
Die CDU ringt mal wieder um den Umgang mit der AfD. Die Frage ist jedoch nicht Zusammenarbeit mit ihr oder nicht, sondern: Wann machen Union und SPD endlich eine Politik, die wieder mehr Bürger von ihnen und der Lösungsfähigkeit der Demokratie überzeugt?
Die Lage ist dramatisch: Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt in knapp einem Jahr wollen 40 Prozent AfD wählen; die CDU müsste mit allen anderen Parteien zusammengehen, um sie von der Regierung fernzuhalten. Nicht viel anders in Mecklenburg-Vorpommern, wo der regierenden SPD von Manuela Schwesig der Absturz droht. Auch bundesweit rangiert die rechtextreme Partei inzwischen vor der Union. Im wohlhabenden Baden-Württemberg, wo im März gewählt wird, hat sie die Grünen in Umfragen von Platz zwei verdrängt. Doch das Einzige, was dem CDU-Vorsitzenden und Kanzler Friedrich Merz, der mitregierenden SPD und den Grünen dazu einfällt, scheint zu sein, die Brandmauer zu beschwören.
Ohne Zweifel: Mit der AfD darf es keine Zusammenarbeit geben. Weder im Bund noch in den Ländern oder Kommunen. Sie stellt, wie Merz zurecht sagt, alles infrage, was die Republik ausmacht. Aber das beantwortet nicht, warum sich eine wachsende Zahl von Bürgern auch im Westen für sie entscheidet – und nicht für eine Partei der Mitte.
Dass sie alle Rechtsradikale sind, kann kaum sein. Schließlich haben die meisten von ihnen früher CDU, SPD, im Osten vielfach die Linkspartei gewählt, in wenigen Fällen die Grünen oder die FDP. Die Kernfrage ist daher: Warum tun sie das nicht mehr?
Fremd im eigenen Land
Das herauszufinden ist für die Parteien, die sich gerne als die „demokratischen“ bezeichnen, besonders die beiden ehemaligen Volksparteien, wesentlich schwieriger und belastender als sich im Wettbewerb zu üben, wer sich am stärksten von der AfD abgrenzt. Zu raunen, ob die CDU vielleicht doch Bündnisse mit ihr eingeht. Ein Parteiverbot zu fordern. Oder Demos gegen rechts abzuhalten.
Sicher kann man darauf verweisen, dass die Parteibindungen stark nachgelassen haben, besonders im Osten. Dass die Gesellschaft diverser und polarisierter geworden ist. Dass auch in anderen Ländern autoritäre Parteien Zulauf haben, zum Teil schon regieren oder mitregieren.
Aber es gibt auch sehr konkrete Gründe: Die CDU hat unter Merkel, vor allem durch deren Politik der ungesteuerten Einwanderung, aber auch wirtschafts-, energie- und gesellschaftspolitische Weichenstellungen rechts von ihr Raum geschaffen für eine immer stärker nach rechtsaußen abdriftende Kraft. Entindustrialisierung, ausländische Gewalttäter, Ehe für Alle, Gendersprache, staatliche Bevormundung, die öffentlich-rechtlichen Sender als Erziehungsanstalten: Viele fühlen sich in ihrem Land heute fremd und an den Rand gedrängt.
Die SPD hat sich von ihrer alten Klientel, den Arbeitern und einfachen Angstellten abgewandt, die nun ebenfalls vielfach rechtsextrem wählen. Und die Grünen haben mit ihrer kulturkämpferischen Attitüde die Polarisierung noch verstärkt.
Lösungen sind möglich
Das Alles lässt sich nicht über Nacht zurückdrehen, wahrscheinlich gar nicht, auch wenn das viele AfD-Anhänger gerne hätten. In einer komplexen Welt mit vielfachen äußeren Bedrohungen, insbesondere dem hochaggressiven imperialistischen Russland, einem irrlichternden US-Präsidenten, einer zerbröckelnden EU und einer starken islamistischen Gefahr gibt es keine einfachen Antworten. Zumal nicht von einer Bundesregierung, die aus drei divergierenden Parteien besteht, kaum anders als die Ampel zuvor.
Und doch hätte sie Handlungsmöglichkeiten, wenn sie den Ernst der Lage erkennen würde und sich einige wäre.
Beispiel Migration, für viele Thema Nummer eins. Zwar hat die schwarz-rote Koalition Schritte eingeleitet, um den Zuzug zu begrenzen. Aber die angekündigte Wende steht aus, durch das Bremsen der SPD. Dabei machen die dänischen Sozialdemokraten vor, wie es geht: Ihr neue Migrationsminister gibt als Ziel aus, die irreguläre Einwanderung auf Null zu bringen. Es gehe nicht um Integration, sondern darum alle, die sich nicht an Recht und Gesetz halten und die Werte des Landes ablehnen, abzuschieben. Verbunden mit einer strikten Politik der inneren Sicherheit. Die lange Zeit dominierende Dänische Volkspartei, das Pendant der AfD, haben die Sozialdemokraten damit auf drei Prozent gedrückt. Es ist also möglich.
Beispiel Energiewende: Union und SPD streiten um das Verbrenneraus. In Wahrheit geht es jedoch darum, dass vor allem Geringvverdiener die Sorge haben, Heizung, Strom und ihre Verkehrsmittel nicht mehr bezahlen zu können, ja dass überhaupt nicht mehr genug Energie da ist, wenn nach der Atomkraft auch die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint für die alternativen Energiequellen. Zumal die notwendigen Stromtrassen und Speicher immer noch fehlen. Solche Ängste lassen sich leicht mobilisieren. Aber sie sind berechtigt.
Beispiel Bürgergeld: Das soll nun Grundsicherung heißen. Leistungsbezieher, die sich Arbeit verweigern, sollen stärker sanktioniert werden. Doch kaum jemand redet darüber, dass die Hälfte der jährlich 50 Milliarden Euro an Flüchtlinge und Zugewanderte geht, die keinen Cent eingezahlt haben. Das, nicht nur der Missbrauch, verletzt das Gerechtigkeitsgefühl vieler, die jeden Tag arbeiten gehen. Warum nicht eine Arbeitspflicht für alle, die ins Land gekommen sind, und sei es in gemeinnützigen Jobs? Und für diejenigen, die es verlassen müssen, eine Meldepflicht oder besser: gesicherte Unterbringung, damit sie tatsächlich abgeschoben werden können?
Beispiel Wirtschaftspolitik: Angesichts von sechs Jahren Stagnation und angekündigter Massenentlasungen in mehreren Branchen veranstaltet die Regierung Gipfel für sterbende Industrien wie die Stahl- und Autobranche. Das bringt jedoch keine Dynamik für neue Unternehmen etwa im KI-Sektor. Stattdessen predigen Grüne, Sozialdemokraten, Wissenschaftler und manche Medien „Degrowth“ im Zeichen des Klimawandels. Sie trifft es ja nicht, aber viele, die um ihre Jobs und ihre Zukunft bangen.
Beispiel innere Sicherheit: Die Politik schaut zu, dass junge vornehmlich arabische und nordafrikanische Männer den öffentlichen Raum besonders für Frauen und Homosexuelle zur Gefahrenzone machen. Und sie hat zugesehen, wie Muslime im Verbund mit Linksextremisten nach dem 7. Oktober Jagd auf Juden gemacht haben. CSU-Inneminister Dobrindt hat zwar Besserung versprochen. Bislang beschränkt sich das aber auf Ankündigungen. Dabei wäre hier Nulltoleranz angesagt. Und zwar sofort. Stattdessen ereifert man sich darüber, dass Merz im Zusammenhang mit Migranten von einem nicht akzeptablen „Stadtbild“ gesprochen hat.
Politik für die hart arbeitenden Menschen
Es ließen sich noch weitere Beispiele anführen, etwa Infrastruktur-Investitionen, die aus dem regulären Haushalt engegen den Vereinbarungen in den Milliarden-Schuldentopf verschoben werden. Alles zusammen ergibt das ein Bild, dass auch die nicht mehr ganz neue Regierung zwar viele Versprechungen macht, aber in entscheidenden Feldern nicht oder viel zu zögerlich handelt.
Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Kampf gegen die AfD wäre, dass die einstigen Volksparteien sich auf ihre Aufgaben besinnen: Die CDU als wirtschaftsfreundliche, liberal-konservative Partei mit sozialem Flügel und offenem Ohr für die Sorgen der Menschen. Und die SPD als Partei der hart arbeitenden Leute, nicht der Abgehängten und allerlei Minderheiten. So wie es ihr Bürgermeister in Duisburg erfolgreich vormacht. Und wenn dann die AfD dem einen oder anderen Vorschlag von ihnen zustimmt: warum nicht? Eine richtige Position, die den Ansichten vieler Bürger entspricht, wird ja dadurch nicht falsch.
Eine Garantie, die AfD wieder kleiner zu machen, wäre es das nicht. Jedenfalls nicht auf kurze Sicht. Aber wenn sich die Schwarzen und Roten nicht zusammen- und das Ruder herum reißen, werden sie spätestens bei der Bundestagswahl 2029 ihr blaues Wunder erleben.
