Gegen jeden Antisemitismus – auch im Mensch Meier


Im folgenden dokumentieren wir einen Brief des Aktionsbündnis gegen jeden Antisemitismus in den Räumen der K9, der eine für den 23.02 geplante Veranstaltung im Mensch Meier thematisiert. Der Brief war bereits vor einer Woche ans Mensch Meier gesendet worden. Das Kollektiv bat – da sie sich gerade in einem Prozess befänden – um ein wenig Geduld. Auf Nachfrage erhielten das Aktionsbündnis schließlich am 21.02. eine Antwort ohne Bezug auf unsere Kritik und den Verweis auf das Statement des Arab* Undergrounddas ebenfalls jedwede geäußerte Kritik ignoriert.

Hallo MenschMeierKollektiv,

auf eurer Website verweist ihr auf die Reclaim Your Club-Fibel als Leitfaden für eine emanzipatorische Clubkultur und macht es euch dadurch zur Aufgabe auch die gesellschaftlichen Verhältnisse und diskriminierenden Verhaltensweisen innerhalb linker Freiräume zu benennen um ihnen entgegenwirken zu können. (1) Dennoch stellt ihr eure Räume zum wiederholten Male einer antisemitischen Agitation zur Verfügung. Wir möchten euch deshalb auf euer Versäumnis den Antisemitismus „innerhalb unserer Freiräume“ (2) zu benennen und sich ihm entgegen zu stellen hinweisen. Auch wenn derartige Veranstaltungen öffentlich debattiert werden müssen, schreiben wir diesen Brief vorerst nur für euch, weil wir die Hoffnung auf eine späte Einsicht haben.

Für den 23.02.2019 laden La6izi & Arab*Underground in eure Räume zu DJ-Sets, Livemusik, Performances, einer Ausstellung und einer Filmvorführung ein. Gezeigt werden soll die boiler room Dokumentation Palestine Underground (3) – mit Jazar Crew (aus Haifa) und Sama (aus Ramallah) legen auch gleich zwei der Hauptprotagonist*innen dieser Doku auf. Die bereits bei der Lektüre des ursprünglichen Ankündigungstextes, in dem Haifa zu einer Stadt im „State of Palestine“ erklärt wird, erkennbare antisemitische Gesinnung, bestätigt sich durch den Film oder das Onlineverhalten der angesprochenen DJ*anes noch einmal.

Im Film werden unwidersprochen historisch falsche Tatsachen verbreitet– mit der Absicht Israel zu dämonisieren und zu delegitimieren. So behauptet Muqata’a, ein Hip Hop-Produzent aus Ramallah, dort „Palestinians co-existed before Israel was created. Palestinian Jews, Palestinian Muslims, Palestinian Christians were all living together here“ (4) . Antisemitische Pogrome – wie 1929 in Hebron – oder die Zusammenarbeit des Mufti von Jerusalem mit den deutschen Nationalsozialisten werden so verleugnet. Selbst die ziemlich zynische Lesart, dass Muqata‘a mit „Palestinian Jews“ lediglich die Juden und Jüdinnen mit Wurzeln im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina meine – in Abgrenzung zu den Zionist*innen, die vor dem Antisemitismus in der Diaspora ins Mandatsgebiet flohen – und er die antisemitische Gewalt demnach als legitimen Antikolonialismus und nicht als Widerspruch zur co-existence sehe, ist historisch nicht haltbar: denn nie wurde beim Morden zwischen Juden und Zionist*innen unterschieden.

Aus dem zionistischen Projekt der jüdischen Selbstverteidigung wird so ein jüdischer Plan von Unterdrückung durch die Zerstörung der authentischen Kultur. Als Referenzpunkt dient dabei eine mythische Kultur der niemals realen co-existence. Die Doku bedient dabei das Topos vom nahezu allmächtigen Zionisten als wurzellosem Kulturzersetzer gegen ein authentisches, mit dem eigenen Boden verwurzeltes und unterdrückendes Volk. Bereits im vorzionistischen modernen Antisemitismus war dies ein klassischer Topos, der stillschweigend der nationalstaatlichen Logik der in der RYC-Fibelproblematisierten „gesellschaftlichen Verhältnisse“ (5) folgt. Es wird die eine kulturelle Identität, also eine zutiefst nationalstaatliche Form, beansprucht, deren Behauptung nur durch die ständige Bereitschaft des Kampfes gegen das Nicht-Identische – auf das man all die repressiven Tendenzen der Identitätskonstruktion pathisch projiziert – möglich ist. Dabei ist der konkrete Inhalt nur sekundär von Bedeutung. Die Rolle des Nicht-Identischen fällt historisch den, überall als Raumfremde behandelten, Juden zu. Oder mit den Worten der eingeladenen Jazar Crew aus der Doku: „We are fighting everyday and we are trying to keep our culture strong.“ (6) „It‘s rebirthing the Palestinian community again.“ (7)

Die inhaltliche Ausrichtung des Films passt dabei wunderbar zur der antisemitischen Agitation der ebenfalls als DJane eingeladenen Hauptprotagonistin Sama in den sozialen Medien. Dort teilt sie regelmäßig Artikel mit antisemitischen Motiven von englischsprachigen Blogs, wie am 6. Februar den Artikel Why I accused Israel of Cultural Genocide, (8) welcher den bereits erwähnten Kulturzersetzer-Topos bedient; oder am 17. Dezember 2018 ein Video vom russischen Staatspropagandasender Russia Today, (9) der in Deutschland fleißig und kontinuierlich antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet und nicht zuletzt auch der neuen Rechten zu der Plattform verholfen, die sie mittlerweile hat; oder am 22. Dezember 2018 einen Artikel, der das antisemitische Topos vom jüdischen Kindermörder bedient. (10) Dazwischen auch immer wieder Artikel in denen behauptet wird, dass die Dämonisierung und Delegitimierung Israels kein Antisemitismus sei.

Dass der Arab* Underground seine Veranstaltungen nutzt, um antisemitischer Agitation einen Raum zu geben, sollte eigentlich niemanden überraschen, der sich mit den Aktivitäten der Gruppe beschäftigt hat. So solltet auch ihr bemerkt haben, dass auf der zweiten Veranstaltung des Arab* Underground in euren Räumen unter anderem Kübra Gümüşay gesprochen hat. (11) Bereits kurze Zeit später ein offener Brief, (12) unter anderem von Seyran Ateş – der Mitbegründerin der Moabiter IbnRushd-Goethe-Moschee – unterzeichnet, ihre Verbindungen zu Strukturen mit antisemitischer Ideologie belegte. So bewegt sie sich im engen Umfeld des muslimbruderschaftsnahen Islamischen Zentrum Al-Nour in Hamburg oder trat bei Millî Görüş auf, durch deren antisemitischen türkischen Chauvinismus Erdoğan politisch sozialisiert wurde. Wie lässt sich das mit Aussagen auf eurer Website vereinbaren, die unter anderem behaupten: „Wir sind nicht autoritär, […] nicht patriotisch, […] nicht homophob…“? (13)

Der kulturelle Kampf gegen Israel ist beim Arab* Underground ein immer wiederkehrendes Motiv. So auch bei ihren Veranstaltungen auf der Fusion, wo sie seit 2013 mit einem eigenen Space und Programm vertreten sind. Neben musikalischer Darbietung finden auch politische – meist kulturrelativistische – Veranstaltungen, Vorträge und Workshops statt. Auffällig ist besonders die Nähe zur Kampagne Boycott, Divestments und Sanctions (BDS). Bei ihr handelt es sich um eine internationale Kampagne zur Delegitimierung Israels, durch wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Boykott. In unrühmlicher Nähe zum antisemitischen Aufruf „Kauft nicht bei Juden“ wird hier der „Jude unter den Staaten“ aus der Weltgemeinschaft ausgeschlossen, wie einst auch aus der Volksgemeinschaft. Insbesondere in der Popszene ist diese Kampagne erfolgreich. So verweigern immer wieder Künstler*innen, wie Roger Waters (Pink Floyd), Thurston Moore (Sonic Youth) oder Carlos Santana, Auftritte im Staat Israel. Meist wird dabei international durch die Aktivist*innen der Kampagne immenser Druck in sozialen Netzwerken aufgebaut, bis Künstler*innen – oder wie 2018 auch die argentinische Fussballnationalmannschaft – es ablehnen, nach Israel zu fahren. Thom Yorke, der es mühevoll schaffte, sich mit seiner Band Radiohead diesem Druck anderer Künstlerkolleg*innen zu entziehen, sagt darüber: „It’s deeply distressing that they choose to, rather than engage with us personally, throw shit at us in public.“ (14)

Bereits 2015 wurde Shir Hever, der stets bemüht ist, die wirtschaftspolitische Bedeutung von BDS zu untermauern, (15) der Gaza als das „größte[s] Freiluftgefängnis[…] der Welt“ (16) oder „a testing ground for Israeli military technology“ (17) bezeichnet und dabei immer wieder Vergleiche mit Apartheitregimen zieht, ein Podium zum Thema Freedom for Palestine, and what about us? gegeben. Hever unterschlägt stets, dass die arabisch-islamistische, fundamentalistisch-fanatische Hamas, die selbst keine Meinungsfreiheit zulässt und Kollaborateure verhaftet, immer wieder mit massiven Raketenangriffen (wie z.B. 2008, 2014 oder zuletzt 2018) die israelischen Militärschläge provoziert. Ebenso fällt unter den Tisch, dass die israelische Regierung im Juli 2014 zunächst eine Woche lang mit Gegenangriffen haderte und nach der militärischer Reaktion, der mehrere Warnungen an die Zivilbevölkerung vorausgingn, auf das Angebot Ägyptens zum Waffenstillstand einging, was die Hamas nicht tat. Spricht er von „the Israeli occupation in Palestine“ (18) meint er damit Grenzverschiebungen Israels, die aus dem arabischen Angriffskrieg gegen Israel 1947-49 und dem präventiven Sechstagekrieg 1967 resultierten und mittlerweile von Israel großflächig rückgängig gemacht wurden – was von palästinensischer Seite stets ignoriert wurde. Auch der Rückzug israelischer Siedler*innen und des Militär aus dem Gazastreifen 2005, zog keinerlei Zugeständnisse gegenüber Israel nach sich. Stattdessen folgten darauf regelmäßiger Raketenbeschuss und eine, nach erfolgreichem Kampf gegen die Fatah, autoritär herrschende Hamas.

Auch der linke BDS-Rapper Kaveh hielt 2015 einen Workshop, zum Thema „Political Rap in Germany – from right to left“. (19) Grenzt sich dieser, in seinem Song „Antideutsche / Tahya Falastin“, zwar von der Hamas ab, verbreitet er dennoch deren antisemitische Propaganda vom „Apartheitregime“ bzw. „Besatzungsregime“. Dass in der Knesset arabische Israelis sitzen, arabische Parteien am Politikgeschehen teilnehmen, arabische Israelis freie Arbeitsplatz- und Studienwahl haben, im öffentlichen Dienst tätig sind und seit 2004 in Aufsichtsräten sitzen müssen, interessiert ihn dabei nicht. Mit seiner Forderung nach „roten Fahnen – über Al Quds und Tel Abib“ bzw. „über Gaza und Jenin“ besteht eine nicht geringe Möglichkeit von Hamas oder Fatah verhaftet zu werden, in Israel sitzen Parteien mit diesen Forderungen in der Knesset. Aber davon wollen Antisemit*innen selten etwas wissen. So verwundert es auch nicht, dass er auf Facebook den Film Auserwählt und ausgegrenzt als „eine äußerst einseitige und fragwürdige Dokumentation über Antisemitismus“ beschreibt – fast so als gebe es beim Thema Antisemitismus zwei Seiten, die man gleichermaßen zu beachten habe und nicht Täter*innen und Opfer.

Im Jahr 2018 wiederum traten BDS-Aktivist*innen wie Samir Eskanda und Vertreter der Jewish Antifa Berlinwie Maaya Alfassia beim Arab*Underground auf der Fusion auf. Auf Samir Eskanda’s Facebookprofil prangt ein Header von #israelapartheidweek (20) und schnell fällt die Obsession auf, mit der er sich der Kampagne widmet. Fast jeder seiner Posts enthält Inhalte zum Thema BDS, wobei deren Aktivismus als Lösung aus der vermeintlichen Apartheid proklamiert wird. (21) Er teilt auch immer wieder Artikel von The Electronic Intifada, (22) die bereits im Namen die antisemitischen Pogrome verherrlicht, die 1.064 Israelis und schätzungsweise um die 1300 als Kollaborateure beschuldigten Palästinenser*innen das Leben kosteten. Auch er baute 2017 über Monate hinweg die Diskreditierungswelle gegen Radiohead auf. (23)

Zusammen mit den Aktivist*innen der sich zur BDS und zur antiisraelischen Kampagne Berlin against Pinkwashing bekennenden Jewish Antifa Berlin, (24) ergibt sich die gewünschte Diversität in Diskussionsrunden: antisemitische Palästinenser und eine Jewish Antifa, die von Antisemitismus der über bloßen Judenhass hinaus geht nichts wissen will. Dies konnte u.a. bei der Podiumsdiskussion Cultural Boycott of Israel in Germany ebenso wie im Workshop Beyond (Jewish) Identity: Broadening our Solidarity Networks beobachtet werden. Statt kritischer Auseinadersetzung mit Diskriminierung sollte es dabei hauptsächlich um „the need for identity politics“ gehen – statt Inhalten zählte nur die Herkunft der Person. (25)

Wie unerwünscht jede Form von Kritik tatsächlich ist, zeigte sich auch beim marginalen Protest einer kleinen Gruppe von Aktivist*innen vor und auf dem Space der Arab*Underground mit Israelflaggen und Flyern. Dieser führte direkt zu Handgreiflichkeiten ausgehend von Leuten aus dem Umfeld der Arab*Underground. Wenig später zeigte sich eine Gruppe mit Kufiyahs und großer, geschwenkter Palästina-Flagge aggressiv auf dem Konzert von Keny Arkana und verwickelte erneut Kritiker*innen in eine Rangelei. Die Gruppe KonsensNonsens hat in ihrem Text Boycott, Divestment, Sanction (BDS) auf der Fusion 2018 die Ereignisse um Arab*Underground auf dem Festival – bisher als einzige Gruppe – dokumentiert. (26)

Deswegen fordern wir euch als Kollektiv auf, euch mit den mit euren Räumen veranstaltenden Gruppen und auftretenden Künstler*innen und deren Inhalten auseinanderzusetzen und antisemitischer Agitationen, wie sie am 23.02 zu erwarten sein wird, keine Bühne zu geben.

Aktionsbündnis gegen Antisemitismus in den Räumen der K9

1 Siehe Seite 5, RYC-Fibel: http://hidden-institute.org/wp-content/uploads/2017/07/RYC-Fibel_Webansicht.pdf

2 Seite 5, RYC-Fibel.

3 YouTube Link: https://www.youtube.com/watch?v=M-R8S7QwO1g . Die folgenden Zeitangaben „in der Dokumentation“ beziehen sich auf diesen Link.

4 Ab 10:41 in der Dokumentation.

5 Seite 5, RYC-Fibel.

6 Ab 0:51 in der Dokumentation.

7 Ab 1:14 in der Dokumentation.

8 Facebook: https://www.facebook.com/sama.abdulhadi/posts/10156139908415003

9 FB: https://www.facebook.com/sama.abdulhadi/posts/10156031076345003?__tn__=-R

10 FB: https://www.facebook.com/sama.abdulhadi/posts/10156040970460003

11 Siehe: https://menschmeier.berlin/event/wunderground2.html

12 In Gänze hier einzusehen: https://www.change.org/p/prof-klaus-vogel-gegen-rechts-ohne-den-politischen-islam8352f001-2c24-4457-a636-2855287ff77e?

13 Siehe: https://menschmeier.berlin/mm/linkssein.html

14 Siehe: https://www.rollingstone.com/music/music-news/thom-yorke-breaks-silence-on-israel-controversy-126675/

15 Siehe: https://www.middleeasteye.net/opinion/why-bds-movement-can-no-longer-be-ignored

16 Siehe: https://www.friedenkoeln.de/?p=13038

17 Siehe: https://www.middleeasteye.net/opinion/gaza-testing-ground-israeli-military-technology

18 Wie es im entsprechenden Ankündigungstext auf S.25 des damaligen Programms heißt.

19 Seite 29 des damaligen Programms.

20 Siehe: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=550683505888­=a.512288200388⇑=3∴

21 Aus einem Post vom 12.10.2018 „[…]the spirit of internationalism lives on in the non-violent boycott, divestment and sanctions (BDS) movement supporting the Palestinian liberation struggle.“

22 Zum Beispiel am 10. August 2018: https://www.facebook.com/samir.eskanda/posts/563371039968

23 Zum Beispiel in seinen Facebookposts vom: 1. August 2017, 17. Juli 2017., 12. Juli 2017., 7. Juli 2017, 25. Juni 2017, 23. Juni 2017, 20. Juni 2017, 13. Juni 2017, etc. & 24. April 2017.

24 Siehe zum Beispiel: https://www.facebook.com/AntisemitismusRechercheBerlin/photos/a.1463499907305026/2127055990949411/? type=3∴

25 Aus dem Fusionforum: „Sag mal willst du mich eigentlich verarschen, du Kartoffel, da haben Jüd_innen und Araber_innen gemeinsam diskutiert, ob das antisemitisch ist sollen die Jüd_innen die dort sitzen selber bestimmen und einschätzen, und nicht irgendwelche zugeballerten deutschen atzen“ | https://forum.kulturkosmos.de/viewtopic.php? f=32τ=23369í=keny+arkanaσ=7465639139c7667ada9fb2e8b6af4a03

26 Siehe: https://konsensnonsens.org/texte/boycott-divestment-sanction-bds-auf-der-fusion-2018/

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1 Kommentar
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Gerd
Gerd
5 Jahre zuvor

Die wiederholte Verwendung des * legt nahe, dass der Autor*in Linke sind, aber dennoch nicht israelfeindlich eingestellt?!? Welch eine angenehme Überraschung!

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