Hass ist ihre Attitüde

Cansın Köktürk mit Palestine-Shirt Bild: Screenshot Ruhrbarone/BundestagsTV

Antiwestlicher Zorn, Angst vor Veränderung, Feindbilder zum Mitnehmen: AfD, Linke und BSW profitieren von einer Republik, die ihre Probleme nicht löst.

Schlecht sitzende Anzüge, billige Laptops und eines der edelsten Kongresszentren Nordrhein-Westfalens: Noch ziemlich siegesgewiss war das Bündnis Sahra Wagenknecht im Januar im World Conference Center in Bonn, dem Zentrum der alten Bundesrepublik, zu einem Bundesparteitag zusammengekommen. Die Reden, auch von Wagenknecht und ihrem Gatten Oskar Lafontaine, plätscherten mehr, als dass sie begeisterten. Das änderte sich, als Sevim Dağdelen, damals noch Bundestagsabgeordnete, die Bühne betrat: Das BSW wolle Frieden mit Russland, erklärte sie, und forderte ein Ende der Stationierung von »US-Angriffswaffen«, keine Waffenlieferungen an die Ukraine und an Israel, weil sie dort »den Tod von Palästinensern« verursachten. Die USA sollten auch ihre 37.000 noch in Deutschland stationierten Soldaten abziehen. »Ami go home«, rief Dağdelen den BSW-Mitgliedern zu. Die Stimmung explodierte, der Saal brach in Jubel aus, kaum eines der Mitglieder hielt es auf dem Stuhl. Rente, Krankenversicherung, nicht einmal die Behauptung, Corona stamme aus einem US-Biowaffenlabor, rief so viel Begeisterung hervor.

Hass, Ablehnung und Ressentiments waren wichtige Elemente des Aufstiegs des BSW, der erst am Abend der Bundestagswahl gestoppt wurde: Der Westen der Republik, die USA, Israel und die Ukraine – das waren die Themen, mit denen das BSW vor allem in Ostdeutschland punktete und am Ende nur knapp den Einzug in den Bundestag verpasste. Andere waren mit dem Rezept erfolgreicher: Die AfD verdankt dem Hass auf Ausländer ihren Aufstieg. Seit 2022 sammelt sie auch noch Stimmen mit der Ablehnung der Unterstützung der Ukraine. BSW und AfD lieferten sich im Wahlkampf ein Rennen um die Stimmen der Feinde des Westens. Putin wird das gefallen haben.

Und auch die Linkspartei, die längst abgeschriebene SED, wurde zum Shootingstar der vergangenen zwölf Monate, weil sie sich nicht nur klar gegen Rechtsextremismus stellte, sondern den Vorwurf mehr oder weniger deutlich gegen alle Parteien erhob, die für eine restriktivere Zuwanderungspolitik waren. Aber auch mit dem Thema Gaza sammelte die Linke neue Stimmen und Mitglieder ein: „Die neue Linke ist mehr als zu alten Zeiten eine Partei der urbanen Bildungs- und Kulturbohème“, schreibt Gunnar Hinck in der taz. Mit Hingabe wird darüber diskutiert, wie genozidal nun der Krieg in Gaza sei und ob Friedrich Merz ein Rassist ist.

Die AfD erzielte so ihr bestes Bundestagswahlergebnis und stellt heute nach der Union die zweitgrößte Fraktion, die Linke zog überraschend stark in den Bundestag ein und dem BSW gelang der größte Erfolg einer neuen Partei bei Bundestagswahlen in der Geschichte der Republik.

Weder AfD noch Linke oder BSW verfügen über ernst zu nehmende Konzepte, wie sich das Land vor Russland verteidigen soll, wie mehr Wohnungen gebaut werden können, es wieder Wirtschaftswachstum geben könnte und die Energiepreise sinken. Ihre Wähler erwarten es auch nicht. Inmitten einer Mehrfachkrise sind sie als Ressentimentunternehmen erfolgreich. Der Westen, die Migranten, die Konservativen, die Hausbesitzer, die Kapitalisten, die Juden, die Unternehmer, die Altparteien – mal teilen die drei Hass und Ablehnung, mal stehen sie gegeneinander. Für den Erfolg des Konzepts ist das unwichtig.

Solange es CDU, SPD, Grünen und den Resten der FDP nicht gelingt, die realen Probleme wie Energiepreise, Wirtschaft und Wohnungsnot zu lösen, geben sie den Ressentimentunternehmen den Raum für weiteres Wachstum.

 

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ParagrafenPapagei
ParagrafenPapagei
12 Tage zuvor

Genau auf den Punkt gebracht – AfD, BSW und Linke werden nicht kleiner, indem man Social Media-Kampagnen startet, Bildungsworkshops durchführt oder Sonntagsreden schwingt. Sondern die Politik und Verwaltungen – von der Bundesregierung bis zur kleinsten Bezirksvertretung müssen endlich Probleme lösen, die die Menschen betreffen. Nur wenn dies gelingt, werden diese Parteien ganz schnell kleiner.

Zuletzt bearbeitet am 12 Tage zuvor von ParagrafenPapagei
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