Staatlich geförderte NGOs als Lobbyisten der Regierungen?

Gert Wöllman Foto: Lichtliebe Volksdorf Lizenz: Copyright


Gemeinnützige Vereine sind in Deutschland wesentlicher Bestandteil des ehrenamtlichen Engagements der Bürgerinnen und Bürger. Sie übernehmen wertvolle Aufgaben für die Gesellschaft in unzähligen Bereichen. Die steuerlich begünstigte Gemeinnützigkeit setzt die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke im Sinne des Gemeinwohls, wie zum Beispiel Bildung, Sport, Kultur oder Umwelt voraus. Bei Anerkennung der Gemeinnützigkeit (keine Gewinnerzielungsabsicht) durch das örtlich zuständige Finanzamt genießen sie steuerliche Vorteile (Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer) und dürfen Spendenbescheinigungen für die steuerliche Absetzbarkeit der Zuwendungen ausstellen. Von unserem Gastautor Gert Wöllmann.

Neben den als gemeinnützig anerkannten Nichtregierungsorganisationen („Non-Governmental Organizations”; „NGOs“) gibt es auch noch solche, die nicht als gemeinnützig im Sinne des Steuerrechts anerkannt sind, sich aber nach ihrem Selbstverständnis öffentlich als gemeinnützig sehen und geben.

Die vorgenannten Organisationen erhalten neben Spenden von Bürgern und Unternehmen zusätzlich teils erhebliche staatliche Förderungen, mitunter über die Jahre in Höhe mehrerer Millionen Euro. So werden zum Beispiel im gemeinnützigen Bereich des Naturschutzes den Vereinen Mittel für die Anschaffung von Material und Gerät für konkrete Naturschutzprojekte gewährt. Die Vereine übernehmen dann die in der Regel arbeitsintensive Umsetzung der Projekt mittels ehrenamtlichen Engagements ihrer Mitglieder und von Freiwilligen. So lassen sich die Projekte zum Vorteil der Gesellschaft über ehrenamtliches Engagement günstiger umsetzen als bei einer privatwirtschaftlichen oder staatsbetrieblichen Abwicklung mit angestellten Arbeitskräften.

Daneben stehen aber zunehmend die hohen und stetig steigenden staatliche Zuwendungen an NGOs in der Kritik, die sich hinter einem vordergründig gemeinnützigen Zweck sehr stark politisch engagieren. Gemeinnützige Vereine dürfen sich selbstverständlich auch politisch betätigen, solange dies der Verfolgung ihrer eigenen gemeinnützigen Zwecke dient. Im Zentrum der Kritik der letzten Jahre stand in Deutschland insbesondere das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ), welches inzwischen in die 3. Förderperiode (2025 bis 2032) gestartet ist. Das Programm fördert nach eigenen Angaben „zivilgesellschaftliches Engagement auf allen Ebenen des Staates für ein vielfältiges und demokratisches Miteinander sowie die Arbeit gegen Radikalisierungen und Polarisierungen in der Gesellschaft“[1]. Zwar konnte die FDP die gesetzliche Verstetigung der Förderung durch das „Demokratiefördergesetz“ von Frau Paus (Grüne) verhindern. Aber auch ohne dieses Gesetz nimmt der Umfang weiter stetig zu. Allein im Haushaltsjahr 2023 standen hierfür 182 Millionen Euro zur Verfügung.[2] Tendenz steigend, wenn es nach SPD und Grünen geht.

Aktuell sorgt – nach den 551 Fragen der CDU/CSU-Fraktion an die (Rest-)Regierung zur Förderung von NGOs in der letzten Legislatur – ein Bericht der Welt am Sonntag für Aufsehen, wonach die EU-Kommission seit Jahren EU-Mittel in Millionenhöhe an NGOs gezahlt hat. Zwar werden die ausgegeben Fördermittel der EU auf der Webseite der Kommission, zusammen mit einer Kurzbeschreibung der Projekte, veröffentlicht. Nunmehr sind aber Nebenabreden bekannt geworden, die den Eindruck erwecken, dass den Begünstigten konkrete Vorgaben hinsichtlich der zu verfolgenden politischen Zielsetzung gemacht wurden, um eigene politische Ziele der EU-Kommission zu fördern. Es steht folglich der Verdacht im Raum, dass die Kommission mit der gezielten Vergabe von Fördermitteln steuerfinanziert eigenen Lobbyismus finanziert hat. So sollte z.B. gezielt gegen Kohlekraftwerke, Handelsabkommen (die die EU-Kommission gerade selbst verhandelte) und sogar gegen deutsche Unternehmen vorgegangen werden. Dieser Verdacht reiht sich ein in die Kritik, wonach auch das deutsche Förderprogramm „Demokratie leben!“ des BMBFSFJ vor allem Projekte fördert, die den eigenen politischen Zielsetzungen der Regierung dienen.

So wichtig die staatliche Förderung in den eingangs genannten Bereichen ist, so fragwürdig ist sie bei der Verfolgung von politischen Zielsetzungen der Regierungen und EU-Kommission. Staatlich finanzierter Lobbyismus durch NGOs im eigenen Interesse gehört nicht zu den Aufgaben von Regierungen und EU-Kommission. Folglich ist für alle bestehenden Förderungen maximale Transparenz geboten, so wie es von Parteien bei Parteispenden und für Aktivitäten von Lobbyverbänden verlangt wird. Daher braucht es – wenn man die staatliche Förderungen nicht konsequenterweise im überwiegend politischen Tätigkeitsbereich von NGOs komplett untersagt – eine detaillierte Berichtspflicht des Staates über seine Förderprojekte (inkl. der Nebenabreden) und der NGOs über ihre Mittelverwendung (inkl. einer wissenschaftlichen Evaluierung). Die komplette Abschaffung der staatlichen Förderung von rein oder überwiegend rein politisch agierenden NGOs wäre allerdings die sauberste und transparenteste Lösung. Zumal gerade diese NGOs regelmäßig erhebliche Summen von Stiftungen und Privatpersonen bekommen. Endgültig nicht mehr von NGOs kann man hingegen bei den Organisationen sprechen, die ihre gesamten Personalkosten in Millionenhöhe über staatliche Förderungen abdecken, so wie dies z.B. beim Neue deutsche Medienmacher*innen e.V. im Jahr 2023 der Fall war. Hier standen den Personalkosten von 2.916.559,78 Euro staatliche Zuwendungen in Höhe von 5.474.653,38 Euro gegenüber.[3] Im solchen Fällen wird aus einer „Non-Government Organization“ aufgrund der erheblichen finanziellen Abhängigkeit wohl zunehmend eine „Near-Government Organization”, wenn nicht zumindest wirtschaftlich sogar eine „Government Organization“.

Behörden und Unternehmen verfügen über strikte Compliance-Regelungen, die aus Gründen insbesondere Bestechung und Interessenskonflikte vermeiden sollen. Hier gelten teilweise Begrenzungen im zweistelligen Eurobereich (z.B. für ein gemeinsames Mittagsessen), die nicht überschritten werden dürfen. Aber jährliche staatliche Zuwendungen in Millionenhöhe an NGOs sollen keinerlei Abhängigkeiten und Einflussnahme bewirken können? Warum wird Mitarbeitern in Behörden bei der Vergabe von Aufträgen mehr misstraut als bei der Vergabe von millionenschweren Förderungen an NGOs?

Es wird Zeit, dass auch für NGOs entsprechende strenge Compliance- und Transparenzregeln greifen, wie sie es (richtigerweise) selbst für andere Lobbyisten verlangen.

[1] Vgl. https://www.demokratie-leben.de/ des BMBFSFJ

[2] Vgl. https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1002100

[3] Vgl. Neue deutsche Medienmacher*innen e.V., Tätigkeitsbericht 2023, Seite 32-33; https://neuemedienmacher.de/fileadmin/user_upload/2023_Ta__tigkeitsbericht_Website.pdf

Gert Wöllmann ist Steuerberater, Diplom-Kaufmann,  Mitglied des Landesvorstands der FDP Hamburg und Bezirksvorsitzender der FDP Wandsbek

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