Zukunftsentscheid Hamburg – Auf dem Weg ins Paradies oder eher ins Elend?

Hamburg 2040 - welche Zukunftsvison wird wahr? Grafik: DALL-E
Hamburg 2040 – welche Zukunftsvison wird wahr? Verarmte Slumstadt oder grünes Wohlfühlparadies? Grafik: DALL-E

Hamburg hat sich mit dem Zukunftsentscheid festgelegt. Klimaneutralität nicht 2045, sondern schon 2040. Das klingt nach großem Wurf. In Wahrheit beginnt jetzt ein Dauertest aus Zuständigkeiten, Geld und Alltagstauglichkeit. Der Volksentscheid ändert das Klimaschutzgesetz und zwingt den Senat zu einem jährlichen Reduktionspfad mit Sofortprogrammen bei Zielverfehlung. Das ist rechtlich bindend und in Hamburg schwer wieder zu kippen. Die formale Umsetzung ist eingeleitet.

Beim Entscheid lief alles korrekt ab

Der Volksentscheid selbst ist formal korrekt verlaufen und erfüllt die rechtlichen Anforderungen der Hamburgischen Verfassung und des Hamburgischen Volksabstimmungsgesetzes. Die Initiatoren haben das notwendige Unterschriftenquorum für Volksinitiative und Volksbegehren erreicht, das Abstimmungsverfahren war ordnungsgemäß, und das erforderliche Zustimmungsquorum wurde überschritten. Auch thematisch war der Entscheid zulässig, weil er eine Landesgesetzänderung innerhalb der Hamburger Gesetzgebungskompetenz betrifft. Rechtlich steht der Entscheid daher auf solider Grundlage.

Die Frage ist also nicht mehr ob. Die Frage ist wie. Und wer am Ende zahlt. Hamburg kann ambitioniertere Ziele setzen. Hamburg kann aber den Bund nicht verpflichten, diesen Sonderweg mitzufinanzieren. Ein Volksentscheid bindet nur die Stadt. Fördergelder des Bundes sind zwar möglich, erzwungen werden können sie aber nicht. Damit liegt die Hauptlast bei Landeshaushalt, Unternehmen, Vermietern und Bürgern. Genau dort endet die Utopie und beginnt die Wirklichkeit.

Sozial ungerechte Veränderungen

Was steht tatsächlich an? Ab 2026 greifen verbindliche Budgets, jährliches Monitoring, Sofortprogramme. Diskutiert werden strengere Gebäudestandards, schneller Abschied von Öl und Gas, Wärmenetze, mehr Tempo 30, Null-Emissions-Zonen im Hafen, Ausbau von ÖPNV und Rad. Jede Maßnahme muss in bestehendes Bundes- und EU-Recht passen. Wo Hamburg Kompetenzen überschreitet, drohen Korrekturen vor Gericht.

Sozial wird es heikel! Im Wohnungsbestand kommen teure Sanierungen, Heizungswechsel und Netzinfrastruktur. Die Politik verspricht Schutz der Warmmiete. Aber wie soll das funktionieren, wenn gleichzeitig die Kosten der Vermieter hochgedreht werden? Ohne substanziell mehr Förderung bleibt das ein Versprechen mit vielen Sternchen. In der Debatte kursieren zweistellige Milliardensummen allein für den Wohnsektor. Der BUND wirbt bereits für ein Klimaschutz-Sondervermögen. Gleichzeitig begrenzen Haushaltsrecht und Schuldenbremse den Spielraum. Die Rechnung trifft damit Steuerzahler, Mieter und Vermieter in unterschiedlicher Härte.

Teure Co-Nutzen

Auch die Wirtschaft wird neu sortiert. Industrie, Gewerbe und Hafenlogistik müssen Prozesswärme, Fuhrparks und Lieferketten schneller dekarbonisieren. Das gelingt nur mit bezahlbarem Grünstrom, verlässlichen Netzen und Wasserstoff. Fehlt diese Basis, drohen Standortnachteile und Verlagerungen. Unternehmen können gegen unverhältnismäßige Eingriffe klagen. Umgekehrt können Umweltverbände den Staat zum Nachsteuern zwingen, wenn Ziele verfehlt werden – Richter, die entsprechend wohlgesonnen urteilen würden, sind sicherlich schnell gefunden. Der Druck kommt also von zwei Seiten.

Wie groß ist Hamburgs Beitrag global? Die Stadt emittierte 2023 nach Verursacherbilanz rund 11,7 Millionen Tonnen CO₂ ohne internationalen Flugverkehr. Deutschland lag 2024 bei rund 649 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Der weltweite Ausstoß aus fossilen Quellen erreichte 2024 einen Rekordwert von etwa 37,4 Milliarden Tonnen. Hamburgs Anteil liegt damit bei einem Bruchteil eines Promille. Selbst eine vollständige Dekarbonisierung der Stadt hätte global keinen messbaren Effekt. Das ändert nichts an lokalen Co-Nutzen wie Luftqualität oder Lärm. Es erklärt aber, warum die Debatte so erbittert um Kosten und Fairness geführt wird.

Unmessbar winziger Hebel

Der Blick über den Tellerrand macht die Dimension klar. China verantwortet rund ein Drittel der weltweiten CO₂-Emissionen. Die USA liegen bei etwa einem Siebtel. 2024 stiegen die globalen Emissionen erneut. In den USA gingen die energiebedingten Emissionen nur leicht zurück. In China deuten manche Analysen auf steigende anstatt sinkende Emissionen, gesichert ist das allerdings nicht. Solange die großen Emittenten nicht spürbar und dauerhaft drehen, bleibt der direkte Weltklima-Hebel einer einzelnen Stadt unmessbar winzig.

Rechtslage heißt nicht Rechtsfrieden. Der Volksentscheid bindet Senat und Bürgerschaft. Das sorgt aber nicht automatisch für Tempo. Jede harte Auflage muss verhältnismäßig sein, sozial flankiert und kompetenzfest. Umweltverbände können klagen, wenn die Stadt zu langsam ist. Unternehmen können klagen, wenn die Stadt überzieht. So werden die nächsten Jahre entschieden: nicht in Slogans, sondern in Verordnungen, Beihilfen, Gerichten und Haushaltsplänen.

Hamburg ist gespalten

Politisch reißt der Entscheid Linien durch die Stadt. Wahlkarten zeigen Zustimmung eher in wohlhabenderen innenstadtnahen Quartieren, Skepsis in Bezirken mit weniger Spielraum. Das passt zu der Erfahrung aus anderen Städten. Wer die größten Umbaukosten tragen soll, steht selten in der ersten Reihe der Ja-Sager. Der soziale Ausgleich entscheidet letztlich über die Akzeptanz. Den aber wird Hamburg, das mit Sicherheit vom Geber- zum Nehmerland beim Länderfinanzausgleich wird, nur schwerlich finanzieren können.

Am Ende bleibt die Kernfrage. Setzt Hamburg Ziele, die es operativ, finanziell und rechtssicher halten kann? Oder setzt Hamburg Bilder, die gut klingen und am Ende an Haushaltszahlen, Kompetenzen und Alltag zerschellen? Die Initiatoren feiern ein Signal. Die Verwaltung muss liefern. Die Wirtschaft kalkuliert. Die Mieter hoffen auf einen echten Schutz der Warmmiete und nicht auf schöne Worte. Die Rechnung kommt erst noch. Und wenn nicht alles täuscht, wird diese Rechnung unverhältnismäßig teuer und sozial ungerecht.

Demokratie oder Freiheit?

Und weil Meinung erlaubt ist: Der Eindruck ist schwer wegzuwischen, dass eine kleine und laute Schicht mit wenig Sorge vor den Konsequenzen (oder ohne den nötigen Horizont?) eine ganze Stadt auf Pippi Langstrumpf trimmen will. Alles soll so sein, wie es gefällt. Die globalen Zahlen sprechen eine andere Sprache. Wenn USA und China weiter den Takt vorgeben, und das werden sie, bleibt der Hamburger Beitrag irrelevant. Umso mehr gilt: Wer Symbolik bestellt, sollte die Folgekosten ehrlich ausweisen und gerecht verteilen – auf diejenigen, die es bestellt haben. Auch, wenn man natürlich sagen muss: Selbst Schuld, wer bei einer solchen Abstimmung zu Hause bleibt.

Aber mitgefangen, mitgehangen? Dafür sind die Dimensionen der Entscheidsauswirkungen dann doch zu groß. Kein Volksentscheid darf die Kraft entwickeln, andere in den Bankrott zu ziehen. Denn, wie sagte Benjamin Franklin so schön? „Demokratie, das ist, wenn zwei Wölfe und ein Schaf über die nächste Mahlzeit abstimmen. Freiheit, das ist, wenn das Schaf bewaffnet ist und die Abstimmung anficht.“ Und die Freiheit, die trägt Hamburg ja sogar im eigenen Namen: Freie und Hansestadt!

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paule t.
paule t.
1 Monat zuvor

Kosten bei der Heizwärme: Ich habe gerade die aktuellen Kosten für eine KW/h Erdgas und Strom gegoogelt. Das Erdgas kostete damnach grob halb so viel. Vielleicht sind die Verhältnisse bei schlechten Verträgen ein bisschen anders, aber so ist der Rahmen. Bei zunehmendem Strom aus erneuerbaren Energien (der in der Gestehung billiger ist als andere Stromquellen), zunehmenden Speicherkapazitäten (Unternehmen stehen aktuell Schlange, um Batteriegroßspeicher genehmigt zu bekommen – ohne Förderung, das trägt sich wirtschaftlich von allein dadurch, dass Strom bei Überkapazitäten billig gekauft und bei Mangel teuer verkauft wird) und steigenden Preisen von fossilen Energien (durch die bereits geltenden Regeln für Emissionshandel) wird sich das noch stärker angleichen.
Nun leigt aber der Effizienzfaktor von Wärmepumpen (ebenfalls frisch gegoogelt) bei 2,5 bis 5, heißt: Sie pumpen das 2,5- bis 5-fache an Wärme ins Haus, als Strom eingesetzt wird, während Gasheizungen logischerweise max. die im Gas enthaltene Energie selbst als Wärme freisetzen. Damit sind Wärmepumpen schon jetzt im Betrieb günstiger als Gasheizungen, und es wird sich, wie gesagt, absehbar weiter zugunsten der Wärmepumpen verschieben.
Bis 2040 sind 15 Jahre Zeit. Viele Heizungen würden bis dahin sowieso ausgetauscht werden. Bei den anderen muss es eben ein bisschen früher passieren, als es sonst angedacht wäre – absehbar wird es sich lohnen. Ich sehe keinen Grund, warum das nicht machbar sein sollte. Ähnliches gilt für andere Modernisierungen.

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Zitat: „Der Eindruck ist schwer wegzuwischen, dass eine kleine und laute Schicht mit wenig Sorge vor den Konsequenzen (oder ohne den nötigen Horizont?) eine ganze Stadt auf Pippi Langstrumpf trimmen will.“

Erstens ist es keine „kleine, aber lautstarke Schicht“, sondern offensichtlich eine Mehrheit. Zweitens geht es nicht um „Pippi Langstrumpf“, sondern um angesichts des Klimawandels notwendige und langfristig auch wirtschaftlich sinnvolle technologische Neuerungen. Die traditionellen Versuche des Autors, die andere Position abzuwerten, ziehen einfach nicht mehr.

Das schlichte Verbrennen von Zeug zum Heizen ist heutzutage einfach schlechte, veraltete Technik – weiß der Geier, warum der Autor unbedingt daran festhalten will.

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Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie dem Autor genau dann die armen Leute als Argument einfallen, wenn es scheinbar als Argument gegen technologische Innovationen taugt.

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Zitat: „Wie groß ist Hamburgs Beitrag global? Die Stadt emittierte 2023 nach Verursacherbilanz rund 11,7 Millionen Tonnen CO₂ ohne internationalen Flugverkehr. Deutschland lag 2024 bei rund 649 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Der weltweite Ausstoß aus fossilen Quellen erreichte 2024 einen Rekordwert von etwa 37,4 Milliarden Tonnen.“

Das ist einfach ein Kindergarten-Argument. Natürlich kann man für jede beliebige Weltregion den geographischen Bezugsrahmen so klein wählen, dass der CO2-Ausstoß des gewählten Raumes „fast nichts“ ausmacht. So könnte die ganze Welt argumentieren, dass ihr Beitrag ja irrelevant wäre. Das würde offensichtlich ins Desaster führen. Stattdessen muss eben die ganz Welt, jeder an seinem Ort, die notwendigen technologischen Neuerungen durchführen.

Und dabei ist es nicht unlogisch, an diejenigen besondere Ansprüche zu stellen, die a) wirtschaftlich besonders leistungsfähig sind und b) besonders viel zum bisherigen CO2-Ausstoß beigetragen haben (beides ist offensichtlich im Verhältnis zur Bevölkerungszahl zu rechnen, um obige Kindergarten-Rechnungen zu vermeiden). Beides ist bei Deutschland der Fall.
Wobei es nach meinem Dafürhalten sowieso nicht das Schlechteste ist, bei der Umsetzung technologischer Neuerungen Vorreiter statt Nachzügler zu sein.

Ich glaube, bei Christian Stoecker auf SpOn las ich mal ungefähr folgenden Vergleich: Eine große Gruppe von Leuten, vielleicht ein Schuljahrgangs-Treffen, sitzt im Restaurant. Als sich der Abend dem Ende zuneigt, steht einer auf, verabschiedet sich und sagt: „In der Gesamtrechnung macht mein Verzehr ja fast nichts aus. Ihr zahlt für mich, ja?“, und verschwindet. Nun ist diese Person auch noch derjenige, der, wie alle wissen, zu den Vermögendsten am Tisch zählt und auch mit am meisten gegessen und getrunken hat.
So einem Verhalten redet der Autor mit diesem „Argument“ das Wort. Und sowohl der Typ im Restaurant als auch der Autor haben ja auch recht: „In der Gesamtrechnung“ macht der einzelne Beitrag fast nichts aus. Trotzdem würde ich sagen, dass das nicht der Weg ist, um zu erreichen, dass am Ende die Rechnung bezahlt wird und alle friedlich nach Hause gehen.

paule t.
paule t.
1 Monat zuvor

Viele Ihrer Bedenken könnte ich verstehen, wenn es um eine Umsetzung in wirklich kurzer Zeit ginge. Aber es geht immer noch um einen Zeitraum von 15 Jahren. Dafür muss man natürlich zügig anfangen und kann sich nicht mehr viele Verzögerungen leisten, aber es ist dennoch mE machbar.

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Beispiel wieder Gebäudeheizung. Da ist ein Punkt ja vor allem, wann eine fossile Heizung durch eine Wärmepumpe ersetzt werden muss. Nun halten, wieder eine Zahl rasch ergoogelt, Öl- und Gasheizungen im Schnitt 20 Jahre, aber die Effizienz kann schon ein paar Jahre vorher sinken, oder die Anlagen sind schneller technisch veraltet. Das heißt: Ein sehr großer Teil der Heizungen würde bis dahin sowieso ausgetauscht werden. Damit ist aber ein großer Teil Ihrer Bedenken schlicht hinfällig: Investitionskosten usw. sind sowieso fällig, wenn auch natürlich nicht in exakt gleicher Höhe.
Ein paar Heizungen müssten auch ausgetauscht werden, bevor es technisch nötig wäre, aber angesichts der absehbaren Entwicklung der Betriebskosten würde sich auch das rentieren. Sicher wären insgesamt noch Förderungen nötig, aber absehbar auch sinkend.

Bei der Entwicklung der Preise für Wärmepumpen sehe ich es exakt anders als Sie. Sie meinen, die Festlegung auf eine Technik würde Konkurrenz mindern und dadurch Preise treiben. ME ist das Gegenteil der Fall: Wenn fossile Heizungen als Möglichkeit schlicht wegfallen und – abgesehen von Fernwärme – nur Wärmepumpen übrigbleiben, steigen bei den Wärmepumpen massiv die Stückzahlen und die Anbieter werden ihre Kapazitäten ausbauen. Das wird erstens die Stückkosten reduzieren. Und zweitens wird dadurch dieser Teilmarkt für mehr Anbieter interessant – wer überhaupt auf dem Heizungsmarkt mitmischen will, muss eben Wärmepumpen bauen. Dadurch wird es im Gegenteil mehr Anbieter geben, die sich Konkurrenz machen.
Mit steigenden Preisen wäre eigentlich nur dann zu rechnen, wenn es in ganz kurzer Zeit einen Anreiz gibt, so eine Anlage zu kaufen, ohne dass die Anbieter so schnell ihre Kapazitäten erhöhen können. In dem Zeitraum von 15 Jahren ist das aber nicht gegeben: Sowohl Handwerker als auch Hausbesitzer als auch Hersteller können in diesem Zeitraum planen – wenn sie denn die Rahmenbdingungen kennen.
Deswegen ist es wichtig, eine langfristig verlässliche politische Planung zu haben, bei der nicht bei jedem Regierungswechsel die Vorschriften und die Förderbedingungen wieder umgestoßen werden. Dann sind durchaus auch ambitionierte Ziele möglich, und ein solches hat der Volksentscheid jetzt gesetzt.

Andere Probleme – „viele schlecht geeignete Bestandsgebäude, Denkmalschutz, enge Quartiere“ – sind eigentlich von der Heiztechnik unabhängig: Der Effizienzvorteil von Wärmepumpen ist bei, aus welchen Gründen auch immer, schlecht gedämmten Häusern, die viel Wärme brauchen, weil viel wieder verloren geht, ja nur noch größer. Ein Problem gibt es mW allenfalls bei Häusern, in denen noch uralte Heizkörper verbaut sind, die wegen geringer Oberfläche eine hohe Vorlauftemperatur brauchen, die eine Wärmepumpe nicht effizient leisten kann. In solchen Fällen haben aber mW oft auch schon halbwegs moderne Brennwertkessel-Gasheizungen ein Problem, die auch nur begrenzte Vorlauftemperaturen bereitstellen und deswegen modernere Heizkörper verlangen. D.h. von diesem Problem sind nur wirkliche Uralt-Heizanlagen betroffen, bei denen wegen extremer Ineffizienz sowieso ein Austausch lohnt.

Ähnliche Argumentationen gelten auch in anderen technischen Bereichen. Etwa Verkehr: Ein Zeitraum von 15 Jahren – wo liegt das Problem, in diesem Zeitraum Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gegen Elektrofahrzeige auszutauschen? So lange wird doch eh kaum ein Fahrzeug genutzt. Auch hier muss natürlich der Weg verlässlich klar sein, damit alle Beteilgten Planungssicherheit haben. Sonst baut natürlich keiner die notwendige Infrastruktur. Aber wenn das gegeben ist und der Staat den Pfadwechsel der Technologie unterstützt, ist das in einem solchen Zeitraum doch machbar.

Das einzige Problem sehe ich auch bei Hochtemperatur-Prozesswärme. Der Umbau solcher industrieller Prozesse, mit den Bauzeiten für entsprechende Anlagen usw., mag länger dauern. Ein Grund mehr, anzufangen.

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Der Hamburg-Anteil: Doch, das ist ein – um höflicher zu formulieren – invalides Argument. Hamburg ist eines der reicheren Bundesländer in einem der reichsten und technologisch fortgeschrittensten Länder der Welt. Wer soll denn bitte sonst anfangen können, wenn nicht so eine Stadt?

Zumal ich es sowieso etwas merkwürdig empfinde, es vor allem als Last zu betrachten, Vorreiter bei technologischem Fortschritt zu sein. Manchmal passiert der technologische Fortschritt nicht von allein: Wenn sich eine Pfadabhängigkeit eingestellt hat, ist es für den einzelnen Marktteilnehmer außerordentlich schwer, zu einer anderen Technologie zu wechseln. (Beispiel E-Mobilität: Es weren nur wenige Leute E-Autos kaufen, wenn es wenige Lademöglickeiten gibt. Kaum jemand wird Lademöglichkeiten bauen, wenn wenige Leute E-Autos haben. Wenige Leute werden E-Autos kaufen, wenn sie teuer sind. Sie werden teuer sein, so lange keine großen Stückzahlen verkauft weren. Usw.) In solchen Situationen würde ein Markt sehr lange oder sogar dauerhaft auf einer einmal etablierten Technik festhängen, auch wenn eine andere Technik eigentlich viel effizienter wäre. Dann muss eben der Staat den Anstoß zum Technikwechsel geben.

Hamburg würde ja auch nicht lange alleine bleiben: Der Volksentscheid hat ja nur die Ziele, die eh schon für 2045 für die komplette EU festgeschrieben sind, für 5 Jahre vorgezogen. Ich halte es für durchaus möglich, dass es auch wirtschaftliche Vorteile hat, für einen machbaren Zeitraum technologischer Vorreiter zu sein. Ich bin da eben Technik-Optimist.

paule t.
paule t.
1 Monat zuvor

Zitat: „Fünfzehn Jahre sind keine Ewigkeit – im Gegenteil. In dieser Zeit lassen sich keine riesigen Umbauprojekte stemmen, ohne dass es richtig teuer wird.“

Bei den Sachen, die wir hauptsächlich diskutiert haben – Gebäudeheizung, angesprochen habe ich auch Privatverkehr – geht es aber nicht um „riesige Umbauprojekte“, sondern um viele kleine Projekte, nämlich den Austausch von Heizungen bzw. Fahrzeugen. Und wie ich dargelegt habe, stünde dieser Austausch in den meisten Fällen in diesem Zeitraum sowieso an und wäre deswegen auch keineswegs herausragend teuer.

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Zitat: „Und wer zahlt’s? Genau: die Menschen, die ohnehin schon am Limit sind dank hoher Steuerlast, steigender Preise, niedriger Eigentumsquote und stagnierender Löhne / miese Renten.“

Erstens lohnt sich, wie ich dargelegt habe, der Umtausch der besseren Effizienz wegen sowieso in vielen Fällen – vorausgesetzt, Bürger und Firmen können sich auf einmal festgelegte Rahmenbedingungen auch verlassen. In diesen Fällen wäre Förderung gar nicht in großem Umfang nötig, sondern nur ein verlässlicher, langfristiger Fahrplan, damit Hersteller ihre Kapazitäten bedarfsgerecht erhöhen können, Handwerker entsprechende Fachkräfte aus-/fortbilden können und Hausbesitzer ihre Investitionen planen können. (Leider sind ausgerechnet Konservative und Liberale bei diesem Themenbereich alles andere als verlässlich.)

Zweitens ist es kein Naturgesetz, dass staatliche Ausgaben primär von dem Teil der Bevölkerung mit geringem und mittlerem Einkommen geleistet werden. Wenn der Staat bei Einkommen-, Vermögens- und Erbschaftssteuer einfach die Erleichterungen für die Reichen der letzten Jahrzehnte auch nur teilweise zurücknähme und Steuerbetrug vor allem in den oberen Bereichen konsequenter verfolgen würde, wäre viel Geld für zukunftsträchtige Investitionen vorhanden. Liegt das völlig außerhalb Ihres Vorstellungshorizontes?

Drittens stimmt es einfach gar nicht, dass die Abgabenlast für mittlere Einkommen gestiegen wäre. Zitat aus einem OECD-Bericht:

„In Germany, the tax wedge for the average single worker decreased by 5 percentage points from 52.9% to 47.9% between 2000 and 2024.
Quelle: https://www.oecd.org/content/dam/oecd/en/publications/reports/2025/04/taxing-wages-2025-country-notes_16d47563/germany_59f2afde/510f880a-en.pdf

Den Link verdanke ich übrigens einem Ihrer anderen Artikel, nur dass Sie in jenem Artikel eine „steigende Tendenz“ behauptet haben, obwohl in Ihrem eigenen Link das Gegenteil steht …

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Zitat: „Und was bringt’s tatsächlich für das Weltklima? Gar nichts. Hamburgs Anteil am weltweiten CO₂-Ausstoß ist nun einmal verschwindend gering.“

Sie bleiben also beharrlich bei dem Kindergartenargument, dass Deutschland seine Zeche von anderen zahlen lassen soll, in der Hoffnung, dass die anderen das schon machen werden, und nicht etwa einfach auch Zechpreller bleiben. Manhattan, Nischni-Nowgorod, die verschiedenen Stadtteile von Beijing etc. werden’s mit Interesse hören und überlegen, ob sie auch alle behaupten sollen, dass ihr Anteil „verschwindend gering“ ist. Und so ist dann der Anteil der ganzen Welt „verschwindend gering“.

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Zitat: „Technikführerschaft: funktioniert nur, wenn es einen tatsächlichen Mehrwert daraus gibt, nicht, wenn man allein vorrennt und auf den Mitmacheffekt hofft.“

Ja logisch, denn alle moderne Technik (und die damit verbundenen Dienstleistungen) um Erneuerbare Energien und effektive Energienutzung wird ja kein Mensch außerhalb Deutschlands je kaufen und ist nicht etwa etwas, was alle anderen mit zeitlicher Vergzögerung auch brauchen.

Mit derartigen katastrophalen Fehleinschätzungen haben Konservative und Liberale vor einiger Zeit schon die deutsche Solarindustrie zerstört – China war dankbar. Jetzt sind offenbar die deutschen Heizungsbauer dran, die gefälligst genauso bei sterbenden Techniken bleiben sollen wie die deutschen Autobauer.

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Zitat: „Wer glaubt, China ändere seinen Kurs, weil Hamburg fünf Jahre früher klimaneutral wird, verkennt die Realität. Die schauen nicht auf CO₂-Bilanzen, sondern auf wirtschaftliche und militärische Stärke.“

Nein, China ändert seinen Kurs wahrscheinlich nicht wegen Hamburg. Aber China ändert seinen Kurs ganz frech trotzdem, ohne zu fragen, ob deutsche Konservative und Liberale das auch wissen wollen. Ich denke, China tut das, weil China einfach erkennt, was effektiv, lohnend und zukunftsträchtig ist und was nicht.

Beispiele:

„2. China hat im ersten Halbjahr 2025 doppelt so viel erneuerbare Energieversorgung zugebaut wie der gesamte Rest der Welt zusammen.
3. China verdient mit dem Export von Electrotech  schon seit mindestens 2024 Dutzende Milliarden Dollar mehr, als die USA, die größte Fossilexportnation der Welt, mit dem Export von Öl und Gas einnehmen. Der Abstand wächst. 70 (Wind) bis 90 Prozent (Solar, Batterien) der weltweiten Produktionskapazität für Electrotech  befinden sich in China. […]
6. In China und Indien sinken jetzt die CO₂-Emissionen  aus der Stromerzeugung, eine sensationell gute Nachricht. Das liegt an den erneuerbaren Energien.“

Quelle:
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/energiewende-diese-fakten-werden-ihr-weltbild-veraendern-a-37b25092-46d0-403e-8f49-d0afea2d9758

Aber für uns ist das nix, wir bleiben schön beim Zeugverbrennen. Denn unser Geld, das wir für Heizung ausgeben, sollen gefälligst die Länder bekommen, die Gas und Öl exportieren. Das ist viel sozialer, als wenn es deutsche Unternehmen oder Privatleute bekommen, die in Wind- und Solarenergie investieren. Und bei dieser Technik auf dem internationalen Markt mizumischen, haben wir erst recht nicht nötig. Wir verkaufen weiter schön unsere Gasthermen, und sei es nur an uns selbst.

Und wir können uns sowas ja auch gar nicht leisten, ohne unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und unseren Wohlstand zu gefährden. Denn Deutschland hat im Vergleich zu China ja gerade einmal das dreifache BIP (kaufkraftbereinigt und auf die Bevölkerung bezogen). Wie soll das da gehen?

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Bruttoinlandsprodukt_pro_Kopf

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