Katar: „Die pure Lust, Fußball zu schauen und zu feiern, wurde uns genommen“

Thomas Spiepmann Foto: TAS Lizenz: Copyright


Unser Gastautor Thomas Siepmann ist Geschäftsführer der Essener Agentur TAS Emotional Marketing GmbH. Während der vergangenen Fußballweltmeisterschaften organisierte TAS erfolgreiche Public Viewing Veranstaltungen. Die Fußballweltmeisterschaft in Katar wird das Unternehmen jedoch boykottieren.

Am 2. Dezember 2010 brach sich im FIFA-Hauptquartier in Zürich wohl das perfideste aller Schurkenstücke der Sport-Moderne bahn. Der damalige FIFA-Präsident und die Seinen im FIFA Exekutivkomitee hatten sich in wochenlanger Detailarbeit genau die Mehrheit an Stimmen zusammengekauft, die es brauchte, um den beiden Fußballgroßmächten Russland und Katar die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 zuzuschanzen. Was spielt es da für eine Rolle, dass hernach acht von den 22 Mitgliedern der Korruption überführt wurden und auch der Chef, der Blatter Sepp himself, des Amtes verwiesen wurde?

Zu den Spielen in Russland wäre aus heutiger Sicht sicherlich noch einiges nachzutragen, wir wollen heute jedoch in die Wüste nach Katar schauen. In ein paar Tagen wird in dem Wüstenstaat, die nach eigener Definition, „biggest Show on Earth“, oder wie wir zu sagen pflegen, eine Fußball-Weltmeisterschaft angepfiffen.

Eine WM die verlogener nicht sein könnte und eine komplette, junge Generation um ein weiteres, großartiges Fußball-Erlebnis unwiederbringlich betrügen wird. Ich habe mich zu diesem Thema schon sehr früh positioniert und öffentlich geäußert. Es wird definitiv kein Public Viewing in diesem Jahr von uns geben. Seit 2006 haben wir jede EM oder WM mit unserem Format „11 Freunde-Die Arena“ gefeiert. Die pure Lust, Fußball zu schauen und zu feiern, wurde uns jedoch genommen.. Allein der Gedanke daran auf den Gräbern von über 10.000 Arbeitern, wobei der Begriff „Sklaven“ in Katar eher zutrifft, zu feiern, die den Großmachtsphantasien der Herrscher in Katar während der Bauarbeiten in den letzten 10 Jahren zum Opfer gefallen sind, ist an Perversität kaum zu ertragen.

Passend dazu wird das Finale am 4. Advent in unsere dann wahrscheinlich so gar nicht wohnlichen Stuben übertragen. Interessanter Funfact am Rande, während wir uns dann in Deutschland in Sachen „Energiesparen“ versuchen und uns solidarisch zu zeigen, werden zeitgleich in Qatar mit einem immensen Energieaufwand Stadien auf angenehme 19 – 23 Grad herunter gekühlt. Aber auch dies ist angesichts der rund 200 Milliarden Euro, die das Nachhaltigkeits-Spektakel kostet, für die Scheichs kein Doppel-Wumms (der musste sein) sondern eher eine Prestige-Veranstaltung! Da bleibt die Frage, wer wird sich dieses unwürdige Schauspiel denn ansehen wollen? Ich wollte es wissen und habe den Versuch unternommen dies herauszufinden. Dazu habe ich in meinem Umfeld Freunde und Partner befragt und sie um ihre Meinung zu diesem artifiziellen Wüsten-Spektakel gebeten.

Folgendes darf ich festhalten. Man kann die Fußballwelt in zwei Teile aufteilen. Der eine Teil wird diese WM einfach ignorieren bis boykottieren und sich in dieser Zeit anderen, jahreszeitlich passenderen Aktivitäten zuwenden. Dieser Teil der Fußballgemeinschaft macht über 60 % der Befragten aus. 30 % der Befragten empfindet diese Veranstaltung in der Wüste zwar sehr bedenklich bis verabscheuenswürdig, wird jedoch trotzdem das TV-Gerät einschalten. Der Rest der Befragten hat entweder keine Meinung dazu oder, ist es schlichtweg egal, wo die Spiele stattfinden. Gedankenspiele rund um Menschenrechtsverletzungen, Klimawandel, Energiesparen oder Korruption sind dieser Personengruppe fremd und zu anstrengend, man möchte schließlich seinen Spaß haben. Diese Fraktion schert sich auch sonst einen Dreck um Gerechtigkeit und wird uns, die begeisterten „Fußballfans“ als bereitwillige Claqueure in den Geisterstadien, die auf Sand gebaut wurden, vorspielen. Im Ergebnis empfinden über 90% aller Fußballfans dieses unwürdige Schauspiel als Zumutung. Diese Zahlen decken sich übrigens auch mit einer vom Sportinformationsdienst (SID) eigens in Auftrag gegebenen Studie.

Für mich persönlich bedeutet diese WM und auch die Vorgängerveranstaltung in Russland den größtmöglichen Betrug, dem dieser Sport jemals zum Opfer gefallen ist. Es ist heute bewiesen, dass vor 12 Jahren beide Veranstaltungen von  korrupten Männern an den Höchstbietenden verschoben worden sind. Im Ergebnis dürfen sich nun rund 4 Milliarden Fußballfans weltweit darüber aufregen, dass sich ein paar Betrüger die Taschen voll gemacht haben… Ich kann mich noch gut an die Weltmeisterschaften 1982 in Spanien, 1986 in México und 1990 in Italien erinnern. 1990 sind wir das erste Mal rausgegangen und haben unsere Helden Matthäus, Klinsmann, Völler und Co. gefeiert. Deutschland stand 3x hintereinander im Finale und um meine Fußballsozialisierung war es geschehen. Merkt eigentlich niemand von verantwortlicher Seite, dass man einer ganzen Generation diese emotionalen Erlebnisse, die wir noch erleben durften, schlichtweg gestohlen hat? Wenn Ihr dies auch so seht, möchte ich Euch auf die Initiative #BoykottKatar hinweisen. Hier findet man weiteres Hintergrundmaterial und einen Aufruf.

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Franz Przechowski
Franz Przechowski
1 Jahr zuvor

Thomas, wage es gegen Quatar das Wort zu erheben! Du kommst in den Höllenschlund. Fährmann Uli Höneß wird Dich für einen Silberling persönlich an das Ufer des Hades Reichesb rudern. Du ewig Verdammter!

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