Bye bye PULP, bye bye Old-Daddy-Revival: Danke, für die schönen Zeiten!

2018: Das PULP in Duisburg (Foto: Peter Ansmann)
2018: Das PULP in Duisburg (Foto: Peter Ansmann)

Es regnet in Strömen, als wir – eine kleine Gruppe von sechs Leuten – gestern Abend gegen 21:15 Uhr vor dem PULP ankommen. Der Andrang ist riesig: Im PULP wird an diesem Samstag final bei der Old-Daddy-Revival-Party gefeiert.

Mit dem Aus für das PULP endet eine Ära in Duisburg.

Ich war früher, nach dem Start des PULP in Wanheim, Stammgast dort und habe in den letzten beiden Jahren, seitdem dort die Old-Daddy-Partys veranstaltet wurden, wieder dorthin zurückgefunden. Die Nachricht über das Aus für das PULP ist bitter: Sie bedeutet nicht weniger als das endgültige Aus für „sowas wie Nachtleben und Party“ in Duisburg.

Zeit, für ein paar Erinnerungen.

Das PULP verabschiedet sich

31.05.2025: Lange Schlangen vor dem PULP (Foto: Peter Ansmann)
31.05.2025: Lange Schlangen vor dem PULP (Foto: Peter Ansmann)

Samstag, 31.05.2025, 19:15 Uhr: Ich verabschiede mich aus der Firma, mein Arbeitskollege Kevin – Spitzname: Alpha-Kevin – wünscht mir einen schönen Restabend und fragt nach meinen Plänen. Ich erwähne, dass ich am Abend auf die letzte Party ins PULP auf die letzte Old-Daddy-Party gehe. Er hatte bisher nicht mitbekommen, dass der Laden schließt. Er war wohl früher öfter dort zu Gast. Gut möglich, dass wir uns damals irgendwann über den Weg gelaufen sind. Wir schwätzen kurz über andere Locations, die es damals noch in Duisburg gab. Dann mache ich mich auf den Weg nach Duisburg. Der Countdown für die letzte Feier im Schloss läuft.

Wegweiser im PULP (Foto: Peter Ansmann)
Wegweiser im PULP (Foto: Peter Ansmann)

Die 90er Jahre

Das Epizentrum von Duisburg ist heute bei Nacht weitgehend tot: Es gibt ein paar Kneipen, die gegen Mitternacht schließen, eine üble Spelunke, die etwas länger geöffnet hat: Das war es weitgehend. Wer feiern möchte, fährt nach Bochum ins Bermuda3eck oder in die Altstadt von Düsseldorf. Das war nicht immer so: In den 90er Jahren war am Wochenende auf der Börsenstraße feiern angesagt. Es gab das Oma Kohl, ein alteingesessener und gemütlicher Laden, in dem meinte Mutter wohl mal „irgendwann nach Kriegsende“ zu Gast war, wie sie mal erwähnte. Daneben angesiedelt waren das Souterrain, in dem sich das jüngere Publikum – damals in meinem Alter – traf und die Piano-Bar. Eine Ecke weiter gab es das Insider. In direkter Nachbarschaft dieser Läden existierte praktischerweise ein Frühstücksladen: Falls man mal durchgemacht hatte, konnte man sich dort stärken. In den frühen 90ern waren das Souterrain und das Oma Kohl mein Revier, wo meine Freunde und ich uns am Freitagabend trafen, um später gemeinsam ins Old Daddy zu gehen: Am liebsten, wegen der Musikauswahl, am Freitag. Manchmal auch am Samstag.

Es darf - im großzügigen Außenbereich - geraucht werden! (Foto: Peter Ansmann)
Es darf – im großzügigen Außenbereich – geraucht werden! (Foto: Peter Ansmann)

Trotz des, im Vergleich zum Souterrain, älteren Publikums haben wir schnell das Oma Kohl bevorzugt: Dort gab es Guinness zu trinken und ja, das war der Hauptgrund. Später eröffnete im Umfeld der Börsenstraße noch das Pògs, am Anfang unter anderem Namen als Teil einer Kette. Ein Irish Pub, legendär in Duisburg, Anfang der 2000er Jahre leider auch seine Pforten für immer geschlossen hat. Zum Old Daddy gab es lange Zeit keine Alternative. Manchmal ging es nach Oberhausen ins Raskalnikov, das inzwischen auch Geschichte ist.

Das PULP in Wanheim

Im Juni 1996 wurde ich, beim Lesen der NRZ, auf eine kleine Meldung aufmerksam: Auf der Forststraße in Duisburg-Wanheim, direkt an der Grenze zu Wanheimerort, sollte ein neuer Laden eröffnen. Mit der Tageszeitung in der Hand bin ich an diesem Tag bei Thomas, einem Freund von mir, aufgeschlagen. Der Beschluss, den Laden mal zu testen war schnell gefasst. Vielleicht auch, weil der Laden fast direkt neben seiner damaligen Wohnung lag. Bei der Eröffnung fanden wir uns also in einer kleinen Gruppe von fünf oder sechs Personen im PULP ein. Wir wurden freundlich von Drago, dem Besitzer, empfangen. Mit Handschlag. Das Publikum am ersten Abend war sehr übersichtlich. Etwa 20 Personen waren anwesend. In der alten Industrieruine gab es zwei Ebenen: Unten lief die Musik, die wir aus dem Old Daddy gewohnt waren, oben EBM. Preislich war es ähnlich wie im Old Daddy, die Mischungen waren sehr gut. In meiner Erinnerung wurde dort am ersten Abend draußen gegrillt, als ich Thomas gestern von der PULP-Abschlussparty kontaktiere, meinte er, es hätte Suppe gegeben. Ich weiß es nicht mehr genau, aber Grillfleisch – ein Steak im Brötchen – gab es, gegen einen Verzehrbon, relativ frühzeitig im PULP. Wir – als „Gäste der ersten Stunde“ bekamen unser Steak für lau, auch weil wir in der Anfangsphase fleißig für die neue Location geworben hatten.

31.05.2025: Letzte Party im PULP! Angela tanzt zu Beats der 80er Jahre (Foto: Peter Ansmann)
31.05.2025: Letzte Party im PULP! Angela tanzt zu Beats der 80er Jahre (Foto: Peter Ansmann)

Mit dem alten PULP verbinde ich schöne Erinnerungen: Die normalen Disco-Abende am Wochenende mit Freunden, eine Party der SPD-Nachwuchsorganisation Jusos 1998, eine Party, um Guildo Horn anzufeuern, als der im Finale des ESC stand.

Die Silvester-Party 1997 im PULP ist am Ende, für mich persönlich, etwas eskaliert. Es gab viel Cola-Wodka, viel Bier und auf dem Nachhauseweg bin ich, wir waren in einer Gruppe unterwegs, gestolpert. Kniescheibe ausgerenkt, fetter Bluterguss im Knie. Beschissener konnte das neue Jahr 1998 nicht anfangen. Thomas schleppte mich nach Hause, wir hielten es für eine gute Idee, den schlechten Neujahrsbeginn mit einem weiteren Bier zu feiern.

Das PULP: Eventschloss in Duisburg (Foto: Peter Ansmann)
Das PULP: Eventschloss in Duisburg (Foto: Peter Ansmann)

Einen Tag oder zwei Tage zuvor hatte ich mir ein neues Mainboard von ASUS und eine AMD-K6-CPU gekauft. Die CPU in meinem EDV-Stammladen, das Mainboard woanders, weil es bei meinem Stammhändler ausverkauft war.

Den Ausbau des alten Mainboards aus meinem PC und der Einbau des neues Mainboards, hielten wir an diesem Neujahrsmorgen um 3:00 Uhr für eine prima Idee. Ich habe den Satz „Wenn der Tag schon so schlecht beginnt und wir jetzt hier sind, können wir auch den PC zusammenbauen“ sehr dunkel in Erinnerung. Das taten wir dann auch. Es war keine gute Idee gewesen. Thomas ging irgendwann nach Hause, ich fuhr ins Krankenhaus, um das Knie punktieren zu lassen. Am Nachmittag startete ich den PC. Er lief etwa 60 Minuten. Dann verabschiedete sich der PC mit einer hässlichen Meldung. Neustart, der PC verabschiedete sich erneut irgendwann. Das Spiel ging den ganzen Tag so.

Nach zwei oder drei Tagen reagierte Power-Button des PC überhaupt nicht mehr. Thomas kam vorbei, wir öffneten den PC: Einer der Abstandshalter für das Mainboard war nicht eingerastet, unter dem Wärmeinfluss hatte sich das Mainboard „etwas“ verbogen und erfüllte sämtliche EU-Krümmungsnormen, sollten diese existieren, für Bananen. Der Händler, bei dem ich das Mainboard erworben hatte, weigerte sich, das Mainboard umzutauschen. Was verständlich war. Bei meinem Stamm-PC-Händler sind wir dann mit dem, etwas von Hand begradigten, Board aufgeschlagen und haben die Wahrheit erzählt: Kauf des Boards bei anderem Händler, wie übel der Neujahrstag begann und so weiter. Unsere Hardware-Besessenheit nach der Nacht im PULP schien ihn gleichermaßen fasziniert und geschockt zu haben, er schaute uns an, als wären wir von einem anderen Stern und komplett dumm, ab und zu ging der Blick zum immer noch krummen Mainboard. Ein paar Tage später hatte ich „auf Kulanz“ ein neues Mainboard.

PULP-Gast Oli, auf der Daddy-Revival-Party am 30. September 2023 (Foto: Peter Ansmann)
PULP-Gast Oli, auf der Daddy-Revival-Party am 30. September 2023 (Foto: Peter Ansmann)

Das neue PULP

Das PULP blieb, bis ein Feuer im Sommer 1999 die Disco zerstörte, unser Stammladen. Das neueröffnete PULP, der frühere Bahnhof Hochfeld-Süd wurde bis 2002 umgebaut und um ein Schloss erweitert, hab ich lange Zeit nicht besucht. Wieso auch immer. Erst 2004,2005 oder 2006 schlug ich dort, mit der alten Freundesgruppe, auf. Ich wohnte inzwischen am Bodensee, weit entfernt von der Disco. Die fußläufig von meinem Elternhaus erreichbar ist: Man fällt quasi aus dem Bett – Zack – schon ist man im PULP. 

Bei diesem ersten Besuch erkannte mich Drago: Kurze Zeit später hatte ich, ungefragt, einen Teller mit einem Steak in den Händen.

Jetzt erstmal für geschlossen: Das PULP! (Foto: Peter Ansmann)
Jetzt erstmal für geschlossen: Das PULP! (Foto: Peter Ansmann)

Ins PULP bin ich danach sehr lange nicht mehr gewesen, auch nicht nach meiner Rückkehr nach Duisburg. Das Publikum hatte sich verändert, wie man immer am Abend sehen konnte, wenn man von Hochfeld nach Wanheimerort zurückkehrte und am PULP vorbeilief.

Bei Fahrten zur Arbeit, vom angrenzenden Bahnhof Hochfeld-Süd, als dort noch Bahnen, vor dem Umbau des Hauptbahnhofes in Duisburg, nach Mülheim fuhren, hatte ich morgens um 5:00 Uhr öfter die „Reste“, die irgendwie nach Hause kommen wollten, in der Bahn. Friedfertig waren sie immer und gut gelaunt, auch wenn der Schaffner am HBF in Duisburg bei der Fahrkartenkontrolle auf Anfrage mitteilte, dass der Zug „nicht nach Kleve fährt.“ Zusatzinfo für Nicht-Bahnfahrer und Nicht-Duisburger: Man müsste dann einen komplett anderen Zug in die gegensätzliche Richtung nehmen.

Old-Daddy-Revival

Nach der Schließung des Old Daddy in Duisburg, fand ich wieder ins PULP zurück. Ab 2023 gab es Old-Daddy-Revival-Partys im PULP.

Bei jeder dieser Feiern waren wir – meine Freundin, ein paar Freunde und ich – immer mit dabei: „Es ist immer wie ein kleines Klassentreffen“ sagte Martina, eine Schulkameradin, mit der ich den Heimweg früher teilte, als ich sie gestern im PULP traf. Was auch stimmt: Ich hab gestern drei Schulkameraden von früher erblickt: Christian, Stefan, Torsten. Bei den früheren Events, war as ähnlich. Man trifft Leute, die man halt von damals kennt und hört die gleiche Musik wie in dieser Zeit. Im PULP lebten gestern die 80er nochmal auf: Our House, You Spin me Round, Living on Video, Don’t You want me Baby, Girls wanna have Fun, I was made for Loving You und anderen Hits der 80er bringen alle zum Tanzen. Es wird laut mitgesungen. Die Stimmung ist perfekt. Der Laden ist gerammelt voll.

Im PULP gefeiert: Teuer war es dort nie! (Foto: Peter Ansmann)
Im PULP gefeiert: Teuer war es dort nie! (Foto: Peter Ansmann)

Was am Schloss sehr schön ist: Der Außenbereich. Besonders im Sommer laden bequeme Sessel zum Verweilen ein. Es gibt Bars im Außenbereich, wo man mit coolen Longdrinks versorgt wird. Für Romantik sorgt der schöne Ausblick auf das ehemalige Industriegelände des Kultushafens.

Mit Spannung fragt man sich, was aus dem Schloss werden wird: Eine Disco wäre ideal, aufgrund des Ambiente und der Größe kommen nicht viele andere Möglichkeiten in Frage, außer eventuell – nach Umbau – eine sehr große Jugendherberge: Für die es in Duisburg vermutlich keinen Bedarf gibt. Für einen Swingerclub ist die Location zu groß. Ein Gast, der irgendwann neben mir saß, schaut traurig und spricht aus, was jeder Besucher denkt: „Hammer, was der aus dem alten Bahnhof gemacht hat.“

Party-Outfit der Vergangenheit - der Rittersaal im PULP (Foto: Peter Ansmann)
Party-Outfit der Vergangenheit – der Rittersaal im PULP (Foto: Peter Ansmann)

Die Abschlussparty wird in Erinnerung bleiben. Auch aufgrund der Besuchermassen. Beim Verlassen müssen wir uns in eine Schlange reihen. Diese geht von der Disco im Rittersaal bis zum Ausgang. Ob und wann es mit den Daddy-Revival-Partys weiter geht, steht in den Sternen. Peter Jurhahn, Veranstalter der Partys und früherer Betreiber des Old Daddy äußerte sich dazu in der WAZ (WAZ: Nach Pulp-Aus: Wie geht es mit Old-Daddy-Party weiter?):

Nach einer neuen Location werde man „lange suchen müssen“, da ist sich Peter Jurjahn sicher. „Das Pulp hat die Latte einfach sehr hoch gehängt. Für uns wird es deshalb erstmal die letzte Party in Duisburg sein.“

Bleibt zu hoffen, dass die Suche erfolgreich sein wird.

Danke PULP, für die schöne Zeiten!

Möge es irgendwann mit den Old-Daddy-Zeiten weitergehen – vielleicht mit einem anderem Konzept, vielleicht im alten Schloss!

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wicki
Gast
wicki
6 Monate zuvor

Ja, nach einem grausamen Besuch vor 4 Wochen (da gabe es mehr Personal und Security als Gäste) war es am 31.05.wirklich voll.
10 EUR Eintritt ohne Verzehr – ungewohnt, aber heute wohl die Regel.
Und bis ca. 1 Uhr war es auch angenehm – wenn man einen Sitzplatz ergattert hatte. Aber umfallen konnte man eh praktisch nirgendwo – weil man wirklich auf jedem Gang und auf jeder Tanzfläche recht engen Körperkontakt zu andren Besuchern hatte 😉
Nicht ganz leere Flasche/Gläser wurden auch vom Personal einfach auf den Boden entleert und alles entwickelte sich zu einem recht rutschigen Feuchtbiotop.
Nachdem es dann aber nach 1 keine Getränke (kein Bier, kein Hefe, keine alk-/zuckerfreien Getränke mehr gab) sind wir dann gegangen.
Draussen stand immer noch eine Warteschlange fast bis zur Strasse – und es wurde fleissig weiter Eintritt kassiert.
Ich gehe davon aus, dass all diese Besucher not amused waren, als sie drinnen erfahren haben, dass es nur noch Cola aus Plastiḱflaschen, Kurze und Coctails gab….
Insgesamt ein unrühmliches Ende und die rückläufigen Besucherzahlen waren wohl eher Missmanagement zu verdanken, seitdem Drago nicht mehr dabei ist……

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