Mit seinen dokumentarischen Arbeiten hat sich der Bonner Aljoscha Pause längst einen Namen gemacht – als ein Filmemacher, der tief eintaucht, genau hinschaut und dabei stets den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Ob im Sport, in der Gesellschaft oder im Privaten: Seine Filme erzählen von inneren Kämpfen, äußeren Zwängen und der Suche nach Identität.
Nun kommt „Fritz Litzmann, mein Vater und ich“ in die Kinos – ein sehr persönliches Werk, das sich mit einem bislang kaum beleuchteten Kapitel der eigenen Familiengeschichte beschäftigt. Im exklusiven Ruhrbarone-Interview spricht Aljoscha Pause über die Hintergründe, die Auswirkungen des Films auf das Verhältnis zu seinem Vater und berichtet von ersten Reaktionen des Publikums.
Dein am heutigen Donnerstag offiziell in den Kinos anlaufender Film „Fritz Litzmann, mein Vater und ich“ war ja in den vergangenen Tagen schon vereinzelt zu sehen. Wie waren die ersten Reaktionen des Publikums?
Ich habe bei meinen Filmen noch nie eine so intensive Reaktion des Publikums erlebt. Es wird gelacht und tatsächlich auch geweint. Der Film scheint – neben der sehr spezifischen Komponente der Künstlerfamilie – eine universelle Ebene zu haben, mit der sich viele Leute emotional verbinden. Ein solches Feedback empfinde ich als großes Geschenk. Etwas Besseres kann mir als Filmemacher eigentlich nicht passieren.
Was war deine Motivation einen so persönlichen Film zu machen und so viel von dir Preis zu geben? Ich finde das sehr mutig…
Ich wollte diese Geschichte eigentlich schon lange erzählen, weil ich glaube, dass es eine über das Persönliche hinaus reichende, spannende Geschichte ist, die für etwas steht. Aber ich musste zunächst meine eigene innere Bereitschaft ausloten, musste selber meine Vergangenheit und Herkunft gut sortiert haben, um emotional gewappnet in ein solches Projekt zu gehen. Ich habe immer schon gerne Filme gemacht, in denen es wirklich um etwas geht. Auch wenn ich dafür Risiken eingehen musste. Aber hier ging es nun noch einen Schritt weiter. Denn ich musste mich selber fragen, ob ich bereit bin, die Dinge in die Waagschale zu werfen, die ich bei früheren Projekten immer meinen Protagonisten abverlangt habe: Offenheit, Wahrhaftigkeit.
War dein Vater sofort angetan von der Idee, oder gab es seinerseits eventuell Bedenken bzw. Vorbehalte?
Mein Vater hat sich eine Bedenkzeit erbeten. Aber die war verhältnismäßig kurz. Wenige Tage. Er hatte sich bisher – im Gegensatz zu mir – nicht allzu viel mit seiner Herkunft und konkreter Familienprägung auseinandergesetzt. Er hat ja nicht umsonst über viele Jahre und Jahrzehnte auch eine Zuflucht in der Arbeit gefunden. Und nun sollte er sich einer gemeinsamen Aufarbeitung stellen. Und das auch noch vor laufender Kamera. Andererseits hat er die Chance gesehen, dass wir so nun das tun könnten, was ihm mit seinem Vater verwehrt blieb: klärende Gespräche bevor es zu spät ist. Ich bin meinem Vater sehr dankbar, dass er sich bereit erklärt hat, mitzumachen. Ein Sohn oder eine Tochter hat meines Erachtens zwar jedes Recht, die Eltern zu konfrontieren. Aber eine Kamera mitzubringen, ist natürlich schon auch eine Zumutung.
Wie verlief eure Zusammenarbeit? Ist es nicht ‚komisch‘ gemeinsam so tief für ein Filmprojekt in die gemeinsame Familiengeschichte einzutauchen?
Doch, natürlich hatten wir beide gewisse Schwellenängste. So etwas kostet Überwindung. Interessanterweise war hier die Kamera dann aber kein zusätzliches Hemmnis, sondern eher eine Hilfe. Wir beide haben mit der Kamera viel Erfahrung, haben ein gewisses Berufsethos und verlangen uns beide eine hohe Professionalität ab. Das hat in diesem Kontext dazu geführt, dass wir beide den Anspruch hatten, auch diese Aufgabe gewissenhaft anzugehen. Aber natürlich geht man durch emotionale Höhen und Tiefen, wenn es so ans Eingemachte geht. Ich bin zum Teil mit sehr alten Gefühlen in Berührung gekommen. Zwischenzeitlich dachte ich, vielleicht etwas spaßeshalber, ich müsse dem Film eigentlich einen Disclaimer in alter MTV-Jackass-Tradition voranstellen: Don’t try this at home! Jetzt nach dem Ende kann ich nur sagen: so etwas lohnt sich für jeden. Auch ohne Kamera.
Wie ging es euch beiden nach Beendigung des Projekts? Hat sich euer Verhältnis verändert? Wenn ja, wie?
Die Motivation für ein professionelles Projekt kann ja eigentlich nicht zu allererst ein privates Fortkommen sein. Da wäre man schlecht beraten. Es ging mir in erster Linie darum, eine spannende und erhellende Geschichte zu erzählen, die Menschen berührt. Dass der Film, und die Arbeit daran, nun zusätzlich auch noch dafür gesorgt hat, dass sich mein Vater und ich nähergekommen sind, ist ein großes Glück. Wir sprechen, auch jetzt im Nachgang, viel mehr miteinander als in den ganzen letzten Jahren. Und wir haben vieles geklärt, ausgeräumt und sortiert. Das ist wirklich toll. Und ja auch erst der Anfang. Jetzt sind wir beide zum Beispiel gerade zusammen auf Kino-Tour durch Deutschland. Die Reise geht also weiter. Bald kommen wir auch ins Ruhrgebiet, wo mein Vater aufgewachsen ist. Wir zeigen den Film in Dortmund (siehe auch Hinweis unten), Essen und Bochum.
Du hast viele Wegbegleiter eingebunden. Wie waren deren Reaktionen vor, während und eventuell auch nach Fertigstellung des Films?
Die Reaktionen sind toll. Weil ich das Gefühl habe, dass sich alle mit dieser Geschichte verbinden können. Meinen Freunden aus den wilden Jugendzeiten war ich zunächst einmal dankbar, dass sie bereit waren, dadurch ja auch ein Stück weit ihre eigene Geschichte öffentlich zu machen. Das ist ja alles andere als selbstverständlich. Und sie haben es großartig gemacht. Ich habe den Eindruck, und das wird mir jetzt von außen auch so bestätigt, dass ihre Interview-Beiträge genauso eloquent und unterhaltsam sind wie die der „Profis“, also Helge Schneider, Bastian Pastewka oder Carolin Kebekus. Und auch von den zahlreichen Kolleginnen und Kollegen meines Vaters habe ich bislang große Wertschätzung für den Film bekommen.
Der Film geht jetzt bundesweit an den Start. Was erhoffst du dir dafür?
Wir waren uns ja zunächst nicht ganz sicher, in wieweit das eine Geschichte ist, die man auch über NRW hinaus versteht. Unsere Kino-Tour, auf der wir gerade von Köln über Dresden nach Berlin gereist sind, und danach auch noch nach Hamburg oder Freiburg, zeigt uns, dass die regionale Herkunft keine Rolle spielt. Das bedeutet mir viel. Natürlich ist es eine Bonner Geschichte. Aber eben in einem zeithistorischen Kontext. Vor dem Hintergrund der Bonner Republik der 70er und 80er Jahre unternehmen wir eine Reise durch die deutsche Kabarettgeschichte, beleuchten das Kabaretttheater meines Vaters, das Bonner „Pantheon“ als wesentlichen Kulminationspunkt dieser Zeit, direkt gegenüber des damaligen Bundeskanzleramtes, und erzählen im Zentrum des Films aber eben eine Vater-Sohn-Geschichte, bei der sehr viele Menschen emotionale Anknüpfungspunkte finden. Wenn wir so viele Menschen mit dem Film berühren können, wie das bislang der Fall war, sind eigentlich alle meine Erwartungen und Hoffnungen übererfüllt.
Wie ich dich einschätze, arbeitest du längst an neuen Projekten. Kannst du uns schon einen kleinen Einblick gewähren, was das sein wird und wann wir uns darauf freuen dürfen?
Es stimmt, dass ich bereits an zwei bis drei neuen Großprojekten bastele. Ich habe extrem spannende neue Protagonistinnen und Protagonisten gefunden, mit denen ich nun zu neuen Abenteuern aufbrechen möchte. Aber ich kann zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht verraten, wohin die Reise geht.
Danke für das offene Gespräch, Aljoscha! Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg und euch natürlich viel Spaß auf eurer Reise durch die Kinos der Republik!
Hinweis: Am 12. Juni 2025 um 19 Uhr läuft der Film in der Schauburg in Dortmund. Nach der Vorführung findet dort zudem ein Filmgespräch mit Aljoscha und Vater Rainer Pause statt! Zuvor sind die beiden schon zu Gast in Essen, am Sonntag, den 1.6. um 14 Uhr im Filmstudio Glückauf und zwei Tage später in Bochum, am Dienstag, den 3.6. um 19.15 Uhr im Casablanca, dort zusammen mit Frank Goosen.
[…] Litzmann, mein Vater und ich“, den wir kürzlich bereits hier im Blog vorgestellt und zudem mit einem exklusiven Interview mit dem Regisseur begleitet […]