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Daniel Hope: „Alles, was schiefgehen kann, geht auch schief“

 

Daniel Hoppe Foto: © Harald Hoffmann - Deutsche Grammophon

Geigenvirtuose Daniel Hope über kleine und große Pannen, Yehudi Menuhins Blackout und ein explodierendes Klavier

Herr Hope, in Ihrem neuen Buch »Toi, toi, toi! Pannen & Katastrophen in der Musik« schreiben Sie, dass Musiker oft sehr abergläubisch sind. Wie ist das bei Ihnen, tragen Sie bei Auftritten stets eine Hasenpfote bei sich?
(lacht) Nein, ich habe einen anderen Glücksbringer. Meine Hasenpfote ist ein bestimmtes Seidentuch, das ich bei Konzerten immer dabei habe. Ich weiß, dass das irrational ist, aber diese Art von Routine beruhigt mich irgendwie. Dabei kann einem nichts und niemand helfen, wenn man auf der Bühne steht und ein teuflisch schweres Solo spielen muss.

Welches war Ihre bisher größte Panne bei einer Aufführung?
Das schlimmste Erlebnis hatte ich bei einem Konzert in Frankreich, als mir mitten in einem Streichquartett von Mozart eine Saite riss. Sie war mit solcher Wucht zersprungen, dass sie mir ins Gesicht schnellte und das messerscharfe Metall meine Oberlippe aufschnitt. Das Blut tropfte ohne Unterlass, sodass ich hinter der Bühne behandelt werden musste. Doch das war noch nicht alles …

… Murphys Gesetz …
…genau, »alles, was schiefgehen kann, geht auch schief«. Als ich auf die Bühne zurückkehrte, kicherten meine Mitspieler jedes Mal, nachdem sie zu mir geblickt hatten. Erst leise und heimlich, aber bald darauf schon ganz unverhohlen. Schließlich brachen sie in überbordendes Lachen aus – der ganze Saal lachte laut und fröhlich mit.

Was war geschehen?
An meiner geplatzten Lippe war von der ärztlichen Behandlung ein großes Stück blutgetränktes Papier kleben geblieben. Das muss in etwa so ausgesehen haben wie die Nudel in dem populären Sketch von Loriot. Zu allem Überfluss musste ich nach dem Konzert auch noch feststellen, dass ein Hund, der durch eine offene Außentür hereinspaziert war, auf meinen Instrumentenkoffer gepinkelt hatte.

Wie geht man als Musiker auf der Bühne am besten mit einem Fauxpas um?
Man sollte nicht versuchen, es zu überspielen. Das macht es oft noch schlimmer. Ich habe festgestellt, dass das Publikum für Missgeschicke jeder Art großes Verständnis hat, wenn man offen damit umgeht. Das ist für einen Künstler eine sehr beruhigende Erkenntnis.

Inwiefern?
Die Panik vor Auftritten ist schlicht und einfach unbegründet. Selbst nach der größten Panne geht es weiter. Wir Musiker sind eben auch nur Menschen.

Sie sind ein Schüler des legendären Yehudi Menuhin. Erinnern Sie sich an ein Malheur Ihres Lehrers?
Ob Bernstein oder Barenboim, sogar Genies machen Fehler. Auch Menuhin. Als ich sechs Jahre alt war, besuchte ich eine Aufführung von ihm, in der er mit seiner Schwester Hephzibah am Klavier Beethovens Kreutzer-Sonate spielte. Nachdem er einen plötzlichen Blackout hatte und nicht mehr zurück in das Stück fand, brach er ab. Ein Raunen ging durch den Saal. Yehudi aber lächelte und sagte mit seinem unwiderstehlichen Charme: »I’ve forgotten how it goes.« Die beiden fingen einfach von vorne an – es war ein grandioses Konzert.

Haben Sie so etwas wie eine Lieblingsanekdote von Pannen anderer Musiker?
Da gäbe es viele, eine regelrechte Katastrophe war die Geschichte, die dem Pianisten Krystian Zimerman widerfuhr. Wie früher Horowitz nimmt er stets seinen eigenen Flügel mit auf Tournee. Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 reiste er nach New York und schickte seinen geliebten „Steinway“ per Luftfracht voraus. Den Kontrolleuren am Airport kam die Riesenkiste aus irgendeinem Grund nicht koscher vor, und sie sprengten sie kurzerhand in die Luft. Meines Wissens konzertiert Zimerman nicht mehr in den Staaten.

Daniel Hope, 1974 in Durban/Südafrika geboren, ist in London aufgewachsen. Er nahm Unterricht bei Yehudi Menuhin. Von 2002 bis 2008 war er Mitglied des Beaux Arts Trios, das unter anderem mehrfach mit dem Klassik-Echo ausgezeichnet wurde. In seinem 2007 veröffentlichten Buch »Familienstücke« erzählt Hope die Geschichte von seinen deutsch-jüdischen Vorfahren, die sich vor den Nazis nach Südafrika retteten. Dieser Tage ist bei Rowohlt sein neues Buch »Toi, toi, toi! Pannen & Katastrophen in der Musik« erschienen.

Der Artikel erschien bereits in der Online-Ausgabe der Jüdischen Allgemeinen

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Gerd Herholz
13 Jahre zuvor

Herrlich komisch, der Hope. Wahrscheinlich vor Fukushima geführt, dieses Interview. Es wirkt aktuell aber wie ein anarchístisch-befreiender Kommentar auf die Erlösungsversprechen und die Großmannssucht auch der Atomindustrie und einer von Lobby korrumpierten Politik.
Wer das, was Hope aus dem skurrilen Musiker-Alltag berichtet, einfach nur hochrechnet, kann wissen, dass es mit 100prozentiger Sicherheit 100prozentige Sicherheit für irgendetwas nie geben wird.
Und dann später auch noch ein Interview mit Winkelmann bei den Ruhrbaronen. Dann die Texte von Chantal Stauder. Langsam gibt’s hier ja einen richtigen Kulturteil. Weiter so.
Apropos, man hört jetzt allerorten den wohlfeilen Vorwurf: Wie kann man sich denn angesichts Fukushimas auch (!) mit Kultur etc. beschäftigen? So ein Schrott.
Die Wurzel des Mitleidens mit den Japanern, die Wurzeln der Kritik an Atompolitik oder Ökonomie ohne Moral sind doch dieselben, wie die des Interesses an Kunst, Kultur oder Kulturpolitik: Mitgefühl und der Versuch, über die Misere nachzudenken. Man kann das eine tun und das andere nicht lassen.

Rudi Gems
Rudi Gems
13 Jahre zuvor

Leider wird Murphy, oft zu Unrecht, für Dinge benutzt, die er so gar nicht gemeint hat. Natürlich, bei den Musikern, die Hr. Hope erwähnt hat, da könnte Murphy, Pate gestanden haben, bei den AKW’s in Japan, kann ich das nicht sehen.

In Japan, ist mit einer Leichgläubigkeit aber auch Arroganz, geschlampt worden, das die Balken sich schon biegen. Murphy würde sich im Grabe umdrehen, wenn er mitbekäme, das seine Theorien, auf die Schlamperei von Japan angewendet werden sollten.

Da bekommen wir dann, während einer Havarie, erläutert, das Notkühleinrichtungen, derart plaziert worden sind, das sie nur von einer großen Welle erfasst werden müssen, um völlig unbrauchbar zu werden. Und das, auch noch unmittelbar am Meer. Da ist dann weder für Ersatz gesorgt worden, der an Orten verstaut wird, die Überflutungssicher sind, noch an Energie, die ersatzweise bereitgestellt werden kann, wenn im Umkreis von wenigen Kilometern der Strom ausfällt. Und das, unmittelbar auf einem Gebiet, das bekanntermaßen, schon seit Jahrtausenden, besonders gefährdet für Erdbeben und Tsunamis, ist.

Keinerlei Vorsorge ist getroffen worden. Ein Stromkabel, musste erst kilometerweit gelegt werden. Zum Kühlen, muss die tokioter Feuerwehr, unter Einsatz des Lebens, nach Tagen angefordert werden. Roboter, die unbemannt auf dem Gelände arbeiten können, werden in dem Land der Technik, Japan, nicht gebaut. Die muss man aus dem Land der Kernenergieaussteiger, BRD, extra anfordern. Mobile Notkühlsysteme, die man anfahren (anschiffen) könnte, gibt es offensichtlich auf der ganzen Erde nicht.

Eine solche Schlamperei, ist an Verantwortungslosigkeit kaum zu überbieten. Es hat jede Menge Störfälle gegeben, wo die Notkühlung eine entscheidende Rolle gespielt hat, USA, Schweden, BRD, etc.. Immer ist es noch in der letzten halben Stunde gutgegangen. In Japan, gab es noch nichtmal eine Option darauf. Man hat also die Schüsse vor den Bug, Notkühlung, nicht hören können, oder wollen. Eine solche Vorsorge, hätte ja Geld kosten können. Man riskierte einfach, bei einem System, bei dem einfach nichts schief gehen darf, wenn nicht die ganze Erde, gefährdet werden soll, eine Unsicherheit, deren Problematik, man schon einem halbwegs gescheiten 10 Jährigen, verständlich machen kann.

Meines Erachtens, gehören die Verantwortlichen, für diesen Unfall, vor ein ordentliches Gericht. Wer so leichtsinnig, Menschen in Gefahr bringt, indem er Sicherheitseinrichtungen so dürftig anbringt, das sie nicht den einfachsten unerwarteten Problemen standhalten können, gegen den muss strafrechtlich ermittelt werden. Eine solche Schlamperei, hatte Murphy, jedenfalls niemals gemeint. Hier ist ja schon fast, vorsätzlich gehandelt worden.

Grüße, Rudi Gems

P.S.

Daniel Hope, möge mir verzeihen, das sich seinen Eingangstext, so missbraucht habe?

Gerd Herholz
13 Jahre zuvor

Stimmt, Rudi Gems, wenn man von Murphys Gesetz weiß, wissen muss und trotzdem den schlimmstmöglichen Fall schlichtweg ignoriert, ihn nicht annimmt, nicht versucht ihn zu vermeiden (also AKWs nicht baut), AKWs eben doch baut und dabei auch noch fahrlässig schlampt, dann tritt nicht Murphys Gesetz ein, dann „tritt“ also nicht die schlimmstmögliche Katastrophe ein, sondern genau die wird systematisch vorbereitet. Leider sind die Wirkungen für Natur und Menschen dieselben.
Im Grunde muss man sogar sagen: Der schlimmstmögliche Fall wird von vornherein (klammheimlich) billigend in Kauf genommen.

So etwa?

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