Die Hauptstadtfrage

Wo soll der Palast des Reviers stehen? Foto: Flickr/morak faxe

Jens vom Pottblog hat sich an ein ganz heikles Thema herangewagt: Die Hauptstadtfrage. Sollte das Ruhrgebiet zusammen wachsen, braucht es ein Zentrum – nur wo soll es sein? Jens sieht, wie ich finde zu Recht, nicht ein, warum Essen automatisch diese Funktion einnehmen soll und schlägt eine charmante Variante vor: Die Bonner Lösung. Weder Dortmund noch Essen werden "Hauptstadt" des Ruhrgebiets, sondern eine kleine, neutrale Stadt. In diesem Fall wäre ich für Herne – die sind gut ans Zugnetz angeschlossen. Ich finde auch die Idee, Dortmund zum Sitz eines Ruhrbezirks für das Revier zu machen gut. Dortmund ist die größte Stadt des Ruhrgebiets und Essen könnte in diesem Fall den RVR behalten.
PS.:
Zum Glück ist die Frage der Fußballhauptstadt im Ruhrgebiet unumstritten: Gelsenkirchen. 🙂

 

Raus! Schnell! Alle!

Alle raus – das Revier wird geräumt. Foto: Flickr/JÖrg

Jeden Tag bekommt man jede Menge Pressemitteilungen. Die hat mich heute schockiert:

Forscher entwickeln Evakuierungsmodell für das Ruhrgebiet

Duisburg/Essen. Wie lässt sich ein Ballungsraum wie das Ruhrgebiet im Ernstfall effizient, schnell und geordnet evakuieren? Diese Fragen klären derzeit Forscher der Universität Duisburg-Essen. Die Gruppe des Zentrums für Logistik und Verkehr (ZLV) entwickelt ein neues Evakuierungsmodell. Beraten wird sie dabei vom NRW-Innenministerium und von den Feuerwehren Duisburg und Köln.
Im Mittelpunkt des Modells steht die Regelung der Verkehrsströme. Auch ein Thema: Sammelstellen, von denen Fußgänger, etwa mit Bussen, weiter aus der Gefahrenzone gebracht werden können.
Die Finanzierung des auf drei Jahre angelegten Projekts übernimmt die WestLB Stiftung Zukunft NRW.

OK, wir haben ein paar Probleme, aber man muß ja nicht gleich das Kind mit dem Bade auskippen

Cool: Future Lab der Ars Electronica kommt nach Dortmund

Ars Electronica Center Linz. Foto: Wikipedia

Das ist eine gute Nachricht: Nachdem die Landesregierung dafür gesorgt hat, dass der U-Turm in Dortmund nicht zur neuen Ausstellungshalle des Museums am Ostwall wird, wie Dortmunds OB Langemeyer ursprünglich vor hatte, hat man sich in Düsseldorf richtig Mühe gegeben, was Vernünftiges in den alten Brauereiturm zu bekommen – und es hat geklappt. Das Future Lab des Ars Elektronica Centers aus Linz wird eine Zweigstelle im Dortmunder „U-Turm“ aufbauen. Hoffentlich bleiben die auch nach 2010 noch im Ruhrgebiet. Hier die ganze Meldung.

Werbung fürs Revier


Ein starkes Stück Werbung. Foto: RVR

Frank Dopheide, Chef der Agentur Grey, hat sich bei einem Treffen der CDU über die Perspektiven des Ruhrgebiets geäussert. Er fordert "Sex, Drugs und Rock´n´Roll". Gut, dann wird er ab jetzt  Dopeheide genannt. Das Ergebnis werden wir bald sehen, denn seine Agentur bereitet im Auftrag des Inititiativkreises Ruhr eine Werbekampagne für das Ruhrgebiet vor. Gut, dass die Wirtschaft einspringt, wenn die Politik versagt. Bis die Kampagne wohl im Herbst zu sehen ist, diskutiert Djure im Blog.50hz schon einmal, was die Kampagne nicht wird leisten können. Ich glaube ja, dass wir eine solche Kampagne wieder dringend brauchen – die Erste, "Ein starkes Stück Deutschland", war erfolgreich und ein Muster für zahlreiche Kampagnen anderer Städte. Aber wir brauchen auch die gemeinsamen Inhalte, die es zu kommunizieren lohnt – und Menschen, die die Region repräsentieren. Heinz-Dieter Klink, der jetztige RVR-Chef, ist das sicherlich nicht. Er hat sogar geschwiegen, als es in den letzten Tagen um das Ende des RVR ging. 

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Resolution zum RVR Erhalt

Das Ruhrparlament des RVR hat eine Resolution zum Erhalt des Verbandes verabschiedet. Es gab eine einzige Enthaltung: Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer konnte sich nicht dazu entscheiden, für den Erhalt des RVR zu stimmen. Die Resolution gibt es hier.

Schwarz-Grün: Wer hats erfunden?

Mülheim. Foto: Ruhrbarone

Das Ruhrgebiet. 1994 starteten in Gladbeck und Mülheim die ersten schwarz-grünen Bündnisse der Republik. Die gemeinsame Erfahrung jahrzehntelanger Opposition und  wohl auch die Starrheit der SPD machte es möglich, dass  Schwarz-Grün im Ruhrgebiet zu erst gedacht und gemacht wurde. Der Spiegel zitierte damals den Gladbecker-Grünen Mario Herrmann, heute Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im RVR: "Über Jahre sind wir von den Sozis als ,Ratten“ beschimpft worden", klagt Grünen-Fraktionschef Mario Herrmann, 32. Sogar von "alle erschießen" sei die Rede gewesen." Heute werden Essen und Duisburg von CDU und Grünen gemeinsam regiert und auch im Kreis Recklinghausen kooperieren beide Parteien. Nun ist also vielleicht Hamburg dran. 
Für die SPD begann 1994 übrigens ein Niedergang, der bis heute andauert: Wurden damals noch fast alle Städte im Ruhrgebiet von der SPD mit einer absoluten Mehrheit regiert, ist es heute bei den Großstädten des Reviers nur noch Oberhausen, das fest in sozialdemokratischer Hand ist – und das auch nur durch die Stimme des Oberbürgermeisters.

Jugend Kultur Zentren 2010 – Teil 4: Bahnhof Langendreer (2)

?: Kommt eigentlich irgendwann das Feindbild abhanden? Man sendet ja nach ganz weit draußen plötzlich und kann plötzlich mit der Stadt. Man repräsentiert etwas. Und im Tagesgeschäft stellt sich ja auch nicht zwingend die Frage nach dem politischen System in Deutschland. Wie bleibt man den Inhalten treu in einer irgendwann vielleicht doch etwas anderen Zeit? Oder wird das dann irgendwann corporate identity, so á la: „Wenn wir das täten, das wäre dann nicht mehr der Bahnhof“?

!: Es gibt ständige Reflektion. Wir diskutieren teilweise heute noch im kompletten Team Grundsatzentscheidungen, Personaldinge, auch einzelne Veranstaltungen. Ansonsten läuft vieles schlicht in der Praxis, in den Schwerpunkten Kabarett, Weltmusik, Neue Musik, Jazz, Kindertheater, Kino, Politik. Und das dritte ist, dass sich hier immer noch ganz viele Initiativen treffen. Die Gastronomie im Kneipenbereich ist verpachtet an Leute, die früher hier am Tresen gearbeitet haben, die anderen Bereiche machen wir selbst, wofür es insgesamt 14 Stellen gibt. Konsens ist, dass der Bahnhof ohne einen dieser Bereiche nicht der Bahnhof wäre. Und dann gibt es eine Jahresplanung, jetzt zum Beispiel mit der Reihe „60 Jahre DDR“. Falls da jemand dagegen aufstehen würde, dann wäre z.B. die Autonomie des Bearbeiters „Politik“ aufgehoben.

?: Und das Feedback von außen?

!: Die Szene kritisiert uns – wenn überhaupt – derzeit eher auf einem Niveau von „Kommerz“, „unpolitisch“, „nicht mehr der Revolution verpflichtet“. Oder Fragen wie: „Wie kann man hier Die Kassierer spielen lassen?“ Das Kino ist da meist außen vor, und man ist generell einer größeren Breite verpflichtet. Da kommen die Themen, die wir hier intern für konstitutionell halten, aber auch vor, wie der Nord-Süd-Konflikt und hiesige Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.

?: Man kümmert sich also mehr. Wie sieht das aus und wie war das eigentlich mit dem Wageni gegenüber?

!: Das war 1986 das Baubüro, in dem man sich traf. Als dann keine Verwendung mehr dafür war, haben wir das weiter gegeben an Leute die gefragt haben und Volxküche und Punkkonzerte und so etwas gemacht haben und machen. Was das Engagement im Stadtteil betrifft findet das nicht im Hause statt, bis auf die Dorfpostille, eine Stadtteilzeitung die hier entstanden ist, eine Spielgruppe und eine Frauengruppe, die einmal in der Woche Frühstück macht. Schwerpunkt ist beispielsweise nicht, hier eine soziale Beratung zu machen. Das ist nicht die Zielsetzung. Wir kümmern uns eher um Themensetzungen. Und da strahlen die Kulturveranstaltungen halt viel weiter als das Kinoprogramm oder erst recht die politischen Veranstaltungen.

?: Der Bahnhof ist ja generell globaler und vielschichtiger aufgestellt als vergleichbare Häuser. Wie beisst sich das mit dem derzeitigen offiziellen Verständnis von Metropolentum und Leuchtturm-Debatten im aktuellen Kulturdiskurs? Man hat ja oft den Eindruck, dass mit der Aura dieser gewachsenen Zentren Werbung gemacht wird für Standorte, in denen sich dann letztlich höchstens Agenturen und Webdesigner ansiedeln.

!: Grundsätzlich gilt: Wenn es denn schon eine „Metropole Ruhr“ gibt, dann auch, weil es Zentren wie den Bahnhof, das GREND oder den Ringlokschuppen gibt! Solche locations gehören zwingend zur Urbanität einer Region wie dem Ruhrgebiet dazu, erhöhen für Einheimische und Externe die Attraktivität und Lebensqualität. Vieles, was heute im Ruhrgebiet als Touristenattraktion gilt, gäbe es nicht mehr, wenn es die freie Szene nicht gegeben hätte. Ein Beispiel: Die Jahrhunderthalle in Bochum, heute der bekannteste Spielort der Triennale, wurde zuerst vom Thealozzi und dem stahlhausen enterprise theatral bespielt. Da haben wir einiges zum Bewusstseinswandel beigetragen!
Dann: Soziokulturelle Arbeitsweisen haben sich auch in den großen Institutionen durchgesetzt. Welches Museum kommt heute noch ohne vermittelnde, kulturpädagogische Angebote aus, oder welches Theater ohne „junges Theater“ oder Jugendclub? Weiter: KünstlerInnen, die in den Zentren groß und bekannt geworden sind, bevölkern heute auch Fernsehsendungen, Konzerthäuser und und und.
Aber: Es gibt immer noch eine sehr hierarchische Wahrnehmung von künstlerischer Qualität durch Medien und auch die Politik. Es hat den Anschein, dass alles was in den großen Theatern, in den Konzerthäusern zur Aufführung kommt, gut und wichtig ist, während die Qualität der Freien und Soziokulturellen eher geringer geschätzt wird. Nicht zuletzt drückt sich das auch in barem Geld aus.

?: Kurz zurück zum System Bahnhof: Man hat ja manchmal den Verdacht, es könnte sich bei solchen ehemals besetzten Häusern und ähnlichem um so etwas wie Ein-Generationen-Projekte handeln…

!: Die Gefahr besteht. Ein großes Problem, das durchgängig viele vergleichbare Zentren haben, ist dass es sehr schwer fällt, Nachwuchs in die Teams zu integrieren. Das hat verschiedene Gründe: Die Gründergeneration waren in der Regel Autodidakten, ohne entsprechende passende Berufsausbildung, ursprünglich also tätigkeitsfremd, was einen Wechsel in andere Arbeitsbereiche schwer macht; wir haben außerdem auch aufgrund der hohen Identifikation der Mitarbeiter mit dem Haus eine sehr geringe Personalfluktuation und natürlich aus Geldmangel wenig Möglichkeiten, neue Stellen zu schaffen. Hier fehlt es eindeutig an tragfähigen Konzepten, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Der Bahnhof versucht z.B. mit der Schaffung von Arbeitsplätzen oder längerfristigen Praktikastellen hier ein wenig entgegenzuwirken. Aber es ist klar, das reicht noch nicht aus.

?: Abschließend: Wie geht es dem Bahnhof 2009, nach größeren Nöten Anfang des Jahrzehnts und dann dem Ausbau letztens mit dem Studio 108?

!: Wir haben teilweise deutliche Kapazitätsprobleme im Rahmen unserer wirtschaftlichen und inhaltlichen Notwendigkeiten und machen daher Veranstaltungen wie Herbert Knebel oder Dieter Nuhr auch in der Jahrhunderthalle, dem RuhrCongress oder auf der Freilichtbühne in Wattenscheid. Damit zollt man auch Tribut an ein verändertes Publikum, das klarer auswählt, ärmer geworden ist und deshalb auch weniger experimentierfreudig.
Ganz allgemein gilt auch, dass die Zahl der Kulturorte enorm angewachsen ist und noch weiter wächst: Allein in der unmittelbaren Nähe des Bahnhofs gibt es in den letzten Jahren neu das domicil und das Konzerthaus in Dortmund, das Zeltfestival Ruhr, demnächst das neue FZW in Dortmund, die Spielstätte der Symphoniker, die Marienkirche und das sogenannte Goosen-Theater in Bochum. Alle bemühen sich fast um das gleiche Publikum, d.h. die Gefahr besteht der Kuchen bleibt gleich groß, die Stücke werden kleiner. Hier gilt es, tatsächlich neue Publikumsschichten zu erschließen. Noch profitiert der Bahnhof von seinem Ruf, seinen Erfahrungen und Kompetenzen, aber wir können uns darauf nicht ausruhen, sondern müssen uns der Tatsache des wachsenden Angebotes stellen.

?: Besten Dank für das ausführliche Gespräch!

Einer flog über das Kuckucksnest I: Theater Oberhausen

FM Einheit. Foto: FH Einheit

33 Jahre nach Miloš Formans fünffach Oscar-prämierter Verfilmung mit Jack Nicholson in der Hauptrolle wird das Kuckucksnest direkt von zwei Theatern im Revier überflogen: Oberhausen startete am 22. Februar, Bochum wird eine Woche später nachziehen.

Die Dramatisierung von Dale Wassermann wurde 1963 uraufgeführt, 1977 war sie erstmals in Deutschland zu sehen. Laut dem deutschen Verlag Rowohlt hat das Stück einen festen Platz im Repertoire, indes kann ich mich an keine Inszenierung während der letzten zehn Jahre erinnern.

Um einer Gefängnisstrafe zu entkommen, lässt sich der Kleinkriminelle Randle McMurphy in die Psychiatrie einweisen. Dort trifft er auf eine Reihe von Patienten, die unter der Fuchtel von Oberschwester Ratched stehen. Zwischen dem aufmüpfigen McMurphy und Ratched entspinnt sich ein Machtkampf.

Der Regisseur Stefan Maurer arbeitet auch in dieser Inszenierung mit FM Einheit zusammen, der die Musik für das Stück komponiert hat. Schon vor Beginn der Vorstellung kann sich der Zuschauer in den Wahnsinn der Psychiatrie hineindenken, wenn er auf seinem harten Sessel des kleinen Theaters Platz genommen hat und immer den gleichen verzerrten Loop hört. Zwei Patienten – in Oberhausen ist die Dramatis personae zusammengestrichen, hier sind acht Personen auf der Bühne, während es in Bochum vierzehn sein werden – sind schon auf der Bühne: Dale Harding und Häuptling Bromden. Dieser hat von Regisseur Maurer eine Flüchtlingsbiographie angedichtet bekommen, und so ist er kein indianischer Ureinwohner wie in der Romanvorlage, sondern Flüchtling aus dem Irak, welcher an der Willkür der Einwanderungsbehörde verzweifelt und dem Wahnsinn anheim fällt. So fegt er beständig die Bühne, während die anderen Patienten bizarre Gruppensitzungen unter Schwester Ratcheds Leitung absolvieren, in denen sich weitere Flüchtlingsschicksale offenbaren.

Stefan Maurer und seiner Dramaturgin liegt dieser Aspekt sehr am Herzen, neben der Weiterdichtung des Textes sind in der Pause im Foyer des Theaters Videointerviews mit Flüchtlingen zu sehen, Infomaterial liegt aus. Der Fokus auf die Problematik wirkt etwas angestrengt und lenkt leider von der eindrucksvollen Schilderung der Missstände in dieser Psychiatrie ab: die Patienten werden von einer zwei Meter großen Tablette sediert, Sinn und Nutzen von Elektroschocks werden vorgestellt, Dr. Spivey, der Arzt, hat nur Floskeln zu sagen, welche das Ensemble als Chor herunterbetet und überhaupt ist der Herrscher der Station Schwester Ratched, welche selbst in ihrer Abwesenheit von der Szene per Lautssprecher mit ihren Untergebenen zu kommunizieren vermag.

McMurphy torpediert Ratcheds Diktatur und wettet, dass er es schafft, die Schwester zu zermürben. Höhepunkt seiner Revolution stellt eine wilde Party dar. Ratched sitzt indes am längeren Hebel: McMurphy, von dem man kolportiert, er sei geflüchtet, wird im Krankenhausnachthemd auf einer Sackkarre auf die Bühne gefahren – man hat bei ihm eine Lobotomie („Das ist eine Kastration fürs Hirn“) durchgeführt.

Stefan Maurer ist eine gute Inszenierung eines sehr guten Stücks gelungen. Der Abend bietet sehr komische, melancholische und auch schreckliche Momente, wegen derer sich eine Reise in die „Theater-Provinz“ unbedingt lohnt.

Oberhausen hat die Latte für das Kuckucksnest sehr hoch gelegt. Bis zur Bochumer Premiere am 29. Februar empfehle ich zum Zeitvertreib die Anstalt der misshandelten Kuscheltiere.

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„Wir wollen kein zweites BenQ“

Nokia Protest: Foto: Görges

Ein Nokia Mitarbeiter berichtet über die Betriebsversammlung von Nokia in der Westfalenhalle

"Wir wollen kein zweites BenQ"

Unter diesem Motto stand die Betriebsversammlung der Nokia Mitarbeiter heute in der Westfalenhalle.
“Es ist kein Vertrauen mehr in Nokia” so Gisela Achenbach, die Betriebsratsvorsitzende, das habe sich die Firma gründlich verspielt. Daher besteht auch kein Vertrauen in die Lösungen, die Nokia für die Mitarbeiter der Automobilsparte und der CoreSoftware anbietet. “Dieses Vertrauen kann Nokia ganz schnell wiedergewinnen”, dazu müssen sie nur auf die Forderungen der Betriebsräte eingehen. Die stellten die Abfindung für alle an die erste Stelle. Egal, ob die Mitarbeiter danach von  irgendwelchen Düsseldorfer Private Equity Partnern übernommen werden, von Indischen Technologiefirmen oder sonstwem. Denn wer kann nach dem Fall „BenQ“ noch einem sogenannten Investor trauen? Technologie wird kopiert, wird in den Fernen Osten mitgenommen und nach einem Jahr ist wieder Schluss für die Mitarbeiter. Daher müssen alle Nokianer gleich behandelt werden, auch wenn sie von irgendwem übernommen werden sollen. Darüberhinaus werden die Investoren für die neuen Arbeitsplätze genau angerschaut. Zur Not tut es wohl auch eine Transfergesellschaft, die dann ab 1.1.2009 arbeitet. Bis dahin möchte der Betriebsrat die Anstellungen bei Nokia behalten, zumal das aufgrund des Zeitplanes und der Kündigungsfristen fair und sinnvol wäre. Für schwerer Vermittelbare soll es 2010 noch ein halbes Jahr Transfergesellschaft geben. All das kann der Arbeitgeber am Tag direkt nach der Betriebsversammlung unterschreiben, und so das gemeinsame Ziel erreichen, schnell Klarheit zu schaffen.
Zumindest sind die Bereiche Automotive und CoreSoftware Teil der Verhandlungen, so der Vertreter der Arbeitgeber auf der Versammlung, der auch ein Hauptaugenmerk auf die alternativen Beschäftigungen legt. Für ihn ist wichtig, dass Teams erhalten werden müssen, um ganze Teile sinnvoll verkaufen zu können. Was ihm natürlich die Frage aus der Belegschaft eingehandelt hat, warum – wenn Nokia trotz der Gewinne geht – dann jemand anderes in Bochum weitermachen solle.
Zumindest sagte der Arbeitgebervertreter, dass man sich verantwortlich fühle. Schadensbegrenzung, die ein wenig spät kommt, aber Nokia hat ja immer noch die Möglichkeit, seinen Ruf wenigstens im Nachhinein wieder etwas gerade zu rücken. Wirklich Wesentliches hat Nokia aber nicht verkündet, so der Eindruck bei der Belegschaft. Ein ehemaliger BenQ- und inzwischen Nokia-Mitarbeiter merkte an, er habe das alles schoneinmal gehört, dass man sich nach Investoren umschaue, dass man versuche, Arbeitsplätze zu erhalten undsoweiter. Und damals bei Benq habe er auf seine Abfindung verzichtet, weil er dachte es geht wirklich weiter.
Ein Lichtblick die Aussage von Klaus Goll, dem deutschen Nokia-Chef, der bei dem Verhandlungen am Mittwoch als Vertreter des Arbeitgebers teilgenommen hatte und die Forderungen des Betriebsrates kommentierte: „Wir haben nicht zurückgewiesen, was uns vorgetragen wurde“.

Update2: Wenig Neues bei Nokia

 
Nokia Demo in Bochum. Foto: Görges

Heute treffen sich die Mitarbeiter von Nokia um 10.00 Uhr in der Westfalenhalle, um sich vom Betriebsrat über den neuesten Stand der in dieser Woche aufgenommenen Verhandlungen mit der Unternehmensleitung informieren zu lassen. Um 13.00 Uhr ist dann eine Pressekonferenz. Ob sich der Weg nach Dortmund lohnt, darf bezweifelt werden, denn nach uns vorliegenden Informationen haben die Verhandlungen bisher keine Ergebnisse gebracht: Die IG-Metall und der Betriebsrat haben ihre Forderungen – Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze am Standort Bochum und eine üppige Abfindung – vorgetragen. Die IG-Metall strebt eine Rekordabfindung an, Harald Dix, der als Betriebsrat bei AEG in Nürnberg die bislang höchste Abfindung in Deutschland heraus geholt hat, ist schon seit längerem in Bochum. "Nokia soll bluten, die machen hier einen gesunden Standort platt, um ein paar Cent zu sparen", so die Hoffnung eines Nokia Mitarbeiter.

Auch die Geschäftsleitung hat in den Gesprächen mit dem Betriebsrat bislang wohl keine "innovativen Vorschläge" gemacht, sondern nur auf altbekanntes wie den Verkauf der Automotive-Sparte  verwiesen. In den vergangenen Tagen habe ich mit einem  Professor der Ruhr-Uni über Nokia gesprochen, der mit seiner Meinung leider nicht zitiert werden möchte. Der meinte, dass Nokia  sich im Fall Bochum nicht großzügig zeigen wird. Nokia sei ein kühl rechnendes Unternehmen, das nicht viel mehr machen wird, als es muß.

Update2: Am 30. Juni ist Schluß – dann macht Nokia dicht. Der Betriebsrat will, das Nokia erst Ende 2008 den Standort zu macht und dass die Mitarbeiter dann für ein Jahr in eine Beschäftigungsgesellschaft wechseln. Sonderfälle (Behinderte etc.) ein halbes Jahr länger. Sie werden dann später arbeitslos. Nokia hat dem noch nicht zugestimmt. Die Kosten einer solchen Gesellschaft werden zwischen öffentlicher Hand (Bundesanstalt für Arbeit, EU etc.) und Unternehmen aufgeteilt. Es gibt über die Arbeit solcher Gesellschaften keine Untersuchungen. Ein Mitarbeiter einer solchen Gesellschaft hat mir aber einmal gesagt, dass der Schnitt der vermittelten Arbeitnehmer bei 40% liegt. Bei Opel waren es allerdings nur 25 %. Beschäftigungsgesellschaften sind ein floriernder Markt, auf dem vor allem gewerkschaftsnahe Unternehmen agieren. Da trifft es sich gut, dass der Rechtsanwalt des Nokia-Betriebsrates, Horst Welkoborsky,Geschäftführer eines solchen Unternehmens ist: Der BAQ, die auch schon für die Opel-Mitarbeiter tätig war und ihren Sitz im Bochumer IG-Metall Gewerkschaftshaus Jahrhunderthaus hat. Herr Welkoborsky war auch Anwalt des Opel-Betriebsrates. Ach, das Ruhrgebiet ist ein Dorf. Jeder kennt jeden.