„Geraldine Rauchs Verhalten trägt absolut kulturrelativistische Züge“

Ali Ertan Toprak Foto: Sedat Mehder Lizenz: Copyright

Geraldine Rauch, die Präsidentin der TU-Berlin, hat gegen eine islamismuskritische  Veranstaltung des Allgemeinen Studentenausschusses protestiert. Die Kurdische Gemeinden fordert nun ihren Rücktrott.

Sie haben die TU-Präsidentin Geraldine Rauch kritisiert, weil sie sich über einen Vortrag der jüdisch-kurdischen Frauenallianz Pek Koach beim AStA beschwert hat. Was ist da passiert?

Als wir erfuhren, dass die TU-Präsidentin beim AStA eingegriffen hat, um diese Veranstaltung zu verhindern – indem sie die Veranstalter regelrecht kriminalisierte und zu Muslimfeinden machte –, wollten wir einfach Flagge zeigen und sagen: Es reicht, so geht es nicht weiter an den deutschen Universitäten.
Die Berliner Universitäten sind große, bekannte Institutionen, die im ganzen Land Ansehen genießen und Vorbilder für kleinere Hochschulen sind. Es kann nicht sein, dass eine Veranstaltung zum politischen Islam so kriminalisiert wird – und das ausgerechnet durch die TU-Präsidentin selbst.
Wir haben ihr als Kurdische Gemeinde einen offenen Brief geschrieben und sie zum Rücktritt aufgefordert. Der politische Islam ist keine Randerscheinung, sondern eine reale Bedrohung für unsere Demokratie, für unsere Werte, für Frauen, Minderheiten und insbesondere auch für viele muslimische, säkulare, liberale Muslime, die selbst Opfer islamistischer Ideologien werden.

Schaut man sich diese Broschüre an, findet man viele Beispiele, die in Deutschland kaum bekannt sind: die Verfolgung von Assyrern, Kurden, Griechen – und das immer im Zusammenhang mit Islamismus. Es geht also gar nicht um den Islam, sondern ausschließlich um den politischen Islam.

Ich habe auch in meinem Brief geschrieben, dass die Aufklärung über diese Gefahren nicht islamfeindlich ist, sondern Ausdruck demokratischer Verantwortung und Solidarität mit denjenigen, die sich mutig gegen religiösen Extremismus stellen. Darum geht es – und um nichts anderes.

Unter dem Islamismus leiden ja auch viele Muslime.

Ja, natürlich. Viele Muslime sind betroffen. Der politische Islam und die zunehmenden religiösen Bekundungen an Schulen erleben wir ja seit Jahren. Sie treffen in erster Linie Muslime selbst – jene, die säkular und liberal eingestellt sind. Sie werden an Schulen und Universitäten von Islamisten bedrängt und aufgefordert, ihren Lebensstil zu ändern.
Ich habe das selbst bei meiner Tochter erlebt – vor etwa anderthalb Jahren, in einer Grundschule in Hamburg. In der Pause wurde sie von einigen muslimischen Kindern umzingelt und zur Rede gestellt: Ob ihr Pausenbrot halal sei. Ich war geschockt. Das war nicht einmal eine Schule mit einem Migrantenanteil über 50 Prozent. Wenn so etwas schon in bürgerlichen Gegenden geschieht, möchte ich mir gar nicht vorstellen, wie es in Stadtteilen aussieht, in denen der Anteil mittlerweile bei 70, 80 oder 90 Prozent liegt.
Das ist ein Problem – und wir müssen es als Gesellschaft benennen. Wenn wir das nicht tun, stärken wir Rechtsextremisten und Populisten, weil sie diese Themen dann instrumentalisieren, während wir anderen schweigen.

Hat Geraldine Rauch mit ihrer Kritik an der Veranstaltung von Pek Koach die Strategie der Islamisten unterstützt, jede Kritik am Islamismus als muslimfeindlich darzustellen und so zu tabuisieren?

Ja, natürlich. Ihr Verhalten trägt absolut kulturrelativistische Züge. Wenn sie einerseits – zu Recht – keinerlei Toleranz gegenüber Rechtsextremismus zeigt, aber bei Kritik am Islamismus sofort reflexartig den Vorwurf der Islamfeindlichkeit bemüht, sind das doppelte Standards, die Islamisten in Deutschland in die Hände spielen.
Mich ärgert, dass sich eine Wissenschaftlerin und TU-Präsidentin auf diese Weise instrumentalisieren lässt. Das ist Kulturrelativismus pur – und er schadet unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Dafür habe ich kein Verständnis. Alle Demokraten müssen aufstehen und diesen Eliten die rote Karte zeigen. Das geht so nicht.

Die moderne Universität, gerade die technischen Hochschulen, sind ja Kinder der Aufklärung. Religionskritik war immer konstitutiver Bestandteil davon. Verrät Geraldine Rauch mit ihrem Verhalten diese Tradition?

Auf jeden Fall. Das ist genau mein Punkt.
Eines der wichtigsten Ergebnisse der Aufklärung ist die Religionskritik. Ohne sie hätten wir in Europa keine Aufklärung – und ohne Aufklärung keinen freien Westen. Diese Werte und Errungenschaften werden heute an westlichen Universitäten von Wissenschaftlern verraten.
Die Menschen, die im Mittelalter für Aufklärung kämpften und dafür große Opfer brachten, würden sich im Grab umdrehen, wenn sie sähen, was heute an Universitäten passiert: dass Wissenschaft nicht mehr die freie Meinungsäußerung unterstützt, nicht mehr die Aufklärung, sondern eine faschistische Ideologie.
Der politische Islam ist eine zutiefst rechtsextremistische und faschistische Ideologie. Das hat nichts mit Religionsfreiheit zu tun, es geht nicht um freie Religionsausübung, sondern darum, dass eine faschistische, rechtsextreme Ideologie Immunität genießt – dass man sie nicht mehr kritisieren darf.
Alle Demokraten müssen hier Farbe bekennen, Flagge zeigen – wehret den Anfängen.

Geraldine Rauch fiel schon im vergangenen Jahr auf, als sie einen antisemitischen Tweet auf X geliked hatte. Nun dieser Vorfall, bei dem sie sich gegen eine demokratische Frauenallianz stellt. Ist so jemand noch tragbar als Präsidentin der TU?

Absolut nicht. Sie ist in den letzten zwei Jahren mehrfach aufgefallen – gerade vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges und des zunehmenden Antisemitismus, auch an den Universitäten. Statt gegen Antisemitismus an ihrer Hochschule vorzugehen, hat sie in den sozialen Medien antisemitische Postings geliked.

Spätestens da hätte der zuständige Senat einschreiten müssen, um die Präsidentin in die Schranken zu weisen. Das war auch der Grund, warum wir als Kurdische Gemeinde Deutschlands sie zum Rücktritt aufgefordert haben.

Eine solche Personalie ist mit dem Amt unvereinbar. Ihr Verhalten in diesen gesellschaftlichen Debatten zeigt, dass sie die Aufklärung und die Wissenschaftsfreiheit verrät – wenn sie Ideologiekritik an der Universität verhindern möchte.

Das Interview erschien bereits auf dem HPD

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