Israels Kampf hilft Deutschland

Ein Soldat der Golani-Brigade im Oktober 2023 vor dem Einsatz in Gaza Foto: IDF Spokesperson’s Unit Lizenz: CC BY-SA 3.0


Selten war Kritik an Israel so en vogue wie heute. Doch die Feinde Israels sind auch die Feinde der Bundesrepublik. Unterstützung und Dankbarkeit statt Geschichtsabwicklung wären angebracht.

Nachdem die Hamas und ihre Verbündeten, oft mit Unterstützung von Zivilisten aus Gaza, Israel am 7. Oktober 2023 fast 1.200 Menschen ermordet und 250, darunter zwölf Deutsche, als Geiseln verschleppt hatten, schlug die israelische Armee zurück. Der Gaza-Krieg hält nunmehr 600 Tage an, und Israel hat auf keiner Ebene gewonnen: Medial hatte das Land den Krieg bereits verloren, noch während die Killerkommandos auf seinem Territorium aktiv waren. Wie überall in der westlichen Welt leistete die palästinensische Propagandamaschinerie auch in Deutschland perfekte Arbeit. Mit Parolen wie „Gaza, Gaza ist in Not. Hat kein Wasser und kein Brot“, „Deutschland finanziert, Israel bombardiert“ und „Free Palestine from German guilt“ bildeten sie den Kern einer effektiven Kommunikationslinie, die vom ersten Tag an Israel und seinem Verbündeten Deutschland die Schuld an den Toten in Gaza gaben. Der Hamas und ihren Unterstützern gelang damit eine Verantwortungsumkehr.

Dabei war der Weg zum Ende des Krieges vom ersten Tag an offensichtlich und klar: Angesichts der militärischen Unterlegenheit hätte die Hamas kapitulieren und die Geiseln freilassen müssen. Kapitulationen sind ein klassischer Weg, einen Krieg zu beenden. In Deutschland sollte man das wissen – das Land hat im 20. Jahrhundert zwei Kriege auf diesem Weg beendet.

Die Hamas hat allerdings gute Gründe, nicht zu kapitulieren. Eine Kapitulation wäre wahrscheinlich allein durch den damit verbundenen Ansehens- und Autoritätsverlust ihr Ende. Die Verluste unter der palästinensischen Bevölkerung in Gaza sind Teil ihrer Militärstrategie. Sie weiß, dass die Zahlen und Bilder von Opfern die weitgehend pazifizierten Gesellschaften im Westen schockieren – und dass selbst die angeblich 50.000 toten Zivilisten, von denen die Hamas spricht, ein Zeichen für die israelische Zurückhaltung sind. Für einen in einer dicht besiedelten Stadtlandschaft geführten Krieg ist die Zahl nicht hoch. Israel versucht, die Zivilbevölkerung zu schützen, aber das ist in einem Krieg praktisch nur sehr eingeschränkt möglich. Das gilt umso mehr, wenn der Feind seine eigene Bevölkerung als Schutzschild missbraucht und ihre Verluste zu Propagandazwecken nutzt.

Und diese Taktik ist erfolgreich. Auch in Deutschland hat ein Umdenken eingesetzt. Nicht die Hamas wird aufgefordert, endlich zu kapitulieren, um dem Krieg ein Ende zu setzen, sondern Israel wegen seiner Kriegführung verurteilt. Für viele scheint es fast eine Befreiung zu sein, sich endlich offen gegen Israel stellen zu können – ist damit doch offenbar auch die Überwindung der Last der Vergangenheit verbunden. „Die Gespenster der Vergangenheit sind nicht vergessen, aber verlieren ihre Prägekraft“, schrieb Gabor Steingart im Focus. „Israel erfährt erstmals eine Behandlung ohne Samthandschuhe.“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich sagte im Deutschlandfunk: „Nach dem 7. Oktober ist Deutschland zu spät dran mit seiner Kritik an der israelischen Kriegsführung. Im Grunde haben wir doch eine Selbstgefangenschaft, die wir natürlich zu Recht vor dem Hintergrund der historischen Last des Nationalsozialismus, des Holocaust, mit uns schleppen.“

Und Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte auf der Republica, der Kampf der Bundesregierung gegen Antisemitismus und die vollständige Unterstützung des Existenzrechts und der Sicherheit des Staates Israel „darf nicht instrumentalisiert werden für die Auseinandersetzung, für die Kampfführung, die derzeit im Gazastreifen betrieben wird. So lassen wir uns politisch, auch als deutsche Bundesregierung, bei aller Schwierigkeit, die dort besteht, nicht unter Druck setzen und in eine Position bringen, dass wir zu einer Zwangssolidarität gezwungen werden. Die wird es in der Form nicht geben können.“

Auf dem US-Sender Fox News stellte Wadephul allerdings klar: „Wir stehen zu Israel“, Deutschland habe bislang Waffen geliefert und werde das auch in Zukunft tun.

Im Zentrum der Kritik steht die angeblich mangelnde Versorgung der Bevölkerung Gazas durch Israel – eine Kritik, die ignoriert, dass die Hamas mit dem Verkauf von beschlagnahmten Hilfsgütern ihre Truppen finanziert. Vor einem Monat meldete das Wall Street Journal, die Hamas habe Probleme, ihre Kämpfer zu bezahlen. Ein Grund sei die Beschränkung von Hilfslieferungen durch Israel, da die Hamas diese Güter nicht mehr beschlagnahmen und dann verkaufen könne.

Das Verhalten Israels folgt also der Rationalität militärischer Logik, auch wenn das in Deutschland weitgehend ignoriert wird. Ebenfalls ignoriert wird, dass es von der deutschen Geschichte vollkommen unabhängige Gründe gibt, auch an der Seite Israels zu stehen, wenn der Krieg das tut, was alle Kriege tun – nämlich schreckliche Bilder liefern. Israel ist nicht nur ein demokratischer Staat, ein Rechtsstaat mit einer freien Presse, in dem Demonstrationen gegen die Regierung an der Tagesordnung sind. Es führt, wie die Ukraine, einen Krieg gegen Feinde der westlichen Gemeinschaft – und das an mehreren Fronten. Und wie in der Ukraine kämpfen und sterben auch israelische Soldaten für die Sicherheit, die Freiheit und den Wohlstand in Deutschland. Es braucht keine Geschichte, um in diesem Krieg an der Seite Israels zu stehen – das Eigeninteresse reicht dazu vollkommen aus.

Hinter dem Konflikt steht der Iran, dessen Proxy die von Israel schwer geschlagene Hisbollah ist und zu deren engsten Verbündeten die Hamas gehört. Seit Jahrzehnten verübt der Iran Anschläge in Deutschland und betreibt Spionage. Er entführt und ermordetet deutsche Staatsbürger. Der Iran ist einer der größten Unterstützer Russlands – eines Landes, in dem Politiker davon träumen, Berlin mit Raketen anzugreifen und das längst auch die NATO bedroht. Alles, was das Mullah-Regime schwächt und seine Mittel bindet, liegt im deutschen Interesse.

Im deutschen Interesse liegt auch der Kampf Israels gegen die Huthis, die die Schifffahrtswege im Roten Meer bedrohen, zu Erhöhung von Frachtraten und weiten Umwegen führen. Für ein Exportland wie Deutschland ist die Sicherung von Lieferwegen existenziell. Israel übernimmt mit jedem Angriff auf die Huthis eine Aufgabe, die Deutschland nicht übernehmen kann und will.

Palästinensische Organisationen haben zudem in der Vergangenheit Links- und Rechtsterroristen ausgebildet und mit Waffen versorgt, die auch in Deutschland aktiv waren. Ihre Unterstützer heute bedrohen in Deutschland Juden und Journalisten, verwüsten Hochschulen und greifen Polizeibeamte an. Es gibt weder von Israel noch von seinen Unterstützern vergleichbares Handeln. Israel ist, auch wirtschaftlich und technologisch, ein Partner Deutschlands. Seine Gegner und Feinde sind auch unsere Gegner und Feinde.

Denjenigen, die nun die deutsche Vergangenheit über Bord werfen wollen, um ungehemmter gegen Israel vorgehen zu können, ist das egal. Die Vorteile, die Deutschland aus dem Vorgehen Israels zieht – sein Kampf gegen gemeinsame Feinde – spielen für sie keine Rolle. Sie sind ideologisch geprägt und folgen keiner Logik, die die Interessen des eigenen Landes und seiner Verbündeten ins Zentrum stellt, sondern sind offenbar bereit, auch Nachteile in Kauf zu nehmen, um gegen Israel ins Feld ziehen zu können. Diese Irrationalität hat allerdings eine enge Verbindung zur deutschen Vergangenheit.

 

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Humanistin
Humanistin
17 Tage zuvor

Sehr lesenswerter Artikel mit gründlicher Analyse und zutreffender Pointe!

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[…] der Palästinenser instrumentalisiert– Kommentar: Wadephul warnt Israel!– Kommentar: Israels Kampf hilft Deutschland– Volkszorn heißt jetzt Intifada – sonst ändert sich nichts– U.M. kommentiert Bilder […]

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