Arye Sharuz Shalicar: „So etwas hat Israel in den letzten 50 Jahren nicht gesehen.“

Juni 2023: Arye Sharuz Shalicar im Landwer Café, Sarona / Tel-Aviv; Foto: Peter Ansmann
Juni 2023: Arye Sharuz Shalicar im Landwer Café, Sarona / Tel-Aviv; Foto: Peter Ansmann

Arye Sharuz Shalicar ist immer wieder, wenn es um das Thema Israel und die Konflikte im Nahen Osten geht, Ansprechpartner für die Ruhrbarone.

Seit heute ist der deutsch-israelische Politologe mit persischen Wurzeln wieder als Pressesprecher der Israelischen Verteidigungskräfte aktiv.

Die Ruhrbarone konnten heute mit Arye über die aktuelle Lage in Israel sprechen.

„So etwas hat Israel in den letzten 50 Jahren nicht gesehen.“

Ruhrbarone: Schalom Arye, schön, dass du für uns Zeit hast. Wie ist deine aktuelle Situation?

Arye Sharuz Shalicar: Ich bin heute als Reservist eingezogen worden. Gestern war ich ja noch als Zivilist unterwegs.

Jetzt wieder Sprecher der israelischen Verteidigungskräfte: Arye Sharuz; Screenshot ntv
Jetzt wieder Sprecher der israelischen Verteidigungskräfte: Arye Sharuz; Screenshot ntv

Ruhrbarone: Was hast du von dem gestrigen Terrorangriff selber mitbekommen?

Arye Sharuz Shalicar: Nichts ahnend lag ich in meinem Bett, morgens in meiner Stadt. Wie du weißt, in der Nähe von Tel Aviv. Und bin aus dem Schlaf gerissen worden, weil meine Frau plötzlich Bombenexplosionen und Raketen gehört hat. Das war gegen 6:30, 07:00 Uhr. Dann sind wir natürlich aufgestanden. Im Fernsehen gab es schon erste Berichte von Infiltration. Bilder von Terroristen, die auf Pick-up-Trucks durch israelische Städte und Ortschaften fahren.

Ruhrbarone: Das erinnerte ein wenig an Bilder aus dem Irak oder Syrien während des IS-Terrors.

Arye Sharuz Shalicar: So, genau so. Das waren die Mittel, so kam mir das auch auf den ersten Blick vor. Das kann doch jetzt nicht mit einer Israel sein? Ja doch, aber was es. Maskierte Männer mit Waffen auf Pick-up-Trucks, die sich hier durch Ortschaften bewegt haben. Menschen niedergeschossen haben. Frauen und Kinder und alte Menschen entführt und in Gazastreifen reingezogen haben. Also ganz schlimm.

Ruhrbarone: Wie ist die aktuelle Lage bei euch?

Arye Sharuz Shalicar: Es gibt einige Ortschaften, eine Handvoll an der Grenze zum Gaza-Streifen, auf israelischer Seite, die nach wie vor umkämpft sind. Wo immer noch Terroristen unterwegs sind und wo israelische Sicherheitskräfte sich in einer Art Häuserkampf befinden.

Das ist die eine Sache. Das zweite ist natürlich, alles, was im Bereich der Zahlen läuft. Wie viele Ermordungen? Wie viele Entführungen? Wie viele Verletzte? Wir reden hier über Tausende, die verletzt, ermordet und gekidnappt wurden. 

Und dann kommt natürlich hinzu, die gezielten Angriffe die Israel seit gestern auf Waffen und Infrastruktur der Hamas und des Islamischen Dschihads innerhalb des Gazastreifens durchführt. Es sind Dinge, die parallel kaufen und das wird jetzt wahrscheinlich auch eine ganze Weile so weitergehen.

Israelisches Verteidigungsministerium und Hauptquartier der IDF, HaKirya/Tel-Aviv; Foto: Peter Ansmann
Das Hauptquartier der IDF, HaKirya/Tel-Aviv; Foto: Peter Ansmann

Ruhrbarone: Es gibt aktuell einen Feiertag bei euch, Simchat Torah, da gab es bei dir Beiträge auf Instagram, mit Fotos von dem Laubhüttenfest. Jetzt hatten wir heute vor 50 Jahren den Jom-Kippur-Krieg zwischen den arabischen Staaten und Israel. Sind diese Konflikte, von der Heftigkeit her, vergleichbar?

Arye Sharuz Shalicar: Man kann das einerseits vergleichen, weil es wieder an einem hohen Feiertag wieder einen Überraschungsangriff gab. Es gibt bestimmte Dinge, die man vergleichen kann, genau 50 Jahre danach. Andererseits jedoch, vergiss nicht, vor 50 Jahren war die Rede von zwei, drei großen arabischen Armeen, die ins Land eingefallen sind. Heute reden wir im Endeffekt von zwei palästinensischen Terrororganisationen, die sich gerade mal in einem relativ überschaubaren Gazastreifen befinden. Das Ausmaß des Terrors jedoch, des Blutes, der Wut, des Hasses, der Ermordung und Entführung ist jetzt gerade, wie es gestern stattgefunden hat: So etwas hat Israel in den letzten 50 Jahren nicht gesehen.

Ruhrbarone: Wie konnte Israel jetzt so überrascht werden? Diese Heftigkeit der Angriffe hat ja eine neue Qualität.

Arye Sharuz Shalicar: Das ist eine berechtigte Frage. Das wird untersucht werden, sobald es wieder ruhiger wird und man die Terror-Situation auf israelischer Seite unter Kontrolle bekommt. Weil nach wie vor Terroristen hier unterwegs sind und versuchen Menschen zu entführen und zu ermorden. Und auch die Hamas und der islamische Dschihad im Gazastreifen, nach wie vor ihr Terrornetzwerk bestehen haben. Solange das der Fall ist, wird Israel sich in erster Linie nicht mit Untersuchungen beschäftigen und Schuldige suchen, sondern erst mal mit dem Operativen. Später wird natürlich untersucht, wie es dazu kommen konnte.

Terror-Propaganda - hier abgebildet: Leila Chaled - im Westjordanland; Foto: Peter Ansmann
Terror-Propaganda – hier abgebildet: Leila Chaled – im Westjordanland; Foto: Peter Ansmann

Ruhrbarone: Du hast vor ein paar Tagen auf Instagram etwas über den kommenden Frieden zwischen Israel und Saudi Arabien geschrieben und dabei die Hoffnung geäußert, dass auch Frieden mit den Palästinensern jetzt möglich sei. Jetzt, angesichts dieser archaischen Gewalt, wie siehst du die Hoffnung jetzt? Ist die jetzt weg?

Arye Sharuz Shalicar: Ich versuche, immer zu unterscheiden zwischen palästinensischen Terrororganisationen und ihren Unterstützern und Palästinensern, die moderat eingestellt sind, die das alles nicht wollen. Die gibt es wahrscheinlich auch, auch wenn man sie im Gazastreifen nicht sich zu Wort kommen lässt. Und da es diese verschiedenen Palästinenser gibt, neige ich dazu, nicht zu verallgemeinern. Mit der Hoffnung, dass diese Terroristen im Endeffekt so stark geschwächt werden, eines Tages hoffentlich, dass andere Palästinenser dort eventuell das Ruder in die Hand nehmen können und dann auch den Friedensweg einschlagen.

Ruhrbarone: Bei diesen Angriffen durch die durch die Terroristen, da wurden ja auch mutmaßlich deutsche Hilfsgelder verwendet…

Arye Sharuz Shalicar: Also natürlich ist Deutschland eines einer der größten Spender. Geldspender, finanziellen Unterstützer der Palästinenser. Deutschland sollte, spätestens jetzt, aber eigentlich schon seit vielen Jahren, genau hinschauen, wo jeder Euro hinfließt.

Jeder einzelne Euro. Weil feststeht, dass sehr viel Geld von diesen Terroristen genutzt wird. Man sieht: Sie bauen ja keine Kindergärten oder Krankenhäuser. Das Geld fließt in Terror. In Gehälter von Terroristen, in Kommandozentralen, in Waffen, in Munition, in Raketenentwicklung, in Tunnelbau und so weiter.

Arye Sharuz Shalicar in einem Cafe in Petah Tikva, Januar 2023: Foto: Peter Ansmann

Ruhrbarone: Was können Menschen in Deutschland tun um euch zu helfen?

Arye Sharuz Shalicar: Sehr aktiv Medien, die verdreht und verzerrt über Israel berichten, darauf hinweisen. Oder das Abo kündigen, wie ich es gestern bei der Süddeutschen angekündigt habe. Weil es einfach nicht mehr zu ertragen ist. 

Und dann natürlich die deutsche Politik darauf hinweisen, wenn man Möglichkeiten hat, über die Social Media oder allgemein: Sowohl den Geldfluss an die Terroristen zu überprüfen, als auch allgemein die Solidarität mit Israel, nicht nur am ersten Tag, sondern auch in den nächsten Tagen aufrechtzuerhalten.


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