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Öffentlicher Dienst: Nicht fünf Prozent mehr für alle.

Nebenan im Pottblog hat Jens sich hinter die aktuelle Verdi-Forderung einer Lohnerhöhung von fünf Prozent für den Öffentlichen Dienst gestellt. Ich sehen das ein wenig anders.

In den vergangenen Jahren habe ich immer wieder Mitarbeiter im öffentlichen Dienst erlebt, die über die Grenze ihrer leistungsfähig hinaus wunderbare Arbeit geleistet haben. Ich habe Krankenschwestern und Pfleger erlebt, die auch unter größter Belastung freundlich, engagiert und sogar noch humorvoll waren. Wenn ich mich morgens an den Rechner setze sehe ich vor meinem Fenster die Räumfahrzeuge vorbeifahren und auch der Müll wird bei tiefsten Frost meistens pünktlich abgeholt – ein Knochenjob. Ich weiß, dass Notfallärzte für einen Einsatz weniger bekommen als der Mann vom Schlüsseldienst. Eine gute Freundin von mir ist Konrektorin einer Sonderschule und reibt sich auf für ihre Kinder, von denen die meisten aus Verhältnisses kommen, die ich nur aus diesen Fernsehsendungen kenne, die ich sofort immer abschalte. Ihnen allen gönne ich fünf Prozent und gerne auch mehr.

Aber ich kenne auch viele, die traditionell ihre halbe Stunde Mittagspause von zwölf bis zwei nehmen. Muss ich mit einer Behörde telefonieren, rufe ich in dieser Zeit seit Jahren schon niemanden mehr an. Ich kenne Leute die im Büro meditieren und lesen, weil es für sie seit Jahren keine sinnvolle Beschäftigung mehr gibt – und sie auch nicht mehr in der Lage wären, ihnen gestellte Aufgaben zu erledigen. Fünf Prozent für die? Nein.

Was der öffentliche Dienst braucht ist ein Entlohnung nach Leistung. Gibt es in Ansätzen alles, aber das reicht nicht. Es ist ungerecht, wenn eine Nachtschwester weniger verdient als jemand, der als Grafiker in der Pressestelle der Müllabfuhr sitzt und einmal im Jahr einen Kalender entwirft. Solche Jobs gibt es viele und die die darauf sitzen, haben ihn häufig dem richtigen Parteibuch oder Eltern mit Beziehungen zu verdanken. Es gibt nicht „den öffentlichen Dienst“. Es gibt die unterschiedlichsten öffentlichen Dienste und sie müssen unterschiedlich behandelt werden – auch was die Entlohnung betrifft.

Ich will auch, dass die, die sich Mühe geben, engagiert sind und Idee haben schnell Karriere machen können und das auch in ihrer Brieftasche merken. Und die die das nicht tun sich einen neuen Job suchen müssen.

Fünf Prozent für alle? Gerne zehn Prozent mehr für die Guten. Und einen freundlichen Abschiedsbrief für die, die es sich in ihren Amtsstuben einfach nur bequem gemacht haben.

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Jens
14 Jahre zuvor

@Stefan (1):
Mit dieser Haltung lehnst Du Tarifverträge generell ab, denn eines der Merkmale dort ist nun einmal die Pauschalität.

Zur Leistungsorientierten Bezahlung (LOB) siehe hier.

David Schraven
Admin
14 Jahre zuvor

Ich bin gegen die Aufsplitterung der Forderungen. Aufgefächert werden die Bezüge durch die Vielzahl von Zuschlägen und Zulagen. Da wird es dann Leistungsgerecht. Eine Nachtschwester bekommt mehr als ein Grafiker.

Aber die Forderung nach dem tariflichen Grundlohn muss einheitlich sein. Da haben die Gewerkschaften und Jens schon recht.

Eva
Eva
14 Jahre zuvor

Das trifft den Nagel auf den Kopf. Dass es im öffentlichen Dienst keine Bezahlung nach Leistung gibt, ist eine der großen Ungerechtigkeiten dieses Systems. Allerdings würde ich bei den Forderungen noch weiter gehen und nicht nur zwischen verschiedenen Berufen unterscheiden, sondern auch innerhalb eines Berufs Unterschiede machen. Natürlich hat eine Krankenschwester einen härteren Job als ein Sachbearbeiter in der Verwaltung und sollte deshalb auch mehr Geld bekommen. Aber auch ein Lehrer, der gut vorbereitet in den Unterricht geht und sich auch außerhalb der Schulstunden für seine Schüler engagiert, sollte besser bezahlt werden als seine Kollegen, die schon vor Jahren ihr Burnout hatten und ihre Zeit in der Schule nur noch des guten Gehalts wegen absitzen. Bisher haben wir ein System, das die Guten bestraft und die Schlechten belohnt. Das muss sich ändern.

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
14 Jahre zuvor

@Stefan. Deine Beschreibung oben will ich im Grunde bestätigen.

Aber erstens nur in abgemildeter Form.

Zweitens unterstellst Du eine undifferenzierte Tarifanwendung. Das trifft die Tarifrealität nicht, wie schon David Schraven bemerkt. Es gibt sowohl diffenrenzierende Tarife als auch eine differenzierte Anwendung der Tarife auf die sehr unterschiedlichen Berufe und Tätigkeiten – Zulagen spielen im TVÖD kaum eine Rolle.

Allerdings gibt es eine leistungsorientierte Komponente im TVÖD, deren Anwendungen zu neuen Exzessen von Bürokratie geführt hat – bei steigender Demotivation und Leistungsgerechtigkeit.

Und marode ist das System aus ganz anderen Gründen: nach exzessiven Verwaltungs-„Reformen“ seit den 90er Jahren feiert die Hierarchie im Öffentlichen Dienst fröhliche Urstände.

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
14 Jahre zuvor

Korrektur: im letzten Beitrag sollte es heissen: bei STEIGENDER Demotivation und SINKENDER Leistungsgerechtigkeit.

Jens
14 Jahre zuvor

@Stefan (2):
Dann noch einen Tarifvertrag für Linkshänder, für Katholiken, für Rechtsträger und für Rothaarige. Es ist einer der Vorteile der Gewerkschaftsbewegung, dass es da geeinte Strukturen gibt. Eine Zersplitterung der Tarifbasis sorgt nur für Unfrieden – wie man am Beispiel des Marburger (Klientel-)Bundes sehen kann.

@David (3):
Wir können auch mal einer Meinung sein. 🙂

@Eva (4):
Es gibt sehr wohl im öffentlichen Dienst Elemente der Leistungsbezahlung. Diese weisen jedoch in ihrer jetzigen Struktur deutliche Nachteile auf (siehe hier).

kassandra
kassandra
14 Jahre zuvor

Das Problem ist in erster Linie ein Führungsproblem, dass im Öffentlichen Dienst auf Qualität bei Vorgesetzten in der Regel nicht geachtet wird. Der sogenannte Bull-Bericht der Landesregierung NRW zur Verwaltungsmodernisierung vor ca. 5 Jahren hält unmissverständlich fest, dass die Führungsschicht im Öffentlichen Dienst mittelmäßig bis schlecht ist. Wohlgemerkt, dieser Bericht ist vom Arbeitgeber, dem Land NRW in Auftrag gegeben worden.

Dieses Ergebnis kann ich nur bestätigen. Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopfe her.

Aber solange in néo-feudaler Manier Führungspositionen von Greenhorns nach dem zweiten Staatsexamen ohne berufliche Bewährung ausgefüllt werden, ändert sich nicht viel.

Und die wichtigen Funktionen in den Ministerien und Behördenchefs sind in der Regel Polit-Kurtisanen der Parteien.

Darf man sich überhaupt wundern, wenn Landesbanken zweistellige Milliardenbeträge verzocken, weil in den Verwaltungsräten Parteisoldaten sitzen, die schlicht und einfach überhaupt nicht mehr intellektuell verstehen, was sie entscheiden sollen.

Und in den Kommunen ist das Personaltableu nicht besser bestellt, wenn dort die Verwaltungen Verträge in englischer Sprache zum Cross-Boder-Leasing unterschreiben, die sie gar nicht lesen können.

Wahnsinn.

Werner Jurga
14 Jahre zuvor

Jens unterstellt Stefan , Tarifverträge letztlich generell abzulehnen. Ich will nicht Stefans Position im allgemeinen verteidigen, weil a) er dies schon allein können dürfte, und b) ich mit ihm, wenn wir lange genug diskutieren, vermutlich doch nicht übereinstimmen dürfte.
Diese „Leistungsorientierung“ – sie ist schon jetzt im TVöD enthalten und bleibt ziemlich wirkungslos. Wie misst man Leistung? Wer misst die Leistung? Gemäß TVöD der (oder die) Vorgesetzte, der ja ziemlich beknackt wäre, in der kleinen Abteilung die Einkommen zu differenzieren. Dann wird er nämlich seines Lebens nicht mehr froh.

Aber es ist kein Naturgesetz, Jens, dass Lohnabschlüsse eine prozentuale, also proportionale Erhöhung beinhalten müssen. „Pauschal“ kann ja auch bedeuten, Stefan, dass alle Beschäftigten – unabhängig von der Gehaltsgruppe – soundsoviel Euro mehr bekommen. Die ÖTV, eine ver.di-Vorgängerin, hatte dereinst „300 Mark mehr“ für alle gefordert. Ich erinnere nicht mehr genau, wie die Sache ausgegangen ist. Aber ich weiß, dass es im öffentlichen Dienst wiederholt Tarifabschlüsse gab, von denen die unteren Gehaltsgruppen stärker (prozentual) profitierten als die höheren.
Ich ahne, dass Stefan mit solcherlei „Nivellierung“ nicht warm werden kann. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass Tarifpolitik auch in dieser Weise gestaltet werden könnte. Und dies wäre auch, was das Kaufkraftargument betrifft, volkswirtschaftlich wünschenswert.
Stefan hat Recht: dem Plus bei diesen Einkommen entspricht ein Minus bei der Gesamtheit der Steuerzahler. Doch beim von Jens zitierte Feuerwehrmann wird daraus in hohem Maße und recht schnell Binnennachfrage. Anders bei den Beziehern höherer Einkommen, a) im öffentlichen Dienst und b) insgesamt, die ja – worauf sie gern hinweisen – den Großteil des Steueraufkommens erbringen.

Eine „pauschale“ – an Stelle einer linearen – Erhöhung der Bezüge im öffentlichen Dienst wäre also nicht nur aus sozialen (Stefan!) Gründen wünschenswert, sondern auch konjunkturell geboten.
Politisch scheint dies gegenwärtig ziemlich unrealistisch zu sein. Ich möchte zu diesem komplexen Thema auch keine Position beziehen. Aber da Ihr alle findet, dass Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Müllmänner und Altenpflegerinnen kräftig mehr Geld zu gönnen sei, schließe ich mich dem gern an.

Mit-Leser
Mit-Leser
14 Jahre zuvor

Solidarität… Das ist ein großes Wort, besonders, wenn man mal genauer in jenen Topf schaut, in den alle geworfen werden. Klar: Zusammen ist man stärker. Doch für ein „Wir-Gefühl“ braucht man auch echte Gemeinsamkeiten. Die Kategorie „Öffentlicher Dienst“ ist eventuell einfach zu weit gefasst – denke ich.

Jens
14 Jahre zuvor

@Werner Jurga (10):
Eine Art sozialen Sockel (soundsoviel Euro mindestens), damit sich das gerade für die unteren Gruppen eher auswirkt: Da bin ich dabei!

@Stefan Laurin (11):
Wobei es ja mal eine Tarifsituation gab (Anfang 2000 irgendwann) wo Bsirske von ver.di ausdrücklich davon sprach, dass es diesmal keinen „üblichen Tarifkarneval“ geben soll.

Eva
Eva
14 Jahre zuvor

@ Jens: In den meisten Bereichen des öffentlichen Dienstes wird die Leistung gar nicht erst erfasst, geschweige denn danach bezahlt. Beispiel Schule: Hier wird, anders als an Universitäten, keinerlei Lehrevaluation durchgeführt. Evaluationen müssen nicht aufwendig sein, denn ein Fragebogen ist in 10 Minuten ausgefüllt und kann maschinell ausgewertet werden. Da sich aber Lehrer nach dem Examen keiner Bewertung mehr unterziehen müssen, haben die Schlechten nichts zu befürchten und die Guten nichts zu gewinnen.
Ach ja, und große Einkommensunterschiede gibt es trotzdem, diese hängen aber nicht vom Leistungsniveau ab: Verbeamtete Lehrer verdienen erheblich mehr als angestellte, und das nur, weil sie es rechtzeitig in den Beamtenstatus geschafft haben. Wer z.B. über den zweiten Bildungsweg kommt, überschreitet die Altersgrenze und hat keine Chance mehr auf eine Verbeamtung, egal, wie gut er oder sie ist. Das ist einfach nur ungerecht.

Jens
14 Jahre zuvor

@Eva (14):
Es gibt aber halt Bereiche wo man das nicht so einfach machen kann. Solange übrigens LOB & Co. eher Bürokratie und Verwaltungsaufblähung verursachen halte ich davon nicht wirklich was.

Zur Situation bei den Lehrern: Die Höchstgrenzen in Sachen Verbeamtung wurden immer weiter erhöht.

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