Vom Bergbau lernen heißt sichern lernen – heute ein Blick in die FAZ

Andreas Rossmann, sehr landeskundiger NRW-Korrespondent für das Feuilleton der FAZ, leitet aus dem Einsturz des Kölner Stadtarchives, der die abgewandelte Form eines U-Bahn-Unglückes war, aufschlussreiche Lehren ab. Wäre nämlich der öffentliche Tiefbau nach den gleichen Spielregeln organisiert wie der Bergbau, wäre es zumindest nicht zu der organisierten Unverantwortlichkeit gekommen, die der schockierten Kölner Öffentlichkeit auf der Nase rumtanzte. Rossmanns Analyse hier.

 

Siemens und die grüne Revolution

revolutionäre werbung auf spiegel online

Siemens hat sich in den Zeiten der Proteste gegen das ausgerufene Wahlergebnis im Iran eine besondere Werbung ausgedacht, möchte man meinen.

Ich habe unter der Werbung, die ich bei Spiegel online entdeckt habe, mal einen Artikel von Golem.de verlinkt. Dort wird aus dem Wallstreet Jounal zitiert, wie sich der Siemens-Konzern darum kümmert, den Herrschenden im Iran eine Technik zur Kommunikationskontrolle zu bieten.

Hinter diesem link hier versteckt sich eine etwas kritischere Betrachtung des Siemens- (und Nokia-) Engagements im Iran. Aber zu diesem Zeitpunkt und vor diesem Hintergrund mit "Antworten für die grüne Revolution" zu werben, während man durch eigene Technik dafür sorgt, dass die "grünen" Protestler im Iran nicht bzw. nur eingeschränkt kommunizieren können, das hat schon eine gewisse Arroganz.

 

Edit 23.06: Mittlerweile ist die Werbung von Spiegel-Online verschwunden und es lässt sich sogar hier ein langer Artikel über die Geschäftsbeziehungen deutscher Firmen mit dem Iran finden.

Europawahl: Hier die guten Nachrichten

Glaubt man den Mainstream-Medien sind wir bei der Europwahl in einer Flut rechtskonservativer Hegemonie mit zahlreichen rechtsradikalen Merkmalen versunken. Mit der daraus erhofften selbstmitleidigen Larmoyanz auf linker und ökologischer Seite der europäischen Gesellschaft, eine Hoffnung, die leider nicht ganz unrealistisch ist, hofft man dann weiter auf der neoliberalen Welle surfen zu können.

Meine These ist: wenn die europäische Linke darauf reinfällt, ist sie selber schuld. Dass die Wahl vergeigt wurde, liegt nicht an rechter Stärke, sondern der linken Schwäche, keine inhaltliche und strategisch glaubwürdige Alternative aufzubieten. Die Fakten sprechen nicht für rechte Hegemonie. Sie sollen, weil in den meisten Medien absichtsvoll weggelassen, hier gesammelt werden.

1. Deutschland

Tatsache ist, dass die FDP die CDU-Verluste nicht kompensieren kann. Ihre Umfragebäume (16-18%) sind nicht in den Himmel gewachsen. Die Linkspartei hat dagegen schon alle Fehler begangen, weitere sind kaum denkbar; trotzdem erreichte sie 7,5%. Die Grünen stabilisierten das beste Ergebnis ihrer Geschichte (12,1). Die Piratenpartei, deren Existenz bisher reines Szenewissen ist, bekam in allen Großstädten, die diese Bezeichnung verdienen, über 1%.

2. Belgien

Die Ecolo-Liste steigerte sich von 3,7 auf 8,1%, Groen blieb stabil bei 5%, macht 13% links der Sozialisten.

3. Dänemark

Die Volkssozialisten mit linksgrüner Ausrichtung stiegen von 8 auf 14,8%.

4. Finnland

Die Grünen verbesserten sich von 10,4 auf 12,4%.

5. Frankreich

Die Grünen stiegen von 7,4 auf 16,3%. Die desolaten Ex-Kommunisten konnten sich im Bündnis mit anderen Linken von 5,3 auf 6% stabilisieren.

6. Griechenland

Hier konnten sich sogar die korrupten Pasok-Sozialisten von 34 auf 36,7% steigern. Die notorisch sektiererischen und gespaltenen diversen Kommunisten links der Pasok haben in der Summe kaum verloren: 13,1% (vorher 13,7).

7. United Kingdom

Alle schauen auf den Zusammenbruch von Labour, schlimmschlimm, jaja. Die Liberaldemokraten, die im Gegensatz zu Deutschland im UK schon links von Labour zu verorten sind, sind stark geblieben: 13,7% (vorher 14,9), die Grünen haben sich – ohne Parlamentspräsenz im Unterhaus! – von 6,3 auf 8,6% gesteigert.

8. Irland

Labour verbessert sich von 10,6 auf 13,9, Sinn Fein bleibt stabil auf 11,2%.

9. Italien

Die italienische Rechtskoalition ist noch nie über 50% gekommen, sondern profitiert immer vom Wahlsystem und der politischen Zersplitterung einer möglichen linken Alternative. Berlusconis Truppe plus die rassistische Lega Nord landeten diesmal bei 45,5%, weniger als bei der letzten Parlamentswahl. Das "Italien der Werte" von Ex-Staatsanwalt di Pietro und dem Mafiagegner Leoluca Orlando steigerte sich von 2,1 auf 8% – im Gegensatz zu den der SPD vergleichbaren windelweichen Demokraten (von 31,1 auf 26,2) fordern sie eine klare Opposition gegen Berlusconi.

10 Luxemburg

Die Grünen steigen von 15 auf 17,4%.

11. Malta

Die Arbeiterpartei (Labour) steigt von 48,4 auf 55%.

12. Niederlande

Die deutschen Medien konzentrierten sich ausschliesslich auf den Aufstieg der Rechten. Ein WDR-Radiokorrespondentenbericht, der die tatsächliche Amibivalenz des zutreffend beschrieb, wurde penetrant falsch und tendenziös anmoderiert. Hier die andere Seite: die Linksliberalen D 66 stiegen von 4,2 auf 11,3%, Groenlinks stieg von 7,4 auf 8,9%. Die Lafontaine-ähnlichen populistischen Sozialisten blieben bei 7 % und damit sicher unter ihren Erwartungen – macht 27% links der großkoalitionären Sozialdemokraten. Da werden wir in Deutschland noch lange von träumen, oder?

13. Österreich

Von den Ösis gibts leider wirklich nichts Positives zu berichten.

14. Polen

Kaum zu glauben, aber die Demokratische Linksallianz stieg im Woytila-Land von 9,4 auf 12%.

15. Portugal

Ein "Linker Block" stieg von 4,9 auf 10,7%, die altdogmatischen Kommunisten von 9,1 auf 10,7%.

16. Rumänien

Hier ist alles anders, die Sozialdemokraten gewannen 30,8% (nach 23,1).

17. Schweden

Die Piratenpartei errang 7,1% und einen Sitz; bei den jungen Männern wurde sie stärkste Partei. Die Grünen stiegen von 6 auf 10,8%.

18. Spanien

Trotz dramatischer Wirtschaftskrise hat sich die rechte Opposition kaum verbessert: 42,2% (+ 1,0), links der regierenden Sozialisten haben 6,2% gewählt.

19. Tschechien

Die Sozis gewannen von 8,8 auf 22,4%, u.a. zu Lasten der Kommunisten (von 20,3 auf 14,2).

20. Zypern

Die Linkspartei Akel verbesserte sich von 27,9 auf 34,9%, die Sozialisten eroberten weitere 9,9%.

Man kann sich über die Bewertung solcher Zahlen unendlich streiten. Tatsache ist: nicht alles ist ein Bild des Jammers, und vieles davon ist selbstverschuldet und fern jeder Ohnmacht.

Und hier noch die Lesetipps in heutigen Mainstream-Medien 😉

Robert Misik erklärt in der taz das "Monsterminus" der Sozialdemokraten.

Andre Brie, der geschulte Dialektiker kleidet seine fundamentale Lafontainismuskritik in eine Lafontaine-Hommage und publiziert sie im Spiegel.

Im Labyrinth des Minotaurus

Anders noch als bei meiner schlussendlich erfolgreichen Suche nach der Labyrinth-Höhle des Minotaurus im letzten Sommer, hieß die große Herausforderung in diesem Jahr, den schmalen Einstieg zu meistern, um die Höhle zu erkunden.

Mein Begleiteter Mick sprang galant durch die schmale Öffnung, eine Drehung und drin war er. Dass er in frühester Jugend begeisterter Speläologe in Wales war erzählte er jedoch erst später. Mir selbst blies dagegen der kalte Hauch der Unterwelt entgegen und ich war kurz davor zu sagen: Ist ja schön, aber ich warte draußen. Doch all meinen Mut zusammennehmend machte ich mich einem Schlangenmensch gleich durch den schmalen Eingang auf in die Dunkelheit der vor mir liegenden 2,5 km langen Gänge.

Im in den 50er Jahren erbauten betonierten Eingangstunnel angekommen war ich dann ob der relativen Helligkeit erstaunt, die durch das Eingangsloch hineinschien. Schwager Karsten stand als nächster vor dem gleichen Problem: Wie bloß die Klaustrophie überwinden…

Der Weg durchs Labyrinth entsprach schon der Bedeutung des Wortes. Einige Schritte geradeaus gelaufen die panzerbrechende Munition betrachtet, die dort neben leeren Hülsen und anderem Munitionmaterial zu Hauf herumliegt, stellt sich beim Blick zurück schon die Frage, aus welchem Gang wir gerade gekommen waren.

Da helfen auch die vielen Fäden der Ariadne nicht weiter, die von vorherigen Besuchern auf dem Boden ausgelegt waren. Zu dritt kurz abgesprochen kamen wir jedoch schnell überein wo der Weg zurück verlief. Mehr Bedenken als die Orientierung in der nur von unseren Stirnlampen erhellten Höhle machte uns jedoch der Zustand der Höhlendecke. Denn beim Labyrinth handelt es sich um einen unterirdischen Steinbruch aus der Antike. Zudem sprengten die Nazis im Oktober 1944 bei ihrem Abzug das von ihnen als Munitionsdepot genutzten Labyrinth. Die Sprengung war Gottseidank nicht zur Gänze erfolgreich, führte jedoch zu geologischen Instabilitäten. Unsere Befürchtung war, dass sich Teile der Sandsteinplatten lösen könnten oder sich gar eines der in Kreta nicht gerade seltenen Erdbeben just zum Zeitpunkt unseres Aufenthalts ereignet. Die vielen Verschüttungen in den Gängen untermalten unsere Ängste ganz gut.

Auch wenn uns dreien der Aufenthalt lang vorkam, letztendlich haben wir uns nur in den Räumen des Eingangsbereichs aufgehalten. Der Besuch des Salle Trapezas mit den Beschriftungen der Besucher seit dem 15. Jahrhundert oder gar die vollständige Erkundung des Labyrinths haben wir auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

Weitere Bilder meines Besuchs im Labyrinth und ein weiteres Video. Dieses ist vermutlich von der Griechischen Speläologischen Gesellschaft Mitte der 80er Jahre aufgenommen worden.

Historische Bilder der Wehrmacht beim bild.bundesarchiv.de unter dem Stichwort Labyrinth

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Die Labyrinth-Höhle des Minotaurus auf Kreta

Griechenland und vor allem Kreta ist nicht umsonst das Land der Mythen und Sagen. Von der Sage des Minotaurus, des Ungeheuers halb Mensch, halb Tier mit dem Stierkopf der vom Kretischen König Minos in eine Höhle gesperrt wurde, hat fast jeder schon mal gehört. Seit der Ausgrabung des Palast von Knossos durch Evans ist die Labyrinth-Höhle jedoch in Vergessenheit geraten. Dann gab es noch die Höhle, in der die Nazis bei der Besetzung von Kreta eine Munitionsdepot einrichteten. Aber wo genau liegt diese Höhle und was ist dran am Mythos des Minotaurus?

Bis weit in die 90er Jahre hinein entsinne ich mich nachts an den Stränden der Südküste der Insel Kreta dumpf durchdringende Explosionen zu Hören. Begleitet von kretischen Fischern, die am frühen Morgen mit Keschern die tot an der Oberfläche schwimmenden Fische einsammeln. Noch im Sommer letzten Jahres wurde ein befreundeter Taucher am gleichen Ort gewarnt und aufgefordert, das Wasser schnellstens zu verlassen, da man mit Dynamit fischen wolle. Damals wie heute fragte ich mich, woher diese Fischer das Dynamit haben.

Die Höhle des Minotaurus: Nur eine griechische Sage? Seit Generationen schwelt unter Archäologen der Konflikt, wo genau sich dieser Ort auf der Insel Kreta befindet. Als einer von drei möglichen Orten wird der große unterirdische Steinbruch auf der Südseite der Insel nahe der Stadt Mires angesehen. Aus diesem Steinbruch stammt ein Großteil des Baumaterials der Siedlung Gortys, die als eine der größten antiken Stätten Griechenlands gilt. Zur Römerzeit war Gortys die Hauptstadt von Kreta mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 10.000 Menschen. Doch die Geschichte des Ortes reicht über eine Zeitdauer von 6000 Jahren und in ihren Mythen lassen sich Namen der Apostel Paulus und Titus wie auch der Götter Zeus, Europa, Demeter und des Gottkönig Minos und des Minotaurus finden.

Auf historischen Kretakarten wird die Höhle bis ins 19 Jahrhundert hinein als Labyrinth eingezeichnet. Erste dokumentierte Begehungen der Höhle nach der Antike stammen aus dem 15. Jahrhundert. Belegt werden sie mit den eingeritzten Jahreszahlen im „Salle Trapeza“, einem großen Raum der Höhle. Die älteste stammt aus dem Jahr 1415. Angebracht wurde sie von vom Venezianer Christoforo Buondelmonti, der auch den ältesten Plan des Labyrinths veröffentlichte. Weitere Jahreszahlen aus den folgenden Jahrhunderten zeigen die Popularität der Höhle bei den Reisenden aus dieser frühen Epoche der Tourismus. Entsprechend gibt es eine Anzahl von Reiseberichten über das Labyrinth. 

Mit der Ausgrabung von Knossos durch Sir Arthur Evans und seiner Interpretation des Palasts als Labyrinth des Minotaurus Anfang des 20. Jahrhunderts geriet die Höhle auf der Messara Hochebene jedoch in Vergessenheit. Die Gegend von Gortys mit den Überresten der Titus Basilika, der ersten christlichen Gemeinde außerhalb von Kleinasiens und ihren vielen häufig noch auf den Äckern herumliegenden antiken Fundstücken fasziniert mich seit meiner ersten Kretareise Mitte der 80er Jahre. Begeistert von der antiken Geschichte las ich in Paul Faures „Das Leben im Reich des Minos“ erstmals vom Labyrinth des Minotaurus. Seit 2001 unternahm ich verschiedene Anläufe den Eingang des Labyrinths zu entdecken. Doch erst durch den zufälligen Fund der Fotodokumentation des Schweizers Thomas Waldmann im Internet gelang es mir, den richtigen Weg den Berg hinauf zu finden. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet er sich durch den Berg und erstellt eine umfassende kartografische Dokumentation aller Gänge und Räume des Labyrinths. Sein umfangreicher Bericht findet sich unter www.labyrinthos.ch.

Nördlich des halbverlassenen Dorfes Kastelli erhebt sich ein Hügel von gut 400 m Höhe, der von den Ortschaften Roufas, Ambelouzas, Moroni, Plouti eingekreist wird. Weit oben auf dem Hügel befindet sich die Labyrinth-Höhle, die aus einem weitverzweigten Netz von gut 2,5 Km langen Gängen und Räumen besteht. Die begehbare Fläche umfasst annähernd 9000m². Doch die Nutzung eines Teils der Höhle als Munitionsdepot durch die Wehrmacht im 2. Weltkrieg und dessen Sprengung beim Verlassen der Insel machte die Höhle zu einer Gefahr durch die bis heute dort lagernde Munition. Die Nazis ließen den drei Kilometer langen Weg bergauf von der Ortschaft Kastelli befestigen.

Die damals zur Begrenzung angelegten Randsteine sind heute zum Teil noch sichtbar. Während meiner abenteuerlichen Fahrt den Berg hinauf waren sie für mich ein Zeichen dafür, nach vielen Fehlversuchen diesmal auf dem richtigen Weg zu sein. Für westeuropäische Verhältnisse ist der Weg bergauf recht schlecht. Jedoch gibt es im Süden von Kreta häufig noch schlechtere Straßen. Wobei im August hat der kretische Sommer oftmals mehr als 45 Grad im Schatten hat. Genau den gibt es den Berg hinauf natürlich nicht. So gerät der Weg zur historischen Stätte in der Bruthitze extrem schweißtreibend und Nerven aufreibend. Vor allem die letzten 500 Meter, wo hohe Sträucher auf der Wegkuppe die Verlassenheit der Gegend deutlich anzeigten, waren eine Herausforderung für den geliehenen Renault Twingo. Im ersten Gang endlich oben angekommen, dankte er es mir mit einem dampfenden Motor. Von der Parkgelegenheit klettere ich knapp 50 Meter den kurzen Talkessel hinein. Plötzlich vor einer 15 Meter hoch aufragenden Felswand am Ende des Talkessels stehend, sehe ich, dass ich am Höhleneingang vorbei gelaufen bin. Dieser liegt ebenerdig hinter einem Olivenbaum von einigen größeren Felsbrocken umsäumt. Auf dem Gitter des Eingangs stehend, verspürt man deutlich den kühlen Luftzug, der dem Hades gleich aus der Tiefe emporsteigt. Warnschilder von denen berichtet wird sind im Sommer 2008 bis auf eines, das direkt auf dem Eingangsgitter liegt, verschwunden. Der Stacheldrahtzaun, der nach einer schweren Explosion mit mehreren Todesopfern im April 1961 um das Eingangsgelände angelegt wurde, ist gleichfalls bis auf wenige Reste nicht mehr vorhanden. Bei dieser Explosion innerhalb der Höhle kamen acht Einwohner der Dörfer Kastelli und Roufas ums Leben. Zwei der Leichen wurden bis heute nicht gefunden und sind wohl noch immer unter den Einbrüchen begraben, die sich an mehreren Stellen der Höhle befinden. 

Vom eigenen Einstieg ins Labyrinth ist abzuraten. Nicht etwa, weil der Weg hinaus zu schwierig ist. Gefahr droht von den dort immer noch offen herumliegenden Granaten aus dem 2. Weltkrieg. Auch Abbrüche des Gesteins in der Höhle geschehen recht häufig. Vermutlich entnehmen die Fischer der Gegend bis heute das Dynamit aus der Labyrinth-Höhle. Dies erklärt wieso Kreter, die in dieser Gegend aufgewachsen sind, noch heute nicht gerne über die Höhle sprechen und das Labyrinth des Minotaurus darüber immer mehr in Vergessenheit gerät.

Ganz schön deutsche Muslime

Die wirklich interessante Gallup-Studie zu Muslimen in Westeuropa erschüttert lieb gewordene Ansichten: Deutsche Muslime, fanden die Londoner Meinungsforscher in Zusammenarbeit mit der Coexist Foundation heraus, sind kreuzbrave Leute, die Vertrauen haben in deutsche Gerichte, Polizei und Wahlen, nur ein Viertel ist für die Todesstrafe, genauso wie der Rest der Bevölkerung.

Foto: ruhrbarone

Deutsche Muslime legen zudem großen Wert auf gute Aus- und Sprachbildung und sie sehen optimistisch in die Zukunft: Während nur ein Dittel der nicht muslimischen Bevölkerung damit rechnet, sich wirtschaftlich zu verbessern, glaubt  jeder zweite Deutsch-Muslime an den persönlichen Aufschwung. Nochmal: Befragt wurden muslimische deutsche Staatbürger.

Auch die WAZ hat der Studie eine halbe Seite eingeräumt, freilich etwas weniger Platz als dem Porträt von Müntes Neuer, was nicht schlimm ist. Blöder, dass die Autorin des Beitrags fortwährend zwischen Muslimen und Deutschen unterscheidet, als könne man nicht zugleich Muslim und Deutscher sein. Auch das nicht wirklich überraschend: Ein weniger gutes Ergebnis der Gallup-Studie besagt nämlich, das fast 40 Prozent der in Deutschland Befragten sich isoliert fühlen, kein Interesse an anderen Religionen haben und sich von anderen nicht genügend respektiert zu fühlen.

Das gute Tschernobyl

Foto: Flickr.com / phlammert

Der 26. April 1986 war ein sonniger Tag. Meine Mutter, die damals so alt war, wie ich heute, ging mit mir spazieren. Wir lebten in einem kleinen Ort in Weißrussland. Nach dem Regen gab es überall Pfützen. Es blühte Löwenzahn. Ich war gerade ein Jahr alt und genoss meinen ersten Frühling. Ich wusch meine Hände in den glänzenden Pfützen und platschte mit meinen Beinen drin herum. Die Pfützen hatten einen gelben Rand, erinnert sich meine Mutter heute. Damals dachte sie, es sei Blütenstaub vom Löwenzahn. Sie wusste noch nicht, dass seit diesem Tag unser Löwenzahn, unser Wasser und unser Boden vergiftet sind.

Ein paar Tage später gab es eine kurze Information in den sowjetischen Medien: In der Nacht auf den 26. April ist der vierte Block des Atomkraftwerks in Tschernobyl explodiert. Es gebe keinen Grund zur Panik, hieß es, niemand sei betroffen, alles in Ordnung. Es wurde allerdings empfohlen, die Fenster in den Wohnungen zu schließen. Am Tag der Arbeit versammelten sich Menschen in unserer kleinen Stadt Tschausy im Osten Weißrusslands auf dem Lenin-Platz. Es waren die üblichen Feiern. Die Leute waren aufgeregt wegen der Nachricht und wegen des Frühlingsfiebers.

Ich kann mich an diese sonnigen Tage nicht erinnern. Dafür habe ich viele positive Erinnerungen aus meiner Kindheit, die mit Tschernobyl verbunden sind. In der Schule bekamen wir drei Mal am Tag kostenloses Essen. Zum Mittag gab es Suppe, Fleisch oder Fisch mit Beilage und einem Getränk. Manchmal gab es Algen. Das mochten wir aber nicht, obwohl (oder gerade weil) sie wegen des hohen Jod-Gehaltes als besonders gesund galten. Was wir wahnsinnig mochten, war das Obst, das wir jeden Tag zum Mittagessen bekamen. Dies wurde vom Staat und den internationalen Organisationen finanziert. Sie hießen „Hoffnung“ oder „Kinder von Tschernobyl“. Wir, die Kinder von Tschernobyl, waren eigentlich ganz glücklich.

Zum Neujahr gab es regelmäßig Pakete aus dem Westen – die so genannte humanitäre Hilfe. In den Päckchen gab es leckere Schokolade, Bonbons, Kaugummis, Kakao. Manchmal gab es auch Briefe, die in einer Fremdsprache verfasst wurden. Dort stand zum Beispiel: „Hallo! Ich heiße Tom und ich bin 8 Jahre alt. Ich wohne in einem Haus mit Garten in Deutschland. Mein Lieblingsspielzeug ist Teddybär. Schöne Weihnachten!“ Als ich etwas älter wurde, antwortete ich auf einen dieser Briefe. Ich schrieb: „Hallo Tom! Ich heiße Olga. Ich bin 10 Jahre alt. Ich habe einen Bruder. Wir wohnen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Ich gehe zur Schule und lerne dort Deutsch“. Ich habe keine Antwort bekommen. Trotzdem sagte ich allen, dass ich einen Brieffreund habe.

Die wichtigste Freude der Kinder von Tschernobyl ist mir allerdings entgangen – die Chance, einen Sommer in einer Gastfamilie im Westen zu verbringen. In meiner Klasse gab es 25 Kinder, 22 davon waren im Ausland. Die meisten flogen nach Kanada, aber auch nach Italien, Belgien oder Deutschland. Ich war unter den drei, die nicht im Ausland waren. Meine Mutter wollte das nicht. Sie meinte, es wird mir nicht gut in einer fremden Familie gehen. Ich war ein kränkliches Kind. Sie sagte: „Ich kaufe dir alles selber und wenn du erwachsen bist, gehst du, wohin du willst.“ Ich nahm es ihr übel. Ich war neidisch auf die vollen Koffer vom Spielzeug und Süßigkeiten und auf die unzähligen Fotos mit einem großen Haus und einem Swimming Pool im Hintergrund, die meine Mitschüler aus Kanada mitbrachten.

Meine Cousine war ihrerseits neidisch auf mich. Sie wohnte in einem Ort 50 Kilometer von uns entfernt. Im Unterschied zu Tschausy überstiegen die Messungen dort die Grenzwerte nicht. Offiziell gehörte die Stadt nicht zu den radioaktiv verseuchten Gegenden. Deswegen hatte ihre Bevölkerung keine Tschernobyl-Vergünstigungen. Meine Cousine durfte nicht wie ich für einen Monat im Jahr kostenlos ins Sanatorium in einen „sauberen“ Ort in Weißrussland.

Während dieses Erholungsmonats waren wir Schüler unter uns, weit weg von den Eltern. Wir hatten nur vormittags Unterricht und bekamen keine Hausaufgaben. Dafür gingen wir abends in die Kinderdiskothek oder ins Kino, schrieben einander Liebesbriefe und organisierten Konzerte. Das sind meine besten Erinnerungen an die Schulzeit.

Dank Tschernobyl bekam mein Bruder letztes Jahr einen Platz im Studentenwohnheim in der weißrussischen Hauptstadt Minsk. Die Wohnheimplätze sind rar. Studenten mit einer Behinderung, Waisen oder Jugendliche aus einer anderen „sozialen Kategorie", wie zum Beispiel Leute aus einer radioaktiv verseuchten Gegend, haben Vorrang. Die Miete beträgt 40 Euro im Jahr. Sonst sind die Mietpreise in der Minsk ungefähr so hoch wie die in Berlin.

Radiozäsium, Plutonium und Radiostrontium kann man nicht riechen, sehen oder hören. Ich weiß nicht, ob ich ohne Tschernobyl seltener krank gewesen wäre. Man kann nicht genau nachweisen, ob die sinkende Lebenserwartung der Weißrussen mit Tschernobyl verbunden ist.

Im Kindergarten, den meine Mutter leitet, sind nur drei von 87 Kindern völlig gesund. Der Rest hat eine Krankheit. Irgendeine. Das heißt nicht, dass die Kinder drei Arme oder zwei Köpfe haben. Aber sie haben schlechte Augen, Probleme mit den Nieren und der Schilddrüse oder sind „allgemein kränklich“. Man kann nicht nachweisen, ob das mit dem Atomunfall zu tun hat. Der Staat bezahlt für diese Kinder aber die Hälfte der täglichen Verpflegung im Kindergarten, die ungefähr zwei Euro kostet. Einen Euro zahlen die Eltern.

Meine Mutter hat sich bis jetzt nicht verziehen, dass sie mich damals in den Pfützen hat planschen lassen.

Weißrussland: Geopolitisches Spiel als Mittel gegen die Finanzkrise

Ein Autoladen in einem belarussischen Dorf

Weißrussland, der östliche Nachbar der EU, ist von der Wirtschaftskrise mit am schwersten betroffen. Der Export in die Nachbarländer – nach Russland und Polen – sank auf die Hälfte. Die Lager sind mit unverkaufter Ware überfüllt. Der belarussische Rubel wurde im Januar auf einmal um 20 Prozent abgewertet. Der Durchschnittslohn der Weißrussen sank ebenso um 20 Prozent. Während das Volk sich den Gürtel enger schnallt, knickst Präsident Alexander Lukaschenko in verschiedene Richtungen – mal in den Westen, mal in den Osten. Dabei verspricht er liberale Reformen oder Anerkennung von Ossetien und Abchasien und hofft auf finanzielle Hilfe. Nicht ohne Erfolg.

Die Weltwirtschaftkrise hat auch die entlegensten Ecken Weißrusslands erreicht. Am Rande des Dorfes Galusy im Osten von Weißrussland versammeln sich die betagten Bewohner der Siedlung. Es ist Dienstag, 16 Uhr. Wie immer um diese Zeit soll ein Mercedes-Minibus vorbeikommen. Er bringt in das aussterbende Dorf ein Stück vom Luxus: frische Milch und Brot, gegrilltes Hähnchen, Schokolade und Bonbons, deren Etikette mit nicht-kyrillischen Buchstaben beschrieben sind. Der Bus kommt wie immer pünktlich. Doch abgesehen davon ist nichts mehr, wie es war.

Eine 60-Jährige fragt nach Obst. „Früchte und Limonade haben wir nicht mehr im Angebot“, sagt der Privatunternehmer Ruslan Alexeenko (25), Fahrer und Verkäufer in einer Person. Unter den Kunden sind nicht, wie gewöhnlich, nur Omas, sondern auch ein paar jüngere Frauen. Das sind die Frauen, die wegen Zwangsurlaubs aus Minsk in ihr Heimatdorf zurückgekehrt sind. Doch trotz ihres Besuches verkauft Alexeenko kaum mehr als sonst. Als er Galusy verlässt, zählt er zwei Paletten Brot und eine Kiste Milch, die nicht verkauft wurden. „Das war kein guter Tag“, resümiert der Unternehmer. „Alles wegen der Finanzkrise. Ich muss Preise nach oben treiben, weil die Einkaufspreise für mich auch steigen. Die Dorfbewohner können sich immer weniger leisten“.

Nach offiziellen Angaben stiegen die Lebensmittelpreise in Weißrussland im Januar 2009 im Vergleich zu Dezember 2008 um 3,3 Prozent. Sie wurden in belarussischen Rubeln verglichen. In Anbetracht der Abwertung der heimischen Währung ist der Preissprung deutlich höher. Der Durchschnittslohn der Weißrussen sank im Januar im Vergleich zu Dezember in US-Dollar Äquivalent um 20 Prozent – von 450 USD auf 330 USD.

Zuerst wollte der belarussische Präsident Lukaschenko nicht zugeben, dass es in Weißrussland wirtschaftliche Probleme gibt. „Es gibt keine Krise im Lande, und es wird um keine Krise gehen“, sagte er Ende Oktober 2008. Doch bald ließ sich die Rezession nicht mehr vertuschen. Am zweiten Januar 2009 wurde der belarussische Rubel im Vergleich zum US-Dollar und zum Euro auf einmal um fast 20 Prozent abgewertet. Es herrschte Panik in Weißrussland. Die einen stürmten die Banken, die anderen die Geschäfte. Es wurde alles gekauft – Kühlschränke, Mikrowellenherde, Staubsauger – auch das, was seit Monaten in den Ladenregalen verstaubte. Denn die Menschen wussten: Bald werden alle Importwaren sehr viel teurer sein.

„Lukaschenko sagte, dass der weißrussische Rubel sicher ist. Das ist unverschämt!“, empörte sich eine Studentin mit der roten Mütze im belarussischen Regionalzug. „Hör dem Präsidenten besser zu“, sagte ihr die andere Studentin. „Er hat auch gesagt: Wir werden schlecht leben, aber nicht lange.“

Präsident Lukaschenko gab sich weiter optimistisch. „Wir exportieren alles – Motoren, Schuhe, Kleidung. Die Folgen der Weltwirtschaftskrise zeigen sich wegen der Exportorientierung auch bei uns. Trotzdem müssen wir 2009 mindestens 2.000 bis 3.000 Motoren mehr herstellen als 2008. Es gibt einen Anlass zum Optimismus“, munterte Lukaschenko die Mitarbeiter des Minsker Motorenwerks während seines Besuches bei dem Unternehmen auf. Seine Rede wurde im Fernsehen ausgestrahlt. Dass die Lager der weißrussischen Fabriken voll mit unverkauften Produkten sind, wurde dabei nicht gezeigt.

Das Gesamtvolumen der nichtrealisierten Erzeugnisse der Leichtindustrie beträgt zur Zeit 200 Prozent des monatlichen Produktionsumfangs. Die Regale der belarussischen Geschäfte sind mit inländischen Handtüchern, Geschirr und Waschmitteln überfüllt. Die Schildchen appellieren zu den Kunden: „Kauft das Weißrussische!“ Eine Packung der weißrussischen Flüssigseife kostet zum Beispiel ein Euro, ein Analogprodukt einer westeuropäischen Marke ist 2,5 Mal teurer. Man muss wohl kein großer Patriot sein, um sich fürs Weißrussische zu entscheiden. Die Kaufkraft der Bevölkerung sinkt.

Die wirtschaftliche Lage des Landes verschlechtert sich dramatisch. „Die Rentabilität der Produktion ist im Vergleich zu Anfang 2008 um zwei mal gesunken. Fast ein Drittel aller Unternehmen machen Verluste, wie in den katastrophalen 90er Jahren“, schreibt der Professor einer Privathochschule in Minsk Boris Schiliba in der regierungskritischen Zeitung „Narodnaja Wolja“. In der zweiten (es gibt nur zwei) kritischen Zeitung „Nascha Niwa“ schreibt der Wissenschaftler Alexander Tschubrik, dass die Finanzkrise in Europa nur Lettland, die Ukraine, Ungarn und Island noch stärker als Weißrussland treffe. „Nur diese Staaten haben wie unser Land eine dringende Hilfe des IWF benötigt.“ Anfang des Jahres hat der IWF einen Kredit in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar für Weißrussland gebilligt. Zwei weitere Milliarden USD leiht sich Weißrussland vom Nachbarn Russland aus.

Belarus liegt zwischen der EU und Russland. Lukaschenko weißt die geopolitische Lage seines Landes zu nutzen, um aus der finanziellen Sackgasse rauszukommen. Er spielt gerne Figaro. Letzte Woche besuchte er den russischen Präsidenten Medvedev. Da machte Lukaschenko seinem Kollegen ein weiteres Mal eine Treue- und Liebeserklärung und bekam als Geschenk eine Gaspreissenkung versprochen. Genau eine Woche später, am 17. April, empfängt Alexander Lukaschenko zu Hause den tschechischen Außenminister Karl Schwarzenberg. Von ihm bekommt „der letzte Diktator Europas“ eine Einladung der EU nach Prag zur Gründung der „Östlichen Partnerschaft“.

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Thirtysomething (taz, 30)

Die taz wird gerade 30, ich bin einige Jahre mit ihr gegangen. Die Anfänge der taz ruhr erlebte ich mehr aus der Ferne. Aus der Nähe dann den Aufbau einer Redaktion für die tägliche Ausgabe in NRW, den Start im Dezember 2003, den Umzug nach Düsseldorf. Die Schließung. 2007.

foto: schokoladenseiten

Ich kann mich erinnern an den 25. taz-Geburtstag. Im Tempodrom. Die überkokette Sängerin von Wirsindhelden, den phantastischen Lärm der Fehlfarben. HipHop. Bier. Jörg Thadeusz war der Conferencier der Gala, Ehrengäste waren Gesine Schwan, die Dauerkandidatin fürs Amt der Bundespräsidentin und ihr Mann von transparency international. Schnarchig bis auf Thadeusz, der seither viele taz-Feiern moderierte.

Thadeusz versuchte sich an einer Erklärung fürs junge Hip-Hop-Helden-Publikum, was denn die taz ist: "So etwas wie eine Straßenzeitung im Abo". Ich glaube, damals hatte Thadeusz seinen Hauptwohnsitz noch in Dortmund. Ist nach Berlin gezogen, von Ruhrgebiet merkt man bei ihm nichts mehr. Dreht für RBB, NDR. Da hat er was gemein mit der taz.
 
Was wir damals wollten? Die taz im Ruhrgebiet, dann in NRW zur Gegenstimme zu machen, das Blatt von muffiger Berliner Luft zu befreien, aufmischen, erden. Mal andere Geschichten zu lesen als  Anti-Bombodrom-Stimmung in Brandenburg, Nazis von Schwerin, die grüne Hoffnungsträgerin aus Sachsen. Klappte nur eine Weile.

Wirtschaftlich konnte es nicht gut gehen: Zehn Prozent mehr Wachstum als in den anderen Bundesländern sollte die tägliche taz in NRW hinzulegen. Sonst wurden aus Kosten Miese. Aber zehn Prozent Wachstum in der Zeitungskrise, wie sollte das ausgerechnet in der Zeitungsprovinz NRW gelingen? Dabei – achtung, wichtig ! – hat die taz nrw die Bundes-taz nichts gekostet. Die konnten das alles aus einem Medienfonds zahlen, der extra für die Regionalisierung aufgelegt wurde. No risk. No fun.

Heute ist die taz weit weg, versteh vieles nicht, finde Witze lahm, Titel daneben, Politik öde. War früher aber nicht anders. Natürlich fehlt im Bundesland was, seit es die taz nrw nicht mehr gibt. Mir auch. Das Blatt war landespolitisch recht gut dabei, ließ sich sehen. Schwamm drüber.

Was eine Lehre ist: Wie einfach ein Stück Zeitung verschwindet. Von jetzt auf gleich. So wichtig es einem war, so verzichtbar.

3 FÜR 7 ? Die wöchentlichen Wegfahrtipps

Der Autor kann ja auch nichts dafür: Betonflucht ist der Megatrend des Monats. Denn was ist so eine tolle Ansammlung von Städten denn ohne Peripherie? Was wäre NRW ohne unfassbare Menschensiedlungen wie Bonn und Gronau? Und dann gibt es natürlich auch noch diese Überbleibsel aus finstersten Zeiten, Bunker genannt.

Erst die Partys: Gerade sah ich den Neu-Rüttenscheider Malente vor dem Supermarkt. Er hat sich für seine Reihe "Whow" im Goethebunker, die kommenden Samstag startet, und zusammen mit Lars Mosten, erst einmal einen Garanten für Elektro Rave Hysterie gebucht: Den Schotten Hostage. Das ist ja ganz okay so, die Erwähnung der Lokation zwischen den Knast- und Folkwang-Neubauten ist aber auch wegen der Party des Banditen Wie Wir am Freitag und wegen den exaltierten Herrschaften von Balkanbeatz und dem seltenen Gastspiel von Hardfloor am Wochenende darauf gerechtfertigt. Mindestens. Der Laden funzt gerade so ein bisschen los.

"Funzen" fällt nicht gerade ein, wenn mensch an Gronau denkt. Das Rock- und Popmuseum am Udo-Lindenberg-Platz (an sich schon unfassbar, oder?) ist ganz ordentlich, zieht aber nicht gerade Heerscharen in die Stadt. Aber es gibt ja noch das Jazzfest, in diesem Jahr mit den Brand New Heavies, Jazzkantine und (unfassbar!) Matt Bianco z.B. auf der poppigeren Seite,aber auch dem James Carter Quintet oder Billy Cobham. Das jazzt natürlich in Teilen nur so viel wie das besagte Museum rockt, aber die Gegend drumherum ist zudem ja auch ganz schön.

Und damit zur Lage in Bonn. Noch so eine kaum fassbare Peripherie, die nur bedingt "funzt". Aber in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (fetziger Name!) hängt zum Glück jetzt Amedeo Modigliani. Und der äh rockt bzw. folgte sogar der altbekannten Devise "Die young, stay pretty". Zu seiner Lebenszeit waren seine Malereien (Foto) gar nicht so gefragt, erst jetzt weiß man was man an ihm hat. Das ist ja fast wie mit den Bunkern! Und gut dass Udo Lindenberg noch lebt! Und Bonn ja irgendwie auch. Schnell zum…

Überblick:
Partys im Essener Goethebunker Freitags und Samstags ab 23 Uhr.
Das Jazzfest Gronau vom 17. bis 27. April in der Bürgerhalle, dem Café Oreade und dem Rock- und Popmuseum.
Amedeo Modigliani vom 17. April bis zum 30. August in Bonn.