Volle Breitseite – keine Bewegung

Was erbrachte das heutige Hearing zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) im Landtag zu Düsseldorf? Eine volle Breitseite – abgefeuert von den die Gesetztesnovelle ablehnenden vortragenden Experten und in der Folge zumindest zur Schau gestellte Nachdenklichkeit bei den von den von Teilnehmern gezählten 22 zuhörenden Abgeordneten.

Kindernet im Jugendstaat - Bild: Spreeblick
Kindernet im Jugendstaat - Bild: Spreeblick

„Wir wollen uns dem Prozeß der Argumente unterziehen“, stellte der Versammlungsleiter zu Beginn um 11.15 Uhr klar. Und gegen Ende des Hearings, um Viertel vor Zwei, schien dann auch der Rüttgersspezi Andreas Krautscheid (CDU) eine Spur nachdenklicher.

„Als Vater von zwei Kindern“ frug der Landtagsabgeordnete nach der jugendschützerischen Verantwortung der Gesetzesgegner, die ihm bewiesen, daß die im Gesetz vorgesehenen Altersabstufungen für Websites Mumpitz sind. Daß Filtersoftware nicht funktionieren würde. Und daß eine Abmahnwelle zu befürchten sei.

Wie etwa der Wirtschaftsinformatiker Prof. Hannes Federrath, der auf der die Frage, ob das Gesetz tragfähige technische Grundlagen zum Jugendmedienschutz böte, schlicht antwortete: „Nein“.

Laut Federath wäre nämlich „das technische Niveau der geplanten Filterungen amateurhaft.“ Diese wären auf Seiten der Provider technisch kaum implementierbar. Und auf Seiten der Nutzer scheiterten die Filterungen an ihren technischen Umgehungsmöglichkeiten.

Was die ab nächstem Jahr vozunehmenden Altersabstufungen angeht, so frug Alvar Freude vom AK Zensur die NRW-MdLs, ob sie denn schon mal für ihre Websites eine Einstufung hätten vornehmen lassen. Daß in der Folge eine Einstufung ab 16 oder 18 schnell erreicht werden könne, wenn sie etwa auf Bewertungsstellen für Sexualaufklärung oder Drogen verlinkten.

Und dann die Jugendschutzprogramme, die für die ums Kindeswohl besorgten Eltern vorgehalten werden sollen. „Schwierig bis unmöglich“, wie Jörg Heidrich vom Heise-Verlag findet – schließlich muß das Programm für alle Plattformen und Devices mit Internetzugang funktionieren. Für Kisten und Konsolen, für Handys und Fernseher: „Auf diese eiermilchlegende Wollmilchsau bin ich gespannt.“

Eine Abmahnwelle hält der IT-Anwalt Dominik Boecker (AK-Zensur) für eine wahrscheinliche Folge der Novelle: Anbieter, die ihre Altereinstufung wie gefordert vornähmen, würden zuwiderhandelnde Konkurrenten von ihren Anwälten mit vierstelligen Kostennoten abmahnen lassen.

Soweit von der Kanonade der Argumente, die gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sprechen – der Landtag wird demnächst über diesen abzustimmen haben.

Doch wurden irgendwelche Festlegungen dafür oder dagegen bei den vier Fraktionen heute im Hearing klar?

Klar: Nein.

Die SPD-Fraktion erklärte, sie würde ergebnisoffen in die Anhörung gehen, einen kritischen Frageansatz habe ich in dem Teil des Hearingstreams, den ich hören konnte, nicht feststellen können.

Für die Grünen im Landtag stichelte deren innenpolitische Sprecher Matthi Bolte. Er fragte etwa basisnah, inwieweit es „dem einfachen Blogger mit zehn Zugriffen am Tag überhaupt möglich sei, die Altersabstufungen vorzunehmen“.

Ralf Michalowsky, der medienpolitische Sprecher der Linken, befand im Hearing, daß die Altersabstufung nicht realitätstauglich sei.

Nur CDU-Krautscheid überraschte mit der Erkenntnis: „Die Politik sollte möglichst wenig Unsinn anrichten.“

Und die Pünktchen-Partei-FDP? Die liegt im Bindestrich-Land bei drei Prozent.

Update.

Andere Quellen zum heutigen Hearing:

Guido Brombach

Jusos-NRW

Michael Krause

LAG Medien der Grünen NRW

Ernesto Ruge

Videoaufzeichnung des Landtagshearings (via Netzpolitik)

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Jens
13 Jahre zuvor

Vorab: Ich habe den Stream nicht gehört und war auch nicht dabei.

Bin verwundert über die FDP, denn MdL Ralf Witzel war in der Plenarsitzung meiner Meinung nach am zielführendsten.

Thomas
13 Jahre zuvor

Jens, zu FDP-Witzel ist mir nur Deine Plenumscompilation bekannt,

https://www.pottblog.de/2010/09/18/debatte-im-landtag-nrw-zum-jugendmedienschutz-staatsvertrag-jmstv-netzpolitisches-kaffeekraenzchen-alibi-veranstaltung-oder-doch-ergebnisoffene-anhoerung/

Kann sogar glatt sein, daß der mir heute beim Hearing-Stream hören durch die Lappen gegangen ist, zumal der Ton am Anfang lousy war und ich während des Streams oft zu telefonieren hatte. (-:

Vielleicht können ja andere Beobachter mal was zur FDP während des heutigen Hearings sagen.

Dann hier noch die frische PE der Jusos-NRW, die ja auch zu der Einschätzung des guten Argument-Vortrages der Novellengegner im Hearing kommen:

https://www.nrwjusos.de/meldungen/17528/90787/Jugendmedienschutzstaatsvertrag-Die-Argumente-ernst-nehmen.html

Und: Überrascht war ich eigentlich eher von Michalowski, der die Argumente der kölschen Piraten

https://www.netzpolitik.org/wp-upload/101102_jmstv_piraten.pdf

in Bezug auf die Probleme der Zugangskontroll-Software praktisch kongruent im Frageweg nachgebetet hat.

Immerhin.

Denn mir ist vor Wochen noch aus der NRW-Linksfraktion beschieden worden: „Jugendmedienschutz-Staatsvertrag? Keine Ahnung. Wir sind nur eine kleine Fraktion, und wir können nicht jedes Thema abdecken.“

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[…] Ruhrbarone: Volle Breitseite – Keine Bewegung Tags: Anhörung, Exerten, JMStV, Medienausschuss, Medienkompetenz, Novelle, NRW […]

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[…] JmStV vs. Medienkompetenz (Guido Brombach, Dotcomblog) # Volle Breitseite – keine Bewegung (Thomas Meiser, Ruhrbarone) # JMStV-Entscheidung in NRW – die Anhörung (Ernesto Ruge, sectio […]

Dave-Kay
13 Jahre zuvor

Nein, Witzel hat nicht gesprochen, außer am Rande mit anderen. Er überraschte mich zunächst gestern mit einer Antwort auf das von mir an ihn geschickte Piraten-Papier zum JMStV, aber JO Schäfers klärte mich bald darauf auf, dass ich da einen Textbaustein erhalten habe.

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[…] Landtag statt. Weitere Berichte dazu u.a. beim AWO Projekt Jugendmedienschutz, dotcomblog, den Ruhrbaronen und […]

Frank (Frontmotor)
Frank (Frontmotor)
13 Jahre zuvor

Kommt etwa doch noch Bewegung in das Thema? Wir hängen ja alle von der Stimme der NRW-Regierung ab.

Ich frage mich aber auch: Wie kann man Tage und Stunden brauchen, um zu verstehen, dass dieser Staatsvertrag von der Parallelgesellschaft der Staatssekretäre ersonnen worden und deshalb realitätsferner Unsinn ist?

Die NRW SPD sollte klar und schnell NEIN sagen.

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