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RWE: neuer Trubel in Holland

Als ich auf der Hauptversammlung des RWE in der vergangenen Woche den Chef des holländischen Versorgers Essent, Michiel Boersma, in einer der vorderen Reihen lächelnd sitzen sah, dachte ich: "OK, das Ding ist durch." Doch jetzt musste der Energieriese RWE überraschend Rückschläge bei der geplanten Übernahme von Essent einstecken.

Das Regionalparlament der Provinz Nord-Brabant sprach sich am Freitagabend knapp gegen die geplante 9,3-Mrd-Euro-Akquisition aus. Die niederländische Provinz hält 30,8 Prozent an Essent und ist damit der größte Anteilseigner. RWE hatte angekündigt, mindestens 80 Prozent der Essent-Anteile kaufen zu wollen. Ansonsten sei die Übernahme gescheitert. Ein RWE-Sprecher sagte, das Ergebnis der Abstimmung in Brabant werde bedauert. Der Konzern sei aber nach wie vor von seinem Angebot überzeugt.

Die Abstimmung des Regionalparlamentes in Brabant ist nicht bindend. Die Provinzregierung trifft aus eigener Kraft eine Entscheidung. Bislang hat die Administration den Verkauf an RWE unterstützt. Bei ihrer endgültigen Entscheidung am 12. Mai muss sie jetzt aber das Votum der Volksvertreter berücksichtigen. Darüber hinaus drohen ähnliche Abstimmungsprobleme in der Provinz Overijssel und der Stadt s-Hertogenbosch. Diese Kommunen halten zusammen knapp über 20 Prozent am holländischen Versorger. Auch hier sind die Mehrheiten nicht klar zu Gunsten des RWE. Die entsprechenden Entscheidungen fallen Mitte Mai.

Die Kritik am RWE wird unterstützt von der niederländischen Regierung. Bei der gebürtigen holländischen EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes wurde bereits eine offizielle Beschwerde gegen das Geschäft eingereicht. Die niederländische Regierung bemängelt, dass RWE im Gegensatz zu den holländischen Energieunternehmen immer noch Übertragungsnetze besitzt. Dies verzerre den Wettbewerb in den Niederlanden, heißt es, den Verbrauchern würden deshalb höhere Preise drohen.

Weitere Kritik kommt vom öffentlichen Stromversorger Delta, der gemeinsam mit Essent das niederländische Kernkraftwerk Borssele besitzt. Der Atommeiler muss nach holländischem Recht in öffentlichem Eigentum bleiben. RWE hat vorgeschlagen, nur den wirtschaftlichen Besitz an Borssele von Essent zu übernehmen. Rechtlich soll der Meiler in Händen der Städte und Provinzen verbleiben. Delta kritisiert dies als Augenwischerei. Ein Unternehmenssprecher kündigte rechtliche Schritte gegen den deutschen Konzern an.

Intern betrachtet RWE die Schwierigkeiten bislang als normale Probleme, die bei Großübernahmen auftreten können. Vorstandschef Jürgen Großmann hatte erst vor wenigen Tagen die Bedeutung des Geschäftes betont. Er zeigte sich zuversichtlich die Akquisition im dritten Quartal abschließen zu können. Ein RWE-Sprecher sagte, drei der fünf anderen Regionalparlamente hätten bereits die Annahme des Angebots empfohlen. Das Essent-Management befürwortet das Geschäft. Bei der RWE-Hauptversammlung applaudierte Essent-Chef Boersma demonstrativ der Rede Großmanns.

Unterdessen wird im Aufsichtsrat des RWE intensiv nach einer Lösung der momentanen Führungskrise nach dem Rückzug des bisherigen Aufsichtsratschefs Thomas Fischer gesucht. Da der Ex-Banker Fischer selbst einfaches Mitglied des RWE-Aufsichtsrates bleiben will, soll zunächst eine interne Lösung gefunden werden. Allerdings steht ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz wegen der Schwierigkeiten in seinem eigenen Konzern nicht zur Verfügung. Auch Allianz-Vorstand Paul Achleitner musste absagen. Die Versicherung Allianz duldet keine eigenen Spitzenkräfte als Aufsichtsratschefs anderer Konzerne. Der bisherige Favorit ist der frühere Bayer-Chef Manfred Schneider. Doch dieser wollte die Rolle als RWE-Aufsichtratschef bislang nicht übernehmen. Er sei als Chefkontrolleur der Konzerne Bayer und Linde voll ausgelastet. Nun heißt es aus dem Aufsichtsrat, dass auch nach einem „professionellen externen Kandidaten“ gesucht werden soll. Eine Vorentscheidung wird in der kommenden Woche erwartet.

Dass es so kommt, ist allerdings noch nicht sicher, denn der RWE-Aufsichtsrat ist zersplittert in drei Fraktionen, die oft gegeneinander arbeiten. Da sitzen zunächst vier Vertreter der städtischen Anteilseigner am RWE auf der Kapitalbank. Den anderen Kapitaleignern ist die Dominanz der Kommunen zunehmend ein Dorn im Auge. So heißt es im Gespräch, die Vertretung der Kommunen müsste eigentlich dem schwindenden Anteil der Städte am RWE-Grundkapital angepasst werden. Die Gemeinden halten fest organisiert nur noch rund 15 Prozent am RWE. Ein Aufsichtsrat der Kapitalbank schlägt deshalb vor, die Kommunen könnten sich doch auf einen Vertreter im RWE-Kontrollrat einigen. Schließlich würden die Bürgermeister sowieso nur versuchen, etwas für ihre Stadt rauszuholen.

Die Arbeitnehmerbank ist aufgegliedert in Interessenvertreter der Gewerkschaften IGBCE und Verdi, die teilweise zusammen, teilweise gegeneinander arbeiten und versuchen die Interessen der Belegschaft im Konzernumbau zu sichern. Und dann sitzen noch die Investoren des freien Aktienmarktes am Tisch. Diese Räte sind am ehesten daran interessiert, den RWE-Konzern flott zu halten und in eine neue Struktur zu gießen. Allerdings übergehen sie dabei manchmal die Interessen der beiden anderen Fraktionen.

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Angelika
Angelika
14 Jahre zuvor

Interessanter Artikel!

Die erwähnte EU-Kommissarin Neelie Kroes sollte man nicht unterschätzen …

In der Provinz Limburg ist anscheinend die Stimmung pro Verkauf an RWE, aber diese Provinz besitzt nur 16,1 % der Essent-Anteile.

https://www.limburg.nl/nl/html/algemeen/Home/DossierEssent.asp

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