Keiner schreibt mehr über Jazz

Moerser Jazzfestival: Auf dem Kulturpolitischen Forum herrschte weitgehend Einigkeit zwischen den Experten. Das Thema: Keiner redet über Jazz – liegt es an den Medien? Auf dem Podium: Ralf Dombrowski (Spiegel Online), Stefan Hentz (Die Zeit), Wolf Kampmann (Jazz thing), Wolfgang Rauscher (Jazzzeit) und Martin Woltersdorf (Kölner Stadtanzeiger). Die Ruhrbarone dokumentieren die Ergebnisse der Debatte:

  • Es gibt unglaublich viele gute Jazzmusiker. Es gibt auch immer jüngere Jazzmusiker auf hohem Niveau, aber ein überaltertes Jazzpublikum. Der Jazz hat im Verborgenen eine spannende Szene entwickelt, die auf zu wenig Resonanz trifft. Das Problem dabei: Die gesellschaftliche Relevanz ist spätestens seit der Jahrtausendwende verloren gegangen. Es blüht aber ein Nachwuchs, der mit dem Begriff Jazz nicht mehr adäquat abgedeckt ist. Viele Musikrichtungen, die selbst kein Jazz sind, bedienen sich bei Mutter Jazz.
  • Der Jazz erneuert sich so von den musikalischen Rändern her. Vom Hiphop oder den Ethnomusiken kommen neue Impulse in den Jazz. Die Vermittlung der Tradition des Jazz alleine hilft da nicht weiter. Wichtig sind gleichermaßen die Weiterentwicklung des Jazz als auch die Vermittlung seiner Geschichte. Hier sind die Medien gefragt.
  • Die drei bis vier professionellen deutschsprachigen Jazzmagazine, wie zum Beispiel "jazzthetik" führen den Diskurs und kämpfen für die Sache. In der Tagespresse wird der Jazz zunehmend marginalisiert. Jazz ist einfach zu schwierig, nicht populär genug. Der Platz in dem Feuilletons ist zurückgegangen. Immer öfter betreuen dort Klassik- oder Pop-Redakteure die Jazz-Berichterstattung mit. Kurz: Dem Jazz sind die Hörer weggelaufen, den Zeitungen die Leser. Beides bedingt sich.
  • Es gibt keine gesellschaftliche Diskursfreudigkeit bezüglich des Jazz. Der Jazz ist einfach nicht mehr provokant, er führt nicht mehr zu Diskussionen wie zum Beispiel in den Sechziger Jahren, als Freejazz und Black Power in einem Atemzug genannt werden.
  • Musik, auch Jazz, ist zunehmend austauschbar geworden. In der Flut der Musik ragt das Besondere nicht mehr sehr hervor. Und: Improvisation ist nicht mehr ein Monopol des Jazz. Wie weit geht der Jazzbegriff zur Zeit? Ralf Dombrowski redet nicht mehr nur von "Jazz", sondern von "freier improvisierter Musik" oder "ethnischer Musik". Es entstehen Spannungen in der Begegnung verschiedener Musiken und Musiker, die aufeinander treffen. Es wird einen neuen Jazzbegriff geben müssen.
  • Liefert der Jazz überhaupt noch zeitrelevante Themen? Im letzten Jahrhundert war er so wichtig wie Architektur oder Bildende Kunst. Heute versinkt er innerhalb der kulturellen Wahrnehmung in der Bedeutungslosigkeit. Bis in die 90er Jahre war Jazz ein Lebensgefühl, inzwischen hat die Atomisierung der Musikstile sowie die Demokratisierung der Musikproduktion zu einer abnehmenden Signifikanz – Musik, auch Jazz, ist zunehmend austauschbar geworden. In der Flut der Musik
    ragt das Besondere nicht mehr sehr hervor. Und: Improvisation ist nicht mehr ein Monopol des Jazz.
  • Wie weit geht der Jazzbegriff zur Zeit? Ralf Dombrowski redet nicht mehr nur von "Jazz", sondern von "freier improvisierter Musik" oder "ethnischer Musik". Es entstehen Spannungen in der Begegnung verschiedener Musiken und Musiker, die aufeinander treffen. Es wird einen neuen Jazzbegriff geben müssen.

Der Link zum Thema: www.radio-jazz-research.de