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„Es wird ungemütlicher hier in Deutschland für uns Juden“

Es wird ungemütlicher in Deutschland für Juden. Das liegt vor allem an dem deutschen Judenhass, es liegt aber auch an einigen jungen Muslimen mit und ohne Migrationshintergrund und ihrem sehr eigenen, und leider sehr gefährlichem Antisemitismus. Und es liegt an den Beschwichtigern, Relativierern und Kleinrednern in den jeweils eigenen Gemeinschaften, die lieber Dinge unter den Teppich kehren. Von unserer Gastautorin Ramona Ambs/Publikative.

Ich bin Jüdin. Meine Haarfarbe ist schwarz, meine Muttersprache deutsch. Ich komme einigen Leuten spanisch vor. Aber das ist nur äußerlich. Ich verstehe kein Wort spanisch. Ich verstehe ein bisschen englisch, ein bisschen fränzösisch, ein bißchen hebräisch, ein bisschen dänisch und ein bisschen türkisch. „Yahudiler domuz“ zum Beispiel. Wenn ich das höre, weiß ich, dass es besser ist, dass ich den Leuten spanisch vorkomme und nicht etwa jüdisch.

Yahudiler domuz“ – das hör ich ab und an. Auf Straßen, in Cafes oder Clubs. Und wenn man das hört, dann ist man fast froh, nicht alles zu verstehen. Wobei diese Freude dann auch nur kurz währt, denn mittlerweile hört man`s eh auch variantenreich auf Deutsch. „Du Jude“ ist ein absolut gängiges Schimpfwort. Auch ohne das rosa Tier mit dem Ringelschwänzchen.

Es wird ungemütlicher hier in Deutschland für uns Juden. Das liegt vor allem an dem deutschen Judenhass in der Mitte der Gesellschaft, der sich immer wieder in vielfältiger Weise Bahn bricht. Aber es liegt auch an einigen jungen Muslimen mit und ohne Migrationshintergrund und ihrem sehr eigenen, und leider sehr gefährlichem Antisemitismus. Und es liegt an den Beschwichtigern, Relativierern und Kleinrednern in den jeweils eigenen Gemeinschaften, die lieber Dinge unter den Teppich kehren, als endlich mal richtig hinzuschauen und aufzuräumen.

Vor der eigenen Tür kehren

Aber ok, ich gebs auch zu: Ich rede nicht gerne über jüdischen Rassismus. Ich rede auch nicht gern über Islamhass in isrealsolidarischen Gruppierungen. Das hat zweierlei Gründe. Zum einen sind mir derlei Phänomene – auch wenn ich nichts dafür kann – irgendwie persönlich peinlich. Zum anderen ist das (öffentliche) Reden darüber an sich durchaus verhängnisvoll – wird derlei doch schnell von Antisemiten linker und rechter Couleur aufgegriffen und beklatscht: „Ja ja, die Juden, so sind sie…. sie sagens ja sogar selbst!“ und dann ist man intern der „Nestbeschmutzer“, weil man mal kurz vor der eigenen Haustür gekehrt hat….

Dennoch fand ich es immer nötig und sinnvoll, Missstände in den Communities, in denen ich mich aufhalte und zu denen ich irgendwie gehöre, zu kritisieren. Eben vor der eigenen Tür zu kehren.

Rassistisch und islamophob?

Das Kehren vor der eigenen Tür im übertragenen Sinne wurde kürzlich auch von Dieter Graumann empfohlen. Nach dem antisemitisch motivierten Überfall auf Rabbi Daniel Alter durch mutmaßlich arabische möglicherweise muslimische Jugendliche. Graumann forderte die muslimischen Verbände auf, sich stärker gegen den Antisemitismus in den eigenen Reihen zu engagieren. Die pikierten Reaktionen darauf zeigen, wie notwendig diese Forderung ist.

Denn es sind die immer gleichen Reflexe, die in öffentlichen Stellungnahmen von Verbandsvorsitzenden, direkten Gesprächen oder auch in Internetkommentaren zu Tage treten: Bereits die Wortkombination aus „muslimisch“ oder „migrantisch“ im Zusammenhang mit dem Wort „Antisemitismus“ sei rassistisch und islamophob, wer sie benutzt, muss also ein Rassist sein, bekommt man dann zu hören. Dass es aber einen spezifischen Antisemitismus unter muslimischen Deutschen und Migranten gibt, der anders motiviert ist und anders gefüttert wird, als der Antisemitismus der Mehrheitsgesellschaft, und dem folglich anders begegnet werden sollte und muss, wird dabei völlig negiert.

Stichwort: Nahost

Dabei könnten grade die muslimischen und migrantischen Verbände hier viel effektiver arbeiten, weil sie eben zu der gleichen Gruppe gehören. Aber dazu kommt es offenbar zumeist gar nicht. Wenn also die Verbände, die hier teilweise erst mit zweitägiger Verspätung und nach mehrmaliger Aufforderung auf den antisemitischen Angriff reagieren, dann meist nicht ohne folgende Botschaft mit einzupacken:

1. Es mögen zwar vielleicht und unter Umständen muslimische Täter gewesen sein, aber der Islam ist dafür nicht verantwortlich.
2. Das eigentliche Problem dieser Gesellschaft ist die Islamophobie /der Rassismus, diese gilt es (ebenso wie den Antisemitismus) zu bekämpfen.

Auf eine Stellungnahme, die zum Beispiel mal ganz eindeutig sagt „der Nahostkonflikt rechtfertigt in keinster Weise Gewalt an den hier lebenden Juden.“ warte ich schon länger. Dabei wäre das schon mal ein erster Schritt, denn der Antisemitismus unter jungen Muslimen nährt sich vor allem aus diesem Konflikt, wie Anne Goldenbogen feststellt: „Je stärker die Jugendlichen sich als Muslime definieren […] und je autoritärer die Religionsvorstellung auch ist, […] desto stärker ist die Tendenz, diesen Konflikt nicht nur als einen politischen oder territorialen Konflikt wahrzunehmen, sondern auch als eine Auseinandersetzung zwischen Muslimen und Juden oder Muslimen und dem Westen, was auch oft gleichgesetzt wird, und desto stärker äußern sich dann auch antisemitische Ressentiments, die auf so einer Weltsicht fußen.“

Frustration

Passend dazu sind die Kommentare von einigen Muslimen im Internet. Bei der leisesten Kritik am Umgang und der Wahrnehmung des innermuslimischen Antisemitismus hört man zum Beispiel : „Schon interessant, wie versucht wird den eigenen Rassismus dadurch zu relativieren, indem man andere beschuldigt noch viel viel schlimmer zu sein, statt gegen alle Formen einzutreten. Ein Armutszeugnis…“ Ein vorhandenes Problem wird einfach abgewiegelt mit dem Verweis auf den restlichen Antisemitismus im Land.

In persönliche Gesprächen ist es meist auch nicht besser: Kaum spricht man bei Muslimen einen vermeintlich islamisch motivierten Antisemitismus an, wird aufgezählt wann, wo, welcher muslimische Mensch Opfer einer rassistischen Gewalttat wurde. Davon scheint auch alles besser zu werden. In den wenigsten Fällen bisher hab ich aufrichtige Anteilnahme vermittelt bekommen. Das frustriert. Und es lässt mich durchaus ratlos zurück, denn eigentlich hat man ja ein gemeinsames Ziel: friedlich miteinander Leben und rechte Gewalt abwehren.

Crossposting: Der Artikel erschien auch auf Publikative 

 

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Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

Ich wiederhole hier sinngemäß das, was ich vor einigen Tagen hier bei den Ruhrbaronen -sh.Gewalltat gegen den Rabbinder in Berlin- bereits gesagt habe:

Für jeden, der in diesem Staat lebt, gelten dessen Verfassung und dessen Gesetze. Diese sind in einem demokratisch-rechtsstaatlichen Verfahren entstanden und entziehen sich insofern der Notwendigkeit ihrer subjektiven Akzeptanz durch den jeweils Betroffenen.

Bevor wir uns daran machen, nach den Motiven für die Verfassungs-/Gesetzesnormen zu suchen, bevor wir anfangen, sie kritisch zu hinterfragen, bevor wir anfangen, über Gesetzesänderung zu diskutieren, bevor wir anfangen, nach sog.Werten zu suchen, die der Verfassung/den Gesetzen zugrundliegen, zumindest zugrundliegen könnten, gilt es, daß dieser Staat seine Gestze exekutiv und judikativ „ohne Wenn und Aber“ umsetzt bzw. sanktioniert.Das fordere ich für mich ein. Und das zu fordern ist selbstverständlich ein für jedermann unabhängig von seiner Religion,Rasse,Herkunft,seines Geschlecht.

Wenn „mein“ Staat nicht kann -oder nicht will?-, daß „seine“ Verfassung und „seine“ Gesetze beachtet werden, wenn er also nicht mittels seiner Staatsgewalt exektuv deren Einhaltung notfalls erzwingt und Gestzesverstöße konsequent sanktioniert, dann stellt er sich selbst, seine Staatlichkeit in Frage.

Ich denke, daß ich mich auf den Staat und seine Staatsgewalt verlassen können muß, ebenso jeder andere Bürger, z.B. auch der jüdischen Glaubens. Auf den Staat „muß insofern Verlass sein“!

Und wenn Bürger jüdischen Glaubens das Vertrauen in diesen Staat gefährdet sehen, wenn für sie auf diesen Staat „kein Verlass mehr ist“, dann ist der demokratische S t a a t mit samt seinen Institutionen gefordert bzw. herausausgefordert!

(Das schließt nicht aus, da Gesellschaft und demokratischer Staat sich wechselseitig beeinflussen,daß wir in der Gesellschaft darüber nachzudenken haben, was „unter uns, zwischne uns, bei jedem Einzelnen“ schief läuft angesichts zunehmener Gewalttaten gegen Menschen und hier speziell gegenüber Menschen jüdischen Glaubens.

Und dabei gilt es , so simpel ist das für mich, im privaten Miteinander, im gesellschaftlichen Umgang , in allen gesellschaftlichen Prozessen und Organisationen zu akzeptieren, zu respektieren, im konkreten Tun zu dokumentieren, daß der jeweils Andere, daß die jeweils Anderen, daß die jeweils Fremden Menschen sind wie Du und ich.)

Nur das (sh.Klammer……), so meine ich, kann und darf nicht davon ablenken, daß der S t a a t fähig und willens zu sein hat, Leben und körperliche Unversehrheit aller in seinem Hoheitsgebiet lebenden Menschen zu sichern. Das kann letztlich nicht die Gesellschaft und das kann grundsätzliche auch nicht der einzelne Bürger,der sich seinerseits nicht auf den Staat, die Staatsgewalt berufen darf, wenn in seinem Beisein im Einzelfall ein Gewaltakt gegen einen Anderen ausgeübt wird, z.B. gegenüber einem Menschen jüdischen Glaubens.

Georg Fries
Georg Fries
11 Jahre zuvor

Ein sehr guter Kommentar, wie immer ausgewogen und im Gegenteil zu so vielen Gruppen auf das aus, was zählt. Wie Ramona Ambs sagt, „denn eigentlich hat man ja ein gemeinsames Ziel: friedlich miteinander Leben und rechte Gewalt abwehren.“

Also ausdrucken und beim nächsten Mal, wenn wer was hört, vorzulesen anfangen, falls einem selbst nichts sofort einfällt.

Untersuchungen sind nichts als Zahlen, aber wenn eine Zahl wie „18%“ da ist, dann heißt das, fast jede und jeder Fünfte läuft mit unsäglichen, dümmlichsten antisemitischenVorurteilen herum. Völlig gleich, von welcher Seite solche Absurditäten kommen, sie sind immer falsch.
Das gibt es selbstverständlich unter Muslimen. Die „Mitte“ interessiert sich nur grade nicht für Antisemitismus von „18%“ muslimischer Menschen, sondern ein Fünftel möchte, daß „die“ Muslime möglichst verschwinden sollen. Es ist selbstverständlich, daß Antisemitismus, wann immer und wo immer er auftritt, bekämpft wird.
Rassismus gibt es auch in vielen Gruppen, auch unter Intellektuellen, die sonderbarerweise dauernd entschuldigt werden, wie wenn Stephan Grigat oder Henryk M. Broder mit Pauschalurteilen hetzen. Widerwärtig.
Völlig gleich, woher es kommt, man kann nicht, wie Ramona ja sagt, eins mit dem anderen beantworten („aber die da ja auch“).

Gesetze gibt es längst, der Ruf nach „mehr Polizei“ ist meist hilflos, nicht nur falsch, die Gesetze sind eindeutig. Aber alle Seiten widersprechen zu wenig. Es rächt sich, daß viele „coole Szenen“ das immer für „naiv“ erklärten, für „uncool“, „du bist wohl auch engagiert, wa“. (Wer die letzten 20 Jahre an Unis war, muß weggehört haben, um das nicht mitbekommen zu haben.).
Die Gesetze sind da. Das Desinteresse und die stille Zustimmung von 1/5 der Gesellschaft ist das Problem.

Manchmal ist die Einseitigkeit himmelschreiend. Wenn jemand Dieter Graumann nach dem Überfall auf Rabbi Daniel tatsächlich zu sagen wagt, er soll „mal vor der eigenen Tür kehren“, oder wie immer man das ausdrückt, ist es widerwärtig, falsch, weiter nichts zu tun als zu widersprechen.
Wenn wir Broders oder Grigats und vieler anderer mehr unsäglichen, immergleichen, pauschalen Hass gegen „die“ Muslime nicht widersprechen, ist es falsch, verlogen, weiter wäre nichts zu tun, als zu widersprechen.
So schwierig ist das gar nicht, oder… „denn eigentlich hat man ja ein gemeinsames Ziel: friedlich miteinander Leben und rechte Gewalt abwehren.“ Man kann den Haß von allen Seiten sehen, aber man kann ihn nicht als „Entschuldigung“ mißbrauchen. Wenn Rabbi Daniel angegriffen wird, kann man nicht irgendwas wie „aber die andern“ sagen. Es ist erstaunlich, wie das intellektuelle Niveau dieser Jahre ist. Mit einer Art gruppenvernarrter Wonne treibt man auf den Haß zu und dreht sich rechthaberisch im Kreis.

I.Q
I.Q
11 Jahre zuvor

Es mag ja jeder selber prüfen, ob er jemals einen, gar irgendeinen von der Gastoautorin verlinkten „Judenwitz“ gehört hat.

und ich möchte gar nicht anführen, auf wie viele Jahrzehnte ich zurückblicken kann

Ben
Ben
11 Jahre zuvor

Aus „20 Prozent der Deutschen sind latent antisemitisch“ im einen Artikel wird hier auf einmal „Das liegt vor allem an dem deutschen Judenhass in der Mitte der Gesellschaft“ – Sorry, aber solche Übergeneralisierungen sind ein Teil des Problems. Wer statt einer problematischen Tendenz überall nur noch das Schlimmste wahrnimmt, der wird sich logischerweise unwohl fühlen. Damit will ich nicht unterstellen, dass es keine Zunahme des Antisemitismus in Deutschland gibt, aber gleich den Generalverdacht rauszuholen, das kann auch keine Lösung sein.

Arnold Voß
Arnold Voß
11 Jahre zuvor

@ All

Ich empfehle jedem Nichtjuden mit einer Kippa auf dem Kopf alleine durch ein muslimisches Viertel zu schlendern. Nochmal zum mitschreiben: nicht zügig zu gehen sondern zu schlendern und dabei die Geschäfte zu besuchen, mal eine längere Pause auf einer Bank zu machen und später vielleicht sogar in ein Restaurant zu gehen um dort ausgiebig zu essen.

Ich mache das immer wieder, denn ich lebe in so einem Viertel. Ich würde das aber nicht gerne mit einer Kopfbedeckung tun, die mich als Mitglied der jüdischen Religion kenntlich macht. Ich würde es auch nicht gerne in einem T-Shirt tun, auf dem ich mich gut lesbar als das zu erkennen geben würde was ich selber bin: Nicht gläubig. Oder um es mit den Worten der Religiösen zu sagen: ungläubig.

Wer diesen Selbstversuch jedoch machen will der wird sehr schnell merken, dass weit mehr als 1/5 der Muslime die Juden gelinde gesagt nicht mag und sie das auch spüren lässt. Nicht unbedingt mit Gewalt, aber doch so deutlich, dass einem die Kippa auf dem Kopf zu brennen beginnt. So sind die realen Verhältnisse. Alles andere ist Schönfärberei.

Ich empfehle es also lieber nicht zu tun.

Schinken
Schinken
11 Jahre zuvor

Der Artikel ist gut geschrieben. Aber warum lese ich dort „denn eigentlich hat man ja ein gemeinsames Ziel: friedlich miteinander Leben und rechte Gewalt abwehren.“?? Warum denn nur rechte Gewalt? Warum nicht einfach nur „Gewalt“?? Zur Erinnerung: Die erste Selektion von Juden durch einen Deutschen nach Ende der Nazi Diktatur wurde von Wilfried Böse durchgeführt, einem Mitglied der linksextremen Revolutionären Zellen. Der erste Anschlag auf eine Synagoge in Deutschland nach Ende der Nazi Diktatur wurde von den linkextremen Tupamaros West Berlin geplant und durchgeführt. Nur wegen eines schadhaften Zünders expoldierte die Bombe nicht. (Die Bombe kam übrigens vom Verfassungsschutz, merke, wenns gegen Juden geht haben Nazis und Kommunisten die gleichen Freunde) Als linksextreme Palistinenser in München die halbe israelische Olympiamannschaft massakrierten wurde das Morden vom RAF Mitglied Ulrike Meinhof nachträglich gerechtfertigt als Teil des gerechten Kampfes. Soweit die 60er und 70er Jahre. Was passiert aktuell? Ein Fraktionsvorsitzender der Linken in Duisburg ruft offen zum Boykott jüdischer Waren auf und gibt sich als Antisemit zu erkennen. Ein Kandidat der Linken in Bayern ruft offen zur Vernichtung Israels auf. Viele Linke sympatisieren mit antisemitischen Terrorgruppen, wie etwa der Hamas. Das alles sollte man nicht ausblenden und erhobenen Kopfes sagen: „denn eigentlich hat man ja ein gemeinsames Ziel: friedlich miteinander Leben und Gewalt abwehren, egal woher sie kommt“

Ziga
Ziga
11 Jahre zuvor

@#5 | Arnold Voß:

Laut Artikel droht hier die Gefahr:

„Das liegt vor allem an dem deutschen Judenhass.“

Was stimmt denn nun ?!?

Puck
Puck
11 Jahre zuvor

Natürlich ist in D niemand Antisemit. Wer ich? Ich doch nicht!
Hier hat niemand was gegen Juden.
Man hat nur seine Meinung über Juden, für gewöhnlich eingeleitet mit den Worten, „aber man wird ja wohl noch sagen dürfen…“ – Eine Formulierung deren Faust-auf-den-Tisch-Attitüde beim Thema Antisemitismus sogar in ansonsten ausgesprochen feinsinnigen intellektuellen Kreisen beim Thema „Juden“ gerne ausgeblendet wird.
Sehr beliebt ist auch die beliebte mit nicht zu übersehender Enttäuschung geäußerte Feststellung, daß die israelische Politik deutlich zeigt, daß „die Juden so gar nichts aus Auschwitz gelernt“ hätten.
Offenbar in der Annahme, daß speziell Juden irgendwas aus Auschwitz zu lernen hätten.
Ergänzt durch den ewigen Klassiker, daß man nichts gegen Juden hat, sich in deren Gegenwart nur irgendwie unwohl fühlt, weil einem irgendwas „rausrutschen“ könnte. Wie ernst die Lage ist erfährt jeder, der in aller Unschuld bemerkt, daß einem nix „rausrutschen“ kann, wenn nix drinnen ist, i. e. Vorurteile.
Weshalb in Umfragen wohl auch regelmäßig so zwischen 20-40% (je nach Umfrage) der nach eigener Einschätzung nicht antisemitisch eingestellten Befragten äußern, daß sie lieber kinen Juden zum Nachbarn haben wollen…

Puck
Puck
11 Jahre zuvor

@Georg Fries #2

Als ich den Artikel las, habe ich mich gefragt, wann wohl der erste Hinweis auf Henryk M. Broder kommt. Ob es wohl der 1. Kommentar sein wird, oder erst der 2.?

Ja, geben wir es zu: Broder provoziert. Er ist eitel. Er nervt.
Aber was wohl am meisten nervt: abgesehen von seiner Eitelkeit und seinen provokanten Formulierungen und Vergleichen prokelt er meistens genau dort, wo’s unter dem Schorf an den aufgeschlagenen Knien unangenehm suppt.

@Ben #4
20% sind statistisch gesehen natürlich eine Minderheit, aber doch keine Minorität, die man so ratzfatz unter den Tisch fallen lassen kann.
Wenn 20% der Deutschen noch immer antisemitsche Vorurteile haben – und alle Umfragen bestätigen das leider – darf man durchaus davon sprechen, daß da kein Bodensatz an Spinnern vor sich hin krümelt, sondern durchaus die Mitte der Gesellschaft involviert ist.
Ab welcher statischtischen Minderheit würden Sie denn keine „Übergeneralisierung des Problems“ vermuten? Ab 30%, 40% oder 49% – auch das wäre statistisch eine Minderheit!

Sam Berto
Sam Berto
11 Jahre zuvor

> „Du Jude“ ist ein absolut gängiges Schimpfwort.

Was?

> Das liegt vor allem an dem deutschen Judenhass in der Mitte der Gesellschaft

Huh?

Man mag mir gleich Relativismus vorwerfen, aber weder ist „Du Jude“ ein absolut gängiges Schimpfwort, noch verspüre ich deutschen Judenhass.

Ben
Ben
11 Jahre zuvor

@Arnold Voss: Die Erfahrung kann man aber auch als Schwuler oder Lesbe machen. Berliner Freunde von mir meiden inzwischen ganze Stadtteile (darunter sogar Kreuzberg), weil die zu No-Go-Areas für Schwule geworden sind, denn auch homophobe Übergriffe mehren sich in letzter Zeit. So wurde erst Mitte Juli in Berlin ein schwules Paar überfallen und verletzt. Darüber aber scheint sich jenseits schwuler Blogs niemand groß zu empören.

Ziga
Ziga
11 Jahre zuvor

@#11 | Ben: Davon hört man in den Medien tatsächlich nichts. Wäre das nicht ein Artikel hier im Blog wert ?

Ben
Ben
11 Jahre zuvor

@Puck: Nein, unter den Tisch fallen sollte man den „latenten Antisemitismus“ der 20% nicht. Daraus aber einen Satz abzuleiten, der sich de facto als ein Generalvorwurf gegenüber der gesamten Mitte der deutschen Gesellschaft lesen lässt, halte ich dann doch für massive Übertreibung. Eine Formulierung wie „Das liegt vor allem an dem deutschen Judenhass in nicht gerade kleinen Teilen der Gesellschaft“ käme der Wahrheit deutlich näher. Wenn 20% der Bevölkerung latent antisemitisch sind, dann ist Antisemitismus glücklicherweise eine Ausnahme. Die Formulierung der Autorin erweckt jedoch den gegenteiligen Eindruck, nämlich dass eine neutrale oder positive Position gegenüber Juden die Ausnahme wäre.

Arnold Voß
Arnold Voß
11 Jahre zuvor

@ Ben #11

Natürlich. Und wenn man in einem muslimischen Viertel richtig Stress haben will, dann lässt man sich auf seinem T-shirt drucken: Auch Gott ist schwul. Allerdings könnte man damit auch Probleme in einem jüdisch-orthodoxen Viertel bekommen.

Worum es mir aber geht, ist, dass in einem muslimischen Viertel, nicht nur in Berlin sondern auch anderswo in Deutschland, sich faktisch drei Formen der gesellschaftlichen Isolation überlagern: die soziale, die kulturelle und die religiöse.

Alles zusammen erst mach solche Stimmungen, wie ich sie oben (#5) beschrieben habe, und die sehr wohl auch einen antisemitischen Chrakter haben, mehrheitsfähig. Die soziale Isolation sorgt nämlich dafür, dass die innere Kritik daran und der innere Widerstand dagegen gering bleibt, bzw. sozial stärker geahndet wird. Die kulturellen Traditionen stärken dabei die religiös-geistige Verblendung, statt sie zu korregieren, denn sie sind bei vielen Muslimen eng mit der Religion verknüpft.

Eine monotheistische Religion stärkt obendrein schon als solche die Distanz zu, wenn nicht sogar den Hass auf andere monotheistischen Religionen, was sich in einem religiösen Ghetto natürlich über Gruppendruck und Anpassungszwang schneller zu einem kollektiven Gemeinschaftsgefühl entfalten kann.

Diese Gefahren gelten also nicht nur für Muslime. Aber sie sind die einzige religiöse Gruppe in Deutschland die in mittlerweile recht großen gehttoartigen Communitys zuammen lebt, aus denen obendrein die kleine Gruppe der gesellschaftlichen Aufsteiger zunehmend wegzieht. Deswegen muss, wer solche Tendenzen dort stoppen will, auch etwas gegen die dortige Isolation tun.

Irene
11 Jahre zuvor

Wer diesen Selbstversuch jedoch machen will der wird sehr schnell merken, dass weit mehr als 1/5 der Muslime die Juden gelinde gesagt nicht mag und sie das auch spüren lässt.

@ Arnold und Ben:

Ich würde nicht von den Bewohnern muslimischer Viertel in Berlin oder Gelsenkirchen auf alle Muslime in Deutschland schließen. In diesen Vierteln konzentrieren sich viele Leute, die keine Arbeit haben, nicht richtig Deutsch können und deshalb viel türkisches und arabisches Fernsehen schauen. Und viele antisemitische Vorurteile stammen aus diesen Quellen.

Arnold Voss
Arnold Voss
11 Jahre zuvor

@ Irene # 15

Ich geben ihnen recht, das sollte man nicht tun. Selbst in den Vierteln gibt es unterschiedliche Meinungen und Gruppen. Es gibt aber einen religiösen Antisemitismus der, wie auch bei den Christen, ein lange Geschichte hat. Nur dass er bei Letzteren fast verschwunden ist, während er bei den Muslimen, natürlich auch durch die Verschärfung des Nahostkonfliktes, eher noch zunimmt.

Irene
11 Jahre zuvor

Der Nahostkonflikt ist eine beliebte Erklärung, vielleicht auch deshalb, weil das ein Thema ist, das man gut kennt und das sowieso ständig diskutiert wird. Für radikale Moslems ist der Konflikt aber schon dadurch eröffnet, dass Israel existiert.

Im Grund weiß man doch wenig darüber, was Araber in Deutschland glauben, welche Prediger hier Einfluss haben. In den französischen Vorstädten ist es die Muslimbruderschaft (Quelle: Caroline Fourest). Linke in Deutschland interessieren sich weniger für Religion. Religion bei Einheimischen gilt als verzopft, bei Moslems als „bunt“. Ich schätze, das reicht nicht.

Arnold Voss
Arnold Voss
11 Jahre zuvor

@ Irene

Der Nahostkonflikt ist natürlich keine hinreichende Erklärung noch eine Rechtfertigung für religiösen Hass. Aber er ist ein Identifikationsgegenstand für viele, nicht nur junge Muslime, und dabei ist die Parteiergreifung für die Palästinenser die Regel und nicht die Ausnahme.

Ich habe hier oft genug für das Existenzrecht und vor allem das Verteidigungsrecht Israels gestritten. Das ändert aber nichts daran, das Religion ein wichtiger Teil des Konfliktes ist, wie man an dem Streit um Jerusalem, an dem, nicht nur, aber immer wieder Friedensverhandlungen gescheitert sind, deutlich sehen kann.

Und was die Prediger betrifft.Ich denke, dass man sehr schnell heraus bekommen kann, welche Prediger unter den deutschen Muslimen Einfluss haben, wenn man es nur will. Aber was man auch ohne das zu wissen, feststellen kann, ist, dass die Religiösität nicht ab, sondern zugenommen hat und das damit auch der Einfluss der religiösen Führer zunimmt.

Natürlich gibt es hier auch eine Menge moderater Muslime die es mit ihrem Glauben ähnlich locker halten wie die meisten Christen in Deutschland. Aber sie haben keinen entscheidenden Einfluss auf ihre Communitys, zumindest keinen, von dem man bislang etwas merken konnte.

Ziga
Ziga
11 Jahre zuvor

Lesenswert:

https://www.tagesspiegel.de/kultur/antisemitismus-in-arabischen-communities-so-tief-sitzt-der-hass/7111428.html

Der Antisemitismus in arabischstämmigen Communities wird unterschätzt, meint unser Gastautor Ahmad Mansour. Gerade unter arabischen Jugendlichen sind solche Ressentiments weiter verbreitet, als sich die deutsche Gesellschaft eingestehen mag. Und ihre Rezepte dagegen sind wirkungslos.

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

-11-Ben:

Wenn ich den Beitrag zu -11- subsumiere zu meinem Kommentar unter -1-,könnte ich das als ergänzende Bestätigung meiner vom Einzelfall losgelösten grundsätzlichen Überlegungen werten.

Zunehmende Gewaltakte gegen Bürgern jüdischer Religion, gegen muslimische Bürger -sh.die jüngsten Nazi-Morde-, gegen andere Menschen, deren vermeintliche oder tatsächliche körperliche Schwächen allein für die Gewaltakte Anlass zu sein scheint, gegen Menschen, die „nur“ anders sind, „nur „anders erscheinen als der Durchschnitt, gegenüber dem Fußballfan des gegnerischen Vereines?

Warum?
Mir scheint, daß es für alle diese zunehmenden Gewaltakte gegen Menschen gemeinsame Ursachen geben könnte, die es wert wären, über sie nachzudenken und ggfls.über sie zu diskutieren. Und zwar unabhängig vom jeweiligen Einzelfall und der darauf bezogenen -vordergründigen?- Motivation (Motivationsvorgabe)durch die Täter.

Mir scheint zudem, daß wir zugleich Anlaß haben, über die -wachsende?-Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber all diesen Gewaltakten ganz grundsätzlich nachzudenken, wiederum losgelöst vom aktuellen Einzelfall.

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