„Israel ist friedensorientiert, aber man will keinen Selbstmord beginnen“

Arye Sharuz Shalicar am 9. Oktober 2025 in Düsseldorf (Foto: Peter Ansmann)
Arye Sharuz Shalicar am 9. Oktober 2025 in Düsseldorf (Foto: Peter Ansmann)

Auf seiner kleinen Deutschlandtour, auf der Arye Sharuz Shalicar sein neues Buch „Überlebenskampf – Kriegstagebuch aus Nahost“ vorstellt, besuchte der deutsch-israelische Politologe, Podcaster und Autor gestern die Jüdische Gemeinde in Düsseldorf. Im Vorfeld hatten diverse Extremisten zum „Widerstand“ gegen den Besuch des ehemaligen Sprechers der IDF aufgerufen.

Etwa 80 Demonstranten waren dem Aufruf zu einer Gegendemo gefolgt: Warum diese, in Rufweite zur Synagoge und in der unmittelbaren Nähe zur Wohnung des Rabbiners, genehmigt wurde, wirft Fragen auf. Das „Palästinensische Haus e.V.“, „Rise Up for Justice“, MERA25 und die „Aktionsgruppe Palästina“ aus Duisburg, die lokal inzwischen wohl den Platz der, vom Innenminister verbotenen, „Palästina Solidarität Duisburg“ einnimmt, hatten zur Protestkundgebung gegen den Auftritt mobilisiert.

Die Demonstranten forderten lautstark „Intifada“ (sprich: den Mord an Juden) und mindestens ein Redner kritisierte den Friedensvertragsvorschlag von US-Präsident Trump, weil „die Kräfte des nationalen Widerstandes, die sich rechtmäßig als das Volk Palästina repräsentieren“ in Zukunft keine Rolle mehr spielen. Die Nähe der Demonstranten zur islamistischen Terrorgruppe Hamas wird in diesem Satz deutlich.

Auch Lisa Schubert (Die Linke), MdB aus Düsseldorf hatte in einem Beitrag auf Instagram einen Aufruf zur antisemitischen Hassdemonstration geteilt. Was, wenn man ihr Notebook betrachtet, auch nicht weiter verwundert. Vor wenigen Wochen wurde sie, gemeinsam mit den Linken-Abgeordneten Cansin Kökürk, Charlotte Neuhäuser und Vinzenz Glaser wegen Verstoßes gegen die Hausordnung des Bundestages aus dem Plenarsaal verwiesen.

Vor der Synagoge, die Veranstaltung sollte um 19:00 Uhr starten, entstand seit 18:15 Uhr eine lange Schlange. Die Sicherheitschecks wurden schnell, vermutlich zu schnell, durchgeführt. 

Wegen der Sicherheitsvorkehrungen und des großen Andrangs, was Arye Sharuz Zeit verschaffte, Bücher zu signieren, startete die Veranstaltung um 19:30 Uhr, eine halbe Stunde später als geplant.

Kurze Störung der Lesung

280 Besucher, inklusive vier – auf Terror gebürstete – Hamas-Fans, hatten sich im Leo-Baeck-Saal der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf eingefunden. Unterstützt wurde die Lesung durch Keren Hayesod.

Nach den etwa neun Minuten Lesung, wurde die Veranstaltung kurz gestört, als wenige Meter seitlich hinter mir eine Konfetti-Bombe explodierte. Andere Zuschauer sprachen später von einer Konfetti-Pistole. Ich nahm zwei Personen wahr, die lautstark die Veranstaltung stören wollten und direkt vom anwesenden Sicherheitspersonal aus dem Platz geschaffen wurden. Laut Sicherheitspersonal (Arye Sharuz sprach bei der Fortsetzung seiner Rede auch von vier Personen!) wurden vier Störer aus der Synagoge entfernt. Die schnelle Reaktion des Sicherheitsteams war vorbildhaft, dass die Personen diesen Gegenstand in die Synagoge schaffen konnten, dürfte in der Synagoge in Düsseldorf noch zu Diskussionen führen.

Die Unterbrechung der Störung kommentierte Arye Sharuz Shalicar später trocken mit dem Kommentar, dass die Störer wohl die aktuelle Entwicklung im Nahost nicht mitbekommen hätten.

Die Lesung (Teil 1 / Teil 2) ist im YouTube-Kanal der Ruhrbarone zu sehen, die kurze Störung ist ungefähr ab der neunten Minute zu hören.

In der anschließenden Frage- und Diskussionsrunde standen verschiedene Themen im Mittelpunkt:

Die israelische Gesellschaft, der Nahostkonflikt, die Wahrnehmung von Juden und Israel in westlichen Gesellschaften, die Bedeutung von Hilfsbereitschaft und Wachsamkeit, Israels Öffentlichkeitsarbeit, die Gaza-Flottillen-Provokation, Greta Thunbergs neue Rolle als Antisemitin und das fehlende mediale Gegengewicht zum Hamas-Propagandasender Al Jazeera und die Widersprüche im aktuellen/vergangenen Konflikt: Selbsternannte „Freiheitskämpfer“ – aka Terroristen – für Gaza, die pro-palästinensische Kibbuzim angreifen, und Parolen wie „Blut an euren Händen“ bei gleichzeitiger Instrumentalisierung von Kindern im Krieg.

Es wird kritisiert, dass Deutschland in den letzten 40 bis 50 Jahren versäumt hat, sich ernsthaft mit Parallelgesellschaften auseinanderzusetzen und, aufgrund seiner Vergangenheit, nur zögerlich Gesetze, Regeln und Identität konsequent durchsetzt. Dies führe dazu, dass junge Muslime, die stolz auf ihre Herkunft sind, diesen Mangel an Identität bei deutschen Jugendlichen wahrnehmen und beeinflussen können.

Die Indoktrination der Bewohner in Gaza, durch die Propaganda der Hamas, war ein weiteres Thema der Diskussion: Seit der Machtübernahme der Hamas im Jahr 2007 ist die Gesellschaft im Gazastreifen von Antisemitismus und Judenhass durchdrungen. Kinder werden in „Terrorcamps“ von klein auf dazu erzogen, Israelis zu hassen und zu töten.

Diese tiefe Indoktrination erfordert viel Zeit, um überwunden zu werden. Die Freilassung der verbliebenen 48 Geiseln wird als entscheidender Schritt zur Heilung dieser Wunde betrachtet.

Ein weiterer Punkt, neben der Rolle der Medien, die als Teil des Problems sehen, weil Pressemitteilungen der Hamas fast ungeprüft übernommen wurden (so z.B. zum Beschuss eines Krankenhauses, für den eine palästinensische Terrorgruppe verantwortlich war – durch eine fehlgeleitete Rakete,  die für Israel bestimmt war – für den die IDF verantwortlich gemacht wurden.)

Arye Sharuz Shalicar am 9. Oktober 2025 in Düsseldorf (Foto: Peter Ansmann)
Arye Sharuz Shalicar am 9. Oktober 2025 in Düsseldorf (Foto: Peter Ansmann)

Nur aus der Stärke kann Israel Frieden schließen

Kritisiert wurde, dass die Medien die  extrem asymmetrische Kriegsführung der Hamas nicht begreifen und nicht berücksichtigen: Während israelische Kräfte uniformiert in Militärbasen kämpfen, agiert die Hamas in Zivilkleidung aus zivilen Infrastrukturen wie Wohnungen, Krankenhäusern und Schulen. Arye hob hervor, dass diese zivilen Einrichtungen von der Hamas als faktische Militärkasernen missbraucht werden. Was ein Kriegsverbrechen darstellt.

Bei der Frage zum „Dauerstress für die israelische Gesellschaft“ wegen der vergangenen Kriege und andauernden Konflikte, knüpfte Arye Sharuz Shalicar in seiner Antwort an die letzten Seiten von Überlebenskampf an:

Prinzipiell würde ich behaupten, die jüdische Nation ist friedensorientiert und auch Israel ist friedensorientiert, aber man will keinen Selbstmord beginnen. Weil am Ende wissen wir, und das haben wir am 7. Oktober irgendwo verpasst, dass es um uns herum auf dieser Welt sehr viele Menschen gibt, die uns nicht atmen sehen wollen, die uns nicht sehen wollen, die uns auch nicht in der Nachbarschaft, in der Schule oder in der Region haben wollen.

Das muss man vor Augen haben.

Und man kann Frieden vielleicht derzeit nicht mit allen, aber in einer Win-Win-Situation mit Staaten, wie wir es in den letzten vier, fünf Jahren gemacht haben, wie den Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain und Marokko. Und es gibt sehr viele Kurden auf der Welt und Iraner auf der Welt und es gibt sehr viele Aserbaidschaner.

Es gibt sehr viele Muslime und Araber auf dieser Welt, die mit Israel und Juden eng sind.

Das Ausmaß dieser engen Beziehungen zwischen Juden und Muslimen kriegt man oft nicht mit, weil der Konflikt oder die Konflikte, der Terror, der Hass, der Krieg, alles überschattet.

Also es ist eine absurde Realität und deshalb sage ich abschließend: Im Endeffekt, der Optimismus, der Friedenswille, der muss da sein.

Gleichzeitig jedoch auch die Bereitschaft, sich schmutzig zu machen, zu kämpfen.

Nur aus der Stärke kann Israel Frieden schließen.

Wenn wir Schwäche zeigen, werden wir überrollt.

Unterstützt wurde der Abend von:

Keren Hayesod


Mehr zum Thema:

Arye Sharuz Shalicar: Überlebenskampf – Kriegstagebuch aus Nahost

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