Wie aus Berlin die Antisemitismus-Definition der IHRA bekämpft wird

Anti-Israel-Demo am 7.10.2024 in Essen (Foto: Roland W. Waniek)


Die Kampagne gegen die Antisemitismus-Definition  der die international breit anerkannten International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), die unter anderem auch antizionistische Narrative einbezieht – ist kein globales Graswurzelprojekt. Sie hat ein Zentrum. Und das liegt in Deutschland.

Nach einer aktuellen Studie des israelischen Politikwissenschaftlers Gerald Steinberg spielten  Teile der deutschen  Linken eine Schlüsselrolle bei der Formulierung und weltweiten Verbreitung der sogenannten Jerusalem Declaration on Antisemitism (JDA). Diese Erklärung, veröffentlicht im Jahr 2021, sollte explizit die IHRA-Definition ablösen – und streicht dabei genau jene Passagen, die Antisemitismus im Zusammenhang mit Israel benennen: etwa die Leugnung jüdischer Selbstbestimmung, die Anwendung doppelter Standards auf Israel oder der Vergleich israelischer Politik mit der NS-Zeit.

Federführend beteiligt: die Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Thinktank der Partei Die Linke, und das Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin. Beide seien laut Steinberg nicht nur inhaltlich, sondern auch organisatorisch und finanziell eng in die JDA-Kampagne eingebunden. Bereits 2019 veröffentlichte die Stiftung ein „Expertengutachten“, das als Blaupause für die spätere JDA diente. Autor: Peter Ullrich, Soziologe, ZfA-Mitglied und heute JDA-Koordinator.

Die politische Linie dahinter ist klar: Antizionismus soll von der Antisemitismus-Debatte entkoppelt werden. So wird Kritik an der israelischen Politik als legitime Meinungsäußerung verkauft – unabhängig von Kontext, Sprache oder Absicht. Die Shoah bleibt dabei Hintergrundrauschen. Wer Israel mit dem NS-Regime vergleicht, betreibt nach dieser Logik nicht etwa Judenhass – sondern „emotionalisierte Kritik“.

Besonders brisant: Viele der Akteure hinter der JDA-Kampagne sind staatlich finanziert. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung erhält jährlich rund 80 Millionen Euro Steuergelder. Auch Medico International, ein weiterer prominenter Unterstützer, werde aus Bundesmitteln gespeist.

Steinberg sieht in dieser Konstellation eine Fortsetzung linker Traditionslinien: Die ostdeutsche SED, westdeutsche Teile der 68er-Bewegung und heutige linksradikale Akteure teilen eine Geschichte der „antifaschistischen Feindbildverschiebung“ – vom NS-Tätervolk zum israelischen „Apartheidstaat“. Natürlich sei die deutsche Linke, schreibt Steinberg, einschließlich der Partei Die Linke, nicht monolithisch, und es gäbe erhebliche Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf Israel im Kontext der Nach-Holocaust-Ära: „Zum Beispiel vertritt die kleine, aber lautstarke „antideutsche“ Strömung, die in der Online-Publikation jungle.world vertreten ist, eine Position, die ausdrücklich anti-antizionistisch und anti-antiamerikanisch ist.“

Die politische Stoßrichtung ist dabei nicht nur akademisch: Als der Bundestag 2019 mit breiter Mehrheit den BDS als antisemitisch verurteilte, lief eine orchestrierte Gegenkampagne an – medial begleitet von Kulturinstitutionen, Intellektuellen und NGOs. Die Botschaft: Die IHRA-Definition bedrohe die Meinungsfreiheit. In Wahrheit bedrohte sie nur eines: die Deutungshoheit.

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