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Von WĂ€schewagen-Randalen zur Party auf Malle – wozu noch Zivildienst?

Inspiriert von den Wäschewagen-Randalen des Kollegen Meiser einige grundsätzlichere Gedanken zum Thema Zivildienst, und warum man dieses Relikt aus dem Kalten Krieg abschaffen sollte. Oder einfach nur zwei Kategorien, in denen man das diskutieren kann. Erst die Moral, wie es sich gehört, dann die volkswirtschaftlichen Ineffizienzen.

Zivildienst ist ungerecht, denn nur die Hälfte muss ihn machen. Frauen nicht. (Das einzig valide Gegenargument, das ich zu diesem Punkt bisher gehört habe: Frauen müssen mit ihrer Lebenszeit haushalten, weil sie nicht ewig Kinder bekommen können. Dass Frauen und Familien Kinder und Beruf hinbekommen, ist für mich eine unserer großen Herausforderungen. Wir brauchen Kinder. Was letzlich mehr wiegt, weiß ich nicht.)

Es gibt also keine Wehrgerechtigkeit, nur etwas über der Hälfte der Hälfte muss den Dienst leisten, denn weniger als zwei Drittel der Männer eines Jahrgangs leisten Wehr- oder Zivildienst.

Zur Wirtschaft. Ohne Zivildienst hätten wir nach einer Anpassungsphase einen Jahrgang mehr im Arbeitsmarkt (minus Wehrungerechtigkeit!). Das erhöht die Lebensarbeitszeit und entlastet die Rentenkassen. Es ist ein verlorenes Jahr für junge Leute im besten Alter, in dem sie Ausbildung und Bildung vertiefen können. Wer Leichen im Krankenhaus umher schiebt, nimmt von mir aus etwas fürs Leben mit. Hört man auch mal als Argument. (Wer nach der Schule nicht weiß, wo er hin will, kann ja immer noch ein FSJ machen.) Aber im globalen Wettbewerb ist Bildung und Ausbildung wichtiger.

Wenn ich jemandem etwas umsonst gebe, der sich dran gewöhnt, kommt er nicht mehr davon los: Träger werden heulen und zetern und fluchen, dass sie nicht auf die billigen Arbeitskräfte verzichten können. Aber billige Arbeitskräfte werden nicht effektiv eingesetzt. Eben weil sie billig sind. Grundlegendes Prinzip der Wirtschaft.

Reguläre Arbeitskräfte sind sehr viel teurer. Aber wieviel produktiver sind sie, wenn sie über Jahre aufgebaut werden, Wissen ansammlen, sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren? Wie produktiv ist ein Zivi, der in der Woche direkt aus der Disko halbwegs ausgenüchtert beim Dienst aufschlägt? Kann von seinem Arbeitgeber ja nicht wirklich belangt? Der Zivildienst ist ein Jahr mit viel Party und wenig Verantwortung.

Ich habe keinen blassen Schimmer von Krankenhaus-Management, aber mich würde interessieren, wieviele reguläre Arbeitsplätze durch den Wegfall von zehn Zivistellen entstehen würden. Sagen wir mal zwei – das sind halbwegs sozialversicherte Jobs, die Steuern bringen. Mit in die volkswirtschaftliche Bilanz müsste einfließen, dass zehn jungen Leuten ein Jahr lang etwas beigebracht werden kann. Oder sie arbeiten und zahlen auch Steuern.

Zivis dürfen nicht in der Verwaltung eingesetzt werden – in der Praxis hört man aber immer wieder, dass das geschieht. Oder, sicherlich ein extremer Fall: Zivis organisieren in einem Altenheim für Millionäre das hauseigene Café – und verprassen ihre Trinkgelder an Wochenenden beim Skifahren in den Alpen oder auf Mallorca. Ist das Sinn der Sache? Solche Dienstleistungen sollten wirklich von der Wirtschaft bezogen werden, das schafft Arbeitsplätze in der Gastronomie.

Leider kann man den Zivildienst nicht isoliert von der Wehrpolitik betrachten. Eine Wehrpflichtigenarmee liegt mir eher als eine Berufsarmee. Wir sind eine Wissensgesellschaft (oder haben diesen Anspruch), in der jeder Mann und jede Frau an einer Waffe eine Verschwendung ist, aber wer weiß, wie die Welt in fünfzig oder hundert Jahren aussieht. Irgendwann brauchen wir wieder eine Armee, die in der Gesellschaft verankert ist. Aber man sollte nicht die Augen vor den Fragwürdigkeiten des Zivildiensts verschließen.

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Der ewige Opel-Patient

Bochum muss nach dem geplatzten Deal mal wieder um seine Jobs beim Autobauer bangen

Foto: Ruhrbarone

Bochum. Als sich morgens um kurz vor sechs Uhr die Kameras auf ihn richteten wusste Daniel Hadert sofort: Sein Job ist in Gefahr. „Es ist die fünfte Krise die ich durchmache“, sagt der 42-Jährige Bandarbeiter bei Opel. Aber diesmal sei alles noch viel schlimmer. In der ersten Schicht des Tages sei es still gewesen unter den Opelaner. „Was sollen wir denn noch sagen?“, fragt der schlaksige Mann.

Vielen Arbeitern scheinen am Tag nach der überraschenden Wende von General Motors die Worte zu fehlen. Beim Schichtwechsel rennen sie im Nieselregen zu ihren vorm Werkstor geparkten Astras und Omegas. Sie kennen die Rituale der Krise, die fragenden Reporter, die Kameras. Vor wenigen Monaten erst bangten sie um einen Milliardenkredit der Bundesregierung, dann hofften sie auf einen Verkauf an Magna. Nun beginnt das Spiel von vorne.

„Reine Veräppelung war alles“, sagt Ralf Beneke und setzt sich in seinen historischen und giftgrünen Ascona. Unter der Belegschaft blühen inzwischen ganz eigene Theorien über den geplatzten Deal. „Es ist doch sonnenklar, dass ein Amerikaner einem Russen nichts verkauft“, sagt Beneke. Und die Bundesregierung habe nur versucht, sich über die Wahl zu retten. „Das ist ein ganz übles Spiel“, sagt er und macht mit dem Zeigefinger das Kotzzeichen. Seiner Meinung nach sollte nun nicht mehr über Lohnzugeständnisse verhandelt werden. „Wir haben die letzten zehn Jahre verzichtet und gebracht hat das gar nichts“, sagt er aufgebracht. Am Ende würden alle nur weniger Arbeitslosengeld bekommen. Die Bochumer sind ausgelaugt. Sie haben das Gefühl, bei ihnen würde immer als erstes gespart, schlimmer als am Hauptwerk in Rüsselsheim. „Wir sind am Ende der Kette“, sagt Beneke.

In der Krise sind die Opel-Arbeiter zwischenzeitlich immer mal wieder zu Konkurrenten geworden. Schon immer hat General Motors versucht die einzelnen Werke gegeneinander auszuspielen. Dabei hat bislang jedes Werk bluten müssen. Knapp 6000 Menschen arbeiten bei Opel in Bochum, 35 Betriebsräte wachen über die Löhne und Stellen. Früher eine dankbare Aufgabe: Die zu Spitzenzeiten rund 25 000 Arbeiter verdienten überdurchschnittlich, hatten viele Urlaubstage und jedes Jahr mehr Kollegen. Seit 15 Jahren kriselt es. Betriebsrätin Annegret Gärtner-Leymann fordert nun eine harte Reaktion. „Wir können nicht nur zwei Stunden lang die Arbeit nieder legen und dann wird alles gut“, sagt sie mit Blick auf die so genannten „Informationsveranstaltungen“, die am heutigen Donnerstag republikweit stattfinden sollen. Jetzt müssten alle Werke in Europa zusammen stehen. „Wir werden um wirklich jeden Arbeitsplatz kämpfen“, so die Betriebsrätin. Ein bloßer Erhalt der Standorte sage noch gar nichts aus. „Das kann auch heißen das nur noch der Pförtner dort rumsitzt.“ Jahrelanges Feilschen um Stellen und Geld haben die Arbeitnehmervertreterin misstrauisch gemacht.

Vor vier Jahren waren sie noch mächtiger. Mit ihrem wilden Streik hatten sie damals die Produktion in Europa lahm legen können. Diese Druckmittel sind nun verschwunden– General Motors hat nach dem eindrucksvollen Arbeitskampf die Produktion der Werke unabhängig gemacht. Aus Bochum kommen nur noch einige Pressteile für England und Antwerpen. Nun können die Bochumer nur noch ihre eigenen Bänder still legen.

Eine bedrohliche Situation in einer Stadt, die erst im vergangenen Jahr 2500 Jobs bei Nokia verloren hat. Opel ist – neben der Ruhruniversität- der größte Arbeitgeber der Ruhrgebietskommune. Das Opelwerk ist für das Ruhrgebiet nicht einfach nur eine Fabrik. Es war seit der Ansiedlung in den 1960er Jahren ein Symbol für den Strukturwandel, für eine Zukunft nach der Zeche, auf deren Grundstücken die Werke hochgezogen wurden.

Heute reisen Politiker nur noch zu Krisengifpel an. Am heutigen Donnerstag werden sie sich wieder am Werkstor drängeln. Wie vor einigen Monaten und wie vor einigen Jahren. Karina Pietrowska wird dieses Mal nicht dabei sein. Die Produktprüferin „kann nicht mehr.“ Die zierliche Frau mit den wasserstoffblonden kurzen Haaren arbeitet seit zwanzig Jahren bei Opel, auch ihr Schwager und ein Onkel stehen in Bochum am Band. „Wir stehen ständig kurz vor dem Tod“, sagt sie und schließt demonstrativ ihre Augen. An eine neuerliche Wiederbelebung glaubt Pietrowska nicht mehr.

Ruhr oder Berlin Teil 5 – KreativitĂ€t und Provinz

Die Provinz ist für den oder die Kreative/n ein hartes Pflaster, wie man es im Ruhrgebiet bestens studieren kann. Wer hier gegen die Konventionen verstößt konnte es lange Zeit nur unter Einkalkulierung seines  eigenen Untergangs tun. Die kulturelle und politische Hegemonie der Sozialdemokratie vereint mit der ökonomische Dominanz des Montanindustriellen Komplexes hat selbst noch zu Zeiten der IBA-Emscherpark bei den dort leitend Aktiven die Frage hervor gerufen , ob „Innovationen in einem strukturell innovationsfeindlichen Milieu“  überhaupt durchzusetzen sind.

Dass sich dann die städtebaulichen Erneuerer zwar durchsetzten, sich dabei selbst jedoch gegen jede äußere und öffentliche Kritik abschotteten, zeigte, dass in der Provinz selbst die Kreativen, und als solche sind die Leute um Karl Ganser sicher zu bezeichnen gewesen, den übergeordneten Gesetzen der Provinz zu fügen haben bzw. diese sich in deren Hinterkopf unhinterfragt, wenn nicht sogar unbewusst wieder einnisten.

Was der Provinzkreative aber eher lernt als der metropolitane Erneuerer ist Subversion und Durchhaltevermögen. Insofern sollte jeder Kreative in seinem Leben zumindest einige Jahre in der Provinz verbringen ehe er/sie sich zum Beispiel nach Berlin zu gehen traut. Da ist es nämlich im Ernstfall nicht viel besser. Genauer gesagt ist in der Metropole nur das Klima innovationsfreundlicher, nicht die realen Verhältnisse.

Da ein gutes Klima nicht zu unterschätzen ist, trifft man dort auch mehr Menschen, die es brauchen. Da es aber nicht ausreicht, wenn nicht auch Aufträge auf einen warten, die einen ernähren, wird diese Gruppe gerade in Berlin immer wieder um die dezimiert, die letztlich von ihrer Kreativität auch zu leben gezwungen sind . Nach einigen Jahren struktureller Unterbezahlung sind sie zum Tausch von richtigen Aufträgen gegen innovatives Klima gezwungen, sprich dazu, Berlin wieder zu verlassen.

Die, die erst gar nicht aus dem Ruhrgebiet weggehen, haben jedoch häufig weder ein förderliches Klima noch Aufträge. Zumindest nicht von außerhalb der Agglomeration. Egal wie viele Preise und Fachrenommee sie erobern, die Städte im Ruhrgebiet sind für sie keine gute Adresse, wenn man sich außerhalb um Aufträge bemüht. Und selbst innerhalb der Ruhrstadt werden die Bewerber aus den metropolitanen Kreativstädten systematisch bevorzugt . Selbst bei den Machern der Kulturhauptstadt. Selbst bei denen, die sich dort speziell der Förderung des Kreativen verschrieben haben. Bei der IBA-Emscherpark war es übrigens auch schon so.

Was also ist zu tun? Soll man bleiben oder gehen? Und was macht man wenn man nicht gehen will oder kann? Wie kommt man dann im Ruhrgebiet an Aufträge die einen in Dimension und Aufgabenstellung wirklich voran bringen? Wie kommt man hier in die Liga, die auch in den Metropolen chancenreich mitbieten kann?  Die Aufträge die das fördern gibt es nämlich auch hier.

Ob dabei die vom Gorny-Team kreierten Kreativquartiere helfen, werden wir in den nächsten Jahren erst feststellen können. Ich bin da eher skeptisch. Auf jeden Fall werden von den jetzt geplanten nur wenige überbleiben bzw. den Namen wirklich verdienen. Aber die von der gleichen Truppe dadurch vorangetriebene  lokale und regionale Vernetzung zeigt jetzt schon unbestreitbare Erfolge. Ja sie verändert sogar schon etwas das so viel gerühmte Klima, in dem sie das Thema kulturstadtrelevant gemacht hat. Es wurde noch nie so viel über die Rolle der Kreativität für die Zukunft des Ruhrgebietes diskutiert wie jetzt.

Manchmal kann ich mich sogar des Eindrucks nicht erwehren, dass es mittlerweile mehr Menschen in der Ruhrstadt gibt, die ihre Kreativen suchen, beobachten und analysieren als Kreative selbst. Nichtsdestotrotz bewegt sich die Provinz wenigstens hier ein Stück in Richtung Metropole.

 

H1N1 in EN – ein Impfversuch in Witten

Heute habe ich versucht, in Witten einen Termin für die Impfung gegen die "Schweinegrippe"zu bekommen und hier folgt mein Bericht.

Es gibt einige Gründe, gegen und für diese Impfung zu sein, googled Euch die bitte selbst zusammen, ich habe wollte mich jedenfalls aus folgenden Gründen für eine Impfung entscheiden:

1. Wir haben viele Kinder unter zwei Jahren in unserer Umgebung.

2. Wir haben ein herzkrankes Kind in unserem Umfeld

3. Auch wenn ich weiß, dass ich eine Infektion mit dem H1N1-Virus wohl überstehen würde (toi, toi, toi) finde ich es ganz nett, andere, von denen ich nicht weiß, ob sie das schaffen, nicht anzustecken.

Aus diesen Gründen wollte ich mal herausfinden, wie das denn wohl so geht, hier in Witten im EN-Kreis. Gefragt war eine Impfung für Erwachsene und unsere zwei Kinder. Und das ging in Witten so: Ich rufe im Sprechzimmer unserer Kinderärztin an. Dort bekomme ich mitgeteilt, dass man sich entschieden habe, diese Impfung für Kinder nicht anzubieten, da unserer Ärztin die bisherigen Tests des Impfstoffes nicht ausreichen. Ok, denke ich, die ist ein bisschen alternativ angehaucht, das kenne ich ja von ihr.

Als nächstes also ein Anruf bei der zuständigen Kreisbehörde in Schwelm. Der Kollege vom Gesundheitsamt Schwelm teilt mir mit, dass er keine Ahnung habe, welche Kinderärzte in Witten diese Impfung anbieten, gibt mir aber eine Web-Adresse (PDF) und eine Telefonnummer von einer Kollegin, die sich in Witten "auskenne". Ihr ahnt schon, dass das PDF nicht deutlich macht, ob jemand Kinderarzt ist, oder nicht, oder?

Egal, weiter geht’s. Ich erreiche seine Kollegin nicht – "Außentermin" – aber einen Kollegen der Kollegin. Der sagt mir, dass es in Witten und Umgebung nur wenige Kinderärzte gebe, die die Impfung druchführen würden. "Macht nix", sage ich, "einer mit zwei Spritzen reicht mir". Auch den oder die gibt es nicht, sagt mit der Gesundheitsmann zerknirscht am Telefon. Alle Kinderärzte in Witten hätten gegen die Imfung Vorbehalte gehabt und böten diese deshalb nicht an.

Ok, Anthro-Stadt, denke ich, also weiter nach…Sprockhövel. "Was ist mit Kinderärzten in Sprockhövel?" verlange ich nach Adjuvanzien. "Hmm…, Gynäkologin, …Allgemeinmediziner… nein, leider nicht", sagt der Gesundheitsmann. Er erklärt mir noch, dass das Gesundheitsamt selbst wegen der schnellen Verfallsdauer des Impfstoffes keine Impfungen durchführt. Daraufhin beende ich das Telefonat.

Ok, denke ich, wenn ich die Kinder in Witten schon nicht impfen lassen kann, dann will ich sie wenigstens nicht anstecken. Ich rufe bei meiner Diabetologin (bin Diabetiker) an. Die ist zusätzlich auf alte Leute spezialisiert, müsste den Impfstoff also eigentlich Eimerweise haben. Außerdem steht sie im PDF der Kreisgesundheitsbehörde. "Hallo, ich würde gerne einen Impftermin ausmachen. Ich bräuchte eine Impfung gegen H1N1."

Die gute Dame Arzthelferin reagiert äußerst routiniert. "Jaha. Machen Sie das. Kommen Sie hier vorbei, tragen Sie sich in die Warteliste ein. Dann machen wir hier einen Termin. Dann nehmen Sie den Merkzettel mit nach Hause und dann unterschreiben Sie das beiliegende Formular. Das bringen Sie dann bitte zum vereinbarten Termin wieder mit". Aha. Kurze Denkpause meinerseits und dann ein letzter Versuch: "Kann ich telefonisch keinen Termin ausmachen?" "Nein", sagte die gute Dame, "zuerst müssen Sie persönlich das Merkblatt und die Einwiliigung abholen".

Ok. Vielleicht ist meine Ärztin zu sehr beschäftigt. Also nochmal die Kreisgesundheitsbehörde. "Ja, das machen alle Ärzte in Witten so. Weil der Impfstoff noch nicht so erprobt ist. Das ist ja schließlich keine Tetanus-Impfung, da wollen die Ärzte sich schon absichern wegen der Folgen und eine unterschriebene Einverständniserklärung haben", sagt der Mann vom Amt. Außerdem würden diese Wartelisten geführt, damit von den Impfdosen keine ungenutzt weggeworfen werden müsse, schließlich seien diese nach dem Öffnen nur rund 12 Stunden haltbar und sollten dementsprechend auch aufgebraucht werden.

Ich bin jetzt jedenfalls kuriert und freue mich auf Eure Erfahrungen aus den anderen Städten. Komm‘ doch, Grippe, ich hau Dich mit Bürokratie kaputt!

Presseschau Migration/Integration aus dem Oktober 09

Foto: Beate Moser

Das Ruhrgebiet ist die größte Einwanderungsregion Europas. Da kann es nichts schaden manchmal über den Tellerrand zu schauen, wie es in der Einwanderungs-, Integrations- und Flüchtlingspolitik zugeht. An dieser Stelle erscheint ca. einmal im Monat eine Presseschau zu diesem Thema. Sie erhebt keinen Anspruch auf enzyklopädische Vollständigkeit, sie enthält Texte, die aus meiner Sicht für – die oftmals kontroverse – Debatte in diesem Themenbereich von Interesse sind. Die Aufnahme von Texten bedeutet keine Identifikation mit ihren inhaltlichen Aussagen. Auf den Link klicken führt zum Text.

Zum unvermeidlichen Sarrazin nur das hier: Ratschläge und Erkenntnisse zum Problem der Unterschicht (Telepolis)

Das Essener "Zentrum für Türkeistudien" widerspricht der These von der gescheiterten Integration (Zeit)

Die NRZ berichtet über die Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh und derwesten.de hat die Kommentarfunktion mal wieder abgeschaltet (derwesten.de), und hier über die Moschee in Berlin-Heinersdorf (Tagesspiegel)

Jugendliche Doppelstaatler müssen sich für eine Staatsbürgerschaft entscheiden (Zeit)

Immer mehr türkischstämmige Akademiker wollen Deutschland verlassen (Telepolis)

Ein Berliner Sozialarbeiter fordert ein integrationspolitisches "Rettungsprogramm wie bei den Banken" (KStA)

Die taz über die Selbstvermarktung des SPD-Bezirksbürgermeisters von Berlin-Neukölln Buschkowsky (taz), Die FAZ sieht dort eine Parallelgesellschaft – wie Buschkowsky (FAZ), Ambros Waibel meint, Westdeutschland solle Neukölln endlich in Ruhe lassen (taz), Duisburgs Dezernent Dressler findet türkische Stadtteile gut, auch hier mit abgeschalteter Kommentarfunktion (derwesten.de)

Daniel Bax kommentiert den Prozessbeginn zum Mord an Marwa El Sherbini in Dresden (taz)

Die FR dokumentiert Passagen aus einem Buch und Theaterstück über Jugendszenen in Bonn-Bad Godesberg, das aufgrund der quasi entanonymisierten Statements für viel Stress bei den Betroffenen gesorgt hat (FR)

Ein junger Türke über sein früheres Gangstertum in Berlin (Berl. Zt.)

derwesten.de berichtet über binationale Paare und hat diesmal die Kommentarfunktion nicht abgeschaltet (derwesten.de)

Türkische Frauen über ihre Sexualität, Interview mit der Buchautorin Hülya Adak (Süddeutsche)

Deutschland will 10.000 Roma ins Kosovo abschieben (Jungle World)

Operiert ein ruandischer Völkermörder von Deutschland aus? (taz), hier eine Reportage über das Kigali von heute (Tagesspiegel)

Ist Bundesgesundheitsminister Rösler "für immer Asiat"? (taz)

Ein Pro und Contra zum "Schwarz-Somalier" Wallraff (taz), die schwarze Autorin Sheila Mysorekar reagiert darauf verständnislos (taz), ebenso Sven Mekarides vom Berliner Afrika-Rat (Tagesspiegel), sowie weitere schwarze Deutsche (Sp-on), Wallraffs Originatext aus der "Zeit" hier (Zeit)

"Die Zeit" über einen "neuen Cem Özdemir" (Zeit)

Ein weiteres Interview mit der deutschen Fußballnationalspielerin Lira Bajramaj, diesmal von Roger Willemsen (Zeit), ein Porträt des malischen Nationalspielers Frederic Kanoute, der beim FC Sevilla spielt (taz) und weitere Begeisterung über Mesut Özil (FAZ), der meint, sein Ballgefühl sei "türkisch" (Tagesspiegel)

Barack Obama – ein konsensfixierter Zauderer? (Berl. Zt.), das sei eine Täuschung von Linken mit der Lust am Scheitern, meint Robert Misik (taz)

Kurdische Frauenorganisationen machen Kampagne gegen Ehrenmorde (Junge Welt)

In Italien gibt es – sehr spät, aber immerhin – einen Frauenaufstand gegen Berlusconi (Berl. Zt.)

Strukturwandel in Wien: Wird der Ortsteil Ottakring zu einer "Republik Bionade"? (Zeit)

Wie Müllrecycling in Istanbul funktioniert (Freitag)

Die taz berichtet über eine LeserInnenreise in die Kulturkampfmetropole-Istanbul (taz), dazu ein Interview mit dem Reiseführer (taz)

Wie die "Schweinegrippe", die nichts mit Schweinen zu tun hat, in Kairo für "Strukturwandel" und soziale Verwerfungen gesorgt hat (FAZ)

Wie man in Dänemark gutes Fernsehen macht: "Protectors" , z.Z. sonntags 22 h im ZDF (taz)

Was der Westen von China lernen kann (taz)

Reza Hajatpour über Probleme islamischer Theologie (FAZ)

Partynächte in Teheran, Kairo und Damaskus (Sp-on)

 

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Afghanischer RĂŒckzieher

Foto: Flickr.com/Canada en Afghanistan

Die afghanische Wahlfarce ist vorüber. Endlich. Der afghanische Präsident Hamid Karzai und dessen Herausforderer Abdullah Abdullah einigten sich auf den strategischen Rückzug. Abdullah tritt nicht zur Stichwahl an und Karzai bleibt Präsident. Der strategische Rückzug hat in dem langjährigen afghanischen Bürgerkrieg Tradition. Er ist seit vielen Jahren fester Bestandteil der militärischen Auseinandersetzung am Hindkusch. Die gegnerischen Führer bauen ihre Truppen auf, dann beginnt ein Raketenbeschuss, und danach zieht sich in der Regel einer der Feldkommandanten samt Armee zurück und der andere besetzt die beanspruchte Stadt oder Provinz. Eine offene und zudem verlustreiche Feldschlacht wird, wenn es denn irgendwie geht, in Afghanistan vermieden.

Kabul, Kunduz, Herat oder Masar-e-sharif wechselten so viele Male ihre Herren. Die Anführer im afghanischen Bürgerkrieg Achmed Shah Massud, Raschid Dostum oder Gulbuddin Hekmatyar waren allesamt Rückzugsvirtuosen. Und ein Rückzug macht ja auch Sinn. Der Kommandant verliert zwar für einige Zeit einen Streifen Land, aber er behält den Anspruch aufrecht und hat die Truppen gerettet. Der Feldkommandant, der seine Truppen in die Berge ziehen lässt, kann immer behaupten, dass er ungeschlagen sei und im Grunde sogar der eigentliche Sieger, den allein die Umstände zum Rückzug gezwungen haben.

Er hat sein Gesicht gewahrt und kann  zudem noch auf Augenhöhe mit der Gegenseite, die nach dessen Rückzug die Kontrolle der jeweiligen Provinz oder Stadt  übernommen hat, verhandeln. Auch die Gegenseite ist erleichtert, dass ihr ein verlustreicher Kampf erspart geblieben ist, und  daher dem Anführer, der samt Armee in die Berge gezogen ist, zu Dank verpflichtet.

Nach diesem Drehbuch haben Karzai und Abdullah das Wahlspektakel am Hindkusch beendet und dem Land eine Tod und Verderben bringende Stichwahl erspart. Der Präsidentschaftswahlgang in dem von einem Bürgerkrieg zerrissenen Land war von Anfang ein gefährlicher Unsinn. Der Urnengang wurde durchgeführt, damit der Westen die Visionen von einem friedlichen Aufbau in Afghanistan ausleben konnte. Es ist der Klugheit Abdullahs und Karzei zu verdanken, dass sie diesen Rausch auf einer sehr afghanischen Weise beendeten. Über Abdullah müssen wir uns übrigens keine Sorgen machen. Ich bin sicher, dass er bald einen wichtigen Posten von Karzai übertragen bekommt.

Nun wäre es höchste Zeit für die USA, die Nato und Deutschland die Atempause zu nutzen und Realitäten in Afghanistan anzuerkennen:

I. In Afghanistan herrscht Bürgerkrieg

II. In diesem Bürgerkrieg sind internationale Truppen keine Aufbauhelfer sondern Kriegspartei

III.  Wahlgänge in einem Bürgerkrieg, die nur von einer Kriegspartei getragen werden, haben keinen Nutzen

IV. Wenn man in einem Bürgerkrieg die Gegenseite nicht vernichten kann, muss man mit ihr verhandeln

VI. Die Taliban müssen für eine afghanische Friedensordnung als Verhandlungspartner anerkannt werden

VII. Nach Friedensverhandlungen sind Wahlen mit Beteiligung der Taliban abzuhalten

3 fĂŒr 7 – 3 Kulturtipps fĂŒr die nĂ€chsten 7 Tage

Menschen sind ja meist beschäftigt. Also braucht die Gesellschaft eine Art Schmiermittel, damit mensch schnell ins Träumen und/oder Kuscheln – oder so, genau – kommt. (Manche sogenannte Kreative leben professionell den ganzen Tag in diesen Schmiermitteln.) Nun kommt also historisch verspätet, aber irgendwie gerecht zu 2010 hin das Ruhrgebiet zu ganz viel Pop, Kultur und Popkultur. Es wurde – schon wegen dem alten Gedankenknast "Gorny = Rockbüro" – bisher viel auf Musik geachtet. Gut, auch auf Museales, Architektur und Design. Aber so sachte kommt das Thema "Film" verstärkt ins öffentliche Visier. (Ein bisschen spät für manche, aber naja.) Und in dieser Woche an dieser Stelle zudem auch ein schönes Musikspezialgebiet, das im Ruhrgebiet schon immer schön geschmiert hat: Schlager. (Für Porno wird an dieser Stelle nicht geworben!) Diesmal: Duisburger Filmwoche, Kitty Hoff und Jochen Distelmeyer.

Herbst/Winter, Aufschlag Duisburg. Eine schöne Gelegenheit an dieser Stelle endlich einmal wieder auf das Eck am Hundertmeister hinzuweisen, ein angenehmer, wenn auch nicht überbordernder Quell mittelschwerer Kultur in der Stadt mit dem Rhein (auch) dran. Der Autor fühlt sich in den letzten Wochen schon extrem Ruhr-Propaganda-kopfgewaschen und freut sich an dieser Stelle mitzuteilen, dass der Film "Ruhr" schon zur Eröffnung dieses Festivals deutschsprachiger Dokumentarfilme lief. Knapp eine Woche lang gibt es aber auch noch andere und anderes am Dellplatz.

Und damit könnte man jetzt – wie z.B. im Prinz – mal so eine schicke Gegenüberstellung machen: Kitty vs. Jochen. Beide kommen aus NRW (, oder?). Beide sind wieder mit Band auf Tour! Beide singen über Erfahrungen und Nicht-Erfahrungen im Zwischenmenschlichen, geben sich aber auch gesellschaftspolitisch bewusst. Sie wendet sich eher dem Kammerorchestral/Jazzigen bis Caféhaftem, er eher dem Poprockigen bis KleineHallen-mäßigen zu. "Schlager" war ja früher mal, wenn nichts in einem Lied über Partnerschaft, Party oder Folklore hinausweist. Dies umgehen beide recht geschickt, Jochen hat aber mehr die deutschen Kulturarbeiter im Rücken, die er vom Scheitel über das Hemd, Zitatfreundlichkeit, Feuilleton-Affinität und Popakademie-Kompatibilität besser bedient. "Schlager" war ja auch schon immer etwas sehr Deutsches, Piefiges, insofern kann Kitty (Foto: Promo) zugute gehalten werden, dass sie eher Chanson macht und Jochen, dass er vielen hiesigen jungen Wilden den Weg in ein irgendwie machbares Leben gewiesen hat, in dem sich das Private auch mal schön politisch anfühlen darf. Kann halt zugute gehalten werden, muss aber nicht. Wir sind ja nicht im Kino hier. (Mieses Ende des Artikels, also: Zugabe.)

Duisburger Filmwoche noch bis kommenden Sonntag.
Kitty Hoff & Forêt-Noire am Dienstag im Ebertbad, am Mittwoch im Rex-Theater und am Donnerstag im Savoy-Theater.
Jochen Distelmeyer (und Band) am Donnerstag im FZW und am Samstag im Ringlokschuppen.