Der Ruhrpilot

NRW: Schwiegermutter ante Portas…Stern

NRW II: Punktlandung für Kraft…Welt

NRW III: Weder Heidemörder noch Ypsilanti-Falle…FAZ

NRW IV: Laumann plant keine Totalopposition…Der Westen

Ruhr2010: Still-Leben, nicht Still-Stand…Welt

Ruhr2010 II: Jürgen Fischer und Ralph Kindel machen mit Still-Leben „Unmögliches möglich“…Ruhr Nachrichten

Essen: Arme leben näher an der A40…Der Westen

Bochum: Tortenprozess geht uns alle an…Bo Alternativ

Bochum II: Urbanatix bei  Bochum Total…Pottblog

Bochum III: Ramsch in the City…Pottblog

Bochum IV: Tana-Schanzara-Platz…Pottblog

Internet: Telekom veröffentlicht Netz-Knigge…F!XMBR

Medien: „Musikantenstadl“ für die Mullahs…Spiegel

Noch mehr Frauen, bitte!

Mit Hannelore Kraft ist erstmals eine Frau zur Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen gewählt worden. Nach dem Monarchen Johannes Rau und den Egomanen Wolfgang Clement und Peer Steinbrück hoffe ich auf einen sachlicheren Politikstil. Und darauf, dass in Krafts Kabinett nicht nur wieder die alte Männer-Garde Platz nimmt. Neben der weiblichen Doppel-Spitze müssen auch auf die Regierungsbank mehr Frauen!

Ein Blick in die Landeshistorie zeigt, wie wichtig eine neue Politik wäre. Die grüne Vize-Landeschefin Sylvia Löhrmann kann sich gut an die alte NRW-Ära erinnern. „Früher gab es in der SPD Leute, die haben gestritten um des Streitens willen“, sagt sie. Die Zeit der Hahnenkämpfe sei nun zum Glück vorbei. „Zum ersten Mal sind wir mit der SPD auf Augenhöhe“, sagt sie begeistert. Löhrmann sitzt schon seit 15 Jahren im Düsseldorfer Landtag und hat Krafts Vorgänger Johannes Rau, Wolfgang Clement und Peer Steinbrück erlebt. Eine völlig andere Generation. Der inzwischen verstorbene und spätere Bundespräsident Johannes Rau regierte 15 Jahre lang als NRW-Ministerpräsident mit absoluter Mehrheit und hat anschließend die Grünen leidlich geduldet. Wolfgang Clement „hatte nur ein riesiges Ego“, sagt Löhrmann. Clement brachte Rot-Grün mit seinen Alleingängen regelmäßig an den Rand des Zusammenbruchs. Einmal reiste Clement nach China und durfte mit der Schwebebahn Transrapid fahren. Tags darauf wollte er das Milliardenprojekt in NRW bauen, mitten durch das dicht besiedelte Ruhrgebiet. Erst wurde das Wahnsinnsprojekt verschoben dann folgerichtig beerdigt. Nun wartet das Revier auf eine schnellere S-Bahn.

Wenige Monate später fuhr Clement nach Israel in ein Labor für Stammzellforschung. Sofort wollte das inzwischen aus der SPD ausgetretene Alphatier auch an Rhein und Ruhr diese umstrittene Genmanipulation erlauben. Clement fuhr wie ein kleines Kind durch die Welt und verlangte dann von seiner Regierung, die gesammelten Ideen umzusetzen. „Da wurden ständig Sachfragen zu Machtfragen hochgejazzt,“ sagt Löhrmann.

Die Grünen schauten damals fassungslos zu, zogen sich wütend in die Schmollecke zurück. Geredet wurde nicht mehr zwischen denn Politkern. Wenn die Grünen, damals noch angeführt von der Linken Bärbel Höhn, mit Clement auf einer Bühne waren, haben sie schon körperlich den größtmöglichen Abstand eingehalten. Selten sprachen sie mit einer Stimme. Löhrmann und Kraft hingegen treten so geschlossen und einstimmig vor die Mikrofone, als seien sie in der selben Partei. Das spart Energie für wichtigere Dinge.

„Komm in die Gänge…“

Heute eröffnet im  Künstlerhaus Dortmund die Diskussionsveranstaltung „Komm in die Gänge“.

Das Gängeviertel in Hamburg wurde im vergangene Jahr zu einem Symbol für die Widerstände die entstehen, wenn Szeneviertel zu Kreativquartieren werden sollen. Gentrifizierung nennt sich der Prozess, wenn staatliche Planung und viel Geld versuchen, das Image gewachsener Strukturen zu nutzen,  um Quartiere für eine zahlungskräftige Klientel zu öffnen.

Im Gängeviertel führte diese Politik zu Hausbesetzungen und Debatten über die künftige Stadtstruktur Hamburgs. Die Diskussionsveranstaltung  im Künstlerhaus Dortmund stellt die Erfahrungen dieser Auseinandersetzungen vor und schlägt eine Brücke zur Wirklichkeit des Ruhrgebiets im Kulturhauptstadtjahr. Beginn: 19.00 Uhr, Künstlerhaus, Dortmund

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Hannelore Kraft: Ministerpräsidentin im zweiten Wahlgang

Hannelore Kraft (SPD) wurde soeben mit 90 von  181 Stimmen zur Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen gewählt.

90 Stimmen für Hannelore Kraft, 80 gegen sie und 11 Enthaltungen. Das reichte im zweiten Wahlgang, das war die relative Mehrheit. Es gab keinen Gegenkandidaten. Im ersten Wahlgang erhielt Kraft ebenfalls die 90 Stimmen von Grünen und SPD. FDP und CDU stimmten wahrscheinlich ebenso wie ein Abgeordneter der Linkspartei gegen Kraft. Wohl zehn Abgeordnete der Linkspartei enthielten sich wie angekündigt der Stimme.

Hannelore Kraft ist die erste Ministerpräsidentin NRWs. Sie verfügt im Landtag über keine Mehrheit und ist auf die Unterstützung oder Duldung von Union,FDP oder Linkspartei angewiesen.

A local Hero´s Diary I: Drei Akkorde weiter

Unser Gastautor Carsten Marc Pfeffer berichtet wie seine Local Hero Woche in Bochum gelaufen ist.

Montag, 12. Juli Die Woche der Local Heroes beginnt mit einem Kaffee, einer Selbstgedrehten und der druckfrischen Tageszeitung. Tommyboy hat die Bochumer Kultur mit Dieter Gorny aufgemacht. Die Kreativwirtschaft und die temporäre architektonische Intervention in der Baulücke (t.a.i.b.), kurz: „die Neubausituation City-Tor-Süd“ – wie immer flockig runtergeschrieben. Darunter folgt ein Artikel von mir. „Tenöre wie im Klangteppich verwoben.“ Ich hatte versucht für das Unsagbare in einer Komposition Krzysztof Pendereckis synästhetische Bilder zu finden. Von „pseudointellektuell“ bis „geht gar nicht“, verspotteten mich meine Kritiker. Aus Angst vor einer noch größeren Blamage hatte Tommyboy in meinem Artikel sämtliche Assoziationen relativiert. Daher sind die Tenöre nun auch „wie“ im Klangteppich verwoben. Eine Ungeheuerlichkeit. Ich lege die Zeitung beiseite, koche neuen Kaffee und dreh mir eine weitere Zigarette. Heute geht es zur Konkurrenz.

Die Produktion der Bochumer Stadt- und Studierendenzeitung könnte an diesem Montag nicht enervierender sein. Das Philosophische Institut an der Ruhr-Universität soll aufgeteilt werden. Ein Skandal!, wettert der Mittelbau. Vom Ende der Geisteswissenschaften wird gesprochen. An allem sei nur der Rektor schuld. Persönlich zitiert werden möchte aber keiner. Da ist man als Journalist machtlos. Ich plädiere dafür, weiter an der Gerüchteschraube zu drehen, um das Thema aufzublasen. Zum wiederholten Male werde ich an diesem Morgen als „Spinner“ bezeichnet. Mein Artikel über die wieder erhältlichen Memoiren Tana Schanzaras wird hingegen wohlwollend aufgenommen. Es ist schon eine besondere Ehre, Mitglied der „ältesten kontinuierlich erscheinenden Studierendenzeitung im deutschsprachigen Raum“ (so der offizielle Titel auf Wikipedia) sein zu dürfen. Ich mag auch das Gender-Gap. Ich finde das alles super.
Gegen Mittag wird der Kater unerträglich. Warum musste ich auch bei Helmut und Marita wieder mit den Rabauken bechern? WM-Finale oder nicht, meine Bauspeicheldrüse gibt Pfötchen. Ab heute werde ich mich vegetarisch ernähren, versprochen. Ich entscheide mich in der Mensa für Tofu mit Mozzarella und Brunnenkressesauce. Dr. Schröder tut es mir gleich. Wieder viel zu heiß heute, aber ein Gewitter zieht auf. So, so. Noch Seite 4 setzen und ein letztes Mal Korrektur lesen, dann wird es Zeit für den Feierabend. Die Online-Redaktion muss heute ohne mich auskommen. „Kommt jemand Freitag zu meinem Gig mit Boris Gott?“ – „Vielleicht.“

Habitus des Disparaten

In der U35 gerate ich ins Grübeln. Seit drei Wochen lasse ich mir einen Bart wachsen. Warum? Ich weiß es nicht, aber irgendetwas sagt mir, dass ich mich gegenwärtig in meiner persönlichen Bart-Phase befinde. Ich sehe die Musiker der Prog-Rock-Phase der 70er vor mir. Alle mit Bart. Sie lachen so dionysisch und sind dabei ganz versunken in den Flow ihrer ekstatischen Musik. Aber was hat das mit mir zu tun? Nullkommanix. Ein Bart juckt, man schwitzt mehr und der Habitus verirrt sich im Disparaten. Doch was noch schlimmer ist: mir wächst überhaupt kein richtiger Bart. Die Härchen sind viel zu weich und wie sie sich auf meiner Backe kräuseln, sehen sie eher aus wie Schamhaar. Das irritiert nicht nur mich. Wobei festgestellt werden muss, dass die Frauen in meiner unmittelbaren Umgebung mitleidender auf mich reagieren, die Männer hingegen aggressiver. Ein Dilemma. Aber ich sollte nicht über so einen Scheiß nachdenken, sondern mich um meine Songs kümmern.

Auch in der Wohnung ist es viel zu heiß. Das Gewitter hatte nur für eine vorübergehende Abkühlung gesorgt. Nun ist alles sumpfig. Mein T-Shirt hat sich vom Brustbein aus mit Schweiß vollgesogen und klebt nun beengend an meiner Haut. Runter damit. Ich bin zuhaus. „Kratze den Mann aus dir raus. Verrate die Länder der Väter. Keine Arme, keine Beine, keine Ohren – nur Gefieder“, schallt es aus der Anlage. Ich weiß noch, wie ich zum ersten Mal eine Pressemeldung über Hans Unstern gemailt bekam. Wegen des Namens „Unstern“ hatte ich gedacht, es würde sich um irgend so ein überflüssiges Gothic-Projekt handeln und die Mail ungelesen in den Papierkorb befördert. Als ich Unsterns Debüt dann zu hören bekam, schämte ich mich schrecklich. Heute zählt Hans zu den treuesten Copiloten meiner Tagtraumreisen. Aber zu viel Fremdeinfluss ist natürlich auch nicht gut, wenn die eigenen Songs noch nicht fertig sind. Immerhin ist Freitag bereits der Auftritt.

So geht es nun schon seit vielen Jahren. Zu Bochum Total spiele ich ein kleines Liedermacher-Set im Zacher in der Brüderstraße. Stets ist es mir ein Pläsir. Besonders weil das Ganze so unambitioniert daherkommt. Im Frühling schreibe ich ein paar Songs und im Sommer trage ich sie auf dem Festival vor. Vielleicht folgt im Herbst noch ein weiterer Gig in einer Szenekneipe meiner Wahl, aber im Winter kommt die Gitarre ganz sicher wieder auf den Dachboden. Mehr nicht. Einmal begleitet mich ein Pianist von der Folkwangschule, ein andermal ein Gitarrist aus der lokalen Punk-Band. Mehr braucht es nicht zum Glücklichsein. Und jedes Jahr tun es mir mehr Musiker und Kleinkünstler aus Bochum gleich. Man darf getrost behaupten, dass ich das Off-Programm des Festivals erfunden habe. Das besondere an 2010 ist, dass Bochum Total in diesem Jahr in die Local-Heroes-Woche eingebunden worden ist, wegen Kulturhauptstadt und so. Und irgendwie spricht mich das an. Irgendwie freut mich das, denn ich bin gerne unter Freunden. Doch bin ich kein Freund von Patriotismus, worunter gemeinhin auch der Lokalpatriotismus fällt. Ich lebe hier gerne, wenn es multikulturell, kreativ und unabhängig zugeht. Aber ich habe nicht das Gefühl, hier wirklich verwurzelt zu sein. Doch was hatte ich über die Lieder von Tana Schanzara geschrieben? „Das ist der Sound von Ürdinger und Bierschaum, von Lohntüten und Schrebergartenidyll. Diese Lieder waren wichtig für die kulturelle Identifikationsleistung der Bewohner_innen einer Dorfgemeinschaft namens Ruhrgebiet. Sie sind die Leuchtpfade hin zu einer Kulturmetropole.“ – Da hatte mich wohl wieder der Pathosteufel geritten. Aber vielleicht könnte es so gehen. Letztendlich müssen die Lieder darüber entscheiden. Die Lieder und der Einsatz. Also ran an die Arbeit.

Die Aufhebung der Ökonomie

Die neuen Songs sind in diesem Sommer sehr ausdrucksstark geworden. Der Einfluss von Gisbert zu Knyphausen ließ die früheren Einflüsse von Tom Liwa oder sogar Götz Wiedmann zurücktreten. Keine Frivolitäten mehr! Nur noch ein verzweifelter Schrei nach Liebe. Hören wir doch endlich auf damit, so zu tun, als hätte es Ulla Meinecke und Stefan Sulke nie gegeben. Die Verschichtungen fließen, und ich jedenfalls will mich nur noch verschenken. Ich will auch keine Gage. Lediglich eine zarte Aufhebung der Ökonomie.

Die Probe: schwitzend auf dem Bett. Sechs Stunden später sind die Finger wund gespielt und meine Stimme ist nur noch ein schmerzhaftes Kratzen. Von nun an werde ich jede Stunde eine Ipalat-Halspastille einnehmen und versuchen, mich abzulenken. Was schwierig ist, wenn man das Pony erst mal wachgerüttelt hat. Alles ist jetzt Schall und Rhythmus, hat eine Eigendynamik entwickelt, lässt mich nicht zu Ruhe kommen. Alles schreit nach einem Drink.

Tommyboy ruft an und wir lassen den Tag im Zacher ausklingen. Es ist eine wundervolle friedliche Nacht. Selbst das Klima ist nun erträglich geworden. Vom Bahnhof aus trotten junge Menschen mit ihren Koffern Richtung Jugendherberge. Sambuca oder Grasovka? Wir nehmen einen. Nach zwei weiteren gesellen sich die Mädchen zu uns. Wir scherzen und trinken und planen einen Ausflug an den Silbersee in Haltern. Ich bestelle mir ein Kotelett – aber nur wegen der sagenhaften Panade, wie ich versichere. Dann beginne ich mit Tommyboy über die theoretischen Vorzüge Robert Connells gegenüber Judith Buttler zu streiten. Gerade war es noch Mitternacht, nun ist es schon halb drei. Ein bisschen Schlaf sollte schon sein, immerhin gibt es bis Freitag noch viel zu tun.

Der Ruhrpilot

NRW: Angriff der Power-Frauen…Spiegel

NRW II: Kraft und Löhrmann – das Frauen-Duo mit Chuzpe…Welt

NRW III: Laumann gibt Laschet Sonderrolle in CDU-Fraktion…Der Westen

Ruhr2010: Meisterabend im Zauberkasten…Pottblog

Ruhr2010 II: Führung durch die Bochumer Synagoge…Pottblog

Bochum: Bochum Total Vorbereitungen gestartet…Ruhr Nachrichten

Verkehr: Ausgefallene Klimaanlage im ICE – Bundespolizei sucht Zeugin…Xtranews

Kultur: Fotolegende Wolman über Cash und Davis…Der Westen

Medien: Ein Antrag an den Kulturausschuss mitsamt Einleitung über die Misere des Lokaljournalismus…Zoom

Medien II: mediaclinique präsentiert Die Gazette…Mediaclinique

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Update: Klatsche für Alt-Stalinchen Böth im ersten Wahlgang

Gunhild Böth, Landtagsabgeordnete der Linkspartei, hielt die DDR für ein sehr demokratisches Land. Nun hat sie eine kleine Lektion in Sachen Demokratie erhalten.

Denn anders als in der von Böth geschätzten Mauerrepublik kann es Kandidaten in der Bundesrepublik passieren, dass sie durchfallen. Auch wenn sich, wie im Fall der Wahl der Landtagspräsidenten und ihrer Stellvertreter in NRW, die Fraktionen geeinigt haben, dass jeder einen der lukrativen Posten erhalten soll.

78 Abgeordnete wählten im ersten Wahlgang das Alt-Stalinchen der Linkspartei. 13 zu wenig. Eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten konnte wohl ihren Ekel vor Böth nicht überwinden.

Erst im zweiten Wahlgang wurde Böth gewählt – mit 87 Stimmen. Zieht man von den 87 Stimmen für Böth die 11 der Linkspartei ab haben 76 Abgeordnete demokratischer Parteien eine Frau zur Landtagsvizepräsidentin gewählt, die Diktaturen eigentlich ganz prima findet. Erbärmlich.

Zum Landtagspräsidenten wurde übrigens alter Freund der Ruhrbarone gewählt: Eckhard Uhlenberg (CDU). Wir gratulieren.