Content für die Schnäppchenbörse

Rupert Murdoch will mal eben die Spielregeln im Internet ändern. Noch in diesem Jahr, so hat der Australier beschlossen, sollen die Webangebote seiner News Corp Zeitungen nicht mehr kostenlos sein. Zwar besitzt der SKY-Besitzer in Deutschland keine Zeitungswebseiten. Doch seine Initiative hat die Szene ganz schön aufgemischt. Auch den Ruhrbaron.

Bild: ruhrbarone.de

So erwägt der Axel-Springer-Macher Mathias Döpfner, für Internet-Inhalte seiner Redaktionen Gebühren zu erheben. Auch WAZ-Mediengruppen-Mann Bodo Hombach – der schon einmal mit einem Zeitungsgebührensystem ähnlich der Rundfunkrefinanzierung liebäugelte – lobte Döpfner für die "wichtigste medienpolitische Intiative seit Jahrzehnten". Kai Dieckmann ist natürlich ebenfalls ein Gegner der kostenfreien Redaktionsinhalte im Internet – der Bild-Chef spricht von einem  "furchtbaren Geburtsfehler"; klick. Als Ruhrbaron möchte man ins gleiche Horn stoßen – zum letzten Hallali.

Ich habe schon vor Jahren über die "Internet gleich Umsonst-Draußen(und-Tauschen)"-Frage gestritten. Ende 2003 starteten wir in NRW mit einer neuen täglichen taz-Regionalausgabe. Jedes Jahr sollte die zehn Prozent zulegen, um weitermachen zu dürfen. Doch gerade ein neues Produkt, so argumentierten wir gegenüber den taz-Geschäftsführern, dürfe seine zusätzlichen und anlockenden Inhalte nicht umsonst im Netz feilbieten. Die Wachstumsmöglichkeiten am Kiosk und im Abo würden massiv konterkariert, wenn weder Neugierleser noch bisherige taz-Skeptiker wirklich das Blatt kaufen müssen, weil sie sich auch im Netz durchs Angebot blättern können. Und selbst professionelle Muss-Käufer aus Parlamenten, Parteien, Redaktionen können die taz-Artikel so frei Haus beziehen, ohne einen Obolus zu entrichten. Wie gegen das Internet wachsen?

Die Berliner Antwort blieb immer gleich, unbefriedigend: Untersuchungen hätten ergeben, dass der Werbewert der allgemein zugänglichen Inhalte im Internet die Einnahmezugewinne für die taz im Print übertreffe. Außerdem sei die taz die erste deutschsprachige Tageszeitung, die vollständig im Internet zu lesen gewesen sei – das müsse so bleiben. Markenkern, or so.

Mit solch Argumenten waren die taz-Chefs keineswegs alleine. Selbst anfangs zurückhaltende Verlagshäuser folgten in diesem Jahrtausend dem Trend, Webportale aufzubauen, auf denen mindestens ihre komplette Print-Ausgabe zu lesen war. Nach und nach öffneten Medienhäuser etwa die WAZ sogar ihre Zeitungsarchive für die Tiefenrecherche – kostenfrei und in Hoffnung auf das baldige große Geschäft mit der Webwerbung. Bis jetzt  – es würde nicht wundern, wenn das seit Monaten wegen Relaunch geblockte Zeitungsarchiv bei "derwesten" mit einem Gebührensystem wieder eröffnet wird.

Es wird in den nächsten Monaten putzig sein, zu beobachten, wie rasch der allgemeine liberale Allesveröffentlichungsdiskurs – befeuert von der NYT oder spon – einer genauso allgemeinen Content-Paid-Veredelungs-Rhetorik weichen wird. Dabei ist die dem Gesinnungswandel zugrunde liegende Einsicht in die Milchmädchenrechnung uralt, dass der Konsument, nicht für etwas bezahlt, was er auch umsonst bekommt. Die Verlagshäuser haben sich ganz bewusst jahrelang selbst kannibalisiert und ihre Produkte aus Zeitungspapier abgewertet, weil sie auf den  gewaltigen Werbebrocken Internet setzten. (Richtig logisch war die Kostenfreiheit der Redaktionssinhalte im Netz nur für die Journalisten, die ihre Online-Rechte an den Artikeln ohne jede Gegenleistung abzutreten hatten!)

Der Vorstoß der Verleger kommt natürlich zu spät – die Lage auf dem Markt, die Aussichten sind dramatisch. Das Hauptargument für die freie Zugänglichkeit waren möglichst hohe Userzahlen, die man sich analog der TV-Werbung von den Werbetreibenden bald kräftig bezahlen lassen kann. Doch die Hoffnungen auf Refinanzierung, auf einen alles ernährenden Werbekuchen im Internet sind vorbei. Murdoch und Co. haben das große Zittern bekommen und wollen medienatavistisch zurück an den Geldbeutel des Lesers. Dass das ausgerechnet im Internet, der globalen Schnäppchenbörse gelingt, kann aber ziemlich zweifelsfrei beantwortet werden: Nein.

Die Fritzl-Freaks von der WAZ

Bin Ruhrbaron, da habe ich natürlich  "derwesten.de" als Newsfeed. Guck ich auch gerne drauf. Mag die Anreisser, wie sie mich locken und verführen wollen, komm klick mich, klick dich glücklich! Und heute morgen wurde ich rasend vor Neugier auf Nachrichtenfutter von derwesten:

Fünfmal F. Fritzls Richter, Fritzls Keller, Fritzl Kunst, Fritzl Chronik und  Fritzest, äh, Inzest. Geil, liebe Onliner, aber das könnt ihr noch besser, oder? Was ist mit Fritzls Reisen, Fritzls Hobbys, Fritzls Friseur, Fritzls Opfer, Fritzls Friedhof, Fritzls Fritzl … Freu mich drauf. 

screenshot: ruhrbarone

Schweres Knalltrauma*

Ich schwärme für den Reviersport. Früher habe ich mich auf jeden Wochentag mit "o" gefreut, dann gab es eine neue Ausgabe. Ich habe die Hefte sogar aufgehoben in Ikea-Schubern und sie erst Jahre später an einem traurigen Tag weggeworfen. Heute kaufe ich mir Reviersport nur noch selten, aber die Essener Durchhalter verehre ich immer noch; auch wenn das Blatt seit Frühjahr zur "Dr.Oetker" Gruppe gehört. Seit Anfang August bin ich nun zum Stammgast der Online-Ausgabe geworden. Denn hier schreibt Thorsten Legat. Nochmal: Thorsten. Legat. Schreibt. Kolumnen. Uff.

Foto: flickr.com

"Thorsten Legat schreibt" klingt erstmal wie "Michael Phelps ertrinkt" oder "Wolfgang Clement entschuldigt sich". Im ersten Moment dachte ich deshalb, ich habe mich verlesen: Dass Legat schreit, laut in den Diskant kippend, soll ja vorkommen. Aber nein, der Mann aus Bochum-Werne schreibt. Jede Woche. Und wie.

Die erste Kolumne hieß "Man meint, man hätte einen Panzer auf dem Rücken". Was für ein Titel. Ich habe es vor mir gesehen: Tarzan Legat auf der Außenbahn, seine Rufe kreischen über den Platz, japsend trägt er einen Leo II. auf dem verschwitzten breiten Kreuz. Ansonsten handelt der Erstling von der ersten Pokalrunde mit eigenen Gesetzen gegen unterklassige Mannschaften. Naja. Legat verspricht natürlich die eine oder andere Überraschung, mutmaßt, dass Borussia es in Essen schwer haben wird. Es kam anders, Schwamm drüber.

Legats zweiter Streich "Van Buyten hatte nicht einmal Bezirksliga-Niveau" kann dann das Niveau der Überschrift locker halten. Eine Tirade gegen hüftsteife, übergroße Verteidiger: "Was bringt mir ein Sechs-Meter-Mann, der in der Luft alles wegholt?" fragt sich der menschgewordene Außenbordmotor. Natürlich rein rhetorisch. Um dann einzuräumen, dass alle Bundesligisten im DFB-Pokal eine Runde weitergekommen sind, "hätte ich nie gedacht!" Selbstkritik bei Legat, das ist zu schön.

"Bei der E-Jugend in Wermelskirchen sind genauso viele Leute am Seitenrand" ist dann die dritte und wohl reifeste Arbeit des hauptberuflichen Übungsleiters von TuRa Rüdinghausen. Hoffenheim an der Tabellenspitze ist für Legat ein Alptraum. Seinen beiden Söhen habe er beim Fernsehgucken erstmal erklären müssen, wo Hoffenheim liegt – wenn man die Tabelle umdrehe, da gehöre der Club hin, beklagt der einstige Star des VfL Bochum. Den Leuten, die jetzt meinen würden, Hoffenheim könne Meister werden, hält Legat eine schallendes "Was denn, Kartoffelmeister?" entgegen, um sich kurzerhand mit einem routinierten "Ich bin mal gespannt, wie es weitergeht" zu verabschieden. Ich bin es auch, Herr Kollege, ich bin es auch.

*Ach ja: Georg Koch schreibt leider noch keine Kolumnen, wären aber gewiss lesenswert. Mein Lieblingstorwart hat sich am Wochende beim Wiener-Derby verletzt, ein Feuerwerkskörper explodierte neben seinem Ohr. Diagnose, auch auf Reviersport gelesen: "Schweres Knalltrauma". Ganz zauberhaft.