
Es ist Pfingsten! Das heißt, hier im Büro-Blog der Ruhrbarone sind wir am langen Wochenende mal wieder mit unseren Stammlesern weitestgehend unter uns. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, euch von einer Beobachtung zu erzählen, die ich gemacht habe.
Als ich im Jahr 2010 erstmals in Kontakt mit diesem Blog trat, gehörte ich noch zu den wenigen engagierten Kritikern des Kraftwerks Datteln 4. Damals versuchte der Kollege Stefan Laurin, meine Einwände an den dortigen Zuständen damit zu entkräften, dass die Gegner des Neubaus doch nur von Egoismus getrieben seien. Das regte mich damals ziemlich auf.
Ich fand das ungerecht – war der in meiner erweiterten Nachbarschaft errichtete Meiler doch ein guter Grund, sich gegen ihn zu engagieren. Er verstieß, selbst nach Einschätzung von Gerichten, gegen geltendes Recht. Den Anwohnern der Dattelner Meistersiedlung Egoismus vorzuwerfen, weil es ihnen lediglich um den Werterhalt ihrer Grundstücke und Häuser ging, erschien mir damals weit hergeholt und vor allem auch ungerecht. Was, bitteschön, soll man denn tun, wenn einem ein Bauvorhaben deutlich zu nah kommt, man das offen anspricht, dann trotzdem gebaut wird – und man vor vollendete Tatsachen gestellt wird? So dachte ich damals.
Das alles ist lange her.
Seither beobachte ich die Stadtentwicklung vor meiner Haustür mit anderen Augen. Nach rund 15 Jahren muss ich einräumen, dass Stefans Einwände damals grundsätzlich gar nicht so unberechtigt waren, wie ich dachte. Nicht unbedingt im Falle von Datteln 4, aber doch im Hinblick auf nahezu alle anderen Bauvorhaben, die sich seither in der Region aufgetan haben.
Die Liste ist inzwischen recht lang. Egal, was neu geplant war oder ist – der von Egoismus getriebene Bürgerprotest betroffener Anwohner, häufig versteckt hinter gefälligen Umweltschutzargumenten, ist meist nicht weit. Seit Jahrzehnten angedachter Neubau der Bundesstraße 474n? Protest! Neubau eines Krematoriums im Gewerbegebiet? Widerstand der Anwohner! Ein neues Gewerbegebiet in der Nähe der Autobahn? Klage der Nachbarn! Ein neuer Kindergarten auf dem ehemaligen Zechengelände? Bürgerproteste! Ja, sogar gegen einen von der Waltroper Jugend seit vielen Jahren herbeigesehnten McDonald’s droht aktuell ein Streit zwischen Lokalpolitik und betroffenen Anwohnern das Projekt erneut zu zerreden.
Und das sind nur die Vorhaben, die mir spontan einfallen. Würde ich ein paar Minuten länger nachdenken, fielen mir bestimmt noch weitere Projekte ein, die durch den Egoismus betroffener Anwohner verhindert oder zumindest verzögert wurden. Und das sind nur die Geschehnisse in meinem unmittelbaren Umfeld hier in Waltrop.
Erweitert man den Blick, wird es anderswo mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht grundlegend anders aussehen. Man mag sich gar nicht ausmalen, wie viel Potenzial unserem Land dadurch verloren geht – weil Anwohner aus egoistischen Gründen, so nachvollziehbar sie im Einzelfall auch sein mögen, Projekte torpedieren.
Insofern muss ich Stefan inzwischen Recht geben: Es ist ein Land von Egoisten, in dem wir hier gemeinsam leben. Darüber lohnt es sich auf jeden Fall einmal ein paar Minuten nachzudenken, wie ich finde – insbesondere in Zeiten der allgemeinen Wirtschaftskrise und einer auf breiter Front verrottenden Infrastruktur.
Der New-Park sollte in der Auflistung nicht fehlen. Vor dem Hintergrund der durch die so genannten „Grünen“ betrieben Deindustrialisierung Deutschlands habe ich mich zwar eine zeitlang ebenfalls gefragt, ob dieses Gelände weiterentwickelt werden soll, aber zumindest auf Bundesebene ist die Deindustrialisierung nicht mehr oberstes Ziel.
Eine wunderbare Geschichte war auch der Ansiedlungsgedanke eines bajuwarischen Motorenherstellers dort. Man brauchte in München Tags drauf nur die Überschriften der lokale Presse zu lesen, um zu erfahren, wie wenig willkommen man war.