Das Ruhrgebiet und seine Industrie – Neue Wege statt schleichender Niedergang?


„Die Industrie verlässt das Ruhrgebiet.“ „Das Ruhrgebiet steckt noch immer im Strukturwandel“. „Das Ruhrgebiet? Eine abgehängte Region.“ Schlagzeilen, die in jüngerer Vergangenheit immer wieder zu lesen waren. Das Ruhrgebiet als der neue Osten des Westens. Die Frage nach dem „Stimmt das überhaupt?“ wird kaum gestellt. Von unserem Gastautor Dirk W. Erlhöfer.

Mit dem Weggang von Opel in Bochum vor zwei Jahren wurde dieses Bild einmal mehr schärfer gezeichnet. Wieder fielen Werkshallen, wieder demonstrierten Beschäftigte vergebens. Wogegen aber demonstrierten sie? Gegen einen großen Konzern, der weltweit vernetzt und vertreten ist, der weltweit produzieren lässt? Die Frage in der Konzernzentrale nach dem „Wo produzieren wir?“ ist schnell beantwortet. Dort wo Fachkräfte sind, günstig muss es sein, effektiv muss es sein – und die Qualität muss stimmen. Kurzum: Ein wettbewerbsfähiges Produkt, das letztendlich Gewinn abwirft. Ich meine: Die Opel-Beschäftigten hätten gut und gerne gegen die eigene Stadt, das eigene Bundesland NRW oder die Bundesrepublik

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Wohlstand ohne Grenzen


Viele fordern Solidarität mit Flüchtlingen. Echte Verteidiger der Freizügigkeit sind jedoch rar. Kein Wunder, Veränderung und menschliche Ambitionen gelten heute als problematisch. Von unserem Gastautor Kolja Zydatiss.

Gestern war Weltflüchtlingstag. In den (Sozialen) Medien entfaltete sich die Debatte entlang vorhersehbarer Fronten. Linke verwiesen auf das Sterben im Mittelmeer, die verheerenden Kriege im Nahen Osten, und betonten unsere moralische Pflicht, uns hilfsbereit und solidarisch zu zeigen. Rechte geißelten Willkommenskultur und „Asylindustrie“ und warnten vor neuen Terroranschlägen.

Was auffällt: Selbst Linke, Liberale und Politiker der Mitte, die sich gerne kopfschüttelnd vom Rechtspopulismus à la AfD oder Pegida distanzieren, schaffen es nicht, sich von einem Denken zu lösen, das Einwanderung primär als Last begreift. Vor einigen Tagen etwa warnte der Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CDU) vor einer Massenmigration von 100 Millionen Menschen nach Europa, falls die Erderwärmung nicht begrenzt werde. Ähnlich äußerte sich zum Weltflüchtlingstag auch ein Kampagnenleiter von Greenpeace Deutschland bei Twitter. Das Social Media Team des Auswärtigen Amtes verkündete stolz, dass Deutschland einer der größten Geber von Entwicklungshilfe weltweit sei. Ob Linkspartei oder FDP, ständig wird betont, man müsse „die Fluchtursachen bekämpfen“.

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Antisemitismus: „Ich will keine verdammte Schuldumkehr hören. Keine Relativierungen, keine Bagatellisierungen.“

Für Gemma Pörzgen ist Auschwitz ein Narrativ.


Unser Gastautor Levi Israel Uferstern hat sich Maischberger angeschaut.

Eigentlich wollte ich schlafen gehen. Aber dann kauere ich doch auf dem Sofa vor dem Fernseher und halte wie zum seelischen Schutz ein Kissen vor meiner Brust, während ich mir die Maischberger-Diskussionsrunde über Antisemitismus anschaue.

Ich werde todtraurig dabei. Da sitzen Leute, die gar nicht selbst von Antisemitismus getroffen werden im Alltag. Das Gespräch ist vulgär, neurotisch und idiotisch.

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Köln: Ein unmöglicher Friedensmarsch

Demo gegen den Terror auf dem Kölner Heumarkt


Der „Friedensmarsch #nichtmituns Muslime und Freunde gegen Gewalt“ ist gemessen an den eigenen Ansprüchen gescheitert. Bedenkt man jedoch, wie unbequem und widersprüchlich die Position ist, in die sich die Organisator_innen dabei begeben haben und bedenkt man zudem die Konflikte um die Frage, wer für die deutschen Muslim_innen sprechen kann, ist die geringe Resonanz wenig überraschend und sollte auch nicht überinterpretiert werden. Von unserem Gastautor Floris Biskamp.

Die Fakten sind schnell erzählt: Zum Friedensmarsch unter dem Motto #nichtmituns in Köln kamen nicht 10.000 und wohl auch nicht 2.000, sondern eher 1.000 Demonstrant_innen. Diese waren – sofern sich das durch bloßen Augenschein beurteilen lässt – vielleicht zur Hälfte

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Karsten Riedel in der Rotunde: Der Moment, in dem Musik zu Kunst wird

Karsten Riedel & Die Schneydboys Foto: Rotunde/Promo

„Sorry Jungs, das war jetzt nicht notiert“, entschuldigt sich der tätowierte Pianist mit Rockabilly Tolle nach einem spontanen musikalischen Exkurs bei seinen Mitspielern. Viermal grinsen, Bögen neu ansetzen- weiter gehts . In der Bochumer Rotunde gab sich gestern das ungewöhliche Musikprojekt „Karsten Riedel und die Schneydboys“ in angenehmer Atmosphäre die Ehre. Von unserer Gastautorin Janina Herff.

Vier ausgezeichnete Cellisten der Bochumer Symphoniker und in der Mitte ein Künstler -Karsten Riedel. Mittlerweile ein gefragter Theaterkomponist gehört sein Herz ursprünglich dem Ska und Rock’n’Roll.
Mal an der Gitarren mal am Klavier, mit Bongotrommeln und Schellenband führt Riedel das ungewöhnliche Quintett mit angenehmer Leichtigkeit durch eine Mischung aus Klassik, Lou Reed und Marlene Dietrich. Keinen Moment lang wirken die oft anspruchsvollen Arrangements aufgesetzt oder schwer. Die Violoncelli mal gestrichen mal gezupft machten einfach Spaß. In jeder Minute ist die Freude der Musiker an der neuen Herausforderung spürbar. Scheinbar mühelos gelingt es dem Ausnahmemusiker sich mit seinen Interpretationen teils bekannter Songs direkt in die Herzen des Publikums zu spielen, dabei klimpert er nicht einfach irgendwelche Lieder nach… Karsten Riedel liebt und lebt jeden Song, da stört auch ein schiefer Ton oder ein holpriger Übergang überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Das ist der Moment indem bei Riedel Musik zu Kunst wird.

Ein Jäger, der keiner war

Anis Amri Foto_ BKA


Ergebnisse zum Fall Anis Amri zeigen auf, wo es in der Terrorbekämpfung hakt. Die ehemalige Landtagsabgeordnete Simone Brand (Piratenpartei) im Interview. Von unserer Gastautorin Anna Christina.

Simone Brand war 5 Jahre lange Abgeordnete der Piratenfraktion im Landtag NRW. Dort saß sie seit Ende 2016 im Untersuchungsausschuss zu Anis Amri. Anis Amri verübte in der Adventszeit 2016 einen Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin. Er tötete durch eine Amokfahrt mit einem LKW 11 Menschen, 55 wurden zum Teil schwer verletzt. Doch: Anis Amri war den Behörden in NRW lange Zeit als sogenannter „Gefährder“ bekannt.

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Mehr Rentner = Weniger Investitionen

Infrastruktur wird vernachlässigt Foto: Roland W. Waniek


Politiker aller Couleur versprechen Rentnern im aktuellen Wahlkampf mehr Wohltaten – zu Lasten der Jugend. Von unserem Gastautor Roland W. Waniek.

In einer alternden Gesellschaft sind diese nämlich eine immer bedeutendere Wählergruppe, die Politiker zu bedienen wissen. Aber nicht nur bei der Rente wird die Jugend benachteiligt: Eine empirische RWI-Studie zeigt, daß mehr Rentner auch weniger Infrastruktur-Investitionen bedeuten. In entwickelten Ländern sind in den letzten vier Jahrzehnten öffentliche Investitionen stetig zurückgegangen. Dies korreliert signifikant mit dem zunehmenden Durchschnittsalter der Bevölkerung. Ältere Menschen schätzen den erwarteten, zukünftigen Nutzen von Infrastruktur-Investitionen weniger hoch ein als aktiv Erwerbstätige. Dies liegt daran, daß sich die Zeitpräferenzen von Menschen mit dem Alter ändern. Senioren sind konsumptive, soziale Staatsausgaben wichtiger als investive, zukunftsgerichtete Maßnahmen. Das schlägt sich in der konkreten Politik nieder. Politiker sollten aber das übergeordnete, langfristige Wohl einer Gesellschaft nicht aus den Augen verlieren. Ein Lösungsansatz ist die Änderung des Wahlrechts zugunsten von Familien mit Kindern, wobei Eltern zusätzliche Stimmgewichte für ihre Kinder erhalten. Weitere Möglichkeiten sind nutzungsabhängige Entgelte für Infrastruktur und alternative Finanzierungsmodelle wie Public-Privater-Partnerships. Damit könnte die abnehmende Wählerzustimmung für Infrastruktur-Investitionen konterkarriert werden.

Benennt Gelsenkirchen endlich in Schalke um!

Lieber Schalke als Gelsenkirchen Foto: Orchi Lizenz: CC BY-SA 3.0

Benennt Gelsenkirchen endlich um: und zwar in Schalke. Ja, in Schalke, so wie der Fußballverein. Von unserem Gastautor Roland W. Waniek.

Gelsenkirchen hat nämlich ein Markenproblem, ein sehr großes sogar. Es ist eine Stadt, die auf dem absteigenden Ast ist. Der Niedergang der einst so bedeutenden Schwerindustrie hat Gelsenkirchen schwer gezeichnet: höchste Arbeitslosigkeit in Westdeutschland, hohe Verschuldung, hoher Bevölkerungsrückgang, hoher HartzIV-Anteil, verödete Innenstadt, verschlissene Infrastruktur…

Nur in einem ist Gelsenkirchen ziemlich gut: in Fußball. Sein Traditionsverein Schalke 04 spielt in Deutschland und Europa meistens recht weit oben mit, und das seit vielen, vielen Jahren.

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Sigmar und die Taliban

Taliban peitscht Frau aus Foto: RAWA Lizenz: CC BY 3.0

Außenminister Sigmar Gabriel will anscheinend auf Teufel komm raus einen Frieden in Afghanistan erreichen und sieht dabei auch die Taliban als legitime Gesprächspartner an.  Von unserem Gastautor John Smith.

Nun stellt sich halt die Frage, ob er ideologisch so verblendet ist zu glauben, dass auf diese Weise tatsächlich ein Frieden erreicht werden kann, der das Leben für die Menschen dort objektiv verbessert werden kann?

Viel wahrscheinlicher ist doch eher, dass ein solcher Frieden und der damit verbundene Abzug westlicher Truppen, dazu führen würde, dass die taliban sich ihre vormachtstellung in der Region wieder erkämpfen würde und sämtliche positiven Errungenschaften die es seit der US Invasion gab (burkapflicht abgeschafft, Mädchen dürfen zur Schule etc. ), sofort wieder über den Haufen geworfen werden, es zu noch mehr Anschlägen gegen die Einwohner gibt, die für sich simple private Freiheiten und das Recht auf religiöse Indifferenz einfordern. Kurz gesagt dass es den Bewohnern des Landes danach objektiv eher schlechter geht. Nicht umsonst fordern die Afghanen, dass die Truppen nicht abziehen, was Gabriel in einem Anfall von Schamlosigkeit selber feststellte.

Wenn man sich allerdings dazu die Geschichte des durch die SPD betriebene Geschichte des appeasement von barbarischen Regimen ansieht und man bedenkt wer ihre Schwesterpartei ist, bleibt nur ernüchtert festzustellen, dass Sozialdemokratie der Verlust von Anstand ist.

Moralische Empörung und staatstragende Abgeklärtheit

 


Die Empörung darüber, dass Polizei und Ausländerbehörde Bivsi R. und Asef N. aus ihren Schulen geholt haben, um sie abzuschieben, hat eine Debatte über die deutsche Abschiebungspraxis ausgelöst. In dieser Diskussion prallen mit universalistischem Menschenrechtsdenken und partikularem Staatsdenken zwei Prinzipien aufeinander, die sich in der modernen politischen Theorie als untrennbar verbundene Gegensätze darstellen. Auch wenn sich der Widerspruch zwischen beiden theoretisch kaum nach einer Seite auflösen lässt, gilt es politisch, für das Menschenrechtsdenken Partei zu ergreifen und Abschiebungen zu skandalisieren. Von unserem Gastautor Floris Biskamp. 

Selten haben Abschiebungen ein solches Ausmaß an Entrüstung ausgelöst wie diese beiden:

Am Montag, dem 29. Mai wurde die vierzehnjährige Bivsi R. von der Polizei aus ihrer Klasse in einem Duisburger Gymnasium geführt und noch am selben Tag mit ihrer Familie nach Nepal abgeschoben – in den folgenden Tagen gelang es ihren Mitschülerinnen[1], deren Eltern und anderen, den Fall zu einem Thema der nationalen Öffentlichkeit zu machen.

Zwei Tage später holte die Polizei in Nürnberg den zwanzigjährigen Asef N. aus seiner Berufsschule, um ihn nach Afghanistan abzuschieben. In diesem Falle griffen die Mitschülerinnen direkt ein und versuchten, die Abschiebung durch eine Sitzblockade zu verhindern. Zwar setzte sich die Staatsgewalt zunächst durch, jedoch haben die dabei entstandenen Bilder von Polizeigewalt gegen Schülerinnen wiederum für nationale Aufmerksamkeit gesorgt – aufgrund eines Anschlages in Kabul am selben Tag musste die Abschiebung letztlich unterbleiben.

Moralische Empörung…

Es ist schwer vorstellbar, dass jemand angesichts der Videos des Polizeieinsatzes in Nürnberg und des Skype-Interviews mit Bivsi R. nicht moralisch empört wäre. Zwei junge Menschen

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