
Viktor Orbán und deutsche Intellektuelle fordern, eine Verhandlungslösung mit Russland zu finden, um den Krieg in der Ukraine rasch zu beenden. Solche Forderungen zeigen, dass wir mit der russischen Kultur des Lügens, des vranyo (враньё), nicht vertraut sind. Im Gegenteil, deutsche Putin-Freunde haben selbst schon die Kultur des Lügens übernommen, indem sie Verschwörungstheorien konstruieren, die dazu beitragen, dass die Wahrheit an sich destruiert wird. Welchen Wert hätte überhaupt ein Friedensvertrag, der mit einem habituellen Lügner abgeschlossen würde? Unser Gastautor Volker Eichener ist Professor für Politikwissenschaft an der Hochschule Düsseldorf.
„Es wird nie mehr gelogen als vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd“ lautet der Ausspruch eines nicht namentlich genannten konservativen Politikers aus dem Jahr 1879, der fälschlich Bismarck zugeschrieben wird. „Alle Politiker lügen gelegentlich, sowohl auf der Linken als auch auf der Rechten, sowohl Etablierte als auch Außenseiter. Die Wahrheit für einen politischen Vorteil zu verbiegen, ist so alt wie die Politik selbst“ schreibt die Journalistin Heidi Skjeseth von der Universität Oxford. Wenn nur gelegentlich gelogen wird, können dies die Medien und die Opponenten meist durch Faktenchecks aufdecken. Wahlkampflügen lässt man durchgehen, aber wenn ein Minister das Parlament belügt, ist meist ein Rücktritt fällig. Politiker der politischen Mitte mögen gelegentlich lügen, Autokraten lügen notorisch. Autokraten müssen lügen, denn, wenn sie die Wahrheit sagen würden, würden sie weder an die Macht kommen noch an der Macht bleiben.








