Hannelore-Kraft-Tag (2): Eine Bewerbung?

Hannelore-Kraft-Tag bei den Ruhrbaronen. Erst die Bioverschönerung (klick) auf dem Zenit der Macht. Jetzt noch ein seltsamer Beitrag der SPD-Kandidatin in der "Welt": In einer "Polemik" hat sich die erfolgsarme Landesvorsitzende an Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (UvdL) abgearbeitet. Dabei sitzt die doch in Berlin. Vielleicht ja deshalb. Es gibt Gerüchte, dass Kraft 2010 doch nicht gegen Rüttgers antreten wird (soll, will). Spekuliert die Ex-Landesministerin mit einem Ministerium in Berlin? Wie ihre Vorgänger Müntefering, Clement, Steinbrück? Eine kleine Textanalyse.

1) Talkin Heads
"Niemand" sei so oft in Talkshows wie Frau von der Leyen, das ist die argumentative Klammer von HK. Das würden die Statistiken belegen. Aber: Gibt es Statistiken über Talkshowbesuche? Und was ist mit Norbert Röttgen oder Wolfgang Bosbach, mit Sky du Mont, Uschi Glas oder Karl Lagerfeld? Das Problem an den UvdL-Auftritten ist nicht das wie oft, sondern das wie. Klingt leicht neidisch.

2) Kurzarbeit
HK zeichnet ein Bild von der Wirtschaftskrise, man möchte hoffen, sie meint das nicht ernst: Millionen Kurzarbeiter, so HK, hätten morgens ihren Kindern zu erklären, warum sie nicht zur Arbeit fahren. Ist das so? "Du, Miro, der Papi fährt erst morgen wieder ins Werk!" – "Oooch, echt, bist du jetzt ein Versager, Papi?". Auch den anderen gehe es schlecht, weiß Kraft: Die einen würden Angst haben, ihre Arbeit zu verlieren. Die bereits Arbeitslosen verlören angesichts der "Horrormeldungen aus der Wirtschaft", Stück für Stück die Hoffnung. Ist es wirklich so arg da draußen? Oder schiebt da jemand selbst  Zukunftsangst?

3) In der Klemme
Als ob die Wirtschaftskrise nicht fies genug ist, kennt Hannelore Kraft (48) noch etwas gemeineres. Die "Generationenklemme ab 40". Was keine Streckfolter ist, sondern ein genereller Trübsinn, der alle über Vierzigjährigen erfasse, vor allem die weiblichen. Die Sorgen um die eigene und die Zukunft der Nachwachsenden mischten sich jetzt nämlich mit "Gedanken über die Gesundheit und die Versorgung der eigenen Eltern, die oft genug weit weg wohnen". Außerdem, schreibt die Wirtschaftswissenschaftlerin, herrsche große Furcht vor steigenden Mieten, vor den Ratenzahlungen fürs Haus, den schlechten Schulnoten beim "Sohnemann". Kein Wunder, so Kraft, dass gerade die Frauen "schlaflose" Nächte "erleiden". Hat sie aber nicht etwas vergessen: Was ist mit seltenen Krankheiten, fehlenden Rauchmeldern, Starkregenereignissen, Flugzeugunglücken – alles furchtbar: "Familien und Frauen sind die großen Verlierer der Krise!", jault die Mülheimerin jedenfalls. Aber das Familienministerium in Berlin, das interessiere sich nur für ein "kleines Segment" unter ihnen. Hm, ich mache mir auch langsam Sorgen – um Frau Kraft.
     
4) Rot-grüner Kanon
Außerdem ist die Bundesfamilienministerin genau wie Krafts Hauptgegner, wie Jürgen Rüttgers, der Ministerpräsident, den viele für einen Sozi halten, einen Arbeiterführer, für Johannes Rau den II. Denn auch UvdL fische beim politischen Gegner, ärgert sich Hannelore Kraft: Die "gut situierten Akademikerfamilien", die eher zum "rot-grünen Wertekandon tendieren", würden von der Bundesministerin mit "lobenswerten Initiativen bedient", die "oft von Sozialdemokraten erarbeitet wurden". Und die anderen "Segmente" zu wenig. Was kleinlich beleidigt klingt, dabei wüsste ich viel lieber, was der "rot-grüne Wertekanon" ist, schade!

5)  Kein Fototermin
Krafts konkrete Kritik an der Politik der Bundesfamilienministerin fällt immerhin solide aus. Es geht um unsoziale Kinderfreibeträge, Dumpinglöhne, bessere Steuerklassen für Zweitverdiener, Ehe-Ideologie aus dem "Fotostudio von der Leyen". Alles gut, alles nachvollziehbar, und doch bleibt ein Rätsel: Was hat das mit "Fototerminen", "Fotostudios" von der Leyens zu tun. Das ist nicht polemisch, sondern – erst recht von Frau zu Frau – platt!

6) Knicks vorm Komasaufen  
Habe zunächst "wie Ministerin von der Leyen bei einem großen Jugendproblem, dem Komasaufen, eingenickt ist" gelesen, was mir sehr gefallen hat – die bezecht schlummernde Ministerin. War aber leider nur ein Verleser, weiter: Die Kraftsche Abrechnung mit der konservativen, vornehmen Bundespolitikerin nähert sich dem Ende. UvdL würde sich nicht gerne "die Hände schmutzig" machen, sich fein "heraus halten" und nicht mit den Degenhardschen "Schmuddelkindern" spielen; was vermutlich Unfug ist, aber halt eine Polemik!

7) Die Hausmeisterin
Sehr merkwürdig ist wieder der Schluss. Oder was kümmert es Hannelore Kraft, ob das Familienministerium zu einem "Haus" "für Shows und Fotosessions verkommen" ist? Gibt es in NRW keine verkommenen Ministerien, Häuser? Warum dieser Furor? Weshalb die verräterische Terminologie vom "Haus". Für mich klingt das wie eine besorgte Nachfolgerin! Ein Bewerbungsschreiben für die Berliner Bühne. Und eben nicht nach Landespolitikerin, NRW-Oppositionsführerin, Rüttgers-Herausforderin.