Wer rettet die SPD vor sicht selbst?

SPD-Fahne aus ihrer Gründerzeit vor mehr 150 Jahren. Copyright: SPD

Die Kommunalwahl in NRW zeigt: Gegen die AfD bräuchte es eine Sozialdemokratie, die sich um ihre einstigen Wähler kümmert. Als orientierungsloser Abklatsch von Linkspartei und Grünen ist ihr Niedergang nicht aufzuhalten.

Die Lebenslüge von Sozialdemokraten, Grünen und Linken, die AfD sei ein Ableger der CDU und ein reines Ostphänomen, hat sich am Sonntag einmal mehr als das entpuppt, was sie ist: eine Selbsttäuschung. Auch die Konservativen konnten den erneuten Siegeszug der Blau-Braunen im bevölkerungsreichsten Bundesland weit im Westen nicht aufhalten. Aber vor allem verlor die SPD in ihrer früheren Herzkammer im Ruhrgebiet massiv an die rechte Konkurrenz, die längst zur neuen Arbeiterpartei aufgestiegen ist wie in anderen europäischen Ländern. Die vielsagende Antwort der Genossen darauf: beredtes Schweigen.

Nichts ist so begeisternd wie eine Partei, die von sich selbst begeistert ist, lautet eine alte Weisheit von Wahl- und Parteiforschern. Das gilt auch umgekehrt: Eine Partei, die schon lange nicht mehr weiß und den Wählern und Bürgern nicht sagen kann, wofür sie noch steht, ist für niemanden attraktiv. Mehr noch: Sie verliert ihren Daseinszweck.

In Nordrhein-Westfalen, dem industriellen Kern der alten Bundesrepublik, regierten früher gestandene Sozialdemokraten wie Heinz Kühn und Johannes Rau im Land und in den Kommunen mit absoluten Mehrheiten. Sie überzeugten auch als Personen und modernisierten das Land, entfremdeten damit allerdings auch die Kinder der aufstiegswilligen Arbeiter und Angestellten von ihrer Partei. Die wandten sich den neu entstehenden Grünen und der CDU zu. Danach folgten der wirtschaftsfreundliche Wolfgang Clement, mit dem seine eigene Partei fremdelte, und Hannelore Kraft, die kein Kind zurücklassen wollte und mit der Linkspartei liebäugelte. Seitdem regiert an Rhein und Ruhr die CDU, nun mit den Grünen.

Vorbild Dänemark

Auch sie ist allerdings nur noch eine mittelgroße Partei und fuhr am Sonntag ebenfalls eines ihrer schlechtesten Ergebnisse ein. Ist das Abschmelzen der einstigen Volksparteien also nicht zu stoppen, quasi Naturgesetz einer fragmentierten, polarisierten Gesellschaft, in der Extreme und Populisten rechts und links unaufhaltsam zulegen zulasten der alten Mitte?

Das muss nicht so sein. In Duisburg, Heimat der SPD-Co-Vorsitzenden und Arbeitsministerin Bärbel Bas, demonstrierte Oberbürgermeister Sören Link, dass man mit einer Politik gegen den industriellen Ausverkauf und die Folgen der Armutsmigration vor allem aus Südosteuropa gewinnen kann: Mit 46 Prozent geht er als klarer Favorit in die Stichwahl gegen einen AfD-Mann. In Gelenkirchen, noch stärker vom Strukturwandel, Arbeitsplatzverlusten und sozialen Spannungen durch die Massenmigration geprägt, liegen die Blauen dagegen nun gleichauf mit der SPD.

Vorbilder, wie es anders geht, gibt es auch im Ausland, vor allem im Norden. In Dänemark machen die Sozialdemokraten vor, wie man mit einem entschlossenen Kurs gegen irreguläre Einwanderung, einer harten Politik der inneren Sicherheit gegen Bandenkriminalität und Sozialghettos und einem strikten Fordern und Fördern Wahlen gewinnen und die lange Zeit dominierenden Rechtspopulisten klein machen kann. Ähnlich agierten vordem Gerhard Schröder und Otto Schily.

Doch die SPD will nicht lernen. Weder von ihrem früheren Kanzler noch von den Dänen. Sie ergibt sich, diesen Eindruck musste man nach ihrem Wahldebakel vom Sonntag wieder gewinnen, ihrem Schicksal. Und tröstet sich damit, dass es nicht ganz so schlimm kam wie befürchtet, weil Zugewinne von den auf ihre öko-akademische Kernwählerschaft zurückgeworfenen Grünen die starken Verluste an die AfD zum Teil ausglichen.

Ein Erfolgsrezept ist das allerdings nicht, solange die Sozialdemokraten sich weigern, sich überhaupt damit zu beschäftigen, warum so viele ihrer früherer Wähler nun ihr Kreuz bei einer Partei machen, die das Blaue vom Himmel verspricht. Aber ihnen offensichtlich das Gefühl gibt, von ihr mit ihren Sorgen und Ängsten wenigstens ernst genommen zu werden.

Die Werktätigen haben andere Sorgen

Die Präferenzen der meisten Wähler nicht nur in NRW sind eindeutig. Ihnen geht es um Wirtschaft, Arbeitsplätze, bezahlbare Wohnungen, um Migration, Integration und Innere Sicherheit. Elementare Anliegen besonders sozial Schwacher, auch von Migranten. Nicht eine bunte diverse Gesellschaft, die Abgehängten und die Notleidenden der ganzen Welt, was die SPD plakatiert. Womit sie eine Politik für diejenigen macht und kopiert, die sie nicht wählen, nämlich Grüne und Linke. Nicht ihre frühere Kernklientel. Nicht für die Mehrheit, was das Ziel einer Partei sein muss, die immer noch Anspruch erhebt Volkspartei zu sein. Was im völkischen Sinne nun die AfD ist.

Arbeiter und einfache Angestellte sind für Sanktionen gegen diejenigen, die Arbeit verweigern, weil sie selbst jeden Tag malochen. Sie erwarten eine intakte Infrastruktur und wollen ein Bildungssystem, das nicht nivelliert, sondern Aufstiegschancen bietet für die, die sich anstrengen. Und keine Schrottimmobilien in ihren Städten, in denen Gestrandete aus anderen Ländern vom Sozialstaat durchgefüttert werden. Alles keine schönen Vorstellungen für SPD-Funktionäre, die solche Lebenswelten meist gar nicht mehr kennen. Jedenfalls nicht aus eigenem Erleben, weil sie selbst oft im öffentlichen Dienst arbeiten. Bei Sozialverbänden. Oder bei ihrer Partei.

Einen Selbstbeschäftigungsladen, der verdrängt hat, wo er mal herkam und wo er eigentlich hingehört, braucht niemand. Und so taumelt die SPD immer weiter bergab. In Baden-Württemberg, wo im März gewählt wird, der Einstelligkeit entgegen. Vielleicht auch bald bundesweit. In Sachsen-Anhalt (Wahl im September 2026), Sachsen und Thüringen der Fünfprozenthürde.

Muss man das bedauern? Für eine Demokratie, die das soziale Feld nicht Extremisten rechts wie links überlassen möchte: unbedingt. Ansonsten: Nein. Wenn die SPD und ihre Führung nicht kapieren wollen, dass ihr Zug bald abgefahren ist, dann ist ihnen nicht zu helfen.

Wer aber soll dann künftig das Land regieren mit einer Union, die sich auch nicht richtig entscheiden kann? Grünen, die nach dem Abgang von Robert Habeck nicht wissen wohin? Und einer FDP, die kaum mehr messbar ist?

Die vielbeschworene Mitte, vor allem die linke, aber auch die rechte, wirkte schon nach der Bundestagswahl kraft- und hilflos. Jetzt noch mehr. Keine gute Aussichten in einer Welt, in der die Bedrohungen von überall zunehmen. Und die großen Aufgaben kraftvolle Antworten verlangen.

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paule t.
paule t.
2 Monate zuvor

Und der x-te Artikel, nach dem nun gefälligst auch die SPD vor allem nach unten treten soll, weil es nämlich nicht ausreicht, wenn CDU, FDP und AfD das machen. Wird das nicht langweilig?

Und der soziale Gerechtigkeit – in dem Sinne, nicht nur das untere Ende der Gesellschaft in den Blick zu nehmen, wenn es um Probleme geht, sondern auch das obere – vollständig ausspart. Kein einziges Wort dazu, welchen Beitrag die Reichen zur Gesellschaft zu leisten hätten. Dazu, dass der Schaden durch Steuerhinterziehung um mehrere Größenordnungen höher liegt als der durch Sozialbetrug. Dazu, dass vor allem Reiche bei Einkommen-, Vermögen- und Erbschaftssteuern in den lezten Jahrzehnten entlastet wurden, während die Mehrwertsteuer gestiegen ist, von der vor allem Leute mit niedrigen und mittleren Einkommen belastet werden, die ihr Einkommen zum großen Teil ausgeben müssen.

Kurz, liebe SPD: „Guck nicht auf die sozialen Verhältnisse, vor allem nicht auf den Reichtum! Mach, was die Konservativen wollen! Das ist deine Rettung! Hat schon bei der Agenda 2010 prima geklappt! MfG, deine Konservativen“

Arnold Voss
Mitglied
2 Monate zuvor

Sie haben recht, paule t. , was die soziale Gerechtigkeit betrifft. Das obere Drittel und insbesondere das obere Zehntel hat auch seinen Beitrag zu leisten, statt weiter gehätschelt zu werden. Aber alle anderen, soweit das ihnen möglich ist, auch.

mike_mh
mike_mh
2 Monate zuvor

Wenn Herr Greven einen 2025er SPD Parteifunktionät beschreiben müsste wären sie in der engeren Auswahl. Ihren offen zur Schau getragenen Sozialneid, es grenzt ja schon an „Reichenhass“ errinert mich ganz stark an einige Teile der heutigen SPD. Anstatt die Menschen zu befähigen, in 1-2 Generationen Sozial aufzusteigen, werden diese unter anderem auch der SPD weiter unten gehalten.

„die SPD vor allem nach unten treten soll, weil es nämlich nicht ausreicht, wenn CDU, FDP und AfD das machen.“

Keiner dieser Parteien tritt auf Sozialschwache drau, dass ist eine immer wiederholte Lüge. Und nur weil die Lüge seit jahrzehnten Wiederholt wird, wird sie nicht wahrer. Außerdem ist es doch sehr komisch, dass die AFD in eher Sozialschwachen Stadtteilen die meisten Stimmen holt. Ihre Sprache verrät Sie, dass ich kann mir sehr gut Vorstellen, dass ein Vorzüglicher Blockwart wären, der politisch unbequeme Personen gerne irgendwo anzeigen würden. Vielleicht gehören Sie ja auch zu dem Teil der Linkspartei, die im „Scherz“ auch Reiche erschießen lassen möchte.

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