Als Danuta Danielsson 1985 einem jungen schwedischen Nazi mit ihrer Handtasche auf den Kopf schlug, ahnte sie nicht, dass sie fotografiert wurde. Und dass das Bild sie zu einer internationalen Berühmtheit machen würde, der 30 Jahre später ein Denkmal gesetzt werden würde.
Seit November 2015 zeigt eine Statue auf der Varberg-Festung die ihre Handtasche schwingende Danuta. Davor hatte die Stadt Växjö es abgelehnt, Danielsson das Denmal der Künstlerin Susanna Arwin zu setzen – was zu internationalen Protesten geführt hatte. Dabei wäre die Geehrte vermutlich sehr unglücklich über die Statue und die Aufmerksamkeit gewesen.
Er habe damals ungefähr einen halben Meter von Danuta Danielsson entfernt gestanden, sagt der Fotograf Hans Runesson, der das berühmt gewordene Bild machte. „Es ging alles so schnell.“ Erst als der die Bilder entwickelt habe sei ihm aufgefallen, wie aggressiv die Stimmung auf dem Platz gewesen sei.
Die Kundgebung der „Nordiska rikspartiet“ in Växjö an diesem 13. April 1985 war zur größte Konfrontation zwischen Nazis und Linken in den achtziger Jahren geworden. „Vänstrepartiets Kommunisterna“ hatten eine Gegendemo angemeldet, zu der ungefähr 2000 Menschen erschienen waren. Das berühmte Bild entstand, als die Nazis sich auf den Weg zum Stortorget, zum zentralen Platz der Stadt gemacht hatten. Von dort wurden sie allerdings umgehend verjagt, die Gegendemonstranten trieben sie Richtung Bahnhof, wo sie sich später in den Toiletten einschlossen. Zunächst suchten sie allerdings erfolglos Zuflucht in der Konditori Brokvist, die übrigens dadurch schwedenweit berühmt ist, dass sie das Napoleonbakelse erfand, das, Napoleongebäck, eine Variante des in Frankreich als Millefeuille, tausend Blätter, bekannten Blätterteiggebäcks mit Vanillecreme.
Danutas Bild erschien am nächsten Tag in der Tageszeitung „Dagens Nyheter“ und wurde kurz darauf von diversen schwedischen und britischen Zeitungen übernommen. Das Foto wurde schließlich zu „Årets bild 1985“, dem schwedischen Bild des Jahres gewählt, Ende der 90er Jahre wurde es durch die Leser der Zeitschrift „Vi“ und die „Svensk fotohistorisk förening“, die schwedische fotohistorische Vereinigung zum Bild des Jahrhunderts bestimmt.
Über Danuta Danielsson kursierten bald viele, immer wieder auch in Zeitungsartikeln als Fakten erwähnte Geschichten. In den meisten war sie 20 Jahre älter als sie zu dem Zeitpunkt, als Runesson auf den Auslöser drückte, gewesen war, nämlich 58. Sie sei eine polnische Jüdin und Holocaustüberlebende, hieß es, ihr Vater und ihr Bruder seien von der Gestapo umgebracht worden, ihre Mutter sei in einem KZ ermordet worden.
Nichts davon stimmt. Zudem gab es ein Problerm: Danuta Danielsson hasste das Foto. Und sie hasste noch mehr, dass es als „Tanten med handväskan“ (deutsch: Das Tantchen mit der Handtasche) international bekannt wurde. Danuta war nämlich keine alte Tante, sondern erst 38 Jahre alt. Ein Angehöriger sagte gegenüber dem Radiosender SR: „Sie reagierte auf das Bild wie eine beleidigte Frau eben reagiert, weil es nicht schmeichelhaft war. Es zeigte sie als alte Schachtel, und das war sie nicht.“
Danielsson war das Foto peinlich, und sie wollte die damit verbundene Aufmerksamkeit nicht. Sie gab auch bewusst keine Interviews, weil sie nicht in der Öffentlichkeit stehen wollte. Und weil sie fürchtete, das Bild könne verhindern, dass sie die schwedische Staatsangehörigkeit bekam. Sie habe sich deswegen sehr große Sorgen gemacht, sagten Freunde ihres Mannes später, obwohl dazu kein Anlass bestanden habe. Danuta hatte im 1981 auf einem Jazzfestival in Polen ihren späteren Mann, den schwedischen Journalisten Björn „Beson“ Danielsson kennengelernt. Im November – kurz vor der Verhängung des Kriegszustands in Polen – heirateten die beiden, und Danuta machte sich mit viel Elan daran, ihr Leben in der neuen Heimat aufzubauen. Sie arbeitete hart, als Putzfrau und als Zeitungsausträgerin, um finanziell unabhängig zu sein. In diesem ersten Jahr in Schweden sei sie voller Tatendrang und insgesamt sehr positiv gestimmt gewesen, berichteten Freunde später. Das änderte sich jedoch im Laufe der Jahre.
Danuta Danielsson sei insgesamt keine „toughe Tante“ gewesen, sondern ein Mensch mit großen psychischen Problemen und einer leichten geistiger Behinderung, sagte Lisa Syrén, eine Arbeitskollegin von Danutas Anfang der neunziger Jahre verstorbenem Ehemann 2015 in einer Sendung des Sverigesradio. Dass sie Probleme hatte, war durchaus auch öffentlich bekannt, denn manchmal schrie sie völlig grundlos Leute auf der Straße oder in Geschäften an oder spazierte laut Selbstgespräche führend durch die Stadt. Mehrmals wurde sie in die Psychiatrie des „Sigfrids sjukhus“ in Växjö eingewiesen.
An einem Tag im Jahr 1988 fuhr Danuta Daniellson mit dem Aufzug in die oberste Etage des alten (mittlerweile abgerissenen) Wasserturms der Stadt Växjö, in dessen oberster Etage sich damals ein Restaurant befand. Sie hatte ihre Fotokamera dabei und überzeugte das Personal, eine der aus Sicherheitsgründen verschlossenen Türen zur Aussichtsplattform für sie zu öffnen, damit sie Bilder machen könne. Wenige Sekunden später sprang Danuta Daniellson in die Tiefe. Sie wurde 41 Jahre alt.
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Unsere Gastautorin Elke Wittich ist Redakteurin der Jungle World
Ein sympathischer Beitrag, der durch seine Nüchternheit überzeugt und der es dennoch nicht an Empathie fehlen lässt. Danuta Danielsson ein Denkmal zu setzen, obwohl diese – so viel wird deutlich – genau das ganz sicher nicht gewollt hätte, ist bezeichnend für bestimmte gesellschaftliche Gruppen in Schweden, die sich einen Dreck um die Würde der so „Geehrten“ kümmern. Typisch für sogenannte „fortschrittliche“ Kreise, die mit dieser Art von Denkmalen und diesem Erinnerungskult vor allem eins im Sinn hat: Die eigene Selbstbeweihräucherung.
Angesichts der über sie kursierenden Geschichten („Holocaustüberlebende“) wird es geradezu absurd, wenn man sich beispielsweise vor Augen hält, dass Schweden europaweit die traurige Messlatte in Sachen Israelhass darstellt und die linksreaktionäre Außenministerin Margot Wallström in Amt und Würden hält, die sich seit Jahren im Wesentlichen durch ihre antisemitische Agenda auszeichnet. So behauptet diese Giftmischerin jüngst, dass der israelische Staat indirekt für die Morde in Paris verantwortlich sei. Statt einem fragwürdigen Denkmalfetischismus zu huldigen gäbe es in Schweden für eine kritische Öffentlichkeit ganz andere Dinge anzupacken.
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