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Wer bettelt denn da?

Foto: Screenshot „Europa Passage“


Fünf Jahre begleitete der Regisseur Andrei Schwartz rumänische Roma, die in Hamburg betteln. Sie nahmen ihn mit zu ihren Schlafplätzen und reisten mit ihm in ihr Heimatdorf in den Karpaten. Am Samstag, dem 8. Oktober um 19 Uhr, zeigt das SweetSixteen Kino im Dortmunder Depot in Kooperation mit bodo den Dokumentarfilm „Europa Passage“. Im Anschluss folgt ein Filmgespräch mit dem Regisseur und bodo-
Redaktionsleiter Bastian Pütter.

Wir alle kennen sie, die Menschen, die vor dem Drogerie-, Supermarkt oder vor der Kirche sitzen und betteln. Meist über mehrere Monate jeden Tag am gleichen Ort, bis sie plötzlich wieder weg sind. Aber wer sind diese Menschen, woher kommen sie und wohin verschwinden sie wieder? Was bringt sie dazu, bei jedem Wetter auf der Straße zu sitzen und zu betteln? Der Filmemacher Andrei Schwartz geht dieser Frage nach und begleitet in seinem Dokumentarfilm „Europa Passage“ über einen Zeitraum von fünf Jahren das Leben einer Gruppe von Roma, die dauerhaft zwischen Hamburg und ihrem rumänischen Heimatdorf Namaiesti pendeln.

Mangels Arbeit in Rumänien verdienen sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder mit Betteln in Hamburg. Sie schlafen unter Brücken und in Parks, in ständiger Angst, entdeckt und vertrieben zu werden. Für die städtischen Behörden gelten sie als „freiwillige Obdachlose“, der Zugang zu den Notprogrammen bleibt ihnen sogar im Winter verwehrt. Alle paar Monate fahren sie heim, zurück zu ihren Kindern und Verwandten. Um zu verstehen, warum sie ihre Liebsten für Einnahmen von ein paar Euro am Tag zurücklassen, begleitet der Film sie zurück in ihr Heimatdorf Namaiesti. Wir erleben mit, wie hart die Bedingungen vor Ort sind und erfahren, dass diese Migration auch eine Folge der Wende ist, seit der es in der Region weder Arbeitsplätze noch eine Perspektive gibt.

Die zwei Hauptprotagonisten Maria und Tirloi sind die einzigen, die es im Laufe der Jahre geschafft haben, sich ein Stück Normalität aufzubauen. Sie bilden die Brücke zwischen den beiden Welten: Er hat Arbeit, sie geht noch immer betteln. Sie können ihre Enkelin zu sich holen, die als erste in der Familie lesen und schreiben lernt. Doch der Aufstieg hat seine Schattenseiten ‑ er führt zu Neid und Konflikten mit den anderen Dorfbewohnern und zu einer Entfremdung zwischen den beiden. Denn ‑ wie Regisseur Andrei Schwartz resümiert ‑ „alles hat seinen Preis“. Ein Film über Menschen, die kaum eine Chance haben, und trotzdem versuchen, das Beste daraus zu machen. Und über den Preis, den sie dafür zahlen müssen.

Regisseur Andrei Schwartz, selbst gebürtiger Rumäne, gelingt es seine Protagonisten frei von Vorurteilen und immer mit Würde zu zeigen – und erreicht so einen wirklich intimen Einblick auf Augenhöhe in das schwierige Leben dieser Menschen, die einfach nur deutlich mehr Pech hatten als die meisten von uns.

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