YMS2010: Eine Innenstadt

Gestern waren wir in der Innenstadt Kairos. Dabei begegneten wir Menschen, die es in Deutschland kaum noch gibt. Kaufleute, die in ihren eigenen Geschäften ihrer Arbeit nachgehen.

Auch in Kairo gibt es Einkaufszentren, aber es sind nicht allzu viele. Der Einzelhandel ist traditionell organisiert: In kleinen, zumeist inhabergeführten Geschäften, kann man alles kaufen: Vom iPhone über den Anzug bis zu Lebensmitteln. Das führt nicht nur zu einem herrlich unübersichtlichen Angebot, das Lust darauf macht entdeckt zu werden, sondern auch zu einer extrem lebendigen Innenstadt. Ohne die immer gleichen Ketten von Zara bis H&M und ohne die Citykiller von ECE oder mfi ist eine  Stadt lebendig, laut und pulsierend. Die letzten Reste dieser Urbanität, die auch in Europa eine lange Tradition hat, geben wir gerade auf, in dem wir die Reste unsere Innenstädte den Citykillern überlassen.

Der Ruhrpilot:

Dortmund: Nazi-Überfall vom Mai 2009 erst 2011 vor Gericht…Der Westen

Ruhrgebiet: Suche nach neuer Solidarität…Westfälische Nachrichten

Bochum: Life Streaming – Mit nackten Füßen ans andere Ende der Welt…Ruhr Nachrichten

Bochum II: Bermudadreieck als Vorbild…Der Westen

Duisburg: Theater am Marientor wird verkauft…Der  Westen

Wirtschaft: Hochtief erwartet Schützenhilfe vom Bund…Der Westen

S21: Angst vorm Sehen…Exportabel

Internet: Startschuss für Hadopi…Netzpolitik

Werbung: Evoniks neue BvB-Reklame…Pottblog

YMS2010 – 1: Kairo – ein erster Eindruck

Groß. Richtig groß. Das war mein erster Eindruck als ich über Kairo flog.

Es dauerte bestimmt zwanzig Minuten, die wir über diese Stadt mit ihren 20 Millionen flogen.   Das Wort „Metropolregion“ will ich so schnell im Zusammenhang mit Nestern wie Dortmund, Essen oder auch Düsseldorf nicht wieder hören.

Was faszinierend ist, ist der offensichtlich Mangel an jeder Stadtplanung – und Kairo funktioniert doch. Irgendwie. Kairo war bis zum Nasser-Putsch Anfang der 50er Jahre eine wunderbare historische Stadt mit gerade einmal drei Millionen Einwohnern. Heute leben  hier 20 Millionen. Die Stadt wuchert in ihr Umland hinein, und doch findet man immer wieder charmante Ecken.  Das Ganze ist ein sich selbst organisierendes Stadtwesen – sicher mit vielen Problemen, aber auch sehr faszinierend.

Werbung
Werbung


Der Ruhrpilot

Karstadt: Insolvenz ist Geschichte…Welt

Umland: Köln und Düsseldorf nähern sich an…RP Online

Umland II: SPD-Public Relation…Zoom

Ruhr2010: Ungewöhnliches Kanalkonzert…Der Westen

Duisburg: Wird die Stahlproduktion aus Duisburg vertrieben?…Der Westen

Dortmund: Phoenixsee wird geflutet…Ruhr Nachrichten

Gelsenkirchen: bild.sprachen – Messe für angewandte Fotografie…Hometown Glory

Internet: Kostenloskultur?…Wirres

Internet II: Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz…Netzpolitik

Young Media Summit 2010

Und weg. Heute fliege ich nach Kairo – zum Young Media Summit 2010. Das Young Media Summit  wird  von der DW-Akademie der Deutschen Welle in Zusammenarbeit mit dem Deutschland-Zentrum an der Deutschen Botschaft Kairo organisiert. Über die Einladung haben wir uns sehr gefreut. Und, ja, wir waren auch ein wenig stolz dabei sein zu dürfen.

In Kairo treffen sich arabische mit deutschen Journalisten und Blogger. Aus Deutschland dabei sein werden Julia Seeliger (Zeitrafferin, taz) , Markus Beckedahl (Netzpolitik), Teresa Bücker (SPD.de), Hardy Prothmann (Heddesheimblog) und Annina Luzie Schmid (Girls can Blog) sowie zahlreiche Blogger aus dem arabischen Raum. Hier die ganze Teilnehmerliste.

Pressefreiheit gilt in Arabien nicht viel. Erst im Winter wurde ein Blogger in Ägypten zu sechs Monaten Haft verurteilt. Umso mehr Respekt habe ich vor den Kollegen, die dort ihre Arbeit machen und ich freue mich sehr, sie kennen lernen zu dürfen. Ich werde versuchen von Kairo aus die Ruhrbarone zu pflegen, andere von uns werden mehr tun als üblich und wenn es mal hakt – habt bitte Verständnis.

Werbung
Werbung


Der Ruhrpilot

Dortmund: Politik ruft nach neuen Ermittlern…Der Westen

Dortmund II: Stadt macht 173,8 Millionen Miese…Der Westen

Loveparade: Erstes Opfer verklagt Schaller…Der Westen

NRW: Landtag streitet über Schulpolitik…RP Online

NRW II: JMStV- Details zur geplanten Anhörung…Pottblog

Bochum: Neuer Eigentümer investiert 80 Millionen Euro in Ruhrpark…Ruhr Nachrichten

Bochum II: Nein zu ‘Toto & Harry’…Dirk Schmidt

Hamm: Die letzte Schicht…Welt

NRW III: Radikale Islamschule hält an Umzug  fest…Welt

Umland: Stuttgart-21-Demo…DL

re:publica 2011: Der Termin steht…Pottblog

Bergbau: Der letzte Protest?

Die EU will, dass Deutschland vor 2018 aus der Steinkohlesubventionierung aussteigt? Drohen jetzt Massenendlassungen und höhere Staatsverschuldung?
In der Innenstadt Brüssels liegt der Boulevard Jamar ganz in der Nähe des Hauptbahnhofs. Zur Avenue Stalingradiaan ist es nur ein Katzensprung, und auch der Boulevard de l ´Europe ist nicht weit entfernt. Heute werden sich hier vielleicht zum letzten Mal deutsche Bergleute gegen das Ende des Bergbaus auflehnen.  Die IG BCE wird sie von den letzten Zechen des Landes zum Sitz der EU-Kommission karren. Das Ziel des Protestes ist bescheiden: Es geht nicht mehr um den Fortbestand des Steinkohlenbergbaus. Das Ziel der Bergbaugewerkschaft ist es nur noch, dass der Kohleausstieg wie mit der Bundesregierung, der RAG und dem Land Nordrhein-Westfalen 2007 ausgemacht verlaufen wird. Spätestens 2018 ist demnach Schicht im Schacht, sollen die dann noch verblieben drei Zechen in Marl, Ibbenbühren und Bottrop endgültig schließen.
Bis 2018 hätte die RAG-Stiftung auch noch Zeit, Evonik zu verkaufen oder an die Börse zu bringen. 10 Milliarden Euro will die Stiftung so bis 2018 erwirtschaften. 2,4 Milliarden wurden schon durch den Verkauf von 25,1 Prozent der Evonik-Anteile an den Investor CVC Capital Partners erzielt. Mit diesem Kapitalstock will sich die RAG-Stiftung einer Aufgabe stellen, die Jahrtausende weitergehen wird: Die Bewältigung der Ewigkeitskosten des deutschen Bergbaus. Für alle Zeiten müssen beispielsweise Pumpen laufen, damit das Ruhrgebiet nicht zu großen Teilen in einem See versinkt. Städte wie Gelsenkirchen, Bottrop oder Herne liegen durch die Bergsenkung tief unterhalb des Grundwasserspiegels. Und auch nach Ende des Bergbaus werden immer noch Häuser durch Bodensenkungen und Tagesbrüche beschädigt werden. Ewigkeitskosten – das Wort hat nichts symbolisches, sondern beschreibt eine finanzielle Belastung für alle Zeit.
Das Problem: Die Europäische Kommission hat diesen Vertrag nicht genehmigt. Die darin enthaltenen Bergbausubventionen bis in das Jahr 2018 verstoßen gegen europäisches Recht. Berlin, Düsseldorf und Brüssel streiten nun seit Wochen über einen Ausstiegskompromiss. In einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, der der Welt am Sonntag vorliegt, hat der Vorsitzende der RAG-Stiftung, Wilhelm Bonse-Geuking, zwei Szenarien für einen früheren Ausstieg aus der Kohlesubventionierung präsentiert. Die von Bonse-Geuking als „Worst-Case- Szenario“ bezeichnete Entwicklung ist mittlerweile vom Tisch.  Danach wäre das Aus für den Kohlebergbau bereits 2011 gekommen. Die RAG-Stiftung wäre pleite gewesen.
Mittlerweile fordert die EU-Kommission das Ende der Bergbausubventionen in Deutschland für das Jahr 2014.  Ende  Juli haben sich die Brüsseler Kommissare in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf diesen frühen Ausstiegstermin festgelegt – zur Überraschung auch der Bundesregierung. Seit dem herrscht bei den Bergleuten Angst vor dem Job-Verlust und in der Politik große Verhandlungshektik.
Auch das würde die RAG-Stiftung vor Probleme stellen. Auf Anfrage der Welt am Sonntag sieht die Landesregierung auf das Ruhrgebiet Probleme zukommen: „Eine vorzeitige Stilllegung des Steinkohlenbergbaus hätte zwangsläufig mehrere tausend betriebsbedingte Kündigungen im Steinkohlenbergbau selbst und im Verflechtungsbereich zur Folge.“ Hinzu kommt, dass die öffentliche Hand bei der Finanzierung der Ewigkeitskosten einspringen müsste. 10 Milliarden müssen  mindestens zusammen kommen – was die Stiftung nicht erwirtschaftet, zahlt der Steuerzahler.
Probleme sieht die RAG-Stiftung bei einem früheren Ausstieg aus der Kohlesubventionierung vor allem bei der Bildung der Rücklagen zur Finanzierung der Ewigkeitskosten: „ Die RAG-Stiftung hätte vier Jahre weniger Zeit, ihren Kapitalstock aufzubauen und müsste gegenüber dem bisherigen Planungsstand entsprechend früher für die Finanzierung der Ewigkeitslasten aufkommen.“
Wie wahrscheinlich das ist, dazu will man sich bei der in Essen ansässigen Stiftung nicht äußern. Klar ist aber: wenn das Geld nicht reicht, wird der Steuerzahler für die Ewigkeitskosten aufkommen müssen. Hierzu wird es nach Meinung von Dr. Rainer Kambeck ohnehin kommen. Kambeck ist Leiter des Kompetenzbereichs „Öffentliche Finanzen“ beim RWI Essen. Das renommierte Wirtschaftsforschungsinstitut steht traditionell der Subventionierung des Bergbaus kritisch gegenüber. Kambeck sieht – im Gegensatz zum Land und zur RAG-Stiftung – auch keine Katastrophe in einem früheren Ausstieg aus den Kohlesubventionen. „2014 wird es im Saarland kein Bergwerk mehr geben, und in Nordrhein-Westfalen werden es nur noch drei sein.“ Gut 15.000 Bergbaubeschäftigte gäbe es dann noch. Heute sind es gut 20.000.
Und von denen, so das Credo aller nordrhein-westfälischen Landespolitiker seit Jahrzehnten, darf auf keinen Fall auch nur ein einziger entlassen werden. Was Mitarbeitern von Opel, ThyssenKrupp, Nokia oder einem mittelständischen Handwerksunternehmen zuzumuten ist, gilt nicht für Bergleute.
Rainer Kambeck ist sich sicher, dass die Politik ihr großzügiges Versprechen gegenüber den Bergleuten auch halten kann, wenn die subventionierte Steinkohlenförderung schon 2014 beendet werden muss. „Denn von den für die Jahre 2015 bis 2019 vorgesehenen Subventionen von über 5 Milliarden könnte dann ein erheblicher Teil für eine direkte Unterstützung der Bergleute eingesetzt werden. „Das kann die EU nicht untersagen.“
Die Bergleute könnten sogar weiter auf den Zechen beschäftigt werden. Zwar nicht im Kohleabbau,  aber bei dem Abriss der Anlagen oder der Renaturierung der Flächen.
Und auch um den Kapitalstock der Stiftung macht sich Kambeck wenig Sorgen. „Evonik kann auch bis 2014 verkauft werden. Das ist zwar anspruchsvoll, aber machbar. Zudem braucht man auch nicht gleich den kompletten Verkaufserlös schon im Jahr 2015. Der Zeitplan zum Aufbau des Kapitalstocks müsste also nicht komplett geändert werden.“
Von der Idee, Evonik als Konzern an die Börse zu bringen, war das RWI allerdings nie angetan. RWI Präsident Christoph M. Schmidt hatte dies 2006 und 2007 mehrfach deutlich gemacht. Schmidt plädierte dafür, die drei Konzernbestandteile einzeln zu veräußern.
Nicht nur Schmidt wunderte sich über die angeblichen Vorteile, die ein Konzern besitzen sollte, der aus einem Chemieunternehmen, einer Wohnungsbaugesellschaft und dem Kraftwerksbetreiber STEAG bestehen sollte.  Das Konzept wurde außerhalb der Politik stark kritisiert.
Für den Bereich Spezialchemie, die frühere Degussa, lag sogar ein Angebot vor: Vier bis sechs Milliarden Euro wollte Lanxess Vorstandschef Axel Heitmann 2007 für das Unternehmen zahlen und so einen großen, nordrhein-westfälischen Chemiekonzern schaffen. Er scheiterte an Rüttgers und dem damaligen Evonik-Chef und ehemaligen Wirtschaftsministers Werner Müller. Ansonsten Kontrahenten, waren sich beide in dieser Frage einig. Müller träumte davon, Vorstandsvorsitzender eines DAX-notierten Konzerns zu werden. Das wollte Rüttgers zwar mit aller Macht verhindern, aber um die Gewerkschaften hinter sich zu bringen,  war auch er gegen eine Zerschlagung des Konzerns. Ihre Zustimmung war nötig, um den Kohleausstieg im Konsens und ohne massive Proteste über die Bühne zu bringen. Mittlerweile taruert man auch in der Landesregierung über die vertane Chance: „Mit dem Lanxess-Angebot waeren wir besser gefahren. Heute würde die Politik wohl anders entscheiden und auf Nummer sicher gehen“, so ein Minister, der seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen möchte.
Glaubt man den kursierenden Gerüchten, ist ein Kompromiss das wahrscheinlichste Ergebnis: Ende der Kohlesubventionen im Jahr 2016. Ein Ergebnis, mit dem alle werden leben können. Und bei dem niemand das Gesicht verliert.

Der Artikel erschien bereits in der Welt am Sonntag