Surrealistisches Theater der Spiel- und Schaulust

Olympischer Kessel im Tuileriengarten, Paris. Foto: Chabe01 Lizenz: CC BY-SA 4.0


Waren die Erfindungen des olympischen Eröffnungsspektakels nicht „schön wie die zufällige Begegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch“? Also lohnt es sich, die erstaunlichen Bilder dieser Aufführung im öffentlichen Raum näher zu beäugen. Das Zitat entstammt Lautréamonts einflussreichem Werk „Die Gesänge des Maldoror“ und ist eine Inkunabel des Dada und des Surrealismus. Fraglos wirken die Grundsätze dieser Kunstströmung bis in unsere Zeit und beeinflussten offenbar auch die Regisseure Thomas Jolly und Patrick Boucheron, denen es sichtbar um eine radikal andere Umsetzung der in der Olympischen Charta festgelegten Vorschrift geht, „künstlerischer Darbietungen, die die Kultur des Gastgeberlandes repräsentieren“, zu erfinden.

Als „eine Erzählung ohne Worte, um die Fähigkeit einer Stadt zu inszenieren, aus sich heraus Bilder hervorzubringen“, bezeichnete Patrick Boucheron in der FAZ die Eröffnungszeremonie. Gespielt wird mit vielerlei

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„Glückauf – Film ab“ im Ruhr Museum

Kinowerbung in Essen Foto: Ruhr Museum


Und die „kleinen Ladenmädchen“?

Es war einmal im Ruhrgebiet. Ein junger Mann hatte den Traum, einen Film zu machen. Da erbte er etwas Geld, das gerade für einige Dosen Orwo-Film reichte, und er bestellte das 16mm-Material in Wulfen / DDR. Obwohl es viele Ideen aber noch kein Drehbuch gab, konnten er und seine Freunde es kaum erwarten, die Beaulieu-Kamera in die Hand zu nehmen

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Das Museum Kurhaus Kleve zeigt Karin Kneffel: Mehr als wir sehen

Karin Kneffel Ohne Titel Foto: Achim Kukulies Lizenz: Copyright

„Karin Kneffel hat uns das Gesicht des Jesuskindes sichtbar gemacht“, begeistert sich eine Musemswärterin und zeigt auf eine Holzskulptur der Jungfrau Maria und ihres Erstgeborenen von Ewald Mataré, die erhöht an der Musemswand hängt. In zwei malerischen Abbildern des exotisch anmutenden Marien-Antlitzes und des Neugeborenen-Gesichts rückt die Künstlerin ihrem „Vorbild“ auf den Leib und gibt uns gleichzeitig in ihrer Hommage an den berühmten Vorgänger einen Fingerzeig für ihre neue Werkgruppe in der jüngst eröffneten Ausstellung „Face of woman. Head of Child“ im Kurhaus-Museum Kleve. Das Auge wandert über Diptychen, auf denen jeweils ein Muttergesicht einem Kinderporträt beiseite gestellt ist.

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Chaïm Soutine in der Kunstsammlung NRW Düsseldorf: Riss durch die Gesichter

Die Häuser (1924) Chaïm Soutine

Die selten gewordene leise Überwältigung durch Kunst erwartet dieser Tage Kunstsinnige im K20. Chaïm Soutine hat auf 48 Gemälden das Unsichtbare im Sichtbaren gebannt. Der Künstler porträtierte das subalterne Personal der Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg. Orientierungslose Randgestalten, Hungerleider, Schwermütige wie er. Nicht in der selbstbewussten Haltung

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Ruhrtriennale: „Die Erdfabrik“ von Georges Aperghis und Schriftsteller Jean-Christophe Bailly in der Gebläsehalle Duisburg

Erdfabrik: Foto: Ruhrtriennale/Heinrich Brinkmöller-Becker Foto: Copyright


Erhellungen aus der Dunkelheit.

Das unendliche Dunkel des hohen Himmels mit seinem Sternengefunkel spiegelt sich in den schwarzen Tiefen der Erde, wo aber auch winzige Helligkeiten aufblitzen, die nur der Bergmann sieht. Das Weiße in seinen Augen ist, wenn er wieder ins Tageslicht tritt,  unvergleichlich weiß. Diese seltsamen

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Ein Sommernachtstraum: Polonaise auf dem Autofriedhof

Ein Sommernachtstraum Foto: Matthias Horn/Ruhrtriennale Lizenz: Copyright


Barbara Frey inszeniert zum Auftakt der Ruhrtriennale 2023 William Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“.

Da stehen wir also am Eingang einer Riesenhalle und schauen erwartungsvoll in eine schier endlose Dämmerung. Dann ist Einlass, alle Zuschauer schreiten die knapp 170 Meter des Industriedenkmals Kraftzentrale ab, und Schritt für Schritt nähern wir uns einem Abenteuer mit ungewissem Ausgang, obwohl doch

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Nur Natur! Zur Verteidigung der Wirklichkeit

Johann Wilhelm-Schirmer: Bachschleuse

Jedes Bild ist Täuschung, aber während der Ursprungsmythos der Kunst von Zeuxis und Parrhasios erzählt, den Malern, die darum streiten, die Welt der Dinge täuschend echt nachzuahmen, und von Vögeln, die an gemalten Trauben picken, will der digitale Alchemist Anadol uns weißmachen, wir könnten Algorithmen beim Träumen zuschauen. Seine LED-Installation „Natur Dreams“, zelebriert virtuelles Farbmagma.

Am Anfang stand die Nachahmung wirklicher Natur, die Transformation dreidimensionaler Dinge in die Zwei-Dimensionalität zwischen der senkrechten und der waagrechten Koordinate eines Zeichenblattes. Nach tausenden Jahren der Kulturgeschichte haben wir es gegenwärtig­ offenbar mit der Transformation digitaler Bilddateien in „virtuelle Natur“ zu tun. Die täuschend echte Darstellung einer Rebe hier als höchst Kunst, amorphe Farbwallungen dort, die begleitender Erzählungen in Gestalt von Musik und Sprache bedürfen.

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Jenny Holzer im K21 Düsseldorf: Wirst Du auf mich schießen?

Survival Serie: LED-Installation Jenny Holzer 1985

Soll der Geier Vergißmeinnicht fressen? fragt Hans Magnus Enzensberger in seinem berühmten Gedicht vor mehr als sechzig Jahren, in dem er uns Menschen in unserer selbstverschuldeten Unmündigkeit aufspießt. Die Absurdität der menschlichen Existenz ist damals bei Philosophen und Dichtern hoch im Schwange, und die Konzeptkunst macht sich auf, mit Raffinesse und Tiefgang Widersprüche in der Gesellschaft zu beleuchten.

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Hast Du Töne!

David Tudor and Compsers Inside Electronics. Rainforest V, 1963, Foto Dirk Rose/Kunstmuseen Krefeld


Eine Ausstellung im Kaiser-Wilhelm-Museum Krefeld widmet sich dem Klang des Materials in der Kunst der 1950er bis 1970er Jahre.

Im schalltoten Raum hörst Du nur Dein Herz klopfen – eine künstliche Versuchsanordnung. Klack! Klack! Klack! Der Knopf, auf den ich mehrmals drücke, macht ein Geräusch, aber weiter passiert nichts. Die „Revolution“ von Günther Uecker bricht akustisch nicht aus, weil die gleichnamige Installation aus einer Vielzahl metallischer Objekte gerade nicht betriebsbereit ist, wie sich herausstellt. Kein Höllenlärm also, weil dafür die Blecheimer, Hammer, Stangen und Ketten, in Bewegung versetzt, einander berühren und Geräusche erzeugen müssten. Andere Installationen operieren mit Ton-Konserven vom Band. Ohne diese „Tonspur“ fehlt diesen Kunstwerken ihre bessere Hälfte. Das

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Das weite Land: Seelen undsoweiter

Das weite Land Foto: Matthias Horn/Ruhrtriennale Lizenz: Copyright


Barbara Frey inszeniert bei der Ruhrtriennale Arthur Schnitzlers Tragikomödie „Das weite Land“.

Wie übersättigt muss eine Gesellschaft sein, um einen Krieg als „reinigendes Gewitter“ willkommen zu heißen? In Zeitlupe scheinen die Walzer-Seligen der Fin de siècle-Bälle zu erstarren, aber unterschwellig gärt die Lebens- und Liebesgier der gnädigen Herrschaften und findet in Amouren und Affären ihren Ausdruck. Dieses Szenarium beäugte Arthur Schnitzler in Wien aus nächster Nähe und seziert in seiner 1910 uraufgeführten Tragikomödie „Das weite Land“ lebende Seelen. Er hält der Gesellschaft seiner Zeit einen Spiegel vor und gleichzeitig stellt er Sinnfragen in den Raum, die auch heute wieder ihre Berechtigung haben.

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