Lösungsansatz ihrer Probleme gesehen. Im Fahnenschwenken sind die Jünger zwei Massenmörder – Stalin und Mao – jedoch recht eifrig.
Mehr als ein „hat sich bemüht“ kann man indes der KPD/ML nicht ausstellen. Ein kleines Häuflein stand in der Nähe des Nokia-Haupteingangs und intonierte mit brüchig gewordenen Stimmen den „Roten Wedding“ von Ernst Busch und ergaben sich in Revolutionsromantik.
Selbstbewusster traten da die Mitglieder der Linkspartei auf. Neidisch bemerkte manch Sozialdemokrat die große Menge der angereisten Lafontaine- und Gysi-Anhänger: Jung gebliebene 50plusser mit großem Selbstbewusstsein. Noch vor ein paar Jahren waren viele von Ihnen noch selbst Mitglieder kleinster marxistischer Religionsgemeinschaften – nun sonnen sie sich im späten Erfolg. Manch einer mag der autoritären Linken diesen Erfolg gönnen, mir erscheint er wie ein Nachhall der 50er Jahre. Wieso thematisiert niemand die hohen Lohnnebenkosten, die hohen Steuern und Abgaben, die in Deutschland der größte Job-Killer sind. Viele der Politiker, die sich tränenreich für Nokia engagieren haben in den vergangenen Jahren alles getan, dem Standort die Wettbewerbsfähigkeit zu rauben. Statt Traditionsparolen wäre das ein echter Ansatz der Kritik und der Diskussion.

Rücktritt wegen Esoterik-Kritik?


Ob da Schüßler-Salze im Spiel waren? Foto: Flickr/laenulfean

 Ein Ratsmitglied in Gladbeck soll zurücktreten, weil er gegen staatlich finanzierte Werbeveranstaltungen für Esoterik ist.    

Liebe Leser unseres kleinen Blogs: Könnt Ihr Euch vorstellen, dass es Menschen gibt, die der festen Überzeugung sind, sie werden von einem Bier betrunken, dass so stark verdünnt ist, dass man keinen Alkohol mehr feststellen kann? Klar, die nennt man Tablettenabhängige und packt sie in ein Krankenhaus zur Entgiftung. Und was ist mit Leuten, die Stein und Bein darauf schwören, dass sie mit Stoffen heilen können, die so stark verdünnt sind, dass sie unterhalb jeder Nachweisgrenze liegen? Die heißen in Deutschland Heilpraktiker und die Mittel, die man nicht mehr feststellen kann – also eher die Nichtmittel – nennen sich homöopathische Medizin. In ein Krankenhaus weist man sie aber nicht ein.
Dass diese Heilmittel in einem naturwissenschaftlichen Sinn nicht existieren und ihre Wirkung nicht nachgewiesen werden kann, heißt im Übrigen nicht, dass sie nichts kosten – frei nach dem Motto „Schlechtes muss nicht billig sein“
Nun ist es schön, dass in einem freien Land jeder so viel Unfug treiben kann wie er will: Wer mag, kann sich mit heilenden Steinen bewerfen lassen, Eigenurin gleich literweise in sich hineinkippen oder auch von Schamanen helfen lassen, die mit Vornamen Gerd-Lothar heißen und in Bayern wohnen.
Was man offensichtlich in diesem Land nicht mehr tun darf, ist, darauf aufmerksam zu machen, dass Homöopathie reiner Unfug ist, dass Stoffe, die es nicht gibt, nicht wirken können und dass „Informationsveranstaltungen“ zu diesem Thema bitte schön nicht mit Steuergeldern finanziert werden sollen. Wir bauen ja auch keine Flughäfen für yogische Flieger.
Genau das tat Franz Wegener, ein Grünen Ratsherr in meiner Heimatstadt Gladbeck und ein alter Freund von mir. Einen Brief an die örtliche WAZ begann er mit der Überschrift „Kein Geld und Raum für Hokuspokus”. Was war geschehen? Im Januar fand in einem Kindergarten in Zweckel eine Veranstaltung zum Thema Schüßler-Salze statt. Referentin war die Heilpraktikerin Susanne Bolz. Die ist hochqualifiziert. Wikipedia zur Heilpraktikerprüfung: „Der schriftliche Teil ist ein Multiple-Choice-Test; er besteht in der Regel aus 60 Prüfungsfragen, von denen 45 richtig beantwortet werden müssen.“ OK, das sind fast doppelt so viele wie beim Modepführerschein.
Über Schüßler-Salze, das Thema der Veranstaltung, schreibt Wikipedia: „Schüßler-Salze sind alternativmedizinische Präparate von Mineralsalzen in homöopathischer Dosierung (Potenzierung). Die Therapie mit ihnen basiert auf der Annahme, Krankheiten entstünden allgemein durch Störungen des Mineralhaushalts der Körperzellen und könnten durch homöopathische Gaben von Mineralien geheilt werden. Diese Annahmen sind wissenschaftlich nicht anerkannt, eine Wirksamkeit der Schüßler-Salze ist nicht nachgewiesen.“ Eines von ihnen, das Magnesiumphosphat, kennt man auch als Lebensmittelzusatz unter dem schönen Namen E 343. Es wird gerne in Cola gepanscht und steht im Verdacht, Kinder rappelig zu machen (aber natürlich nicht, wenn man es so stark verdünnt, dass nichts davon mehr festzustellen ist.) Als studierter Historiker verpasste es Wegener auch nicht, auf den Zusammenhang von Nationalsozialismus und Esoterik hinzuweisen. Himmler war bekanntlich ein Anhänger der Homöopathie und ließ die SS noch während des zweiten Weltkriegs nach Thule, dem angeblichen nordischen Atlantis buddeln. Gefunden haben die Jünger Himmlers, der Hühnerzüchter und Massenmörder in einer Person war, natürlich nichts.
Wegener ging es darum, Kinder künftig davor zu schützen in die Hände von Heilern zu fallen, wenn es ernst wird. Gegen eine Informationsveranstaltung zum Thema Homöopathie hätte er sicher nichts einzuwenden gehabt, aber vielleicht eher unter dem Motto: „Wenn Eure Kinder krank sind bringt sie zu einem Arzt – Millionen Menschen hätten gerne diese Möglichkeit. Nutzt sie!“
Nun könnte man meinen die Kindergärtnerinnen, die zu der Esoterikveranstaltung eingeladen haben, würden im Augenblick mit einer Papiertüte über dem Kopf durch die Gladbecker Fußgängerzone laufen. Weit gefehlt. Der Elternrat des Kindergartens ist über Wegeners Äußerungen „schwer empört“ und in einem Kommentar im Lokalteil – der leider nicht online ist – bemerkt der WAZ-Autor „Es sind schon Ratspolitiker aus geringeren Gründen zurückgetreten.“ Ja, ich 1996 – weil ich nach Bochum gezogen bin. Heute weiß ich einmal mehr warum.

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Skarneval 08 / The Dog & Pony Show

Skarneval 2008      The Dog and Pony Show

Zwei völlig subjektive Konzertempfehlungen für dieses Wochenende:

Ska-Fans sollten sich heute – Freitag, 8. Februar – um 20.00 Uhr im FZW in Dortmund-West sehen lassen:
dort findet der SKARNEVAL 2008 statt, mit RUDE & VISSER a.k.a. MR REVIEW (NL) und THE BIG (UK), erstere drücken gut auf’s Tempo, letztere mischen Two Tone Ska, Rocksteady & Reggae. Das Aufwärmprogramm übernimmt DEFERRED SUCESS – ein Mann und seine Gitarre, irgendwo zwischen den Levellers und Billy Bragg.
Einlass: 19.00 Uhr. Abendkasse: 13€

Direkt anschliessend kann man direkt übergehen zur GOING UNDERGROUND Party in der Eve Bar Bochum, heute ab 23.00 Uhr, siehe den Blog-Eintrag vom Mittwoch, 6. Februar.

Morgen, Samstag 9. Februar beginnt ab 20.00 Uhr in der MATRIX in Bochum-Langendreer THE DOG & PONY SHOW mit gleich vier spacigen Indie-Rock-Bands plus noch unbekanntem Opening Act, wobei insbesondere MOTHER TONGUE (L.A.) und THE ANIMAL FIVE (Malmö) hervorzuheben wären was die Live-Qualitäten angeht. Ausserdem dabei: THE STRANGE DEATH OF LIBERAL ENGLAND (UK) und LOUIS LAMENT (Köln).
Verschafft euch einfach selbst einen Höreindruck auf dieser Seite.
Einlass: 19.00 Uhr. Abendkasse: ca 18€

Netzer der Woche: Marcel „Lachflash“ Koller

Screenshot reviersport.de

Begründung: Marcel Koller ist der Wochen-Netzer, weil
sich der Bochumer Trainer über den allerersten Bochumer Sieg im Weserstadion nach 37 Jahren
so ungemein mitreißend freuen kann, die Apres-Ski-gestählte Stimmungskanone aus der Schweiz, Hut ab!

Ja, man freut sich richtig mit, wenn Koller (in fröhlichem anthrazit-schwarz) sagt (dazu verschränkte Arme): "Nee, (kopschüttelnd) die Freude (fragend) ist da (Sorgenfalten) und das sieht man auch (Blick schweift …) – in den(… zum Fenster) Trainingseinheiten (Augen verdüstern sich), den Spielen, (nochmal leichtes Kopfschütteln) das hat eigentlich (Betonung, Pause) sehr viel Spaß gemacht (Augen zugekniffen).

PS: Der erste der Bochumer Versuche auf Bremer Boden einen Sieg zu erringen, endete 2:0 für Werder und fand 1971 statt. Genauer: Am Todestag von Nikita Chruschtschow – übrigens ein 11.9. (sic!)

Ring of Fire

Der Nokia- Betriebsrat  in Bochum kündigt für den kommenden Sonntag. eine Lichterkette um das Nokiawerk an. „Petrus meint es gut mit uns,“ so Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach, „für unseren >>Ring Of  Fire<< hat er uns ein Hochdruckgebiet beschert damit unsere Kerzen auch weithin sichtbar sind und vielleicht auch bis Finnland strahlen“. Erwartet werden mehrere tausend Teilnehmer, eingeladen sind alle Bürger. „Besonderen Dank gilt der IG-Metall, die diese Aktion veranstaltet“, so Achenbach, „Ab 14:00 Uhr starten wir, unsere Gewerkschaft hat ein tolles Programm vorbereitet.“ Von 13 bis 19 Uhr sind Busse vom Riemker Markt organisiert, bis dorthin fährt alle 10 Minuten die U35 vom Bochumer Bahnhof.

Bleibt alles anders…


Scheytt (rechts) auf der World Music Expo 2004 auf Zollverein

Kulturhauptstadtchef Oliver Scheytt hat den Slogan für Ruhr.2010 vorgestellt: "Bleibt alles anders" aus einem Stück von Grönemeyer, dessen Ruhrgebietsbegeisterung ihn bis nach London führte. Nach "Ein starkes Stück Deutschland" und der "Pott kocht" der dritte Slogan, der bundesweit beworben werden wird. Das geht, finde ich, in Ordnung, vor allem wenn man bedenkt, aus welchen Stücken sich die Slogansucher noch hätten bedienen können, um das Revier zu charakterisieren:

"Die meisten Menschen wollen nicht in Dortmund leben sondern essen" Rio Reiser, Alles Lüge
"Wir sind das Ruhrgebiet", Wolfgang Petry, Wir sind das Ruhrgebiet
"Es liegt ein Grauschleier über der Stadt" Fehlfarben, Grauschleier
"And I´m not afraid to die" Nick Cave, Mercy Seat
"Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt" Becher-Hymne

Wir hatten Glück…

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Shop-Test: Die kleine Apple-Kirche in Langendreer

Foto: Flickr/Sigalakos

Früher kaufte man Macs in Apple-Centern wie Schröder in Essen oder Kamp in Oberhausen: Lichte Räume, gefüllt mit schönen Rechnern und dazu Verkäufer, die einen beim Namen nannten. Heute kauft man Macs bei Gravis – oder bei Trytec in Bochum.

Ich: „Ich möchte gerne meine E-Gitarre an mein iBook G4 anschließen. Haben Sie da einen Adapter? Es gibt doch da so etwas für 42 Euro.“
Gravis-Berater: „Das geht leider nicht, dafür brauchen Sie ein externes Audiointerace, das kostet 250 Euro. Das iBook ist von sich aus nicht in der Lage, analoge Signale zu verarbeiten.“
Ich: „Das kann nicht sein. Könnte das iBook keine analogen Signale verarbeiten, würde das integrierte Mikrofon nicht funktionieren.“
Gravis-Berater: „Ich frag da mal meinen Chef!“
Pause…
Gravis Berater: „Mein Chef sagt, sie haben recht…“
Ich will mich nicht allzu laut über Gravis beklagen. Die Läden sind für ein Computergeschäft schön eingerichtet, strahlen zwar nicht das Flair der alten Apple-Center aus, aber dafür ist die Atmosphäre nicht mehr so arrogant. Vorbei die Zeiten, als mir eine Verkäufer bei Schröder erklärte, Apple sei wohl nicht meine Marke, weil ich nicht einsehen wollte 1991 900 Mark für einen 9-Nadel-Drucker auszugeben. Kurz drauf gab es Tintenstrahler von Apple für 710 Mark und der Verkäufer war immer wieder froh mich zu sehen.
Dann schlossen die Apple-Center und lange Zeit glaubte ich, dass es zu Gravis keine Alternative mehr gab. Bis ich Trytec entdeckte.
Im Verlag bekam ich vor wenigen Tagen einen neuen iMac, den ich natürlich, kaum war er da, abholen wollte. Geduld ist, gerade wenn es um Macs geht, nicht wirklich meine Stärke – und der neue Mac stand bei Trytec.
Also fuhr ich hin. Der Laden liegt in Bochum-Langendreer, der Eingang an der Seite eines Ärztehauses und dann muss man auch noch einen steile Treppe runter. Ich war skeptisch, entsprach doch dieses Ambiente nun wirklich nicht dem, was ich mit einem Apple-Händler traditionell verband.
Doch als ich die Tür öffnete, hatte ich ein Mac Paradies gefunden. Hier arbeiteten keine Verkäufer, hier waren Evangelisten am Werk, Prediger der reinen Apfel-Lehre. Als ich freundlich ablehnte, mir die neuen Bootcamp Funktionen erklären zu lassen („Ich brauche Bootcamp nicht. Warum soll ich einen nagelneuen Mac mit Windows besudeln?“) schlug mir eine Welle menschlicher Wärme entgegen.
Mit Begeisterung nahm ich die beiden Schreine an der Wand wahr, in denen seltene Apple-Relikte aus allen Jahrzehnten präsentiert wurden: Der Ur-Mac, Tassen mit Apple-Logo, die alte Steve Jobs Biografie aus dem GFA-Verlag und vieles mehr wurde hier liebevoll hinter Glas vor den Unbilden der Welt geschützt. Schnell kam man ins Gespräch. Ich lernte, das nicht nur das Powerbook 5300c, das ich 1996 erwarb und sdas päter noch lange bei Jamiri rumstand, richtig schlecht war, sondern auch das 190er – beide, so wurde mir erklärt, wären ja auch bei Acer gebaut worden. Acer, – Oh Gott, ich ahnte nicht, dass es damals, bevor St. Steve wiederkam, so schlecht um Apple gestanden hatte.
Es war nett bei Trytec. Ein ganzer Laden voller Mac-Experten, denen man die Begeisterung ansehen konnte. Trytec ist kein einfacher Laden sondern eine kleine Apple Kirche in Bochum Langendreer – und der wohl beste Ort im Ruhrgebiet, um einen Apple zu kaufen. Ich bin sicher, dass sie auch zu Konvertiten, Switchern, freundlich  sind – obwohl ich kein Taufbecken gesehen habe.

 

Linkspartei will Nokia verstaatlichen

 
Die Bochumer Abgeordnete der Linkspartei, Sevim Dagdelen, will das Nokia-Werk in Bochum verstaatlichen. Auf diese durchaus orginelle Idee kam Dagdelen wohl auch durch die großen Erfolge der DDR-Staatsbetriebe, deren Überlegenheit über die westlichen Konzerne ja 1989 offensichtlich wurde: Wo wäre Bayer heute, wenn es nicht von den Leuna-Werken übernommen worden wäre? Und VW? Haben nicht die modernen Produktionsmethoden und die ausgebuffte Managementtricks aus dem Haus VEB Sachsenring die Wolfsburger vor dem Abgrund gerettet? Und waren wir nicht erstaunt als die Mauer fiel und wir das erste Mal nach „Drüben“ durften? Ich erinnere mich noch gut daran, wie es war, als ich 1990 das erste Mal in Zittau ein DDR-Obstgeschäft betreten durfte: Es gab Äpfel und Weißkohl, aber auch eine große Zahl an Äpfeln. Wer wollte konnte natürlich auch Weißkohl bekommen. Und schließlich gab es ja auch noch Äpfel. Und die Weißkohlfreunde kamen sowieso auf ihre Kosten.

In den 80er Jahren war für mich auch der Besuch des Robotron-Standes auf der CeBit der Höhepunkt jedes Messebesuches: Mechanische Schreibmaschinen und erfahrene Kämpferinnen der Erntefront als Messehostessen – das hatte sonst niemand zu bieten. In Bochum werden sie sich auf jeden Fall freuen, wenn sie Dank der Beratung durch eine erfahrene Kaderleitung dann bald statt schnöder Handys flotte tragbare Röhrentelefone bauen dürfen.