3 FÜR 7 – Tipps für Drinnen, aber nicht Zuhause

Zunächst: Verzeihung, kein Nachbericht von den Kurzfilmtagen, denn der Autor hat sich am Wochenende im hohen Norden des Landes verkühlt und verkriecht sich zuhause. Was könnte ihn und andere also hinauslocken in den nächsten Tagen? Zum Beispiel: Heinz Strunk, Jane Birkin und – ein Filmfestival.

Die geschätzten Kolleginnen und Kollegen von Roof Music machen mal wieder genau das Richtige: Sie nehmen ihr reichhaltiges Repertoire an Künstlern zum Anlass, eine Veranstaltungsreihe ins Leben zu rufen. Und das sind dann eben nicht (nur) lokale Größen und erst recht nicht einfach mal wieder Konzerte oder Festivals, sondern Abende mit Leuten, die beim Sublabel „Tacheles!“ ihre Hörspiele und Lesungen veröffentlichen, aber auch Chansonniers und Kabarettisten. Den Anfang macht schon heute Heinz Strunk mit seinem aktuellen Werk „Fleckenteufel“. In der Bochumer Zeche.

Oder eben nicht Besuch aus dem hohen Norden, sondern lieber ein angenehmer Chanson-Abend mit einer sehr französischen Britin, die eine sehr interessante Verwandtschaft vorweisen kann? Jane Birkins neues Album „Enfants d´ hiver“ enthält zum ersten Mal ausschließlich von ihr selbst geschriebene Texte und verbreitet großteils entspannte „Urlaub in Frankreich“-Atmosphäre. Auf ihrer aktuellen Europatour beglückt sie (Foto: EMI) Deutschland gleich fünf Mal, hier in der Gegend darf sich Düsseldorf freuen.

Und damit zu Filmen auf Tour. Denn die Reihe „ueber Macht“ hat sich wiederum Essen als Tourhalt für ihre Streifen über „Kontrolle, Regeln, Selbstbestimmung“ ausgesucht. Das ganze ist eine Initiative von dieGesellschafter.de und Aktion Mensch und will über Herrschaftsmechanismen vieler Art aufklären. Einzelthemen: Magersucht, Überwachungsstaat, Autismus, Jugendkriminalität, Karrieredrill, Chauvinismus, Korruption. Aber auch positive Beispiele für funktionierende Demokratie und Emanzipation. Und damit wird hier mal ausnahmsweise Albert Einstein (aus dem Programmheft) zitiert: „Gegen organisierte Macht gibt es nur organisierte Macht; ich sehe kein anderes Mittel, so sehr ich es auch bedaure.“ Und damit…

Der Überblick:
Heinz Struck liest am Dienstag, den 5. Mai, ab 20 Uhr in der Zeche Bochum.
Jane Birkin singt am selben Tage ab 20 Uhr im Düsseldorfer Robert-Schumann-Saal.
„ueber macht“ läuft vom Donnerstag, den 7. Mai bis zum 13. Mai im Essener Eulenspiegel.

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Opel: Fiat will doch alle Standorte erhalten…Spiegel

Internet: SPD will Netzsperren ausweiten…Taz

Opel II: Nach der Wahl kommt die Wahrheit…FAZ

WAZ: Rätselhafte Pläne…Meedia

Kommunalwahl: Wums…Hometown Glory

Ansiedlung: Geld für NewPark-Planung…Der Westen

Nazikrawalle: Über 400 Ermittlungsverfahren…Ruhr Nachrichten

Kaufhaus: Neue Chance für Hertie?…Spiegel

NPD-Verbot: Gut gemeint reicht nicht…Stern

Geld: Hagen spart sich den Kopf aus der Schlinge…Der Westen

Kommunalwahl II: Wieder Gerichtstermin…BILD

Ruhr2010: Parlamentarier diskutieren Projekt…Hürriyet

 

WIR gewinnt

Wenn es um Nordrhein-Westfalen geht, diesen Bindestrich in der Bundeslandschaft, dann kommt einem immer die gleiche Assoziationskette in den Sinn: Johannes Rau, Bodo Hombach, Wahlkampf 1985 und deeeer Slogan: "Wir in Nordrhein-Westfalen". Erst das Wir-Gefühl der Wahlkämpfer habe das Bundesland zusammengeschweißt. Und weil die Sozialdemokraten mit 50,1 Prozent auch einen hübschen Wahlsieg einfuhren, gelten die drei Buchstaben seitdem als Erfolgsrezept.

Zum Beispiel vor genau zwanzig Jahren, da versuchten es die Genossen wieder mit dem großen Wir. Mit "Wir sind Europa" zogen sie in den Europawahlkampf. Harold Faltermeyer ("Axel F.") schrieb die Melodie, der damalige "Agentur Butter"-Werber Ralf Zilligen Zeilen wie diese: "Wir wollen wie das Wasser sein. Nichts stoppt unseren Flug, jetzt sind wir am Zug." Dazu wurde ein erster sozialdemokratischer Videoclip produziert. Ich erinner mich an Horden junger Menschen, an viel Sonne, grünes Land, hüpfende blau-gelbe Weltkugeln, Hans-Jochen Vogel, Rau und Lafontaine. Und die Melodie klang wie "Give Peace a Chance". Leider ist das Stück verschollen.

Das große "Wir" ist es nicht. In NRW haben es sich erst Jürgen Rüttgers, Monika Piel und Bodo Hombach unter den Nagel gerissen. WDR und WAZ verlegen seit zwei Jahren mit Segen der Landesregierung Filme, Texte, Bilder, sprich: "unsere gesammelten Werke". Vom Wahlkampfmotto zur Marke – eine Karriere, die auch vor Johannes Rau nicht Halt macht.

Bekanntlich ist dem amtierenden Ministerpräsidenten wenig so wichtig wie Versöhnung und historische Kontinuität. JRüttgers tritt bewußt das politische Erbe des anderen JRau an, stapft deshalb Jahr für Jahr in den politischen Fußstapfen Raus in Israels herum, stellt Büsten auf, feiert Rau-Gedenktage, bedient sich des großen WIR – was zuvor weder Clement, noch Steinbrück konnten oder wollten. Und die Christdemokratisierung des Sozialdemokratischem hat längst Berlin im Griff.

Nach der Metamorphose Jürgen Raus zu Johannes Rüttgers vertraut die Bundes-CDU in ihrem Europawahlkampf auf die alten Sozirezepte, das große Wir. "Wir in Europa" steht auf den Paketen und Containern der Hoffnung. Und hinterlegt ist das WIR mit einer Deutschlandfahne. Würde mich gar nicht wundern, wenn die CDU im Herbst mit einem "Wir in Deutschland" in die Bundestagswahlen zieht.   

Werbung

Zensursula ist nicht allein…

Der sozialdemokratische Teil der deutschen Internetgemeinde  ist begeistert:  Die Netzssperren von Zensursula lassen die eigene Partei offen, internetaffin und als Schutmacht digitaler Bürgerrechtre erscheinen. Dabei sitzt Zensursula auf den Schultern der sozialdemokrattischen Kabinettesmitglieder. Und auch im Bundestag werden die Sozialdemokraten eifrig dabei sein, wenn es um den Abbau von Bürgerrechten geht.   

Darüber dass die von der Bundesregierung beschlossen Netzsperren nicht mehr als eine  symbolische Ersatzpolitik sind , die einen Einstieg in eine immer weiter um sich greifende  Zensur des Internets nach sich ziehen kann, muß hier nicht geredet werden. Das geplante Gesetz ist zur Bekämpfung der Kinderpornographie komplett untauglich und wir können uns schon ausmalen, auf welche Internetseiten der  Zugriff als nächsten gesperrt werden wird: Politisch radikale Seiten von Links bis Rechts, islamistische Seiten und natürlich auf alle, die im Verdacht stehen, Urheberrechte zu verletzen. Eine Endmündigung der Bürger auf breiter Front droht.

Was mich in den letzten Wochen allerdings ein wenig irritiert hat ist, dass sich so viele Sozialdemokraten über Zensursula aufregen – und weniger darüber, dass ihre eigenen Minister im Kabinett den von von der Leyen vorgeschlagenen und vom Wirtschaftsministerium ausgearbeiteten Plänen zugestimmt haben. Vor allem auf Twitter hat man das Gefühl, die SPD habe mit all dem nicht zu tun. Die Pressemitteilung der Bundesregierung, die ja bekanntlich von beiden großen Parteien getragen wird, legt hingegen einen einmütigen Beschluss des Kabinetts nahe. Auch Bundesjustizminsterin Brigitte Zypris spricht sich nicht gegen die Regelung aus, warnt jedoch davor, dass durch diese Regelung weitere Begehrlichkeiten geweckt werden könnten. Den naheliegenden Schluß, dann auf den ersten Schritt zu verzichten, zieht sie indes nicht. Und es hat auch nicht den Anschein, als ob die SPD-Bundestagsfraktion das Gesetz ablehnen wird – und die SPD nahen Blogger nutzen ihren eventuell ja vorhandenen Einfluss auf die eigenen Leute auch nicht dafür, daran eventuell etwas zu ändern. Zenursula und die CDU haben eben mächtige Freunde:  die Sozialdemokraten. Gegen die Netzssperre sprechen sich hingegen FDP und Grüne aus. Fröhlich gegen  Zensur zu twittern ist scheinbar etwas anderes,  als  für eine andere Politik einzutreten. 

Wer etwas gegen die Zensurpolitik der Koalition von CDU und SPD machen will, kann hier eine ePetition unterzeichnen. Ich habe es getan.

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

ThyssenKrupp: Ist 2020 der Ofen aus?…Der Westen

Opel: Fiat spricht bei der Bundesregierung vor…Zeit

Opel II: Magna Charta aus dem Hintergrund…FTD

Duisburg: Die Polizei im Flaggen-Skandal…Jurga

Ruhr2010: Der Pott köchelt…Tagesspiegel

Nazikrawalle: Politiker fordern Null Toleranz…Der Westen

Nazikrawalle II: Wolf: Konsequent gegen Nazis vorgehen…Der Westen

Nazikrawalle III: Jusos-Ge forden Wolfs Rücktritt…Hometown Glory

Nazirkrawalle IV: Dortmund leidet für Hannover…TAZ

Feier: Interationale Woche in der Nordstadt…Ruhr Nachrichten

Literatur: Lesung in Second Life…Kueperpunk

Theater: Schwarze Witwen II…Ruhr Nachrichten

 

Gastarbeiter, Islamismus und die aufgeklärten Deutschen

Unser Gastautor Werner Jurga beschäftigt sich mit der Frage, ob Kritik am Islamismus sowie das Thematisieren von Parallelgesellschaften rechtspopulistischen Tendenzen in Deutschland in die Hände spielt.
Dr. Werner Jurga ist Sozialwissenschaftler und lebt in Duisburg. Er betreibt eine politische Website und ist Mitglied der SPD.

Türken beim Public-Viewing Foto: Flickr/ak42

1964 – ich besuchte die Grundschule – zog der erste Türke zur Untermiete bei uns ein. Etwas später folgte ein mit ihm befreundetes Ehepaar. Nein, ich komme nicht aus besserem Hause, wie man so sagt. Im Gegenteil: unser Haus war sogar ziemlich klein. Folglich waren die beiden Zimmer, in denen die Türken wohnten, auch verdammt klein. Aber meine Großeltern konnten die Mieten als Zubrot gut gebrauchen, und die Türken waren heilfroh, bei uns untergekommen zu sein. Sonst wären sie wohl in so einem Gastarbeiterheim gestapelt worden, mit denen sich windige Immobilienspekulanten eine goldene Nase verdient hatten.

Obgleich man schon etwas verunsichert war, ob so ein Südländer nicht einfach mal so auf die Idee kommen könnte, den armen, kleinen, blonden, blauäugigen Jungen, also mich, abzustechen, zumal „die ja alle immer ein Messer dabei haben“, lehrte man mich, freundlich zu den Mohammedanern zu sein. Erstens seien dies auch Menschen, und zweitens wollte man sich nichts nachsagen lassen. Schließlich waren es noch nicht bzw. eben gerade mal zwanzig Jahre her, dass sich Deutsche gegenüber einer anderen Minderheit extrem unfreundlich verhalten hatten. Also die Parole: „Wir verhalten uns anständig gegenüber den Mohammedanern!“ Für diese sprach immerhin, dass sie ziemlich fromm waren. Ganz puzzelig: „So wie wir an Gott glauben, glauben die an ihren Allah.“ Den gab´s natürlich nicht in echt, trotzdem: „Lach da bloß nicht drüber!“ Ich hatte verstanden: die sind zwar nicht ganz dicht. Aber man darf es denen nicht sagen, weil die alle ein Messer haben. Ansonsten sind sie ganz possierlich, so ähnlich wie unsere Haustiere, allerdings schon auch Menschen.

So oder so ähnlich wurde das auch im Fernsehen erzählt. So oder so ähnlich stand das auch in allen Zeitungen. Kurioserweise ist aus den ehrenhaften Absichten dann doch nicht so richtig was draus geworden. Erstens bedeutete nämlich der Umstand, dass die Gastarbeiter auch Menschen waren, dass sie sich nicht dauerhaft damit zufrieden gegeben hatten, sich als Hilfsarbeiter, Müllmann oder Straßenfeger ausbeuten und als Mieter abziehen zu lassen. Damit hatte man eigentlich nicht gerechnet und zog die üblichen Konflikte nach sich, die notwendig auftreten, wenn Zugezogene auf Eingeborene treffen. Zweitens wollten einige, ehrlich gesagt: eine ganze Menge Deutsche es nicht mehr einsehen, dass sie auch bei Konflikten mit den Kanaken – wie man sich inzwischen angewöhnt hatte, die Türken liebevoll zu nennen – freundlich zu sein hätten, „nur weil wir den Krieg verloren haben.“

Langer Rede kurzer Sinn: diese Generation der Deutschen erwies sich im Großen und Ganzen nicht als aufnahmebereit. So etwas wie Integration konnte überhaupt nicht gelingen, weshalb die Politik sicherheitshalber der Nachkriegsgeneration verschwiegen hatte, dass die Gastarbeiter in großer Zahl im Lande bleiben werden. Die nachwachsende Generation, die sich – wie ich – das ganze Elend ansehen und feststellen musste, sah ein, dass die Alten doch sehr stark von der Hitlerzeit geprägt wurden. Ihre Eltern und Großeltern waren folglich wieder einmal Opfer, weil ihnen ein menschlicher Umgang mit denen, die so anders waren, nicht gelingen konnte.
Die nächste, also meine Generation ist dann in der Demokratie groß geworden. Viele von uns konnten sogar die höhere Schule besuchen. Es konnte also alles nur noch besser werden! Wir waren nämlich direkt international. Wir gingen in ausländische Restaurants essen. Sogar beim Türken. Später kamen auch noch Araber, also auch Moha…, Quatsch – natürlich: Muslime. Haben Sie schon einmal beim Ägypter gegessen? Klasse!

Es musste endlich Schluss sein mit dieser Ausländerfeindlichkeit! Die gab es nämlich immer noch. Bei den Alten, klar. Und auch bei den – ach, wie sagt man: einkommensschwachen und bildungsfernen Schichten. Die wohnten und wohnen zwar in denselben Vierteln wie unsere muslimischen Einwanderer, die wir sicherheitshalber zunächst einmal Zuwanderer nennen wollen. Niemanden verschrecken! Aber da gibt es halt Reibereien, und die einfachen Leute sind halt nicht so weltoffen wie wir.
Gehen wir ins Jahr 1989! Ein Vierteljahrhundert später als 1964, heute vor zwanzig Jahren. Schon seit einiger Zeit ist das Wort „Ausländerfeindlichkeit“ – auch bei cleveren Einwanderern – zum Kampfbegriff mutiert, gegen den sich ein anständiger Deutscher, der ja auch anständig gegenüber Muslimen zu sein hat, zu wappnen hatte. Aber es gab 1989 auch Ausländerfeindlichkeit. Und zwar mächtig! Kein Vergleich mit der heutigen Situation.
Zur Erinnerung: als 1990 die deutsche Nationalmannschaft Fußballweltmeister geworden war, wurden in etlichen deutschen Städten wahllos Türken verprügelt. Die Wiedervereinigung war in vollem Gange, Weltmeister: wir waren wieder wer.

Im Februar 1989 verurteilte der iranische Staatschef Khomeini den indisch-britischen Schriftsteller Salman Rushdie zum Tode. Khomeini rief die Moslems in aller Welt zur Vollstreckung auf. Um die Durchführung zu beschleunigen, wurde ein Kopfgeld von drei Millionen US-Dollar ausgesetzt.

Obwohl das Kopfgeld zwischenzeitlich verdoppelt wurde und das iranische Mullah-Regime bis heute an dem Mordaufruf festhält, lebt Salman Rushdie bekanntlich noch heute – gut versteckt und strengstens bewacht. Einige Übersetzer der Satanischen Verse sind allerdings islamistischen Anschlägen zum Opfer gefallen.
Auch in Deutschland herrschte große Aufregung allerorten. In der Duisburger WAZ debattierten Politiker wie Leserbriefschreiber wochenlang – in der Regel hochemotional. Eine sozialdemokratische Ratsfrau mahnte alle Seiten zur Besonnenheit und gab zu bedenken, dass einen streng gläubigen Muslim eine Beleidigung des Propheten tief verletzen müsse.

Damit hatte sie selbstverständlich nicht den Mordaufruf legitimieren wollen, doch die mit ihrem Verständnis für das muslimische Seelenleben verbundene Schuldzuweisung war freilich weder zu übersehen noch zu überhören. Sie bildete ja den Sinn der Wortmeldung.

Der „Fall Rushdie“ ist das erste mir erinnerliche Beispiel in einer langen Kette von Ereignissen, die in den zwanzig Jahren bis heute folgen sollten. Und wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ schließt sich daran eine Reaktion an, die mich an die zitierte Duisburger Stadträtin erinnert. Es könnte doch alles so schön sein, wenn …
… ja wenn da nicht ewig diese Störenfriede wären! Was muss der Herr Rushdie auch über den Herrn Mohammed herziehen?! Warum müssen diese dänischen Karikaturisten auch unbedingt den Herrn Mohammed zeichnen?! Das ist doch allen ausdrücklich gesagt worden, dass das streng verboten ist. Das haben die uns doch so gesagt! Oder vor einem Vierteljahr in Duisburg dieser antideutsche Student, der israelische Flaggen in die Fenster seiner Wohnung gehängt hat. Das war doch die reinste Provokation. Da darf man sich doch nicht wundern! So ein Schnösel: bringt aus ideologischen Gründen alle möglichen unschuldigen Menschen, die Polizeibeamten und nicht zuletzt sich selbst in Gefahr!
Wie leicht dieses Argumentationsmuster inzwischen in die Tasten geht! Vor einigen Tagen brachte es der Polizeigewerkschaftler Frank Richter in den Streit um den Duisburger Flaggenskandal ein. Und zwar mit einer Bräsigkeit, die – als sei es nicht ohnehin schon allen klar – jedem vor Augen hält, wie selbstverständlich eine solche Sicht der Dinge inzwischen geworden ist. Wie gesagt und wie man weiß: die genannten drei Beispiele könnten beliebig ergänzt werden.

Die Serie islamistischer Einschüchterung hat dabei ihre Wirkung bei denjenigen, welchen sie gegolten hat, keineswegs verfehlt. Die Rede ist von der aufgeklärten Intelligenzija, den Lehrern, Journalisten und Intellektuellen, den Linken und Liberalen. Die Rede ist von all denen, die in jedem neuen Computer für die Polizei einen Überwachungsstaat Orwellschen Ausmaßes wittern, und die sich bei jeder x-beliebigen reaktionären Einlassung irgendeines x-beliebigen CSU-Zweitligapolitikers berufen fühlen, vor einem vermeintlichen Wiedererstarken des Faschismus zu warnen. Die Zivilcouragierten pflegen dann Unterschriften gegen die Zensur zu sammeln und mobilisieren zum Kampf gegen Rechts.
Doch viele von ihnen haben es vorgezogen zu schweigen, als die Schere der Zensur in einem bislang nicht für möglich Ausmaß Einzug in unsere politische Kultur hielt. Eine Rezension der Satanischen Verse? Das Publizieren – sagen wir – einer einzigen Mohammed-Karikatur? Oder auch nur eine beiläufige – bislang als Zeichen der Selbstidentität unerlässliche – religionskritische Äußerung. Über den Koran? Oder auch nur über einen reaktionären Geistlichen. Ich meine: einen muslimischen? – Fehlanzeige.
Nun gut, ließe sich sagen, was soll´s. Auf derartigen nicht einmal akademischen Schnickschnack reagieren wir ganz aufgeklärt säkular nach dem Motto: lieber einmal feige als immer tot. Okay.
Aber auch Beobachtungen wie Zwangsheiraten – etwas vornehmer: arrangierte Ehen – oder „Ehrenmorde“ – wobei sich die „Ehre“ durch vollständige Abschottung von der europäischen Gesellschaft und deren Kultur definiert – konnten, jedenfalls bis vor Kurzem, das Schweigen nicht brechen. Und es waren auch nicht die linken und liberalen, „multikulturell“ gesonnenen deutschen Mittelschichtler, die derartige Themen auf die Tagesordnung setzten.

Es waren türkische Intellektuelle, in den meisten Fällen Frauen, die das Schweigen in der deutschen Öffentlichkeit und in der türkischen Community einfach nicht mehr länger hinnehmen wollten. Es sind türkische – und damit meine ich selbstverständlich auch türkischstämmige – Schriftstellerinnen und Rechtsanwältinnen, Künstlerinnen und Politikerinnen, die ein ungleich höheres Maß an Mut und Courage aufbringen, als das einen deutschen Durchschnittslinken kosten würde, wenn er (oder sie) einfach einmal sagen würde: „Du ey, irgendwie finde ich das nicht so gut, dass die MigrantInnen so für die Frauenbewegung und so Sachen noch nicht das Feeling haben.“
Folglich wäre es zu kurz gegriffen, erklärte man das Schweigen der kritischen Öffentlichkeit allein mit Feigheit. Es ist auch die (richtige) Lehre der Eltern, dass die muslimischen Einwanderer als Menschen in all ihren Facetten zu respektieren sind. Und dazu gehört nun einmal auch die Tradition, die Kultur und die Religion. Und so erinnerte man sich an den Hinweis der Großeltern, freilich ohne dies derart angestaubt zu formulieren, dass Türken nun einmal eine ganz andere Mentalität hätten. Und genau deshalb durfte man gegen die nichts sagen und über die nicht lachen. Alles andere wäre ja mehr als ausländerfeindlich. Es wäre rassistisch.

Die kritischen Intellektuellen scheuen aber nichts mehr als den Vorwurf, rassistisch zu sein. Und weil es nun einmal in der ganz anderen Mentalität der Muslime begründet liege, schweigen deutsche Linke und Liberale auch dann, wenn die Ehefrauen geschlagen und die Töchter sexuell ausgebeutet werden. Man greife diese Grässlichkeiten ja durchaus auf und an, ohne sie freilich einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zuzuordnen. Wer will denn auch bezweifeln, dass Gewalt gegen Frauen und sexuellen Missbrauch auch in der deutschen Mehrheitsbevölkerung anzutreffen sind? Dasgleiche gilt auch für die Kriminalität unter – vorwiegend männlichen – Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Auch hier lassen sich die Beispiele beliebig fortführen …bis das Problem tabuisiert und das Phänomen verschwunden ist.

Abgesehen von der Wirklichkeit: da hat die Welle der Islamisierung in der muslimischen Welt die türkische Bevölkerung in Deutschland längst erreicht. Umfragen belegen, dass die Frömmigkeit unter den Türken erheblich zugenommen hat. In der Wirklichkeit gibt es, wie jeder weiß, auch Erscheinungsformen wie (das Entstehen einer) Parallelgesellschaft, also Gettobildung. Es gibt islamistische Netzwerke, die antidemokratisches und antisemitisches Zeug unter die Leute bringen, auch einige wenige, die heilige Kriege für den Dschihad in Zentralasien oder den Terrorismus hier rekrutieren. Und es gibt die jugendlichen Kleinkriminellen, die ihre Opfer freilich vorwiegend unter den (sozial) Schwachen finden.
Weil Demokraten nicht darüber schreiben oder reden wollen, ist das Feld – im Grunde zwingend – den Antidemokraten überlassen: den Ausländerfeinden, den Rassisten, also, wie man seit einiger Zeit zu sagen pflegt, den Rechtspopulisten.
Selbstverständlich ist von den Braunen nicht zu erwarten, dass sie klar machen, was eben auch zur Wirklichkeit gehört, nämlich dass

•    die überwältigende Mehrheit der Türken in Deutschland, auch der nach eigenem Bekunden gläubigen bzw. stark gläubigen, mit islamistischen Netzwerken und Ideologien nichts am Hut hat,
•    fast alle Türken in Deutschland ein „normales“, sprich: westliches Leben führen wollen,
•    die meisten Türken ihren Kindern eine gute Bildung und Ausbildung anstreben, und
•    sich die türkischen Erwachsenen, und in ganz starkem Maße die frommen, sich schämen, weil recht viele türkische Jungs auf die schiefe Bahn geraten sind.

Insofern lassen die aufgeklärten Deutschen die „integrationsbereiten“ Türken ein zweites Mal im Stich. Erst sehen die, denen die Frauenemanzipation ein besonders wichtiges Anliegen ist, weg, wenn Frauen unterdrückt, misshandelt oder gar ermordet werden. Nämlich dann, wenn es sich um muslimische Frauen handelt. Und als zweites überlassen sie die – ohnehin notwendige, im Superwahljahr wahrscheinlich intensiv geführte – politische Diskussion über die Schwierigkeiten, Defizite und Rückschläge im Prozess der Integration denen, die der türkischen Bevölkerung alles Mögliche wünschen, nur eben nichts Gutes.

Aber was will man erwarten? Soll man auf die Solidarität derer setzen, die sich selbst nicht viel zu bedeuten scheinen? – Ja, man soll. Und man soll nicht nur. Man muss!
Den Zuwanderern oder Einwanderern, Türken und Türkischstämmigen oder – das ist das Neueste – „Neuen Inländern“ bleibt gar nichts Anderes übrig, als auf ein Bündnis mit den kritischen, demokratischen und aufgeklärten Intellektuellen zu setzen.
Diese wiederum werden nicht darum herumkommen, noch einmal gründlich nachzudenken, um zu erkennen, dass das Böse auch dann böse ist, wenn es türkisch spricht.
Und dass, wenn man drüber nachdenkt, ein Mädchen auch dann ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung und eine gute Schulbildung hat, selbst wenn es weder blonde Haare noch blaue Augen vorweisen kann.

Werbung

Zum Tag der Pressefreiheit: Erinnerung an die Toten

Über all auf der Welt werden Reporter umgebracht. Weil sie recherchieren, weil sie nachdenken, weil sie schreiben und die Wahrheit sagen. Die Wahrheiten, die den Menschen mit den Waffen nicht passen.

Ob im Irak, in Birma, in Mexiko, Russland, Usbekistan oder Kolumbien. Reporter werden getötet.

Im Dezember 1993 rief die UNO-Vollversammlung den 3. Mai zum Tag der Pressefreiheit aus. In diesem Jahr wird er zum 15. Mal begangen.

Über 827 Reporter haben seither ihr Leben verloren. Sie wurden erschossen, erschlagen, geköpft.

In den wenigsten Fällen wurden die Täter bestraft.

Ich hab mit Thorben Korpel, Andreas Schmitz und Hilger Tintel einen Kurzfilm gemacht. Wir wollen an die toten Reporter erinnern. Sie starben auch für unsere Freiheit

Sie sind nicht vergessen.

Der Film kann auf for-freedom.cc runtergeladen werden. Dort gibt es auch Banner.

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Ruhr2010: Gorny will Kreativquartier in Unna Massen…Der Westen

Ruhr2010 II: Uwe Knüpfer zu Pleitgens Pleite…Stadt Ruhr

Opel: Fiat buhlt um Opel…Der Westen

Lafontaine: Alle Unruhen sind schon da…Welt

Kommunalwahl: Prozessgerangel um Wahltermin…Ruhr Nachrichten

Nazikrawalle: 1. Mai – Ein Analyseversuch…Indymedia

Hochschulfinanzierung: Pinkwart greift Steinbrück an…Ruhr Nachrichten