Elektroschockschwerenot

Elektroschockpistole (Taser) Foto: Rama Lizenz: CC BY-SA 2.0 fr

Die politische Gewalt und Angriffe auf Sicherheitskräfte nehmen zu. Innenminister Dobrindt will die Bundespolizei deshalb mit Tasern ausstatten. Die Kritik daran ist absurd und zeigt ein gefährliches Misstrauen in den Staat und sein Gewaltmonopol – von links wie rechts.

Exzesse wie derzeit in Los Angeles gibt es hierzulande zum Glück nicht. Dort gehen von Präsident Trump entsandte schwerbewaffnete Nationalgardisten brutal gegen Randalierer vor, die gegen seine Abschiebepolitik protestieren. Die Straßenschlachten, die es auch schon früher in US-Städten gab, etwa im Zuge der Black-Live-Matters-Bewegung, haben ihre Ursache auch darin, dass in den USA die Neigung zur Gewalt sowohl bei den Sicherheitskräften als auch bei den Bürgern im Alltag extrem hoch ist. In Deutschland von massiver Polizeigewalt zu reden, wie es jüngst die Co-Vorsitzende der Grünen-Jugend durch ein T-Shirt tat, ist dagegen Unsinn. Vielmehr nehmen die Angriffe auf Polizisten und Rettungskräfte zu. Womit sollen sie sich wehren – mit guten Worten und Wattebäuchen?

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, heißt es in Artikel 20.2 des Grundgesetzes. Das bedeutet dass sie selbst die Staatsgewalt ausüben. Allerdings nicht in eigener Machtvollkommenheit, sondern durch die Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung.

Die Bürger übertragen also alle Gewalt auf den Staat, der nicht ein obrigkeitliches Machtinstrument ist, sondern ihren Willen für sie umsetzt. Als Grundvoraussetzung dafür, dass es in der Gesellschaft friedlich und gewaltfrei zugeht.

Keine Gewaltneigung bei der Polizei

Natürlich muss die Gewaltausübung durch Polizei und Sicherheitsorgane wie auch die Bundeswehr von den Parlamenten und Gerichten kontrolliert werden. Und das wird sie in aller Regel, wenn es tatsächlich Übergriffe gibt. Mit dem Gewaltmopol und einer zivilen Bürgergesellschaft verträgt es sich jedoch nicht, wenn Polizeibeamten und ihren Dienstvorgesetzten kontrafaktisch unterstellt wird, sie neigten grundsätzlich zur Gewalt und würden die von Dobrindt geforderten Taser dazu nutzen, grundlos auf wehrlose Bürger loszugehen.

Die Elektroschockgeräte, die Angreifer kampfunfähig machen und über die jetzt schon Landespolizeien verfügen, erhöhen vielmehr die Schwelle zum Einsatz von Schusswaffen, wenn Polizisten keine andere Möglichkeit sehen, eine konkrete Gefahr auch für sich selbst abzuwehren. Deshalb fordert die Gewerkschaft der Polizei sie schon lange. Denn kein Polizist möchte gezwungen sein, zur Pistole zu greifen und Menschen schwer zu verletzen oder zu töten.

Taser statt tödliche Schüsse

Im Vergleich dazu sind Taser ein harmloseres Instrument in Situationen, in denen Gewalttäter andere Menschen angreifen. Und das sind auch Polizisten. Solche Situationen gibt es leider immer häufiger. Davon zeugen z.B. die zunehmenden Messerattacken wie vor wenigen Tagen in München, wo eine Frau auf Passanten einstach, bis Polizisten auf sie schossen und sie tödlich verletzten. Hätten die Beamten Elektroschocker gehabt, wäre sie womöglich noch am Leben.

Zugenommen hat auch die politische Gewalt, von Rechts- wie Linksextremen sowie Ausländern und Migranten. Vor allem Polizisten, aber auch Passanten und politische Gegner werden immer wieder teils schwer verletzt. Gesellschaft und Staat müssen dem entgegentreten, um die Gewaltfreiheit zu sichern.

Der Staat darf und muss dafür notfalls Gewalt einsetzen. Elektroschocker sind lediglich ein weiteres Mittel dafür. Sollte sich herausstellen, dass sie von Polizisten missbraucht werden, ist dies zu ahnden. Aber schon jetzt „Polizeigewalt“ zu rufen, verstärkt nur die Unsicherheit bei den Beamten. Keine gute Voraussetzung für den Polizeiallltag.

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paule t.
paule t.
5 Tage zuvor

Zum Thema „Gewalt“ gegen Polizeibeamte:
In den entsprechenden Lagebildern werden regelmäßig auch Polizeivollzugsbeamte als „Opfer“ von Straftaten gemäß §113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) mitgezählt. So kommen regelmäßig allein schon über 40% der angeblichen Opfer zustande.

Nun gibt es aber für „Tätlichkeiten“ gegen diesen Personenkreis seit einigen Jahren den §114, der mit schwererer Strafe bedroht ist. Und da die Statistik Taten und Opfer immer unter der jeweils anwendbaren Strafvorschrift mit der höchsten Strafe zählt, heißt das: Bei allen Taten und bei allen Opfern, die unter §113 gezählt werden, hat es keinerlei tätlichen Angriff gegen die Beamten gegeben, auch keine Körperverletzung oder irgendetwas dergleichen. Die „Gewalt“, deren „Opfer“ die Beamten in diesen Fällen wurden, bestand dann zum Beispiel darin, dass sich die Täter:innen irgendwo kräftig festgehalten haben, sich losgerissen haben o.dgl.

Ein reales Beispiel hat kürzlich RA Udo Vetter aufgeschrieben:
https://www.lawblog.de/archives/2025/05/28/unkooperatives-verhalten/
Da wurde die Anzeige mit unkooperativem Verhalten und fehlender Einsicht begründet. Die Anzeige ist natürlich völlig abwegig, denn natürlich ist nicht einmal nach dem weiten Gewaltbegriff des §113 unkooperatives Verhalten „Gewalt“. Dennoch wird auch dieser Beamte in der nächsten Statistik als „Gewaltopfer“ auftauchen, denn die Kriminalstatistik ist eine Statistik aufgrund der Anzeigen – und die Anzeige ist nun einmal geschrieben.

Wie an diesem Beispiel außerdem deutlich wird, produzieren genau diejenigen Leute, in deren Interesse es liegt, dass die Zahlen hoch sind, die Zahlen auch selbst – und seien die Anzeigen noch so absurd.

So lange es diese Probleme mit den Statistiken zur „Gewalt gegen Polizeibeamte“ gibt, sind sie das Papier nicht wert, auf denen sie gedruckt sind, und Innenpolitiker:innen und Polizeigewerkschafter:innen, die mit Verweis darauf irgendetwas durchsetzen wollen, verdienen es, ausgelacht zu werden.

————

Zum eigentlichen Thema: Ja, möglicherweise erhöhen Taser die Schwelle zum Einsatz von Schusswaffen. Möglicherweise wird die Schwelle zum Einsatz von Tasern aber auch ganz erheblich niedriger sein, als es die zum Einsatz von Schusswaffen bisher ist. Bedenken sollten also nicht leichtfertig vom Tisch gewischt werden.

Denn natürlich ist das Problem mit überzogener Polizeigewalt hier in Deutschland weitaus geringer als etwa in den USA. Inexistent ist es aber auch nicht. Beispiele sollten jedem, der Nachrichten verfolgt, problemlos einfallen.

paule t.
paule t.
4 Tage zuvor

@ Ludwig Greven:

Zitat: „Die Kriminalstatistik beruht immer auf den Anzeigen und gemeldeten Fällen. Und unterscheidet sich daher, auch z.B. bei den angeblichen oder tatsächlichen Angriffen von Rechtsextremisten und Ausländerfeinden – meist erheblich von den jeweiligen Verurteilungen.“

Ja, einerseits das. Außerdem unterscheidet sie sich aber vom Auftreten von Kriminalität in der Realität, und das auch noch höchst unterschiedlich je nach Delikt, Opfergruppe, Tätergruppe etc. pp. Genau deswegen sollte man die PKS (Polizeiliche Kriminalstatistik) schon ganz grundsätzlich nur mit spitzen Fingern anfassen, und niemals, ohne zu überlegen, welche Verzerrungen es bei der Erfassung des jeweiligen Themas geben könnte. Das wird aber, wenn irgendwelche Leute aus der Statistik Forderungen ableiten, häufig unterlassen.

Das Problem potenziert sich noch, wenn diejenigen, die die Statistik durch das Verfassen/Aufnehmen von Anzeigen produzieren (= die Polizeibeamten), gleichzeitig diejenigen sind, die u.U. im Einzelfall und als Lobbygruppe davon profitieren (wie bei der Gewalt gegen Polizeibeamte). Im Einzelfall, weil eine solche Anzeige im Konfliktfall ein nützliches Druckmittel sein kann; als Lobbygruppe, weil hohe Zahlen als Argument für die Forderungen der Beamten dienen (wie in Ihrem Artikel).

Zitat: „Auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und damit gegen die demokratische Staatsgewalt in jeder Form ist eine Straftat. Ich habe selbst in Hamburg miterlebt, wie linkextreme Gewalttäter und Gewalt-Touristen anlässlich des G20-Gipfels mit gefährlichsten Mitteln gegen Polizisten vorgegangen sind. Ein Glück, dass es nicht Tote auf beiden Seiten gab.“

Ich danke Ihnen, dass Sie meinen Punkt so hervorragend illustrieren. Im einen Satz geht es darum, dass „Widerstand“ i.S.v. §113 StGB eine Straftat ist. Das ist unbestritten – aber es ist nun mal eine vergleichsweise sehr geringe Straftat (wie oben gesagt, liegt dabei nicht einmal eine Tätlichkeit vor, sonst wäre es sofort ein schwererer Straftatbestand). Trotzdem geht es bei Ihnen im nächsten Satz übergangslos auf einmal um ein Vorgehen „mit gefährlichsten Mitteln“, was aber ein ganz anderer Straftatbestand wäre. Sie schließen also das Delikt mit der sehr hohen Häufigkeit (aber sehr geringen Schwere, was Sie nicht erwähnen) kurz mit Delikten mit sehr hoher Schwere, nämlich wirklich gefährlichen Angriffen, die aber vergleichsweise selten sind (was Sie auch nicht erwähnen). Durch diesen Kurzschluss erwecken Sie den Eindruck von sehr vielen sehr gefährlichen Taten – und dieser Eindruck ist nun mal nicht richtig.

Genau diesen täuschenden Kurzschluss verwenden auch Innenpolitiker und Polizeigewerkschafter regelmäßig, um darauf dann die verschiedensten Forderungen zu stützen. Gefördert wird diese Täuschung natürlich dadurch, dass normale Menschen beim Ausdruck „Gewalt gegen Polizeibeamte“ natürlich an tatsächliche tätliche Angriffe denken und nicht an „Gewalt“ in dem Sinne, dass sich jemand irgendwo festhält, wenn ein Polizist an ihm zieht, oder sich loszureißen versucht, wenn ein Polizist ihn festhält, o.dgl. Das sind aber nun mal Beispiele für „Widerstand“ als dem häufigsten Straftatbestand von „Gewalt“ gegen Polizeibeamte. Beim zweithäufigsten, dem „tätlichen Angriff“ nach §114, gibt es zwar definitionsgemäß immerhin tatsächlich einen Angriff – aber immer noch ohne Waffe oder sonstige gefährliche Übergriffe, nicht aus dem Hinterhalt, nicht gemeinschaftlich usw., denn dann würde die Tat schon als schwere Körperverletzung erfasst. Auch da sind wir also immer noch weit von den „gefährlichsten Mitteln“, zu denen Sie gesprungen sind, entfernt.

Kurz und gut: Mit dieser öffentlichen Verwendung der Statistiken wird das Publikum verarscht. So etwas mag ich nicht.

Zitat: „Ja, sicher gibt es Fälle, in denen dauergestresste Polizisten übergriffig werden. Sie halt auch nur (schlecht bezahlte) Menschen. Etliche sind deswegen verurteilt worden.“

Sie vergessen (absichtlich?) diejenigen Polizisten, die nicht unter irgendwelchen entschuldigenden Umständen straffällig werden, sondern einfach so, aus Habgier, Gemeinheit, Hass, Gewaltlust etc.. Auch die gibt es nämlich. Denn, wie Sie zu Recht sagen, es sind nur Menschen, und manche Menschen werden nun mal kriminell. Und deswegen muss man die Menschen, die besondere Machtmittel haben – wie zB Polizisten – auch besonders im Auge behalten.

Zitat: „Des Rechtsstaat funktioniert – mit oder ohne Taser.“

Meistens ja, manchmal nein. Das „nein“ reicht vom kleinen Übergriff, den der Betroffene wegen absehbarer Aussichtslosigkeit (oder der Gefahr einer Gegenanzeige wegen – s.o. – „Widerstands“) gar nicht erst anzeigt, bis zu weitgehend ungesühnten Todesfällen in Polizeiverantwortung wie dem von Oury Jalloh, bei dem Polizeibeamte die Aufklärung durch Falschaussagen unmöglich machten.

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Ich erwecke mit solchen Beiträgen vielleicht den Eindruck eines Polizeigegners. Bin ich nicht. Wir brauchen eine gut ausgebildete und gut ausgestattete Polizei. Und ich glaube auch, dass die meisten unserer Polizisten ihren Job ordentlich machen. Nur muss man einer Institution, die ihren Angehörigen solche Machtmittel in die Hand gibt, eben auch genau auf die Finger schauen. Und man darf nicht jeder Forderung, die diese Institution im Eigeninteresse erhebt, unbesehen nachgeben.

thomas weigle
thomas weigle
3 Tage zuvor

@ paule t. Besonders gut gefällt mir ihr letzter Absatz.Auch die Aufdröselung der Straftaten, in denen es um Gewalt gg. Vollstreckungsbeamte geht, zu denen ja nicht nur Polizisten gehören, lässt mich nachdenklich werden, denn ich muss sagen, dass ich mir da bei dem Lesen entsprechender Statistiken solch differenzierende Gedanken nicht gemacht habe. Dafür danke.

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