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50 Jahre Grimme-Institut: Landtagsabgeordnetenbespaßung und Kindermitmachecke

Verleihung des Grimme-Preises 2023 Foto: Krd Lizenz: CC BY-SA 4.0


Das Marler Grimme-Institut feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum. Nur wenige werden etwas davon mitbekommen.

Am 23. September 1973 wurde in Marl das Grimme-Institut gegründet. Anfangs sollte es vor allem die Verknüpfung zwischen dem Fernsehen und den Volkshochschulen verbessern. Das Institut übernahm aber auch die Organisation des schon 1964 gegründeten Grimme-Preises, mit dem Fernsehsendungen ausgezeichnet werden, die von den Juroren als herausragend betrachtet werden. Später kamen dann noch der Grimme-Online-Award  und der Deutsche Radiopreis dazu.

Schnell wurde Grimme unter Institutsleitern wie Peter von Rüden, Lutz Hachmeister oder Bernd Gäbler aber auch zu einer der wichtigsten Stimmen, wenn über die Zukunft der Medien diskutiert wurde. Und zu diskutieren gab es vor allem in den 80er und 90er-Jahren viel: Das Privatfernsehen wurde zugelassen, Kabel und Satelliten ermöglichten den Empfang einer zuvor unvorstellbaren Zahl an Sendern und ab den 90er-Jahren gewannen das Internet und die Digitalisierung an Bedeutung. 50 Jahre Grimme-Institut wäre also nicht nur eine gute Gelegenheit zu feiern, sondern auch eine Rückschau auf die Entwicklung der Medien zu werfen und einen Ausblick auf ihre Zukunft zu versuchen.

Im Marl hat man sich anders entschieden. Die Feierlichkeiten fallen eher schlicht aus: Am 10. September wird vor Ort das Jubiläum begangen. Angekündigt sind unter anderem „Prominente Gäste u.a. aus Köln, Berlin und Düsseldorf“, „Essen und Trinken für den kleinen Geldbeutel“ und eine „Kindermitmach-Ecke“. Im Düsseldorfer Landtag wird es dann am 13. November einen Festakt geben. Moderieren wird ihn Jo Schück „der“, wie es in der Ankündigung heißt, „ganz sicher durch einen ebenso unterhaltsamen wie inhaltsreichen Abend führt, mit zahlreichen prominenten Gästen.“

Jörg Schieb Foto: Jschieb Lizenz: CC BY-SA 4.0

Jörg Schieb, Journalist und Vorsitzender des Vereins der Freunde des Adolf Grimme Preises, hätte sich auch etwas anderes vorstellen können: „Es gibt sehr unterschiedliche Ansichten, wie man ein solches Jubiläum feiern und begehen könnte. Manche sagen: Mit einem Blick zurück, mit einem Beleuchten der wichtigen Personen aus der Vergangenheit – und den einstiegen Zielen. Das würde ich mir auch wünschen; allerdings würde ich persönlich hier nicht den Schwerpunkt für eine Veranstaltung setzen.“ Schieb denkt nicht, dass eine klassische Veranstaltung auf große Aufmerksamkeit stoßen werde. Er hätte sich einen Film und dazu ein interaktives Projekt zum Anlass des Jubiläums vorstellen können “…das würdig wäre, den Grimme Online Award einzuheimsen. Das die Geschichte des Grimme-Instituts sowie des Preises und die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks  (ÖRR) nachzeichnet. Dann hätten nämlich alle etwas davon. Auch die, die diese Zeit nicht erlebt haben.“ Alle bekämen die Gelegenheit, den Sinn und Zweck des ÖRR zu verstehen, die schleichenden Veränderungen zu erkennen und hättem dann ein besseres Bild, wo man heute stehe und was die aktuellen Herausforderungen sind. Schieb: „Man würde mit einem solchen Projekt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.“ Um so ein Projekt zu stemmen, wäre allerdings die Unterstützung von Partnern nötig gewesen.

Frauke Gerlach Foto: Krd Lizenz: CC BY-SA 4.0

Das Jubiläumsjahr wird so zu einem Symbol des Bedeutungsverlustes des Grimme-Instituts, der vor allem in den vergangenen zehn Jahren unter der Führung der Grimme-Direktorin Frauke Gerlach immer deutlicher wurde. Schon ihre Berufung war umstritten. Es war offensichtlich, dass die einstige Justiziarin der NRW-Landtagsfraktion der Grünen den Posten seinerzeit vor allem aus politischen Gründen bekam und nicht, weil sie sich als Medienexpertin hervorgetan hatte. Die Grünen waren damals in einer Koalition mit der SPD und wer regiert hat Zugriff auf Posten und Pöstchen. Die Chancen stehen gut, dass Gerlach im kommenden Jahr für weitere fünf Jahre zur Direktorin gewählt wird. Das Land finanziert das Institut, die Grünen regieren nun gemeinsam mit der CDU. „Die Koalitionsharmonie“ hört man aus gut informierten Kreisen „wird niemand wegen Gerlach und Grimme riskieren.“ Beide seien auch längst zu unbedeutend, um sich wegen ihnen zu streiten.

Das, sagt Schieb, der noch im Winter eine Qualitätsoffensive gefordert hatte, habe allerdings wenig mit der Person Frauke Gerlach zu tun: „Ich glaube, man muss hier einen Schritt weiter zurücktreten – oder sogar zwei oder drei – und sich die ganze Bühne anschauen, denn die Verantwortung liegt bei der Politik.“ Es fände keine Medienpolitik mehr statt: „Es gibt keine kompetenten Äußerungen zur Entwicklung der Medienlandschaft. Es gibt keine Gedanken, Ziele, Ideen – und das ist einer Zeit, in der sich die Medienlandschaft massivst verändert.“

Die Regierungen in Bund und Ländern würden tatenlos zusehen, wie Zeitungen und Verlage zerstört werden und kommerzielle US-Konzerne die komplette Macht übernehmen – über die Medien, die Deutungshoheit, letztlich über das öffentliche Meinungsbild. „Dass dabei auch die öffentlich-rechtlichen Medien unter die Räder kommen, ist „nur“ ein Kollateralschaden.“

Aufgepumpter Perlhuhn-Kugelfisch Foto: NPS photo – Bill Eichenlaub Lizenz: Gemeinfrei

Doch wenn dem so ist, stellt sich auch die Frage, wozu es das Grimme-Institut in seiner heutigen Form und den Kooperationen mit Hochschulen, die ebenfalls unterhalb der Wahrnehmungsschwelle laufen, überhaupt noch braucht. Das Institut steht heute für nicht mehr als die drei Preise, die es vergibt. Das könnte auch eine schlankere und preiswertere Organisation übernehmen. Als Vorbild bietet sich das  European Center for Creative Economy (ECCE) in Dortmund an. Aufgepumpt wie ein Kugelfisch ging es mit dem ehemaligen Viva-Chef Dieter Gorny als Geschäftsführer pünktlich zum Kulturhauptstadtjahr 2010 an den Start. Mit Millionen öffentlicher Förderung wurden dann kleine Filmchen gedreht und Kongresse veranstaltet. Damit ist es vorbei: Heute konzentriert sich ECCE mit einer kleinen Mannschaft auf die Vergabe von Fördermitteln und organisiert dann und wann ein „Netzwerktreffen“. Christian Weyers, der heutige Geschäftsführer, erledigt seine Aufgaben bei ECCE nebenbei und arbeitet für die Stadt Dortmund. Gorny und die Filmchen vermisst niemand.

Ein schlankes Institut, das den Radiopreis, den Grimme-Preis und den Online-Award organisiert, im Nebenerwerb geleitet von einem Mitarbeiter der NRW-Staatskanzlei, könnte mittelfristig die Zukunft Grimmes sein. Debatten über die Zukunft der Medien gäbe es dann so wenig wie heute, aber die Kosten für den Steuerzahler wären geringer.

Mehr zu dem Thema:

Grimme-Preis und „Grimmiger Scheißhaufen“ für Jan Böhmermann

Welche Bedeutung hat das Grimme-Institut noch?

Gremiengurke wird Grimme Chefin

 

 

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LibertyLoveIt
9 Monate zuvor

The basket of deplorables.

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