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Der BVB denkt unheimlich offensiv – das geht nicht immer gut

Das Schalker Stadion am vergangenen Samstag | Foto: Leonard Neumann

Auch fernab der großen Themen war die Fußballwelt mit einigen kuriosen Fakten belegt: die BBC entlässt Gary Lineker, weil er sich zu kritisch über die britische Flüchtlingspolitik äußert. Dazu gießen sich Werder Bremen Fans K.O.-Tropfen in ihre Drinks, der FC Bayern schraubt die Preise für Merchandising-Artikel immer weiter rauf und Drittligist SV Meppen verpflichtet Trainer-Oldtimer Ernst Middendorp, der zuletzt in Südafrika trainierte. Und das 100. Ruhrpott-Derby mit Schalke und dem BVB muss auch noch aufgearbeitet werden. Thommy Junga und Peter Hesse erklären, welche Halbräume am vergangenen Spieltag zu anfällig waren.

Peter Hesse: Vielleicht war das Revierderby am vergangenen Samstag ein gutes Beispiel für die Dortmunder Wankelmütigkeit, die viel mit der schwierigen Balance zwischen Selbstvertrauen und Übermut zu tun hat. In der Offensive fehlten Reus und Brandt als Ideengeber, in der Abwehr war Hummels das ein oder andere mal zu lahm und auch Torhüter Alexander Meyer ist kein hundertprozentiger Back-Up vom verletzten Gregor Kobel. Nachdem der BVB aus der Champions League raus ist, werden Meisterschaft und DFB-Pokal jetzt zu Knobel-Partien. Wird es böse enden?

Thommy Junga: Es ist noch ein langer Weg bis zu den Entscheidungen und wenn du den Dortmundern vor der Saison zu diesem Zeitpunkt zwei Punkte Rückstand auf die Bayern angeboten hättest, dann wäre man vermutlich ganz zufrieden gewesen. Die Borussen haben jetzt nach einer tollen Serie ein Derby nicht gewonnen. Mehr ist erstmal nicht passiert. Auch ein Kader wie dieser kann neunmal nicht jeden Ausfall gleichwertig ersetzen, aber der verbaselte Sieg gegen Schalke war auch eher kein rein personelles Problem. Dortmund war in den Halbräumen zu anfällig, die offensiv geprägten Außenpositionen ließen die Räume zu groß, auch weil bis auf drei Leute alle Stürmer spielen wollten und die Restverteidigung das Tempo der schnellen Schalker Außen-Spieler nicht mitgehen konnte. Zweite Bälle – wie beim erneuten Ausgleich – wurden nicht aggressiv und klar genug verteidigt. Dortmund denkt unheimlich offensiv, Torschütze Guerreiro war als linker Flügelspieler eigentlich ständig in der Zentrale. Das geht nun mal nicht immer gut.

Gary Lineker hat die Asyl-Politik der britischen Regierung verurteilt | Foto: wikipedia / Asien Awards / CC BY 3.0

Peter Hesse: Seit mehr als 20 Jahren ist Gary Lineker im britischen Fernsehen das Gesicht der Fußball-Sendung „Match of the day“ – er ist auf der Insel eine Legende wie vielleicht Rudi Völler bei uns – nur mit mehr Intellekt und Witz. Nun hat ein Kommentar, den er jenseits seiner beruflichen Zuständigkeiten auf Twitter veröffentlichte, die BBC in eine Führungskrise gestürzt, die Nation in eine Debatte über Meinungsfreiheit geführt und den britischen Premierminister Rishi Sunak und dessen konservative Partei in Verlegenheit gebracht. Dass sich ein Profi aus der Mario Basler-Kaste so pointiert und meinungsstark zur Flüchtlingskrise äußern wird und damit eine halbe Regierungskrise auslöst ist in unserem Beckenbauer-Land dann doch eher unwahrscheinlich, oder?

Thommy Junga: Gary Lineker ist eine sehr besondere Type. Schon als Spieler galt er als ungewöhnlich höfliches und faires Exemplar seines Berufstandes. Dass Paul Gascoine ihm nacheifert und irgendetwas gesellschaftspolitisch Relevantes anstößt halte ich dagegen für unwahrscheinlich – das wäre dann die britische Basler-Variante. Interessanterweise hat Lineker mit seiner Äußerung zur britischen Migrationspolitik unbewusst gleich mehrere Themen aufgemacht. Über das Thema Zuwanderung hinaus stellt sich nun ein ganzes Land die Frage, wie sehr die BBC mit der Politik verflochten ist. Wie sehr die rechtspopulistischen Tories von ihren Sympathisanten auf Senderspitzenpositionen profitieren. Für Lineker flattern jetzt die ersten Angebote der Konkurrenzsender ein. Um ihn braucht sich also niemand zu sorgen, die BBC hingegen hat derzeit Probleme ihre Spieltagsberichte mit Experten zu ergänzen, denn beinahe die gesamte Expertenelite zeigt sich solidarisch mit dem Ex-Nationalstürmer.

Peter Hesse: Nach Verdachtsfällen in der Ostkurve warnt Werder Bremen vor dem Heimspiel gegen Leverkusen vor K.o.-Tropfen und gibt Tipps, wie man sich verhalten soll, wenn man bei sich oder anderen Symptome feststellt. Wann hattest du zuletzt den Eindruck, dir hätte jemand was ins Glas getan? Ich kenne das vor allem von Spielen aus der Amateur-Liga: manchmal sind die Spielzüge so schwach und debil, so dass man wirklich an der eigenen Urteilskraft zweifelt – und denkt: wer hat mir was in den Becher gekippt? Das kann doch alles nicht mehr normal sein…

Thommy Junga: Mir wurde zuletzt immer ganz schwindelig, wenn Max Eberl etwas in ein Mikrofon gesprochen hat. Das dreht sich bei mir meist nach wenigen Sätzen der Magen um und ich zweifele akut an meinem Erinnerungsvermögen. Ich glaube mich dann immer ganz anderer Aussagen zu entsinnen, aber das kann ja nicht sein, denn jetzt erzählt er etwas völlig Gegensätzliches. Jüngst räumte er mit meinem Irrglauben auf, RB Salzburg und RB Leipzig hätten überhaupt nichts miteinander zu tun – das war mir nicht klar. Da hatte ich es dann wieder mit einem ganz schlimmen Schwindel zu tun.

Fanshop des FC Bayern München am Münchener Flughafen | Foto: wikipedia / Benoît Prieur / CC0

Peter Hesse: Schauen wir mal nach München. Der FC Bayern hat in den vergangenen Jahren sein Merchandise-Sortiment stetig erweitert. Neben den klassischen Trikots gibt es mittlerweile zahlreiche weitere Bekleidungsstücke, welche sich die FCB-Fans zulegen können. Die windigen Geschäftsleute von der Säbener Straße haben vor kurzem einen neuen Trainingsanzug im Retro-Look veröffentlicht und dieser Anzug kostet sage und schreibe 399,95 Euro. Zum Vergleich: Der aktuelle Trainingsanzug von Joshua Kimmich & Co. liegt preislich bei knapp 150 Euro. Kommt jetzt noch das vergoldete Ribéry-Steak für 8.000 Euro ins Sortiment?

Thommy Junga: Ja, das kommt dann per Fax. Es ist schon irrsinnig, dass ausgerechnet ein Retro-Objekt, stilistisch fernab der Bayern-Trainingsklamotten, die im Übrigen aussehen, als hätte jemand in der Abteilung Bürobedarf Textmarker getestet, preislich derartig vollspann den Vogel abschießt. Das ist mir zu hoch, aber ich bin ja auch kein eingefleischter Bayernfan aus Wuppertal, Hannover oder Meppen.

Ernst Middendorp trainiert jetzt den SV Meppen | Foto: wikipedia / El Loko / CC BY 4.0

Peter Hesse: Meppen ist ein sehr gutes Stichwort! Denn wir müssen über Ernst Middendorp reden. Dieser viel gereiste Mann mit fast so vielen Stationen wie Rudi Gutendorf (u.a. trainierte er in China, Thailand, Zypern, Ghana, Iran, Südafrika und an der Castroper Straße in Bochum) soll nun im Alter von 64 Jahren den SV Meppen vor dem Abstieg aus der Regionalliga bewahren – und ist nun von Johannesburg ins Emsland gewechselt. In Bielefeld genießt Middendorp den Ruf eines exzentrischen Eigenbrötlers, der Reporter beschimpfte („Knien Sie nieder, Sie Bratwurst!“) und seinen Jaguar mal alkoholisiert im Gleisbett der Bielefelder Straßenbahn festfuhr. Mit welchen Eskapaden dürfen wir jetzt im Emsland rechnen?

Thommy Junga: Zunächst einmal erwarte ich nun, dass Jürgen Gelsdorf den VfL Osnabrück übernimmt. Ich lade dich dann zum Derby ein. Der SV Meppen darf sich mit Bielefelds offiziellem Jahrhunderttrainer auf eine treue Seele freuen, denn den südafrikanischen Erstligisten Maritzburg United hat der gebürtige Niedersachse allein viermal trainiert. Den Middendorp musst du schon fünfmal entlassen, um ihn los zu werden. Legendär auch das Jahr 2009. Da hat er gleich vier Vereine übernommen: in China Changchun Yatai, hier um die Ecke Rot-Weiss Essen, auf Zypern Anorthosis Famagusta und – du ahnst vielleicht schon – Maritzburg United in Südafrika. Da kommt einiges an Bonusmeilen zusammen. Ernst Middendorp ist kein geselliger Wandervogel und Fußballmissionar, der Mann ist Überzeugungstäter, der weder sich noch andere schont. Schön, dass er mal wieder vorbeischaut.

 

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