
Vor einigen Tagen gab es mal wieder einen Tatort im Milieu der Landwirtschaft. Gedreht wurde der Film mit dem Titel „Letzte Ernte“ im Alten Land, einem der größten Obstanbaugebiete Deutschlands. Das liegt in der Nähe von Hamburg und dort werden vor allem Äpfel angebaut.
Dass solche Krimis logische Fehler haben und die Polizeiarbeit eher karikieren als realistisch darstellen – geschenkt. Auch dass nicht alle Informationen korrekt sind, ist in der Regel verzeihlich. Doch nicht in diesem Fall, denn der Tatort kam mit einer Mission.
Die Missionarin: die Schauspielerin Maria Furtwängler, die nicht nur die Hauptrolle spielte, sondern den Stoff entwickelte und über ihre Produktionsfirma Atalanta Film an der Produktion beteiligt war.
Mission: „Kritische Betrachtung von Pflanzenschutzmitteln“
Johannes Naber, Regisseur der Tatort-Folge, schildert auf der Informationsseite des NDR, wie er von Furtwängler gebeten wurde, den Film umzusetzen: „Für sie waren das Thema Biodiversität in der Landwirtschaft und die kritische Betrachtung von Pflanzenschutzmitteln zentral. (…) Für sie ist der ‚Tatort‘ nicht einfach nur ein Krimi, sie verknüpft ihre Popularität immer auch mit einem gesellschaftlichen Auftrag. Das imponiert mir, also habe ich ja gesagt.“
Furtwängler engagiert sich seit Jahren für das Thema, auch über ihre MaLisa Stiftung, die sich nach eigener Aussage darum bemüht, die Themen Klimawandel und Artensterben in der „Berichterstattung und den Narrativen im deutschen Fernsehen“ unterzubringen.
Das durfte Furtwängler bereits 2024 mit einer „Dokumentation“ über das Insektensterben im NDR versuchen – ausgerechnet in der Reihe „Expeditionen ins Tierreich“, die nicht gerade für aktivistische Tierfilme bekannt ist. Ihr Film („Idee und Präsentation: Maria Furtwängler“, heißt es im Abspann) war ebenfalls eine gemeinschaftliche Produktion von NDR und Furtwänglers Atalanta-Film und schon im Titel („Das Ende der Insekten? – Maria Furtwängler auf Spurensuche“) auf sie persönlich zugeschnitten. Er fokussierte sich einseitig auf Pflanzenschutzmittel als Ursache des Insektensterbens und ließ sämtliche anderen Faktoren – Lichtverschmutzung, Flächenverbrauch, Klimawandel, das Verschwinden von Extrembiotopen, Misthaufen und Güllegruben usw. – außer Acht.
Aktivismus statt Wissenschaft
Kronzeugin für Furtwänglers These war Angelika Hilbeck, eine Agrarökologin der ETH Zürich, die für ihren Aktivismus gegen Glyphosat und andere Pflanzenschutzmittel, gegen Gentechnik und für ihre Skepsis gegenüber mRNA-Impfstoffen bekannt ist. Furtwängler lässt sie über eine Studie an Florfliegenlarven schwadronieren, die mit unrealistischen Konzentrationen eines Glyphosat-haltigen Mittels traktiert wurden. Davon abgesehen, war in dem Mittel eine Chemikalie vorhanden, die als schädlich für Insekten bekannt ist. Die Studie sagt also nichts über die Gefährlichkeit von Glyphosat aus. Erstaunlich, dass die ausgebildete Humanmedizinerin Furtwängler jede Kritik an der „Studie“ vermissen ließ. Und ebenfalls erstaunlich, dass sie als Ärztin das simple toxikologische Faktum ignoriert, dass die Dosis das Gift macht.
Gelernt haben Furtwängler ebenso wie der NDR aus der zum Teil heftigen Kritik an diesem Film nichts. Stattdessen kommt im Tatort zur Sprache, Glyphosat sei schuld am Lymphdrüsenkrebs des Altbauern und an der Unfruchtbarkeit des Jungbauern – Behauptungen, die keinem Faktencheck standhalten, aber Wasser auf die Mühlen der Wutbürger gegen Pflanzenschutz sind. Im Übrigen wird das Herbizid, das alle grünen Pflanzen abtötet, im Obstbau, wenn überhaupt, nur sehr zurückhaltend und höchstens zweimal im Jahr zur Unkrautbekämpfung unter den Bäumen eingesetzt. Äpfel kommen mit ihm überhaupt nicht in Berührung. Ein regelmäßiges Ausbringen oder gar, wie im Film zu sehen, eine Vernebelung, würde die Bäume absterben lassen. Kommt hinzu, dass im Alten Land auf etwa 38 Prozent der Obstanbauflächen die Anwendung des Mittels verboten ist, weil diese Flächen in Schutzgebieten liegen.
Auch sonst wurde kein Klischee ausgelassen: Äpfel würden im Alten Land 30mal im Jahr mit bis zu „50 zusammengepanschten Pestiziden“ behandelt, die konventionell erzeugten Äpfel solle man besser nicht essen. Landwirte würden vom Landhandel genötigt, Spritzmittel einzusetzen und spritzen daher „wie die Weltmeister“ usw. Beim Landhandel werden im Film auch die „Spritzprotokolle“ gesammelt – völliger Quark. Und die Not der Biobauern ist so groß, dass die Bienenkörbe selbst geflochten werden. Dennoch ist der so erzeugte Bio-Honig „zu teuer“, um ihn selbst zu verzehren.
Missbrauch von NDR-Formaten
Der NDR redet sich damit heraus, der Tatort sei ein „fiktionales Werk“ und das Thema Pflanzenschutz sei nur „Hintergrund, um einen spannenden Krimi zu erzählen.“ Dabei würden auch „erzählerische Mittel wie Zuspitzungen“ genutzt.
Darum geht es aber nicht. Frau Furtwängler missbraucht die größte und traditionellste Krimiproduktion der ARD, um ihr persönliches Weltbild zu transportieren und unwissenschaftlichen, aktivistischen Unfug ins Drehbuch zu schreiben – mit Wissen und Zustimmung des NDR, der hier ein weiteres Mal die weltanschauliche Voreingenommenheit seiner Redaktionen demonstriert. Was wäre, wenn man derartige Meinungsmache allen Schauspielern und Produzenten des Tatorts (oder auch anderer Sendungen) erlauben würde? Wenn jeder Schauspieler, der sich zum Umweltschützen berufen fühlt, auf Kosten der Beitragszahler seine eigene „Expedition ins Tierreich“ unternehmen darf?
Es ist schlicht nicht die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, den Zuschauern die vermeintlichen „gesellschaftlichen Aufträge“ von Stiftungen oder NGOs ohne jede Transparenz in Spielfilmen unterzujubeln – noch dazu, wenn diese selbst ernannten Missionare auch noch gleich doppelt daran verdienen, ihre Botschaft verbreiten zu können: über ihre Produktionsfirmen und als Mitwirkende. Diese Konstellation ist ein Fall für den Rundfunkrat.
