
Ich gebe es offen zu: Ich kaufe – trotz der Vorwürfe, die einem als dortigem Stammkunden immer wieder entgegenschlagen – gerne dort ein. In einer Zeit, in der die Lebenshaltungskosten für viele zur Belastung werden, stehen Discounter wie Aldi, Lidl, Penny oder Netto auch bei mir hoch im Kurs. Man muss halt sehen, wo man bleibt.
Die regelmäßig geäußerte Kritik – sei es wegen fragwürdiger Arbeitsbedingungen bei Zulieferbetrieben, des immensen Preisdrucks entlang der Lieferkette oder der oft bedenklichen Fleischproduktion, nehme ich wahr, sie führen bei mir jedoch nicht zu einem schlechten Gewissen. Denn bei aller berechtigten Skepsis darf eines nicht übersehen werden: Für Millionen Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen sind diese Märkte inzwischen geradezu unverzichtbar – und verdienen deshalb zumindest ein gewisses Maß an Anerkennung. Meine Wertschätzung haben sie jedenfalls.
Während Bio-Läden, Hofverkäufe und Delikatessgeschäfte moralisch saubere Alternativen bieten mögen, sind sie für Haushalte mit schmalem Budget schlicht nicht bezahlbar. Wer monatlich jeden Euro zweimal umdrehen muss, für den sind der Kilopreis von Bio-Rind oder handgemachte Pasta vom Wochenmarkt kaum erreichbar. Hier ermöglichen es die Discounter, dass auch Menschen mit wenig Geld ihre Familien gut versorgen können – mit akzeptabler Qualität, großer Auswahl und vor allem: zu Preisen, die andernorts selten zu finden sind.
Diese Kalkulation ist kein Zufallsprodukt, sondern das Resultat ausgefeilter Logistik, hoher Automatisierung und strenger Effizienzvorgaben. Natürlich bringt das Schattenseiten mit sich – von Massentierhaltung über ausbeuterische Arbeitsverhältnisse bis hin zur zunehmenden Marktmacht einzelner Konzerne. Doch gleichzeitig sorgt genau dieses System dafür, dass Geringverdienende nicht auf billiges Weißbrot und Dosenkost angewiesen sind.
In den vergangenen Jahren haben viele Discounter zudem auf öffentliche Kritik reagiert. Das Sortiment an Bio-Artikeln, regional erzeugten Produkten und fair gehandelter Ware wurde spürbar erweitert – ebenfalls zu erschwinglicheren Preisen als bei der Konkurrenz. Dadurch eröffnen sich selbst für Menschen mit knapper Haushaltskasse neue Wege, bewusster einzukaufen, ohne finanziell überfordert zu werden oder ihren Lebensstandard drastisch senken zu müssen.
Langfristig sollte unser Ziel ein gerechteres, nachhaltiges und solidarisches Ernährungssystem sein – doch bis dahin erfüllen Discounter eine gesellschaftlich bedeutende Rolle, die im Diskurs häufig untergeht: Sie machen Lebensmittel für alle zugänglich. Dafür verdienen sie keine unkritische Bewunderung – aber doch ein gewisses Maß an Dankbarkeit.
Wer speziell den Discountern miese und ausbeuterische Arbeitsbedingungen vorwirft, übersieht meiner Wahrnehmung und Erfahrung nach das dieses Problem die ganze Branche durchzieht, vom Besitzer geführten Biomarkt bis zur großen Kette mit gutem Image…