
Mastermind Katharina Borchert ist bei Spiegel online, die Flip-Kameras werden beiseite gelegt und RP Online bleibt unerreichbar. Warum ist Der Westen gescheitert?
So ganz habe ich die Häme, mit der das Projekt „Der Westen“ von Anfang an begleitet wurde nie verstanden. Seitdem es den Westen gibt muss ich mich nicht mehr in die verschiedenen Angebote von WAZ, WR oder NRZ einloggen. Ich bekomme schnell einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse in den Städten die mich interessieren. Ich fand den Westen nie sonderlich aufregend. Es war das solide Internetangebot einer soliden Regionalzeitung. Man konnte sich den Kauf der WAZ sparen.
Nun wird es offensichtlich heruntergefahren: Der Westen hat keinen eigenen Chef mehr, sondern wird vom WAZ-Chefredakteur Ullrich Reitz geführt. Über die Zukunft der Blogs wird intern wohl diskutiert und die erst vor kurzem an die Redaktionen ausgelieferten hippen Flip-Kameras werden in den Schubladen der Redaktionen liegen bleiben. Aus den Städten wird es künftig nicht, wie geplant, von den Lokalredaktionen produzierte Filme geben.
Was ging schief im Westen?
Redet man mit WAZ-Redakteuren, haben die meisten von ihnen den Westen nie als „ihr“ Projekt gesehen. Der Westen, das war ihnen aus der Zentrale in Essen aufgedrückt worden. Der stehen die meisten traditionell skeptisch gegenüber. An der Basis wissen sie, dass ihre Arbeit und nicht die der Zentralredaktion entscheidend für den Erfolg von WAZ, NRZ, WR und den anderen Zeitungen ist. Die WAZ kauft man wegen dem Lokalteil. Der Mantelteil ist für viele Leser nur das Ding. was da drumherum liegt. Doch die Arbeit der Lokalredakteure wurde ihrer Ansicht nach nie genug geschätzt. „Eigentlich müssten unsere Geschichten auf die Teleseite“ – den Satz habe ich mehr als einmal gehört. Und er stimmt.
Für die Lokalredakteure bedeutete Der Westen mehr Arbeit: Sie mussten Texte in das System stellen, sollten auch noch Filme machen und nach Möglichkeit twittern. Die Betreibergesellschaft des Westens bezahlte nichts für die Texte. Im Gegenteil: Die WAZ-Gruppe investierte in den vergangenen Jahren Millionen in ihr Online-Angebot. Das die Männer und Frauen vor Ort dann auch immer häufiger zu hören bekamen, dass man jetzt ja die WAZ nicht mehr kaufen müsse, weil man ja alles im Internet umsonst und sogar früher lesen könne, hob ihre Begeisterung nicht. Vor allem in einer Zeit, in der die Verluste der WAZ an Auflage und Anzeigenumsätzen zu einem massiven Stellenabbau führten: 300 Redakteure, ein Drittel der ganzen Mannschaft, musste gehen. Lokalredaktionen wurden geschlossen. Und gleichzeitig Der Westen ausgebaut. Wer wissen will wie mies die Stimmung bei WAZens ist, muss nur mal einen Blick in die Kommentare des Blogs Medienmoral NRW werfen. Man wundert sich wie es gelingt, in so einer Atmosphäre noch jeden Tag Zeitungen zu produzieren.
Die Kollegen dort wurden von den Journalisten in den Lokalredaktionen nie für voll genommen. Ich glaube nur der mittlerweile auch gegangene Videopunk Markus Hündgen konnte sich Respekt erarbeiten, weil er viele Geschichten lieferte. Das tat die Zentralredaktion bei der Westen kaum. Die bearbeiten bis heute vor allem Agenturmeldungen und die Texte der Printredaktionen. Hatten sie jemals einen Scoop? Haben sie einmal eine Geschichte gehabt, die dazu führte das die Redakteure in den Offline-Redaktionen sagen konnten: „Cool – und das sind unsere Jungs?“ Ich erinnere mich nicht daran.
Man darf sich nicht wundern, wenn unter diesen Umständen Der Westen bei den eigenen Leuten eine viel geringere Akzeptanz hatte als bei den Lesern – und er an dieser mangelnden Akzeptanz nun runter gefahren wird.
Die WAZ-Gruppe ist mit ihren ambitionierten Plänen gescheitert. Ein Fehler war, dass die Lokalredakteure nicht mitgenommen wurden. Ein anderer, dass Der Westen parallel zu einem massiven Stellenabbau ausgebaut wurde. Auch das Ziel, die Rheinische Post online zu überholen, wurde bei weitem nicht erreicht: mit 6.410.077 zu 9.074.447 Visits ist man weit abgeschlagen. Nun wird der Alltag in Essen einkehren. Mit dem Westen hat man jetzt ein überdimensioniertes Portal, mit dem man eigentlich nicht mehr viel anzufangen weiß. Es wird langsam zurück geschnitten werden.
Was die WAZ hätte tun können? Sich auf dass konzentrieren, was eine Zeitung kann: Geschichten machen und journalistisch arbeiten. Genug gute Leute gibt es in der WAZ, ein paar wurden in den vergangenen Jahren aufs Abstellgleis geschoben. Ihre Namen liest man heute kaum noch. Um diese Leute herum und die große Zentralredaktion herum hätte man eine eigene Internetredaktion aufbauen können, die nicht durch technische Spielereien, sondern durch exklusive Geschichten auf sich aufmerksam gemacht hätte. Online hätte die WAZ so einen Leserkreis weit über ihr klassische Erscheinungsgebiet hinaus erreichen können. Und aus diesem Stellenpool wäre es auch möglich gewesen, eigene lokale Geschichten zu machen – und zwar so, dass es für die Leser auch noch Gründe gegeben hätte, am Morgen die Zeitung zu kaufen.
Das alles ist nicht gemacht worden. Und in Zukunft wird nicht mehr viel passieren. Die WAZ wendet sich vom Internet ab. Sie konzentriert sich darauf, ihre Stellung in der analogen Welt zu halten. Das wird ihr allein aufgrund des demographischen Wandels im Ruhrgebiet nicht gelingen. Sie wird nun an zwei Fronten unter Druck geraten: Im Internet und am Kiosk.
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