Ohrenparks aus den Spielbaukästen der Planer

Foto: Ruhr1010

Die Verbindung von Park als Ort und Autobahn als Weg ist eine amerikanische Erfindung. Für Europäer, die sich wahrnehmungsmäßig  eher am städtischen Flaneur oder am durch die Landschaft streifenden Wanderer orientieren, war das von Anfang an ein Graus. Erst recht seit dem sie sich am Ende des letzten Jahrhunderts  vor allem in der deutschen Ausprägung auch als weltweiter Vorreiter in Sachen Ökologie verstanden. 

Jetzt ist der „Parkway“, der eben nicht 1:1 mit Parkweg übersetzt werden kann, sondern die grüne Abwandlung des Highways ist, auch in Deutschland angekommen. Und zwar da, wo er zumindest vom Denkansatz auch hingehört: nach Ruhr. Er heißt hier auch korrekt Parkautobahn, ist ein Projekt der Kulturhauptstadt und ich halte es – zumindest  in der bislang vorgelegten Fassung   (siehe Klick  und  Klick ) – für mehr als fragwürdig. Aber der Reihe nach.

Die Anrainerstädte des Emscherschnellwegs, kürzer A 42, haben  sich zusammengetan um aus diesem „Highway fourtytwo“ mit ca. 80.000 Fahrzeugen pro Tag eine „Panoramastraße“ zu machen. Kennt  man eher aus dem Teutoburger Wald, aber wie gesagt, der Reihe nach.  Die Begründung, ich zitiere: „Die A42 bietet die einzigartige Möglichkeit die Industrielandschaft des Ruhrgebietes in ihrer Gesamtheit und Vielfalt wahrzunehmen.“  Aha, wer hätte das gedacht.

Aber muss man nicht, zumindest als Fahrer, auf einer so stark befahrenen Straße  zur eigenen Sicherheit die Augen strikt nach vorn und nicht dauernd zur Seite richten? Irgendwie ja, aber so ein bisschen nach rechts und links spinksen? Mach man doch, oder? Und da sieht man jetzt nicht sonderlich viel von der Vielfalt. Obwohl das Ding zu einem Drittel der Strecke sogar in Dammlage (schönes planerdeutsch)  verläuft, kein ernst zu nehmendes Panorama weit und breit.

 Aber wo eine Wille zum Blick da  auch ein Weg zum Wahrnehmungsobjekt: Alles was dazwischen liegt muss verschwinden. Da aber keiner bereit ist ganze Häuserblocks  abzureißen bezieht sich das natürlich nur auf das Grün. Vor allem natürlich auf Bäume. Die, vor allem wenn sie schön groß sind, versperren – wenn auch nur im Sommer – erheblich die Sicht. Vor allem an den Stellen wo es ohne sie was zu sehen gäbe. Der  „grüne Korridor“ entlang der A 42 kriegt deswegen an genau diesen Stellen eine als Landschaftsgestaltung verkaufte Kahlscherung, was dem Bund für Naturschutz natürlich nicht gefällt. Aber die wurden vorsichtshalber erst gar nicht am Projekt beteiligt.

 Dafür aber Landschaftsarchitekten und Künstler, was ja grundsätzlich nicht falsch ist. Das Problem ist nur, wenn die Jungs und Mädels mal ihre Spielbaukästen auspacken, gibt’s kein Halten mehr. Nicht zuletzt auch wegen der lockenden Umsetzungsaufträge. Als denen auffiel, dass die vielen Lärmschutzwände nicht so einfach entfernt werden können, hatten sie eine auch für Laien im ersten Moment nachvollziehbare Idee:  Gucklöcher rein.

 Schon mal mit 100 Stundekilometer an einem solchen „Landschaftsfenster“  vorbeigefahren? Ich garantiere ihnen, selbst wenn sie versuchen durchzuschauen, sie können sich schon nach 5 Sekunden an nichts mehr erinnern.  Also lieber gleich ganz transparent, oder? Und natürlich dahinter auch alles Grün weg, sonst ist es wirklich Quatsch. Aber das wird teuer.

Und dann fliegen die Vögel gegen das Glas und dann muss man da was draufkleben.  Und sauber machen muss man durchsichtige Stoffe  ja auch regelmäßig. Für den Durchblick. Das kostet jetzt erst recht und immer wieder.  O.k. dann davon nicht ganz so viel. Dafür dann Graffiti  auf (undurchsichtigen) Mauern. Wahnsinns Idee! Und brandneu!  

Aber was macht man, wenn man das alles gemacht hat und trotzdem nichts Bedeutendes zu sehen ist bzw. was sich zu sehen lohnt zu weit weg ist? Ganz einfach: Parkplatz mit Aussichtsturm. Klingt natürlich zu simpel. Also: Parktankstelle. Weil, da gibt es auch Infomaterial zur Umgebung und ein Fahrrad zum ausleihen, um näher an das ranzukommen, was man jetzt immer noch nicht genau genug sieht.

 Als Verkehrskonzept nennt man das Mixed Use. Keine schlechte Idee als solche. Aber warum dann nicht gleich mit dem Auto näher an den Emscher-Landschaftspark und an den dort schon vorhandenen Ausleihstellen ein Fahrrad mieten? Aber wahrscheinlich glauben die Planer wirklich, das jemand, der auf der Durchreise ist, einfach mal ganz spontan an der Autobahn ein Bike nimmt, um durch eine Gegend zu radeln, bei der er ohne Navigator nicht wieder zu seinem Auto zurückfindet.

Oder sie glauben es  doch nicht so ganz und haben deswegen die „Ohrenparks“ erfunden. Die heißen so, weil die Betonschlingen eines Autobahnkreuzes bei der Sicht aus – sagen wir 1000 Meter Höhe –  wirklich wie Ohren ausschauen. Ansonsten sind Autobahnkreuze natürlich Orte an denen man außer Autogeräusche rein gar nichts hören kann. Was sich natürlich  ändert, wenn alle Autos mit Elektroantrieb ausgestattet sind. Bis da ist es allerdings noch weit hin. Und da sie ab 100 Km pro Stunde aufwärts aus gutem Grunde ihre Fahrzeugfenster geschlossen halten, wird das für sie als Fahrenden auch nicht viel ändern.

 Deswegen sind die Ohrenparks auch nur zum Sehen erfunden worden. Allerdings  nur für die motorisierten Vorbeifahrer, denn zu Fuß oder mit dem Rad kommt da kein normaler Mensch hin respektive so nahe dran. Es sei denn er ist lebensmüde. Was übrigens für die Natur, weil pure Wildnis, zu einem Schutz- und Rückzugsraum geführt hat. Klar, dass auch diese Gestaltungsmaßnahme dem BUND nicht gefällt.

Aber auch der motorisiert fahrende Erdenbewohner, der in den Industrieländern mittlerweile die Mehrheit dieser Spezies ausmacht, hat ein Recht auf Abwechslung. Also nicht verwunderlich, das die Amerikaner die Erfinder der Parkautobahn sind. Und, kein Scherz: Mobilität und Wahrnehmung könne sehr wohl einander wohlgesonnene Verwandte sein. Aber nicht so! Ein paar zusätzliche und genügend große Sichtschneisen an den richtigen Stellen würden genügen! Und ein bisschen Kunst zur größeren Lesbarkeit der Ausfahrten ist nicht grundsätzlich abzulehnen. Alles andere ist äußerst fragwürdig.
Aber bilden sie sich doch selbst ein Urteil  und vor allem: stimmen sie ab. Können sie bei  Klick

Auch Zollverein-Blase geplatzt

Offen gesagt, ich bin froh, dass  die Luftnummer „Zollverein als Design und Kreativstandort“  endlich beendet ist.  Eine  der  teuersten   Wir sind eine Metropole – Komme was da wolle – Fehlinvestitionen  der  letzten Jahrzehnte ist endgültig in den Sand gesetzt. Vom Kreativquartier Zollverein ist im Programm der Kulturhauptstadt nicht mehr die Rede.

Foto: RTG

Und natürlich sind wieder alle, die damit zu tun hatten,  unschuldig.  So wie die Bankmanager, die jetzt alle betreten schweigen anstatt sich für den Mist, den sie gebaut haben, wenigsten in aller Form zu entschuldigen. Und zwar bei denen, die das alles mit ihren Steuergeldern ausbaden müssen.  

Stattdessen bis zur letzen Minute,  auch auf Zollverein,  „große Fresse“, wie wir das hier klar und deutlich zu nennen lieben.  Kritiker sind schon mal per se inkompetent,  zumindest aber  Miesmacher.  Probleme werden durch neue Köpfe und noch mehr Geld ,  aber nicht durch neue Lösungen an gegangen,  d.h. sie bleiben  ungelöst . Denn bei entsprechendem Gehalt  und weiterem Spielgeld  findet sich immer einer,  der Licht am Ende des Tunnels herbeiredet und dafür natürlich (von immer denselben Leuten)  beklatscht wird. Vor allem natürlich von denen, an die die neue „Kohle“  verteilt wird. Mit einem Satz: Das ganze Projekt hat  (im Gegensatz zu vielen anderen in Ruhr)  an zu viel und nicht an zu wenig Geld gekrankt.

 Dabei  hätte ein relativ simpler Standort- und vor allem Standortumfeld vergleich  mit  den etablierten Designzentren  in Europa sehr schnell  klar machen können,  dass  der Essener Norden keine ernst zunehmende Chance hatte.  Weitere Zeichen dafür waren aber schon bei der Suche nach renommierten Professoren zu erkennen,  die man, wenn überhaupt,  nur  mit erheblichen finanziellem Zusatzzucker und  ungestraften  Abwesenheitsoptionen   zu locken in der Lage war.

Dazu gab es als ästhetische Zugabe den „White Cube“ als Lehr- und Lerngebäude,  der zwar wundervoll aussieht, aber in seinem schönsten (Haupt)Raum  eine so grottenschlechte Akustik hat,  dass  ein kommunizierendes  Arbeiten, sprich Lernen,  dort nur sehr bedingt möglich ist.

Die gleiche massive Subventionsmentalität beherrschte die Vermietungspraxis an die praktizierenden Designer  die das kommunikative-kreative Umfeld bilden sollten.  (Dazu wurde  in diesem Blog schon ausführlich berichtet)  Wer wäre denn auch ohne Staatsknete  freiwillig  in diese  antiurbane Wüstenei  gezogen.  So war das ganze Konzept von Anfang an genauso hohl wie der weiße Würfel  der als sein  ästhetisches Symbol  galt.  Form follows function sozusagen als gebaute Ironie.

Und natürlich prallte, wie bei unseren Elite-Bankern,  die systematische, von wunderschön gedruckten Broschüren  dekorierte Auto- und Fremdsuggestion irgendwann gegen die Wand der ökonomischen Realität.  Genauso wie  Kredite  möglichst  ganz zurückgezahlt  werden müssen , wenn Banken Gewinne machen wollen,  mussten  ja am Ende auch auf Zollverein irgendwann die  Realmieten und reale  Studiengebühren bezahlt werden.  Und spätestens dann fangen die, die „löhnen“ müssen an,  das Preis-Leistungs-Verhältnis   (und zwar durch Standortvergleich) zu überprüfen.  Und gehen dahin,  wo sie mehr von dem bekommen, was sie sich als kreatives Umfeld  für ihr Geld  wünschen.

 

Limbecker Platz: „Andere Zentren werden den Preis zahlen!“

Shopping Malls sind mittlerweile ein weltweites Phänomen. In den USA, in denen sie „erfunden“ wurden, gelten sie seit vielen Jahren als eine der sichersten und profitabelsten Investitionen und damit auch als beliebte Geldanlagen.

Limbecker Platz. Foto: Görges

Es gibt weit mehr als 30.000 davon und beim Größenvergleich läge das CentrO selbst in der erweiterten Fassung in Nordamerika gerade mal in der „unteren Mittelklasse“. Das ist im Land des Automobils, in dem es so etwas wie  eine „Innenstadt“, die eben nicht mit einer „Downtown“ zu vergleichen ist, nur in wenigen Ausnahmefällen gibt, nicht verwunderlich.

Das solche Anlagen jedoch in Europa einen solchen Siegeszug antreten konnten, ist im ersten Moment erstaunlich. Bei näherer Betrachtung hat sich dieses Konzept aber erst nach einer Anpassung an die „europäischen Bedürfnisse“ flächendeckend durchsetzen können. Am CentrO, einem der ersten größeren Projekte dieser Art in Europa, kann man dass schon studieren. Die „ Außenpromenade“ wurde von dem hinzugezogen  deutschen Architektenteam den angelsächsischen Promotoren förmlich aufgedrängt und erst in der Kombination mit dem Druck der Stadt Oberhausen möglich.

Aus dieser „Zuwendung“ zur städtischen Umgebung wurde bei zunehmendem generellen Protest gegen die Einkaufszentren auf der „grünen Wiese“ stufenweise das „integrierte Citymall“, wie es vor allem der Großentwickler ECE seit Jahren propagiert und realisiert. „Integration“ bezieht sich dabei aber nicht nur auf den Standort der Mall sondern auch auf seine äußere Erscheinung. „Fassade“, ein Fremdwort für die meisten amerikanische Malls, bei denen es vor allem auf das Innenleben ankommt, ist in Europa und vor allem in Deutschland zunehmend ein Schlüsselbegriff. Genauer gesagt müsst man von einer attraktiven Hülle sprechen, denn das Innenleben einer Mall richtet sich jenseits des jeweiligen Designs ausschließlich nach dem ausgesprochen erfolgreichen Geschäftsprinzip.

Da dies im wesentlichen gleich geblieben ist, haben alle Malls aber einer bestimmten Größenordnung  im Inneren eine erstaunliche räumliche Ähnlichkeit genauer gesagt fast immer die gleiche Raumstruktur. Diese „strukturelle Langeweile“, die sich nach dem Besuch mehrer dieser Konsumtempel automatisch einstellt, wird mit immer aufwendigerem Interieur, erweiterter Möblierung, Naturversatzstücken, „Platzgestaltung“ und „Themendesign“ quasi zu vertuschen versucht. Das Ergebnis ist, im Verhältnis zur ersten Generation, zumindest wenn man im System denkt, eine ausgesprochen anspruchsvolle Architektur im Innen- und Außenbereich, erstaunlichen Aufenthaltsqualitäten und die zunehmende Verwendung anspruchsvoller Materialien. Alles zusammen erst macht den Januskopf dieser neuen „Innenstadtkathedralen“ aus. Sie haben einerseits das Potential zur überstädtischen Attraktion und andererseits ziehen sie alleine so viele „Konsumgläubige“ an, dass für die anderen Anbieter häufig weniger überbleiben.

Malls haben deswegen eine ganze andere Wirkung als die früheren „Kaufhäuser“.  Sie sind nicht mehr nur die unverzichtbare „neuen“ Attraktoren  bzw. Ankerpunkt der „neuen“ Innenstadt sondern sie haben zugleich einen enormen und beabsichtigten „Staubsaugereffekt“. In Oberhausen hat dieser der ehemalige Innenstadt zumindest als Einkaufsort jede Luft zum atmen genommen. Auch die Untersuchungen für andere Städte zeigen nur in weniger als der Hälfte der Fälle einen Kaufkraftgesamtzuwachs für die betroffenen Zentren. Mal sehen was in Essen passiert.

Meine Hypothese: Das neue „State of the Art“ Mall wird nicht so erfolgreich sein wie es sich die Investoren vorgestellt haben und die Stadt Essen es sich wünscht. Es steht  nämlich, eben weil es eine Mall ist, auch in direkter baulich-räumlicher 1:1 Konkurrenz mit dem CentrO. Während dieses vor allem davon profitierte, dass es  das erste in der gesamten Region war, ist das bei der Karstadtmall eben nicht der Fall. Gleichzeitig und aus gutem Grund rüstet das CentrO weiter auf während die Stadt Oberhausen sein Umfeld um weitere Attraktion bereichert.

Es kann aber auch sein, dass die enge räumliche Kombination der Karstadtmall mit der Essener Innenstadt einen Effekt erzeugt, den ich  als die Kombination von räumlich geschlossener und räumlich offener Zentralität  bezeichnen würde. Allgemeiner verständlich: Das Mall wird deswegen so interessant, weil es in direkter Kombination mit „echter“ Stadt „benutzt“ werden kann, was in Oberhausen nach wie vor nicht der Fall ist. Dort hat die Stadt es bis heute nicht geschafft, den Eindruck eines „Flughafenumfeldes“, wenn auch auf gestalterisch höherem Niveau zu vermeiden bzw. es entsprechend zu verändern.

Wenn man allerdings die bislang  ungebrochen Autoorientierung der Deutschen insbesondere beim Einkaufen mit in Betracht zieht, halte ich das eintreten der zweiten Möglichkeit für eher unwahrscheinlich. Obwohl es der Stadt Essen ausdrücklich zu wünschen wäre. Aber selbst bei einem solchen eher unwahrscheinlichen „Erfolg“ würde auf Grund der nach wie vor sinkenden Gesamtkaufkraft in der Region dann eben andere Zentren den Preis dafür bezahlen.

Teure Erblast Industriekultur

Zollverein. Foto: Ruhrbarone

Die Industriekultur des Ruhrgebietes ist zu einer Art regionalem Heiligtum geworden. Keine Frage, wo gibt es auf der ganzen Welt davon soviel und so vielfältiges zu besichtigen wie hier. Die Bewahrung der letzte großen und zugleich großartigen Funktionsästhetik der nun schon Jahrtausende alten Technikgeschichte ist ein internationales Markenzeichen der Ruhrstadt geworden. Da grenzt die Frage nach den Kosten im Verhältnis zum Nutzen schon an Ketzerei. Erst recht, wenn es sich um „Kathedralen“ (der Industriekultur) handelt.

Dass die so benannten baulichen Zeitzeugen als sie noch ihren praktischen Dienst erwiesen im Volksmund aus gutem Grund „Knochenmühlen“ hießen, kommt da leicht in Vergessenheit. Dass sie von ihren Erbauern, ganz im Gegensatz zu den richtigen Kathedralen, keineswegs für die „Ewigkeit“ gedacht wurden, erst recht. Das Weltkulturerbe Zeche Zollverein z.B. war gerade mal für ein halbes Jahrhundert Haltbarkeit konstruiert und musste deswegen für gut 100 Millionen Euro überhaupt erst einmal denkmalfähig gemacht werden. Wenn der Kölner Dom lachen könnte, man hätte es bis Essen hören kennen.

Die Jahrhunderthalle in Bochum hätte von sich aus länger gehalten, was allerdings schon bei reinem Leerstand ca. 5-10 Millionen Euro pro Jahr gekostet hätte. So hat man sie zu etwas umgebaut, zu dem sie genauso wenig geeignet war wie die Zeche Zollverein zum Jahrtausenddenkmal: zu einem Konzerthaus. Entsprechend hat die Sache natürlich auch aufs Konto geschlagen. Bedenkt man, dass die dortigen künstlerischen und sonstigen Veranstaltungen, unverdächtig harmlos im Fachdeutsch als „Bespielung“ bezeichnet, in der Mehrzahl ebenfalls staatlich subventioniert werden, dann verwandeln sich diese architektonisch sehr wohl gelungenen Projekte rein finanziell über kurz oder lang in ein Fass ohne Boden.

Machen wir uns nichts vor, würden an allen Gebäuden des Ruhrgebietes, mit denen in den letzten Jahrzehnten ähnliches geschehen ist, gut sichtbar die Summen angeschlagen die sie alles in allem die Allgemeinheit gekostet haben und – sagen wir mal die nächsten 20 Jahren – noch kosten werden, würde die Begeisterung für die Industriekultur selbst bei denen einen herben Dämpfer erleiden, die zu ihren regelmäßigen Nutzern gehören.

Das alles spricht nicht grundsätzlich gegen die Bewahrung der eigenen Technikgeschichte und soll es auch nicht. In Anbetracht leerer öffentlicher Kassen, der überdurchschnittliche hohen Arbeitslosigkeit und der zunehmend prekären sozialen Lage eines immer größer werdenden Teils derer, die um diese baukulturellen Highlights herum ihr Leben fristen, muss jedoch die Frage erlaubt sein, ob das ganze nicht etwas kostengünstiger und zahlenmäßig kleiner zu haben gewesen wäre. Ob es nicht zumindest für die Zukunft dringend notwendig ist, standort- und effektbezogen Prioritäten zu setzen und nach Umnutzungen zu suchen, die Geld einspielen statt weitere Subventionen zu erfordern. Ob die bestehenden Objekte nicht erst einmal baulich und sozial besser in ihr Umfeld eingebunden werden müssen, bevor man neue angeht. Ob nicht auch über Abriss nachgedacht werden muss, wenn trotz redlichen Bemühens keine ökonomisch tragfähige Nutzung gefunden werden kann.

Warum ist das Loftwohnen in Städten und Regionen mit weit weniger baulichem Potential zum Renner geworden und nicht im Ruhrgebiet? Warum haben wir flächendeckend mit öffentlichen Geldern nagelneue Technologieparks gebaut, deren Mieten subventioniert werden müssen, um sie nur annähernd mit Nutzern zu füllen, statt dafür geeignete Gebäude ausschließlich aus unseren industriell nicht mehr gebrauchten Bestand zu nutzen. Warum muss  j e d e  Stadt im Ruhrgebiet auch noch  „Kultur in alten Mauern“ haben, wenn  schon die in den modernen zu wenige Besucher hat?

Am meisten Geld pro eingesetztem Investment wird im Ruhrgebiet zur Zeit weder mit dem vielgepriesenen kreativkulturellen Sektor noch mit dem ewigen Allheilmittel Dienstleistung  noch mit Tourismus sondern mit den Klassikern Stahl, Chemie und Maschinenbau sowie den darauf  bezogenen ingeniösen  und ökologischen Innovationsleistungen verdient. Der Bergbau ist zwar für das Ruhrgebiet passe – und das ist gut so – aber in anderen Teilen der Welt firmiert er nicht unter Industriekultur, sondern unter technologischer Zukunft. Es wird höchste Zeit im Ruhrgebiet mehr als bisher über letztere zu Reden. Technologische Zukunft braucht nämlich auch angemessene, ja spektakuläre bauliche Zeichen. Wichtiger aber noch ist: Ohne technologische Zukunft  lässt sich das durchaus sinnvolle Bewahren der technologischen Vergangenheit auf Dauer nicht finanzieren.

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