Diesel-Fahrverbote: „Das Ruhrgebiet wird seinen Puls verlieren“

Dr. Marco Buschmann (40, FDP) (Quelle: Pressefoto/ ww.Marco-Buschmann.de)

Unser Gastautor Marco Buschmann ist   Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion und Gelsenkirchener.

Nein, ein Ruhrschnellweg ist die A40 nun wahrlich nicht. Nicht umsonst wird die Autobahn, die zu den am stärksten befahrenen Schnellstraßen Deutschlands zählt auch als längster Parkplatz des Ruhrgebiets verspottet. Die liegt im Herzen des Ruhrgebiets. Sie zu sperren ist eine neue Dimension des Diesel-Versagens der Bundesregierung.

Das Ruhrgebiet wird seinen Puls verlieren, wenn hunderttausende Diesel-Fahrer nicht mehr zur Arbeit kommen, ihre Kinder nicht mehr in die KiTa bringen können, Handwerker ihre Kunden nicht mehr auf direktem Weg erreichen, Geschäfte nicht mehr ungehindert beliefert werden können.

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Netzfrauen.org und die Angst vor der Verstrahlung aus Japan


Blick auf die „Shinjuku“-Wolkenkratzer und der Berg „Fuji“, vom Bunkyo Civic Center in Tokio Foto: Morio Lizenz: CC BY-SA 3.0


Im Juli 2018 einigten sich die EU und Japan auf den Abschluss eines umfassenden Freihandelsabkommens, kurz Jefta. Das EU-Parlament wird das Abkommen im Dezember ratifizieren, bereits Anfang 2019 könnte es also in Kraft treten. Es gibt gute Gründe, dem Abkommen kritisch gegenüberzustehen. Wie bei den anderen großen Freihandelsabkommen der letzten Jahre ist zum Beispiel der intransparente Aushandlungsprozess problematisch. Das Online-Projekt „netzfrauen.org“ – eine selbsterklärte unabhängige Informationsplattform mit immerhin mehr als 240.000 Followern auf Facebook – entschied sich dieser Tage statt sachlicher Kritik für wahnhafte Desinformation über die Folgen des Abkommens. Die EU, so eine Meldung auf der Seite, würde ihren Bürgern wissentlich verstrahlte Lebensmittel aus Fukushima vorsetzen. Das ist aus vielerlei Gründen Unsinn. Die Meldung und die Reaktionen darauf zeigen aber exemplarisch, dass der politische Diskurs in Deutschland nicht nur in neu-rechten Echokammern zunehmend von haltloser Angstmacherei und Misstrauen gegen politische Eliten bestimmt ist. Unser Gastautor Hanno Jentzsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Japanstudien in Tokyo und beschäftigt sich unter anderem mit dem Wandel des japanischen Agrarsektors.

Der entsprechende Artikel – zweifach verbreitet über die Facebook-Seite der „Netzfrauen“ und mehr als tausendfach geteilt – ist eine ärgerliche Mischung aus falsch konstruierten Zusammenhängen und vollkommener Unkenntnis. Mit der Ratifizierung des Abkommens, so der Tenor, seien Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa bald schutzlos der Einfuhr von

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Letzte Schicht: Die in die Hölle fuhren

Wohnen und Bergbau. Im Saarland war alles auf die Kohleförderung ausgerichtet. Foto: Mario Thurnes

Die letzte Zeche schließt, nach Jahrhunderten geht die Ära des Bergbaus zu Ende. Ruhrbarone-Autoren erzählen in den kommenden Wochen in loser Folge darüber, was sie mit der Welt der Zechen verbindet.  Heute schreibt unser GastautorMario Thurnes über den Bergbau im Saarland.

Das Saarland war der Pott im Kleinen: Ländlich statt urban, aber auch komplett von Kohle und Stahl geprägt. Damals.

Als Kind hatte ich Angst, das Gelände der Göttelborner Grube zu betreten. Ich fürchtete, aus Versehen „untertage“ zu geraten. Und was mir mein Vater von „Untertage“ erzählt hatte, klang wie ein Report aus der Hölle: Geschichten über extreme Hitze, Kälte, Schweiß, Staub und Dreck. Er musste es wissen, er gehörte zu den Bergleuten, die dort einfuhren.

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Fateful Months

Reste einer deutschen Einheit kapitulieren, Dezember 1941 Foto: RIA Novosti archive, image #375 / Victor Kinelovskiy Lizenz: CC-BY-SA 3.0


Fateful Months nannte Christopher Browning in einem grundlegenden Werk zur Genesis der Shoa die zweite Jahreshälfte 1941. Als Fateful Days könnte man jene Tage von Mitte November bis zum 11. Dezember vor 77 Jahren bezeichnen, denn sie entschieden ein halbes Jahrhundert bis zur nächsten Zeitenwende im Jahre 1989, auf für die Heutigen nicht mehr nachvollziehbare Weise menschenverschlingend.  Von unserem Gastautor Manfred Barnekow.

Europa

Einen Monat zuvor glaubte sich die Wehrmacht vor dem deutschen Sieg. Die Fantasien der Vernichtungskrieger tobten, ein besetztes Russland in zwei Teilen strebten sie an, einen wirtschaftlich ausbeutbaren und einen, in dem die Menschen zu Grunde gehen sollten, sie nannten das Generalplan Ost und sahen 30 Millionen Verhungerte vor. Der Massenmord an den Juden Russlands hatte mit dem zweiten Tag des Überfalls auf die Sowjetunion

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Cinderella wird auf dem Markt gehandelt

Zum Duell Philadelphia Eagles gegen Houston Texans wird es in dieser Saison wieder kommen. Foto: Keith Johnston Pixabay.com CC0 1.0

Von Mario Thurnes

Das Quarterback-Karussell dreht sich wieder. Und wie immer fällt in der NFL dabei auch der Name des Backups der Philadelphia Eagles: Nick Foles. Die Chancen des Titelverteidigers auf eine Teilnahme an den Playoffs im amerikanischen Football sinken derweil.

Die Geschichte von Nick Foles ist eine Cinderella-Story, wie sie die Amerikaner lieben: Der 29-Jährige startete bei den Eagles, schaffte es zwischenzeitlich zum Starting-Quarterback, wurde aber durch Verletzungen zurückgeworfen. Gastspiele bei den St. Louis Rams und den Kansas City Chiefs verliefen wenig glücklich. Dann kehrte er 2017 zu den Eagles zurück.

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#100JahreFrauenwahlrecht und dennoch ist die Freiheit von Frauen in Deutschland erneut in Gefahr.

Photo by Darv Robinson on Unsplash

Längst sind Gleichberechtigung und die Freiheit von Frauen, über ihr Leben selbst zu entscheiden, für uns selbstverständlich geworden. So selbstverständlich, dass beim Stichwort Feminismus hauptsächlich an Nebenschauplätze wie Frauenquoten gedacht und lächerliche undemokratische Vorschläge wie eine feste Frauenquote für Abgeordnete im Bundestag gefordert wird. Dabei haben wir drängende Probleme. Von unserer Gastautorin Rebecca Schönenbach.

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Dortmund: Ein Blick von Außen

Wohnen am  Phoenixsee in Dortmund-Hörde


Unser Gastautor Klaus R. Kunzmann, emeritierter Professor der TU Dortmund und seit seiner Gründung bis  1993 Leiter des dortigen Instituts für Raumplanung , verfasste einen Beitrag für das kürzlich erschienene Buch „Dortmund bauen: Masterplan für eine Stadt“. Sein Text wurde ohne Begründung nicht veröffentlicht. Das holen wir gerne nach.

Strategien und Perspektiven der Dortmunder Stadtentwicklungspolitik im 21.Jahrhundert

Jeden Montagmorgen berichtet die von der Regierung in Beijing herausgegebene und kontrollierte englischsprachige Tageszeitung China Daily regelmäßig über die Ergebnisse der deutschen Fußball Bundesliga. Die Redakteure der Zeitung wissen, dass der Präsident des mächtigen Landes ein begeisterter Fußballfan ist. Die Erfolge von Borussia Dortmund werden immer aufmerksam verfolgt. Doch außer den Berichten über Fußballergebnisse ist Dortmund keine Stadt, die in China besondere Bedeutung erlangt hat. Während die Stadt, von innen

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11-11 oder: Wie ich meinem Opa begegnete

11-11, Bandai Namco, youtube screenshot

Meinen Großvater väterlicherseits kenne ich nur aus Erzählungen. Er starb 1946, 15 Jahre vor meiner Geburt, an einer postoperativen Blutvergiftung. Es gibt eine Geschichte über ihn, die mein Vater mir einmal erzählt hat, und ich weiß nicht, ob sie wahr ist. Aber ich wünsche es, und für mich ist sie deshalb wahr, denn es ist eine der besten Geschichten, die ich je gehört habe, und sie handelt vom Krieg. Von unserem Gastautor Wolgang Walk.

Mein Vater stand im Januar 1945 auf einem Kasernenhof in Dänemark, 17-jährig, und hatte gerade seine Ausbildung zum Reserveoffiziersanwärter absolviert. Die gesamte Kompanie, wurde ihr verkündet, sollte am nächsten Tag ins eingeschlossene Breslau geflogen werden. Mein Vater stand da im Winterwind und wusste: Sein Leben war vorbei. 17 Jahre – und dann das sinnlose Ende. Und dann wurde er ins Büro des Kompaniechefs gerufen.

Ob er der Sohn von Wilhelm Walk sei. Aus dem Hünfeldischen. Ja, antwortete mein Vater. „Dann bleibst du hier als Ausbilder“, verkündete der Hauptmann. „Dein Vater hat mir vor Verdun das Leben gerettet. Ich werde seinen Sohn nicht in den Tod schicken.“

Keinen seiner Mitrekruten sah mein Vater je wieder.

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Kollegah: Der „Imperator“ in Auschwitz

Kollegah Foto: Pistenwolf Lizenz: CC BY-SA 3.0

 Von unserer Schweizer Gastautorin Anastasia Iosseliani.

Der deutsche Rapper, welcher mit bürgerlichem Namen Felix Blume heisst und meiner Ansicht nach Aussieht, wie Sven Lau nach jahrelangem Anabolika-Missbrauch, hat am 9. November den Holocaust relativiert, in dem er die Situation der Araber im Gaza-Streifen, mit der Situation der Juden in Europa zwischen 1933-1945 verglichen hat. Zuallererst: Die Situation im Gaza-Streifen ist zwar tragisch, aber weder ist der Gaza-Streifen ein KZ noch das grösste Freiluftgefängnis der Welt. Das grösste Freiluftgefängnis der Welt, ist schlicht und ergreifend Nordkorea.

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Letzte Schicht: Bottrop, damals …

Zeche und Kokerei, von der Halde Schurenbach aus gesehen Foto: Arnold Paul Lizenz: CC BY-SA 3.0


Die letzte Zeche schließt, nach Jahrhunderten geht die Ära des Bergbaus zu Ende. Ruhrbarone-Autoren erzählen in den kommenden Wochen in loser Folge darüber, was sie mit der Welt der Zechen verbindet.  Heute schreibt unser Gastautor Werner Streletz über seine Kindheit in Bottrop.

Eine Erinnerung

Das Bottrop der 1950er/1960er Jahre, Stadt am grünen Strand der Emscher (die damals pechschwarz war): die Zechen Prosper I, II, III, ZK gleich Zentralkokerei, ZW gleich Zentralwerkstatt; Kirmes (rund um die Karnevalstage und im Herbst): Es gehörte zur festen Tradition, sie abends mit der Familie zu besuchen. Dort trafen sich alle, die Nachbarn, die Verwandten. Damals legten es Väter und Onkel hartnäckig darauf an, an der Losbude für die Kinder die „Freie Auswahl“ zu ergattern. Als wäre es eine hehre Verpflichtung. Die Männer gaben manches Scheinchen aus, öffneten Dutzende von Papierlosen, um ihr Ziel zu erreichen. Und stolz trugen die Kleinen den Riesen-Teddybären nach Hause, der dort einen Ehrenplatz in der Sofaecke bekam. Ich habe als Kind (also in den 1950er Jahren) nie so ein Riesenplüschtier besessen, aus welchem Grund auch immer. Rock ‘n‘ Roll an der Raupe, Halbstarke, von mir aus der Ferne bewundert.

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