Begrabt mein Herz in der Biegung der Tribüne

Komisch, dass der erste  Fan-Friedhofes in Hamburg entstanden ist. Logisch hingegen, das Dortmund jetzt nachzieht.

Seit dem 2. November können sich HSV-Fans in der Nähe des Stadions begraben lassen. Eigentlich eine Idee typische Idee aus dem Ruhrgebiet, denn die Verbundenheit der Fans mit ihren Vereinen ist hier schon recht hoch. Als Schalke in den 80ern mehrmals abstieg, gab es jedesmal mindestens einen Selbstmord – wer weiß, vielleicht nahm der Bevölkerungsrückgang in Gelsenkirchen damals seinen Anfang. Nun werden sich auch bald  BVB Fans auf einem Fan-Friedhof begraben lassen können. Laut den Ruhr Nachrichten plant die Dortmunder Friedhofsverwaltung unter dem Motto "Nach dem Abfiff" die Einrichtung eines Grabfeldes in Stadionform. Die Idee ist gut zwei Jahre alt und dämmert zwischenzeitlich in der Schublade vor sich hin. Das Besondere: Der Fan-Friedhof soll den Anhängern aller Vereine offen stehen. Ulrich Heynen, der Geschäftsleiter Technik der Friedhöfe Dortmund zu den RN: „Allerdings sollte die Grabanlage allen Fußball-Fans zur Verfügung stehen, nicht nur BVB-Anhängern. Bei uns gibt es schließlich auch interkonfessionelle Beerdigungen.“ Eine mutige Entscheidung – Dortmund überrascht mich immer mehr. Aber ein Grabfeld für die Fans aller Vereine könnte eine Eskalation verhindern, denn es ist ja nur eine Frage von Tagen, bis die Idee auch in Gelsenkirchen auf die Tagesordnung kommt. Wollen wir wirklich Schlagzeilen wie diese lesen: "Schalke jubelt: Knappen-Grabfeld ist das größte der Republik", "BVB-Friedhof will an die Börse" oder "Frank Goosen:  Die Stimmung auf dem VfL-Friedhof ist einzigartig? ."

Shit happenz – Cross Border Leasing droht Städte zu ruinieren

Als es damals darum ging, ob Städte wie Bochum oder Duisburg oder so Cross Border Leasing machen dürften. So Ende der Neunziger, Anfang des Jahrtausends. Da war ich dagegen. Hab dagegen geschrieben. Warum? Zunächst aus einem Grund: Ich hielt es für unmoralisch die Amerikanischen Steuerzahler zu bescheißen. Dann fehlte mir der Glaube, dass Leute wie Ottilie Scholz, Kämmerin aus Bochum von der SPD, klug genug sind, nicht von New Yorker Finanzhaien verarscht zu werden. Und schließlich weil eine Mehrheit der moralisch denkenden Menschen gegen das Geschäft war.

Grafik: Cross Border Wuppertal

Wie so oft zeigt sich nun, dass die Moral, die wir gelernt haben, eine gute Richtschnur unseres Handelns ist. Ich klau ja auch kein Auto, weil das unbeobachtet rumsteht. Oder schaff mein Geld nach Lichtenstein.

Genug der Calvinistischen Schadenfreude.

Wie Werner Rügemer heute in der taz schrieb, ist es ein Ende mit dem globalen Steuerbeschiss. Die Amis haben die Deals als Scheingeschäfte entlarvt und wollen jetzt ihre Steuern haben. Außerdem sollen die Verträge aufgelöst werden. Das bedeutet: Viel Spaß für Ottilie und das Bochumer Konzerthaus. Eines scheint mir bei den dicken Verträgen sicher. Die Amis werden nicht draufzahlen. Eher die deutschen Cleverle-Kommunalos und mit ihnen die heimischen Steuerzahler.

Ach und noch was: Ein Kumpel hat mir erzählt, wie heiß die amerikanischen Steuerbehörden sind. Die kennen überhaupt keinen Spaß. Die wollen von allen Amerikanern weltweit ihre Abgaben. Und wenn sich einer nach Wanne-Eickel vedrückt mit seinen Milliarden, dann entziehen die dem den Paß, bis er zahlt. Oder locken ihn nach Texas und nehmen den Mann dort fest, oder greifen den an irgendeinem Flughafen ab. Meinetwegen als Terroristen.

Und mit den heißen Hunden dürfen sich jetzt die Bochumer et al. rumärgern. Ich rate mal Ottilie dazu, demnächst besser nicht in New York Urlaub zu machen. Obama hin oder her.

 

WAZ bloggt über Restrukturierung

Die WAZ steckt in der Krise – und bloggt darüber öffentlich.

Unter dem Motto "Bleibt alles anders" hat die WAZ-Mediengruppe heute einen Blog über ihre Umstrukturierungsmaßnamen eingerichtet. In "Über diesen Blog" heißt es: "Medienwandel bedeutet auch, dass nicht nur „klassische Nachrichten“ neue Kanäle finden. Deshalb wollen wir mit diesem Blog versuchen, bei der schwierigen Diskussion um die Restrukturierung der WAZ-Aktivitäten in NRW einen Informationskanal zu nutzen, der eine Alternative zu Pressemitteilung und Flurfunk darstellt. Die hausinterne Information der Mitarbeiter soll das Blog selbstverständlich nicht ersetzen. Uns ist bewusst, dass wir nie so viel öffentlich machen können, wie Betroffene es sich wünschen. Aber wir glauben, hiermit einen Schritt in die richtige Richtung zu tun. Wir bitten allerdings darum, dass die Diskussion die üblichen Regeln des menschlichen Miteinanders berücksichtigt." Neben Infos für die Mitarbeiter wird in der Blogroll auch auf den Blog Medienmoral NRW sowie den Pottblog, Coffeeandtv, Hometown Glory und die Ruhrbarone verwiesen, die in den vergangenen Wochen über die WAZ-Krise berichtet haben. Damit beschreitet die WAZ neue Wege in der Krisenkommunkation und überrascht mit einem extrem hohen Maß an Transparenz.

Lammert: ?Streit um Kohle lohnt nicht mehr“

Norbert Lammert war 22 Jahre lang der Chef der Ruhr CDU. Und heute fand sein letztes Pressegespräch in dieser Funktion statt.

Ab und an lud Norbert Lammert in den vergangenen Jahrzehnten Journalisten aus dem Ruhrgebiet zu einem Pressefrühstück ein. Heute zum letzten Mal – zumindest als CDU-Ruhr Vorsitzender. Eines der Themen: Die neue Kampagne zur Rettung der Steinkohle, die gestern von SPD und IGBCE gestartet wurde.  Lammert wunderte sich über den Zeitpunkt der Auseinandersetzung: "Es gibt eine klare Regelung: 2018 laufen die Kohlesubventionen aus, 2012 wird noch einmal nachgeschaut, ob sich die Rahmenbedingungen so weit geändert haben, dass man den Ausstiegsbeschluss revidieren muss. Im Augenblick ist die Steinkohle kein Thema."

Ihm erscheine es so, als ob mit der abnehmenden Fördermenge und dem damit verbundenen Bedeutungsverlust der Kohle der Streit umso leidenschaftlicher wird: "Der Beitrag der heimischen Steinkohle ist schon heute so gering, dass er für unsere Energieversorgung kaum noch eine Bedeutung hat. Das wird sich bis 2012 weiter fortsetzen." Ihm erschließe sich nicht, welche Bedeutung ein Sockelbergbau haben soll, der nur so geringe Mengen Kohle produziert, dass diese Kohlemengen auf die Preise kaum Auswirkungen haben können.

Auch plädierte der scheidende Chef der CDU-Ruhr dafür, den Städten künftig die Möglichkeit zu nehmen, aus dem RVR auszusteigen. "Ich war dafür, dass die Städte mit 2/3 Mehrheit aus dem RVR austreten können. Diese Mehrheit kam auch in Hagen und Wesel nicht zustande. Wenn der RVR nach der nächsten Kommunalwahl die Regionalplanung übernimmt, muss damit aber Schluss sein. Nirgendwo in Deutschland kann man aus Planungsräumen austreten – warum soll das im Ruhrgebiet möglich sein?"

Auf die gestrige Rede des Gelsenkirchener Oberbürgermeisters Frank Baranowski bei der Gründung der Stadt Ruhr angesprochen bemerkte Lammert mit süffisanten Unterton: "Die Rede von Baranowski war ein großer Schritt für die SPD im Ruhrgebiet,   aber nur ein kleiner Fortschritt für die Menschen im Ruhrgebiet." Der SPD prophezeite er noch eine lange Diskussion über ihre Verhältnis zum Ruhrgebiet: "Dass die Sozialdemokraten anerkennen, dass das Ruhrgebiet ein eadministrative Klammer benötigt, begrüße ich, auch wenn sie für die Erkenntnis etwas lange gebraucht habe. Baranowski tue sich aber noch offensichtlich schwer damit, dass der RVR bald die Planungshoheit erhalten wird und es bald neue Strukturen im Land geben wird, welche die Landschaftsverbände und die Regierungsbezirke ersetzen werden. "Ich freue mich auf einen Wahlkampf, in dem die SPD im Ruhrgebiet mit der Forderung auftritt, dass das Ruhrgebiet wieder aus Arnsberg, Düsseldorf und Münster regiert wird."

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Post von der Rentenversicherung

Ich habe Post von der Deutschen Rentenversicherung bekommen.

Die Summe, die mir da als künftige Rente prognostiziert wurde, ist nicht wirklich der Rede wert. Aber nun muß ich mir überlegen, wie ich damit umgehe. Ich glaube, es wird Zeit für mich, ein paar Konsequenzen zu ziehen:

1. Ich werde nicht mit dem Rauchen aufhören, sondern künftig statt halbschwarzen schwarzen Tabak rauchen. Auch die Filter fliegen in den Müll.
2. Kein Sport mehr. Sucht jemand gerade ein gut erhaltendes Mountainbike?
3. Nie mehr Bier mehr. Ab jetzt gibt es Schnaps!
4. Eigentlich mag ich ja Gemüse, aber im Zentrum meiner Ernährung sollte künftig fettiges Schweinefleisch stehen.
5. Ich konnte doch als Kind so schön zeichnen. Ob ich noch ein paar Mohamed-Karrikaturen hinbekomme?
Wenn ich mich an diese guten Vorsätze halte, brauche ich keine Angst mehr vor der Rente zu haben.

Die Grüne Partei will Blogger kaufen

OK. Die Überschrift ist hart. Sie ist reißerisch. Aber sie ist nichts weiter als zugespitzt. Und irgendwie wahr. Es geht um ein ethisches Problem. Wie weit dürfen Parteien gehen, um in relevanten Blogs aufzutauchen? Dürfen Sie sich Raum im geschriebenen Teil von Blogs kaufen? Ist das Schleichwerbung?

Seit gut fünf Jahren gibt es im professionellen Journalismus eine Debatte darüber, wie Journalisten in eigenen Reihen mit Korruption umgehen sollen. In Konsequenz der Debatte haben Verlage wie die WAZ oder Springer eigene Ehren-Codexe beschlossen. So dürfen keine Umsonst-Reisen mehr angenommen werden. Etwa wenn der Bundesminister für Verteidigung nach Afghanistan fährt. Denn, so die Befürchtung, die Unabhängigkeit der Gedanken könnte  zugunsten eines netten Trips in netter Gesellschaft flöten gehen. Doch die Grünen wollen dieses Denken offenbar durchbrechen und zumindest unter Bloggern wildern.

In der ethischen Debatte wird heute schon über die bevorzugte Nähe zu Gesprächs- und Interviewpartnern diskutiert. Ob auch das als Bestechung ausgelegt werden kann. Soweit würde ich nicht gehen. Aber es ist sicher richtig, dass ein Journalist nicht fahren darf, wenn sich ein Verlag eine Reise nicht leisten kann. Sonst wird es kompliziert mit der Unabhängigkeit. Diese Erkenntnis muss man lernen. Auch als Reporter. Früher wurde das anders gesehen. Auch ich war da vor ein paar Jahren nicht so strikt drauf. Ich glaube, ich bin mal vor ein paar Jahren nach München zur Expo Real gefahren und der RVR hat bezahlt. Aber in der Debatte habe ich gelernt. Heute würde ich das nicht mehr tun. 

Ich will jetzt aber nicht die Diskussion aufreißen, ob Blogger Journalisten sind und sich an die gleichen ethischen Grundsätze halten sollten. Also an die Grundsätze der Meinungsunabhängigkeit und Unbestechlichkeit. Ich weiß auch, dass es viele Graubereiche gibt. Und die Grenze zwischen gut und böse nicht immer scharf zu sehen ist.

Aber eines gilt es fest zu halten: Blogger schaffen Öffentlichkeit in einem modernen Medium. Sie gelten als ehrlich und unbestechlich, da sie von unten kommen, nicht aus einer wie auch immer verbrämten Journalistenclique, sondern aus der Gruppe der freien Bürger, die ihre eigene Gegenöffentlichkeit schaffen.

Etliche Blogger teilen hart aus, wenn es um Fehler geht und Schleichwerbung. Zum Beispiel auf Bildblog.de

Das ist gut. Und ich will das nicht angreifen. Aber ich will etwas anderes angreifen.

Und zwar hat die Grüne Partei für ihren Bundesparteitag fünf Blogger eingeshoppt. Diese bekommen:

Anfahrtskosten (per Bahn) und Übernachtungskosten, Internetzugang während der Veranstaltung und den Zugang zum Pressezentrum sowie der Eröffnungspressekonferenz. Auf Wunsch wird versucht Hintergrundgespräche mit GRÜNEN Spitzenpolitiker/innen zu organisieren. Außerdem gibt es eine inhaltliche Betreuung durch Bundesvorstandsmitglied Malte Spitz

Dafür sollen die Blogger als Gegenleistung auf ihrer eigenen Seite und auf der Seite der Bundesgrünen über den Parteitag berichten.

Die Grünen wollten für diese Propagandaaufgabe nicht irgendwelche Blogger. Sie wollten gute Blogger. Blogger, die was drauf haben, die relevant sind. Die Grünen wollten keine Spinner.

Deswegen sollten sich die Blogger um die Anfahrtskosten, die Übernachtungskosten, den Internetzugang, den Zugang zum Pressezentrum, die Eröffnungspressekonferenz, die Hintergrundgespräche und die INHALTLICHE BETREUUNG durch Malte Spitz bewerben. Es heißt auf der Seite:

Bewerben können sich alle politisch Interessierten mit einem eigenen Weblog. Bekanntheitsgrad und politische Couleur spielen keine Rolle. Ausgewählt werden die interessantesten Bewerber/innen. Die Bewerbung sollte mit einem kurzen Motivationsschreiben begründet werden.

Ausgewählt wurden unter anderem zwei der Blogs, die ich sehr gut finde:  Der Pottblog und Coffee and TV.

Die beiden gehen offen mit ihrem Engagement für die Grünen um. Das finde ich gut. Ich glaube auch nicht, dass sie sich inhaltlich was vorschreiben lassen.

Aber geht es darum? Geht es darum, Ihnen etwas inhaltlich vorzuschreiben? Ich denke nein. Die Grünen wollen ihre Partei modern darstellen. Deswegen wollen sie in diese verdammten Blogs rein, die Obama so erfolgreich gemacht haben. Sie wollen ihren Staublangweiligen Parteitag in angesagten, ehrlichen und deswegen relevanten  Blogs platzieren. Mehr noch, sie wollen die Nummer inhaltlich betreuen und zielgruppengerecht in den für sie wichtigen Regionen platzieren. Oder warum werden zwei Leute aus NRW ausgewählt?

Die Grünen wollen ihre Mantra in der Blogger-Welt viral einspritzen. Diskussionen anregen und dazu noch die Blogger auf die eigene Seite lotsen, damit sie ihr Publikum auch dorthin mitbringen. So wird Parteiwerbung maximal im Netz gestreut. Und gleichzeitig die Grüne Partei als fortschrittlich, internetaffin, modern gelabelt.

Das ist in meinen Augen der Versuch der Grünen Schleichwerbung zu platzieren. Und für was? Für ein Bett, ein Butterbrot und ne Fahrt 2. Klasse.

Ich frage mich, ob hier von PR-Profis im Dienst der Grünen die Naivität von Blogger ausgenutzt werden soll, die nicht im Kurs der ethischen Debatte stehen. Die ihren Wert nicht kennen. Die sich auch noch freuen, wenn sie billig eingeshoppt wurden.

Natürlich kann sich ein Blogger eine Reise nach Erfurt nicht wie ein Verlag einfach so erlauben. Aber wenn er sich das nicht leisten kann, muss er sich dann den Trip ausgerechnet von den Leuten bezahlen lassen, die ihn inhaltlich betreuen wollen und über die er kritisch schreiben will?

Ich finde eine Diskussion über ethische Grundsätze unter Bloggern wichtig. ich weiß, es gibt sie schon ein paar Tage. Aber es kann nicht alles OK sein. Und wir müssen die Diskussion weiter führen. Ich weiß, es ist schwierig, mit bloggen Geld zu verdienen. Aber es gibt so viel schlimmes. Pro-Blogger, die für Geld für Coca Cola bloggen. Und so Sachen.

Leute, denkt doch nochmal drüber nach.

Denn sonst könnte es sein, dass der WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach recht hat, wenn er sagt, anders als in der Anarchie des Internets unterlägen klassische Medien einer gewissen Kontrolle und fühlten sich moralischen Kriterien verpflichtet. Die wichtigste Funktion der Medien bleibe auch in Zukunft "die Schaffung von Transparenz und dadurch die Kontrolle der Macht und der Mächtigen".

Mit Macht und Mächtigen sind auch die Grünen gemeint.

WAZ – OVERKILL AM KARNEVAL

Wie man liest, soll die WAZ-Geschäftsführung am 11. November, 11 Uhr nicht Party Feiern gehen, sondern in der Essener Lichtburg Kettwiger Straße 36 erklären, wie sie sich das vorstellt, das Ding mit den 300 Leuten entlassen,  Vest-Redaktion dichtmachen, 30 Mio sparen und so. Eingeladen sind alle Blogger, Reporter diverser Redaktionen, die Betroffenen von WAZ, WR, NRZ und WP und sonst alle.

Jaja, war nur Spaß, nur die WAZ, WR, NRZ und WP-Mitarbeiter sollen kommen. Aber man schmeißt bestimmt niemanden raus, oder?

Am heutigen Donnerstag werden übrigens die Beriebsräte von den WAZ-Gruppen-Chefredakteuren über die Pläne informiert. Allerdings nur darüber, was im Mantel redaktionell passiert. Wie es in den Lokalteilen aussieht, bleibt weiter ungeklärt.

Das ist eine Siegesrede

Ich bin echt geplättet. Vergleicht das mit irgendeiner Siegesrede in Deutschland. Change Has Come.

This Is Our Moment

Und vergleicht diese großartige Verlierer-Rede mit dem, was Schröder gesagt hat. So geht Demokratie. Das kommt tief aus dem Herzen.

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Stadt Ruhr gegründet – Jetzt sind wir Bürger gefragt

400 Bürger des Ruhrgebiets gründeten heute um 18:20 Uhr im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen die Stadt Ruhr. Es ist die größte Stadt Deutschlands – zumindest virtuell.

Vorher beschworen zahlreiche Redner – unter ihnen Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert, Gelsenkirchens OB Frank Baranowski (SPD) und der Vorsitzenden des Vereins "pro Ruhrgebiet" Roland Kirchhoff – die Einigkeit des Ruhrgebiets. Die sozialdemokratischen Redner nutzten jedoch die Gelegenheit, um gegen die Pläne der Landesregierung, dem Land NRW eine neue Struktur zu geben, Stellung zu beziehen. So betonte Baranowski die Notwendigkeit der Gründung einer Stadt  und machte sich über die Versuche einzelner Städte lustig, "sich mit ihrem schwachen Umland zusammen zu tun, um stärker zu wirken". Dann wendete er sich gegen die Strukturreform des Landes. Baranowski malte das Schreckgespenst eines Regierungsbezirks Ruhr an die Wand, der vom Land gesteuert und dem Revier aufgezwungen werde.

Nun hat allerdings das Land nicht vor, einen neuen Regierungsbezirk zu gründen, sondern neue Strukturen zu schaffen, die mit den heutigen nicht mehr viel zu tun haben. Und die CDU-Ruhr fordert längst die Wahl eines Ruhrparlamentes.

Doch auch dem erteilte Baranowski eine Abfuhr. Er wolle eine richtige Stadt, dann könnte es neben einem direkt gewählten Parlament auch eine zweite Kammer mit den Bürgermeistern geben. Und das Land, so seine Idee, sollte diese Stadt finanzieren – und damit die Städte ablösen, die im Moment den Regionalverband Ruhr bezahlen.

Alles leider ein wenig unkonkret. Doch so wird die Linie der SPD zum Thema Ruhrgebiet deutlich: Verbale Zugeständnisse, Forderungen, die weit in der Zukunft liegen und mauern, wenn es konkret wird.

Schade. Aber sind wir ehrlich: Es war schon schlimmer. Zumindest wird jetzt anerkannt, dass das Ruhrgebiet verbindliche Strukturen benötigt und auch Direktwahlen sind nicht mehr tabu. Nur dass Grüne, CDU und FDP programmatisch viel weiter sind als die SPD, werden die Genossen dauerhaft auch mit flotten Sprüchen nicht übertönen können.

Eher launig war die Rede von Bundestagspräsident Norbert Lammert. Er forderte die Bürger zu mehr Engagement für die Region auf und befürwortete eine Diskussion über die Perspektiven der Region. Lammert war in Festtagsstimmung – ich habe ihn schon kämpferischer erlebt.

Aber ich will nicht zu kleinkrämerisch sein: Die Idee, das Ruhrgebiet zu einer Einheit werden zu lassen, steht wieder auf der Agenda – und die Initiative davon ging von den Bürgern aus. Ein gutes Zeichen. Die sollen sich auch künftig an der Diskussion beteiligen – und Bürger der Stadt Ruhr werden. Auf der Internetseite Stadt Ruhr.de kann man der Stadt Ruhr beitreten, morgen eine Aufzeichnung der Veranstaltung sehen und  in einem Forum seine eigenen Ideen einbringen.

Auf  erste Forderungen, wie die Direktwahl eines Ruhrparlamentes, ein einheitliches Nahverkehrssystem und einen Regionalbezirk Ruhr haben sich die Initiatoren der Veranstaltung schon geeinigt – und, nein, niemand will einen Staatskommissar aus Düsseldorf, den RVR Chef Klink als Schreckgespenst an die Wand malte. Was der im Musiktheater zu suchen hatte, gehört für mich zu den großen Geheimnissen eines ansonsten gelungen Abends, durch den der ehemalige WAZ-Chef Uwe Knüpfer führte.

 

Aus der Kohle politisches Kapital schlagen

Heute war eine Veranstaltung der Gewerkschaft IGBCE mit der SPD in Bottrop. Die Kumpel stellten ihre Kampagne zum Erhalt der deutschen Steinkohle vor. Wie bekannt ist, sollen ja alle deutschen Zechen bis 2018 dicht gemacht werden. Es gibt allerdings im Jahr 2012 die theoretische Möglichkeit diesen Beschluss zu revidieren, wenn die politische Mehrheit dafür da ist.

Foto:  Kraft ist die Dame ganz rechts und für Kohle und Wählerstimmen. Quelle: http://www.europa-helene.de.

Doch die Veranstaltung war mehr der Versuch poltische Unterstützung für die Chefin der NRW-SPD Hanelore Kraft zu organisieren. Unverholen forderte die Politikerin die Bergleute auf, sie bei den kommenden Wahlkämpfen zu unterstützen. Das Gegenangebot der SPD-Chefin: Sie werde sich dafür einsetzen, dass die Zechen im Revier nicht alle dicht machen müssen. Hannelore will weiter für einen Sockelbergbau kämpfen, obwohl dafür keine politische Mehrheit mehr in Deutschland zu holen ist. Und ohne weite politische Mehrheit kann Kraft ihr Versprechen nie umsetzen. Denn der Ausstiegsbeschluss wurde von der CDU und SPD gemeinsam mit der IGBCE im Bund, in NRW und im Saarland gefasst. Alle diese Gruppen müssten jetzt dem Ausstieg aus dem Ausstieg wieder zustimmen.

Doch Kraft will diese Mehrheit mobilisieren. "Wir dürfen nicht nachlassen. Wir müssen aufrecht stehen, auch wenn viele gegen uns sind", sagte Kraft. Ich kann nicht glauben, dass Kraft das schafft. Eher wird der Papst evangelisch.

Das erste was mir bei der Veranstaltung auffiel: Es waren rund 100 Leute da – in einem Saal in den über 200 Menschen reinpassen. Dann fiel auf, dass der Oberbürgermeister von Bottrop nicht da war, obwohl der in der SPD ist. Es war auch kein Bundespolitiker da, der was zu sagen hat, nicht einmal ein Vertreter der IGBCE-Zentrale, der Bedeutung hat. Es war ein Familientreffen von Kraft und Leuten von der IGBCE aus NRW. Nachher wich Kraft der Frage aus, ob sich den einer aus der Bundespolitik für die IGBCE-Kampagne einsetzen werde – irgendwann einmal später. Kraft wollte nichtmal sagen, dass es ihre Kampagne ist. Sie sagte nur sie werde die Kampagne der Gewerkschaft "inhaltlich" unterstützen. Ohne Bundesbeteiligung aber ist die Kampagne zum Misserfolg verdammt, denn es wird keine politische Mehrheit geben.

Dann ist aufgefallen, dass da keine auffallende, öffentlichkeitswirksame Kampagne vorgestellt wurde, wie einst die Kampagne "400 Jahre – ab heute". Hinterher hieß es, so etwas sei auch nicht geplant, Vielmehr gehe es darum, die Köpfe der Menschen durch Diskussionen zu erreichen.

Nun gut. Auch das kann man ja wollen.

Aber dann braucht man gute Argumente. Kraft setzt auf drei:

Zunächst sei die deutsche Kohle eine "Versicherungspolice" für die deutsche Energieversorgung, sagte Kraft. Aha: im Jahr 2012 wird es planmäßig noch drei Zechen geben. Die Pütts werden dann noch ungefähr neun Mio Tonnen Kohle im Jahr liefern, wenn es gut läuft. Dagegen verbraucht Deutschland schon heute Energie im Gegenwert von rund 140 Mio Tonnen Steinkohle. Die Versicherungspolice ist wohl nicht viel wert, oder?

Dann sagte Kraft, die steigenden Energiepreise der vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass die Kohle wirtschaftlich werden könne. Schließlich könnten jetzt die Subventionen wegen der hohen Preise von 2,4 Mio Euro um 500 Mio Euro auf 1,9 Mio Euro gesenkt werden. Nun ja. Es ist richtig, dass die Preise für Importkohle in den vergangenen Monaten gestiegen sind. Allerdings räumte der Vorstand des Gesamtverbandes Steinkohle, Franz-Josef Wodopia ein, dass nach dem Platzen einer Spekulationsblase die Kohlepreise im kommenden Jahr wieder sinken werden. Allein in den vergangenen drei Wochen sind die Preise an der Kohlebörse in Rotterdam um rund 20 Prozent eingebrochen. Tendenz weiter fallend.

Und nochmal zum Nachdenken. Selbst auf dem Höhepunkt der Spekulationsblase waren die Preise der Importkohle immer noch niedriger als heimische Subventionskohle. Und die Subventionen liegen immer noch im Milliardenbereich.

Zuletzt sagte Kraft, sie wolle den Zugang zu Kohle in Deutschland erhalten. Da frage ich mich, ob es nicht klüger wäre, die heimische Kohle solange unter der Erde zu lassen, bis es sich irgendwann mal lohnen würde, die Kohle zu heben. Etwa das Feld Donar bei Hamm. Wenn mans chon weiß, wo es ist. Laßt es liegen, bvis man es mit Gewinn ausbeuten kann. So frißt es wenigstens kein Geld.

Auch die technologischen Argumente von Kraft ziehen bei mir nicht so richtig. Wenn ich den Chinesen deutsche Technik verkaufen will, dann muss ich den Chinesen das in China zeigen. Ich kann ja meine Maschinen in Polen testen oder in Russland, wenn ich will. Dafür muss ich aber nicht 2,4 Mrd Euro Subventionen im Jahr unter dem Ruhrgebiet verbuddeln.

Mir tun die Bergleute leid, die sich von Kraft verführen lassen, an die Zukunft der Zechen über 2018 hinaus zu glauben. Aber ehrlich, so naiv ist doch keiner, oder?