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„Ich bin der Meinung, dass Julian Nagelsmann besser nach Dortmund als nach Leipzig gegangen wäre!“

Foto: Robin Patzwaldt

Länderspielwochen sind vergleichsweise öde. Trotzdem haben es sich die Ruhrbarone-Autoren Peter Hesse und Robin Patzwaldt es sich auch vor dem kommenden Bundesliga-Wochenende nicht nehmen lassen sich am virtuellen Wasserspender in der Redaktion über die aktuellen Fußballthemen zu unterhalten. Diesmal ging es u.a. um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bundesliga, die Leistungen der Nationalmannschaft, den BVB und die bedrohliche Lage auf Schalke.

Peter Hesse: Hi Robin! Maues Gekicke bei der Nationalelf. Nur ein 3:3 gegen die Schweiz, Nationaltrainer Jogi Löw hat beim Spiel vor allem Defizite in der Abwehrkette gesehen. Dabei bestand die defensive Viererkette gleich aus drei ehemaligen Ruhrgebietskickern: Lukas Klostermann spielte vier Jahre für den VfL Bochum – Matthias Ginter (von 2014-2017) und Antonio Rüdiger (von 2008-2010) waren mehrere Jahre für den BVB im Dienst. Ich muss sagen, dass mir Nationalspiele inzwischen echt egal sind – ich habe das nicht geschaut. Wie geht es dir mit dem DFB-Fußball?

Robin Patzwaldt: Hallo Peter! Das Spiel gegen die Türkei in der Vorwoche habe ich auch nicht geschaut. Am Wochenende gegen die Ukraine fand ich es öde und am Dienstag gegen die Schweiz bin ich in der Mitte der zweiten Halbzeit eingeschlafen. Ich denke, das sagt viel aus. Unter Trainer Löw wird das nichts mehr. Zeit für einen Neuanfang. Seit den peinlichen Auftritten bei der WM2018 haben sich die versprochenen Änderungen nicht gezeigt bzw. bewährt. Da interessiert mich das Geschehen in der Bundesliga 1000 Mal mehr.

Peter Hesse: Am Samstag heißt es wieder Tore, Punkte Meisterschaft. Und es gibt gleich eine Partie wo der Tabellenzweite gegen den ersten antritt: FC Augsburg gegen den Red Bull Leipzig. Falls dieses „vermeintliche“ Topspiel Unentschieden ausgeht, hat der Rekordmeister FC Bayern München wieder allerbeste Chancen die Tabellenführung zu übernehmen – und die werden sie wohl dann auch in den folgenden 30 Spieltagen nicht mehr abgeben. Interessanter wird es am Sonntag auf Schalke werden. Mit null Punkten und minus 14 Toren auf dem Konto steckt Königsblau schon jetzt knietief im Morast. Letzte Woche hat Ex-Bayer Leverkusen und Fast-Nationaltrainer Christoph Daum seine Biografie ›Immer Am Limit‹ veröffentlicht. Bei mehreren Interviews (unter anderem mit Sport1 oder dem Westfälischen Anzeiger) hat er sich als Trainer von So4 in Stellung gebracht. Er sagte: „Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets, ich mag den Menschenschlag. Aber vor allem weiß ich, was Schalke fehlt: Die haben sich von ihrer DNA gelöst, weil sie versuchen, etwas zu spielen und zu sein, was sie nicht sind und was nicht zu Schalke passt.“ Wäre aus deiner Sicht Daum der bessere Gelsenkirchener Trainer gewesen als die Verpflichtung von Manuel Baum?

Robin Patzwaldt: Hey, du nimmst mir meinen nächsten Artikel vorweg. ? Ich habe die Biografie von Daum gerade hier liegen und will sie demnächst im Blog vorstellen…. Grundsätzlich denke ich, dass die Zeit von Daum vorbei ist. Seine letzten Engagements waren ja nicht gerade von Erfolg gekrönt. Und wenn ich ihn in Talkshows sehe, dann kommt er mir häufig etwas aus der Zeit gefallen vor. Ein interessanter Typ war und ist er natürlich trotzdem. Zum Thema Schalke: Ich bin kein Freund von der Verpflichtung von Baum. Das hatte ich ja schon vor der Länderspielpause an dieser Stelle gesagt. Allerdings fällt mir auch kein Trainer ein, der aktuell verfügbar wäre, nicht zu teuer ist und trotzdem eine schöne Perspektive verspricht. Schalke ist echt in einer Zwickmühle, wie mir scheint. Was würdest du denn machen, wenn du in Gelsenkirchen was zu sagen hättest?

Peter Hesse: Schalke hat zurzeit 205,3 Millionen Euro Verbindlichkeiten – wie sollen die abgetragen werden? Es ist aus meiner Sicht gut, dass Clemens Tönnies von Bord gegangen ist. Ich glaube der ostwestfälische Industrielle aus der Fleisch-Industrie hat dem Verein eh mehr geschadet als genutzt. Ich finde aber auch das Engagement von Gazprom auf lange Sicht sehr kritisch, denn dort agiert ein wirtschaftliches und politisches Machtinstrument der Putin-Regierung zu oft mit unlauteren Methoden. Aber wer soll als großer Geldgeber im Hintergrund einspringen – gerade jetzt in der Corona-Krise, wo überall der Gürtel enger geschnallt werden muss? Ich habe keine Ahnung. Vielen Fans ist der Status des FC Schalke 04 als eingetragener Verein (e.V.) sehr wichtig – nicht umsonst hat der Verein 160.000 Mitglieder. Allerdings wird der Einstieg möglicher Investoren, sowie die Bildung von finanziellen Rücklagen dadurch erschwert. Schalke täte gut daran, sich mehr an Vereinen wie Union Berlin oder dem FC St. Pauli zu orientieren. Ihr fürstliches „Denken-Sie-groß“-Gehabe hat sie dahin gebracht, wo sie jetzt stehen: ans Tabellenende. Kommen wir mal nach Dortmund: Die Borussia hat auch mal wieder einen Rumpelstart hingelegt, was erwartest du von der Partie in Hoffenheim? Beide Teams sind gerade Tabellennachbarn und mit sechs Punkten aus drei Partien in die Saison gestartet.

Robin Patzwaldt: Der BVB hat sich zuletzt in Hoffenheim ja immer schwergetan. Damit rechne ich auch diesmal. Sorgen bereitet mir die Corona-Entwicklung. Auch Dortmund hat aktuell die 50er-Grenze bei der 7-Tage Inzidenz gerissen. Heißt wohl auch Geisterspiel beim nächsten Heimspiel. Und wie die letzten gegen Mainz und Hoffenheim geendet haben, wissen wir ja noch. Insgesamt finde ich, dass der Sport durch diese vielen Entwicklungen leider sehr in den Hintergrund gerät. Aktuell sind die Einschaltquoten zwar noch gut, wohl auch weil das Alternativprogramm in Corona-Zeiten dünn gesät ist. Der sportliche Wert dabei ist selbst für mich als jemanden, der da recht pragmatisch rangeht, arg begrenzt. Das finde ich schade. Natürlich wünsche ich dem BVB, dass er sich an der Tabellenspitze festsetzen kann. Aber selbst wenn das am Ende nicht so kommen sollte, es gibt derzeit viel wichtigeres in diesen Tagen. Und das will bei mir als absolutem Fan schon etwas heißen, dass ich das so sage.

Peter Hesse: Weil viele Arbeitnehmer rund um die Fußballspiele (wie Klubmitarbeiter, Stadionsprecher Kameraleute, Techniker, Sanitäter, Ordner, Würstchenverkäufer und ähnliche mehr) in Orten wohnen, die nun als Risikogebiete deklariert worden sind, wurden neue Arbeitsschutzregeln aufgesetzt. Denn nach dem ursprünglichen Konzept wäre diversen Personen ansonsten der Stadionzutritt verwehrt worden. Es ist alles eine schwierige Sache. Aber noch rätselhafter ist die Personalie Lucien Favre. Die Bild-Zeitung spekuliert, dass diese Saison seine letzte wird. Sollte das stimmen, wer wird sein Nachfolger? Das ist sicher eine ganz schwere Aufgabe da jemand zu finden, der erfolgreichen, attraktiven und modernen Power-Fußball zelebriert wie zu besten Klopp und Tuchel-Zeiten. Wir mögen Favre ja beide nicht, aber es wird die Quadratur des Kreises sein, jemand passendes zu finden, der die Fußball-Professoren-Qualitäten von Pep Guardiola hat, zudem mit okayen Gehaltsvorstellungen zufrieden zu stellen ist und auch bei Pressekonferenzen eine gute Figur macht, wie zum Beispiel Christian Streich in Freiburg. Bleiben wir lieber beim Spieltag: sollte die Partie Augsburg gegen Leipzig tatsächlich Unentschieden ausgehen – und Frankfurt drei Punkte in Köln holen, wäre die Eintracht Tabellenführer. Das wäre eine tolle Überraschung, oder? Aber wir kennen ja den Fußballgott – er ist eine unberechenbare und launische Diva…

Robin Patzwaldt: Schon mein Opa war der Meinung, dass man die Tabelle erst nach dem zehnten Spieltag ernstnehmen könne. In dieser Beziehung war er ein weiser Mann, denke ich. ? Wichtig ist in der ersten Saisonphase schon die erwartbaren Punkte einzufahren, dann formt sich die Tabelle im Laufe der Zeit ganz von selbst. Es wäre gut, wenn die Dortmunder aus dem Kraichgau mit etwas Zählbarem heimkehren würden. Was einen zukünftigen BVB-Trainer betrifft, sehe ich aktuell auch keinen auf dem Markt, der mich begeistern würde. Ich bin ja immer noch der Meinung, dass Julian Nagelsmann besser nach Dortmund als nach Leipzig gegangen wäre. Aber das passte ja zeitlich zuletzt nicht zusammen. Ich setzte da auf die Zukunft. Der BVB braucht auf jeden Fall einen echten Anführer mit viel Ausstrahlung und jemanden, der die Fans emotional packen kann. Das ist Favre leider nicht. Und er wird es auch nicht mehr werden. Da sein Vertrag ausläuft, bin ich gespannt, ob er das Saisonende in Dortmund noch erlebt. Ich bin und bleibe skeptisch. Er entwickelt die Mannschaft nicht bzw. zu langsam. Das Problem des BVB ist, dass alle immer noch Klopp nachtrauern. Das verstehe ich grundsätzlich, tue ich hin und wieder auch, doch die neuen Trainer wurden dem dann einfach nicht mehr gerecht. Ich fand Tuchels Arbeit toll, aber das Ende vom Lied kennen wird ja.

Peter Hesse: Kehl hat ja gerade verlängert, was ich sehr begrüße. Vielleicht wird er bald die Stelle von Zorc übernehmen – und am Präsidenten Amt wäre auch mal ein Wechsel fällig. Ich könnte mir dort sehr gut Ex-Evonik Boss Klaus Engel vorstellen, das ist jemand der gute Industrie Kontakte und gleichzeitig ein sozialdemokratisches Herz hat. Aber warten wir mal einfach ab. Erstens kommt es anders, als zweitens – als man denkt. Trotz erheblicher Corona Auflagen wünsche ich uns allen einen unterhaltsamen Bundesliga Spieltag. Denn etwas Ablenkung können wir alle gut gebrauchen.

 

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[…] im Gegenteil: Inzwischen scheinen die Leipziger unter Coach Julian Nagelsmann sogar am BVB vorbeigezogen zu sein, spiuelen den attraktiveren Fußball. Schließlich war RB es auch, die das Champions […]

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