Vom Secessionsgebäude lernen, oder: Gebt die Wand frei!

Auch Kunst, aber legal: Das Wiener Secessionsgebäude. Foto: CC BY 2.0, Juan Antonio Flores Segal, via Flickr

Zugfahrten sind langweilig. Das heißt, wenn man nichts zu tun hat. Man könnte etwa Zeitung lesen, oder Musik hören. Fehlt es hingegen an derlei Dingen, bleibt nur der meist melancholische Blick aus dem Fenster. Und das ist nun mal recht unspannend. Es sei denn, man nimmt zur Kenntnis, dass Bahnstrecken zu großen Teilen riesige Kunst-Galerien sind, und diese Kunstform nennt sich Graffiti. Klar, eigentlich habe man natürlich nichts gegen „schöne Bilder“, aber für die „Schmierereien“ habe man kein Verständnis, schon gar nicht, wenn Privathäuser als Leinwand dienen. Diese „egomanen Selbstdarsteller“ solle man die Wände „mit ihrer Zahnbürste reinigen“ lassen. Solche Sätze bekommt man oft zu hören, wenn man sich auf Diskussionen einlässt. Ich weiß noch, wie ich mich mal nach einer durchfeierten Nacht zu einem gewagten Gesetzesübertritt hinreißen ließ. Ich trug einige Milliliter weinrote Farbe  auf einen dreckigen, vergammelten Stromkasten auf. Natürlich tut es mir sehr leid, wie konnte ich nur? Die Reaktion des unvermeidlichen Richters steht exemplarisch für den Verlust von Relationen, die Frage, was „Kunst“ ist, und letztlich für einen Generationenkonflikt.

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Wulff: 22 offene Stellen für den bald ehemaligen Bundespräsidenten

Christian Wulff Foto: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat die Aufhebung der Immunität von Bundespräsident Christian Wulff beantragt. Der Verdacht: Vorteilsannahme im Amt

Damit ist klar: Wulff wird sich kaum im Amt halten können. Ein Bundespräsident gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt, ist eigentlich nicht vorstellbar. Obwohl, warten wir es ab: Wulff hat die Maßstäbe für Anstand im Amt schon in den vergangenen Monaten eifrig verschoben. Vielleicht kommt er ja auf die Idee das Amt ruhen zu lassen, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind. Zuzutrauen ist ihm vieles. Aber es gibt auch gute Nachrichten für Wulff: Auf dem  Arbeitsmarkt sieht es für ihn gar nicht so schlecht aus – falls er denn bald einen Job sucht. Aktuell sind auf Monster.de 22 Stellen für Juristen in Niedersachsen frei:

Wie sich die New York Times wieder auf den Kriegspfad begab

Im Visier? Menschen in Isfahan

In den ersten Januar-Tagen platzierte die New York Times sehr prominent einen Bericht von einem Besuch auf dem amerikanischen Flugzeugträger John C. Stennis im Golf von Oman. Es sei alles ruhig, schrieb der Korrespondent. Die Mannschaften erledigten gelassen ihre Aufgaben auf dem Schiff, dessen Bomber die Bodentruppen in Afghanistan unterstützen. Keine Panik auf dem Flugzeugträger? Alles Routine? Der Nachrichtenwert dieses Berichts: null. Null komma null. Warum hat die Zeitung diesen Bericht gedruckt, und dann auch noch ganz vorne?

Die New York Times ist wieder auf dem Kriegspfad. Sie schlägt die Trommeln und schmiert sich Kriegsfarbe ins Gesicht. Sie tanzt ums Lagerfeuer, sie ruft die Geister der amerikanischen Ahnen herbei.

Der iranische Verteidigungs-Minister hatte erklärt, das Land würde die Durchfahrt der Stennis durch die Straße von Hormuz verhindern, sollte diese in den Persischen Golf zurück kehren wollen. Eine Replik auf die verschärften Sanktionen, die Barack Obama zuvor durch gesetzt hatte. Es ist Vorwahlkampf in den USA, fast alle Präsidentschafts-Kandidaten der Republikaner werben mit einem Angriff auf den Iran um Stimmen bei den Vorwahlen. Diese Flanke wollte Obama im Wahljahr mit den

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Wetten Dass?: Drei Alternativen zu Lanz

Markus Lanz – man muss weder ein großer Gottschalk noch ein großer „Wetten dass?“ Fan sein, damit diese Nachricht erschüttert. 

Ich dachte immer Beckmann und Kerner würden die Tiefpunkte der Fernsehunterhaltung definieren – bis ich im Januar 2010 in der Ruh2010-Show Lanz sah. Geschüttelt von Krämpfen verfolgte ich eine der elendsten Fernsehsendungen, die ich je geschaut habe. Und ich konnte noch wegschalten, weil ich darüber schreiben musste. Es sollte Frühjahr werden, bis ich wieder feste Nahrung zu mir nehmen konnte.

Und jetzt das: Lanz wird Nachfolger von Gottschalk bei „Wetten dass?“. Dem kann man nicht aus dem Wege gehen. Sicher, „Wetten dass?“ werde ich künftig nur schauen, wenn ich eine Schnelldiät machen will, aber Lanz wird einen jetzt monatelang im Internet und in allen Zeitungen und Magazinen verfolgen.

Dabei hätte es Alternativen gegeben. Welt-Kompakt schlug vor ein paar Wochen Achim Mentzel vor. Wäre lustiger als Lanz gewesen. Ein Ossi, der dank Schnurrbart auch als Herner durchgegangen wäre. Den hat aber niemand gefragt.

Oder Chalie Schultz, der Chef der Boxbude auf der Cranger Kirmes. Kein schlechter Mann. Erfahrener Live-Moderator. Kann auch eine Frau sein – Lanz-Ex zum Beispiel. Birgit Schrowange. Die macht wieder Werbung für Adler, die ist wenigstens nicht teuer. Alles, alles nur nicht Lanz.

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Anonymus hackt Kaschgari-Hass-Seite auf Facebook

Sie geifern, sie fordern seinen Tod – über 25.000 Mitglieder hat die Gruppe ”Das saudische Volk will die Bestrafung von Hamsa Kaschgari”. Der Blogger und Journalist  Hamsa Kaschgari hatte via Twitter an Mohammed gezweifelt. Nun wurde er von Malaysia nach Saudi Arabien ausgeliefert, wo ihm die Todesstrafe droht. Doch die Hetzer bestimmen nicht mehr alleine das Bild der Facebook-Site. Anonymus hat die Site gehackt und jetzt steht dort immer öfter: „FREE KASCHGARI – We are Anonymous. We are Legion. We do not forgive. We do not forget. Expect us!“

Neben zahlreichen Möglichkeiten seinen Solidarität mit Kaschgari zu zeigen, gibt es übrigens auch die Möglichkeit bei Facebook die Sperrung der Hass-Seite zu beantragen. Man braucht dazu nur oben Rechts neben dem Gruppenbeitritt-Button auf das Zahnrad zu klicken. Der Rest ist selbsterklärend. Danke an Frank Heinze für den Hinweis.

Save Hamza Kashgari

Als ich gerade auf  Spiegel-Online las, dass schon 25.000 Arschlöcher der Facebook-Gruppe „Das saudische Volk will die Bestrafung von Hamsa Kaschgari“ beigetreten sind, wurde ich sauer.

Der Blogger Hamsa Kaschgari hat angeblich via Twitter über Mohammed gelästert, was meiner Meinung nach sein gutes Recht ist. Ich finde ja das, was er geschrieben hat, absolut harmlos, aber das sieht die Saudische Regierung anders.  Und 25.000 Arschlöcher, die auf Facebook seinen Tod fordern, auch. Hamsa Kaschgari floh nach Malaysia und die Malayen haben ihn nun ausgeliefert. In Saudi Arabien, einem Staat, dem Deutschland auch noch Panzer liefert, erwartet ihn die Todesstrafe. Was kann man machen? Nicht viel, aber das, was man machen kann, sollte man tun: Man kann der Facebookgruppe   Save Hamza Kashgari beitreten, die im Moment lächerliche 729 Mitglieder hat und man kann bei der Saudischen Botschaft in Berin anrufen und denen sagen, was man von ihnen und ihrem Land hält: 030/889 250. E-Mail: de***@******ov.sa. Eine Internetseite gibt es auch – sie ist vom  saudischen Kultur- und Informationsministerium. Die Webadresse  der Botschaft habe ich gerade zugeschickt bekommen. Amnesty hat die Sache auch auf dem Schirm und empfiehlt Protestschreiben an den König und den Innenminister. Dank an Martin und den unbekannten Kommentator. Zur Webseite: Mal an den Peitschen sparen und Geld für einen Designer ausgeben wäre sicher keine schlechte Idee.

 

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Dresden und Bochum nicht nazifrei

Aktuell rufen Nazis mal wieder zum alljährlichen Geschichtsrevisionismus-Treffen in Dresden auf. Und das nur, weil ihre geistigen Väter 1945 von alliierten Bomberstaffeln mal ordentlich eins auf den Deckel bekommen haben. Von unserem Gastautor Daniel Pichler. Als organisatorische Sammelstelle für die morgige Nazi-Demo, zu deren Unterstützern neben zahlreichen Freien Nationalisten und Kameradschaften, auch der Parteivorstand der Berliner NPD und mehrere Kreisverbände der Partei gezählt werden, fungiert die Webseite gedenkmarsch.de.

Bochum-Ehrenfeld

Deren Mobilisierungsplakate verschandeln derzeit auch das Stadtbild in Bochum. Unter der Eisenbahnbrücke am Bahnhof Ehrenfeld haben die Nazis gleich acht Plakate illegal auf kommerzielle Werbeflächen gekleistert. Zu lesen ist der billige Reim „Dass sie nicht sinnlos in den Gräbern ruhn liegt nur an unserem Willen unserem Tun“. Dabei bringt es ein einziger Satz eines Überlebenden des Konzentrationslager Theresienstadt eigentlich auf den Punkt: „Wir weinten vor Freude, als wir den roten Schein am Himmel sahen. Dresden brennt, die Alliierten sind nicht mehr weit!“.

Zur Info: Das Bündnis Dresden Nazifrei koordiniert die Gegenproteste und informiert im Netz über die geplanten Nazi-Aktivitäten.

Bombendrohungen und Buttersäure-Angriff gegen Aachener Antifas

Buttersäure-Attacke, Bombendrohungen,  Feuerwerkskörper und Pfeffersprayeinsatz. Es hat schon gemütlichere Wochenenden in Aachen gegeben. Landes-Innenminister Ralf Jäger zählt die Region neben Dortmund, Köln und Wuppertal zu den Hochburgen des Rechtsextremismus in NRW. Diesem unschönen Ruf, u.a. gehegt und gepflegt von der Kameradschaft Aachener Land, machte die Stadt in den letzten Tagen mal wieder alle Ehre. Von unserem Gastautor Daniel Pichler.

Polizeieinsatz am Samstag vor dem AZ Aachen (cc-Lizenz: AG Freiburg)

So wurde das AZ Aachen in der Nacht zu Freitag zum wiederholten Male Opfer eines Buttersäureangriffs. Parallel gab es Bombendrohungen gegen die Antifa-Demo am Samstag und den Gästeblock des FC St. Pauli, der gestern bei Alemannia Aachen zum Zweitliga-Duell antrat. Der Absender bezeichnet sich selbst als „White Unity Underground Agency“.

Frithjof Kraemer, Geschäftsführer der Alemannia, aus deren Fankreisen es Ende letzten Jahres einen nach dem derzeitigen Wissensstand rechtsextremistisch motivierten Angriff auf Anhänger von Erzgebirge Aue gegeben hatte, gab gegenüber der Aachener Zeitung an, das Nazi-Problem im Vereinsumfeld unterschätzt zu haben. Dass die eigene Kurve u.a. seit Jahren fröhlich den Song „Mexico“ der Böhsen Onkelz trällert, kann ihm aber eigentlich nicht wirklich entgangen sein.

Im Verlauf der Antifa-Demo durch die Aachener Innenstadt kam es dann gestern zu mehreren Zusammenstößen. Die Präsenz einer Gruppe Nazis auf der Protestroute wurde laut Augenzeugenberichten mit Feuerwerkskörpern beantwortet. Am AZ Aachen angekommen reagierte die Polizei auf das Zünden von bengalischem Feuer und Flaschenwürfe mit dem Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken. Die

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