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Stoppt die Zensur!

Jusos sollen "Arsch in der Hose haben" - ihr künftiger Chef Veith Lemmen FOTO: www.nrwjusos.de

Veith Lemmen wird am Wochenende zum neuen Vorsitzenden der Jusos in NRW gewählt. Er fordert die SPD in diesem Gastbeitrag auf, den neuen Medienschutzstaatsvertrag (JMStV) neu zu verhandeln – und damit die Meinungsfreiheit zu verteidigen.

Die Novelle des Jugendmedienschutzstaatsvertrages (JMStV) ist derzeit in aller Munde, beziehungsweise eher in aller Finger. Das Thema wird vor allem im Internet heiß diskutiert und die vorherrschende Meinung ist eindeutig: Der Landtag in Nordrhein-Westfalen soll die Novelle ablehnen. In der Offline-Öffentlichkeit scheint man dem – fast schon traditionell – nicht folgen zu wollen, die kritischen Expertinnen und Experten zum Thema finden kaum Gehör. Dabei gilt NRW als letzte Möglichkeit, die Ratifizierung des Vertrages zu stoppen.

Die NRW Jusos lehnen die Novelle ab. Wir haben uns schon seit längerer Zeit klar gegenüber dem Vertrag und der Partei positioniert. Selbstverständlich fühlen sich auch die NRW Jusos dem Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet verpflichtet. Mit der geplanten Novelle des JMStV soll jedoch über die so genannte „regulierte Selbstregulierung“ ein Mechanismus eingesetzt werden, der unserem Begriff von Meinungsfreiheit- und vielfalt nicht angemessen Rechnung trägt. Die Novelle sieht vor, Netzinhalte mit Alterskennzeichnungen zu versehen, ähnlich wie bei der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK). Dies betrifft nicht nur große kommerzielle Angebote, sondern auch private Blogs und Webseiten kleinerer Anbieter, die sich keine eigene Selbst-Regulierungsabteilung leisten können. Darüber hinaus sind technische Sperren auch (technisch) zu umgehen und verlieren so ihre Wirkung. Ihr einziger Effekt ist, dass Inhalte vor technisch weniger versierten NutzerInnen verborgen werden, die Inhalte aber dennoch weiterhin abrufbar und erreichbar bleiben. Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag birgt in der Summe der Maßnahmen die Gefahr von Zensur in sich. Wir wollen keine Zensuransätze, keine unreifen Konzepte mit unklaren Folgen. Daher gibt es aus unserer Sicht nur eine Lösung: Es muss neu verhandelt werden.

Hier wird ein Spannungsfeld, in dem sich eine Parteijugend in Regierungszeiten bewegt, sichtbar. Einfach alle Beschlüsse und das Regierungshandeln der Mutterpartei abzunicken, würde die eigenen Ideen und Ziele verwässern und teilweise verraten. Wer glaubhaft die Ängste der jungen Menschen in NRW formulieren und deren Wünsche in politische Forderungen und Ziele gießen will, der kann – trotz vieler Übereinstimmungen und Gemeinsamkeiten – nicht immer vor der Mutterpartei salutieren. Bei KiTa- und Studiengebühren, Gemeinschaftsschulen, Hochschulräten, Ausbildung und Praktika, um einige Themenfelder exemplarisch zu nennen, gibt es teils unterschiedliche Auffassungen, manchmal beim Ziel, eher aber beim Weg zu einer besseren Politik.

Doch ob, bzw. wann die Jusos letztlich in der Öffentlichkeit lospoltern oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Zu den guten politischen Gepflogenheiten gehört es schließlich, gemeinsam zu diskutieren und sich gegenseitig mit dem notwendigen Respekt zuzuhören. Auch hier kann man als Beispiel den Jugendmedienschutzstaatsvertrag ins Felde führen. Hier werden wir in den nächsten Wochen Gespräche führen und es ist lobend zu erwähnen, dass sich dieser Diskussion von Seiten der Partei auch gestellt wird. Selbstverständlich bleibt offen, was die Gespräche ergeben, aber bei den Jusos gilt, dass wir Standpunkte stets aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.

Hierbei setzen wir auch auf die Bereitschaft der NRWSPD zu mehr Offenheit und Transparenz. Es ist positiv zu erwähnen, dass in der letzten Zeit versucht wurde, eine bessere Beteiligung der Mitglieder zu erreichen. Dieser Prozess der Weiterentwicklung der inneren Demokratie muss fortgesetzt und verstärkt werden. Dabei sollten wir uns alle gemeinsam mehr als bisher der Expertise von anderen Organisationen bedienen. So haben es die Jusos beispielsweise bereits im Zulauf auf die Wahlen getan und sind damit gut gefahren. Das bedeutet einen engen und kontinuierlichen Austausch mit Gewerkschaften, NGOs, bis hin zur Wissenschaft. Ansonsten müsste sich die Partei Beratungsresistenz vorwerfen lassen, meiner Meinung nach konnte man das früher auch teilweise feststellen.

Und hier stellt sich die Frage, wo eigentlich das Lob der Jusos für die SPD bleibt. Da wird es nicht uninteressanter, denn Kritik ist bisweilen leicht ausgesprochen und findet im Zweifelsfall auch leichter Widerhall in der Öffentlichkeit. Allerdings ist Glaubwürdigkeit ein hohes Gut und das bedeutet auch Anerkennung offen zu äußern, da die Welt nun einmal nicht schwarz-weiß ist. In der letzten Zeit, so zumindest der subjektive Eindruck mancher Menschen, hat Politik durch weichgespülte Ja-Sager auf der einen und Pauschalkritiker auf der anderen Seite, an Glaubwürdigkeit verloren. Zusammengefasst kann man sagen, um einfach ehrlich die Meinung zu sagen, fehlen bei manchen die Schultern im Anzug oder der Arsch in der Hose. Auch an dieser Stelle ist es der Anspruch der Jusos, ehrlich zu sein. Sowohl in der Kritik, als auch im Lob. Hannelore Kraft hat in den letzten Monaten viele Menschen davon überzeugen können, dass die SPD es ernst meint mit einem Politikwechsel. Diesen Vertrauensvorschuss hat sie in der Koalitionsbildung mit den Grünen glaubhaft bestätigt und sie musste sich dabei allemal mehr beweisen, als es ein Mann in ihrer Situation vermutlich hätte tun müssen.

Die NRW Jusos werden sich stets an Inhalten und Sachthemen orientieren und von Fall zu Fall entscheiden. Dabei wollen wir unseren Beitrag leisten, um den Politikwechsel umzusetzen und dieses Land zu erneuern, ohne unsere Ideale aufzugeben oder uns zu verbiegen. Wir wollen teilnehmen an der Meinungsbildung in der Partei. Wir wollen die Regierungsarbeit offen und kritisch begleiten. Dabei wollen wir Schultern im Anzug haben. Was mich persönlich angeht, so bin ich kein leidenschaftlicher Anzugträger, aber das hindert mich ja hoffentlich nicht daran, die Schultern dafür zu haben.

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Bert
Bert
13 Jahre zuvor

„Er fordert die SPD in diesem Gastbeitrag auf, den neuen Medienschutzstaatsvertrag (JMStV) neu zu verhandeln – und damit die Meinungsfreiheit zu verteidigen.“

Aber gleichzeitig Sarrazin wegen einer anderen Meinung aus der SPD werfen ?

Maschinist
Maschinist
13 Jahre zuvor

Welche Forderung von Jusos bzgl. dieses Interdings wurde seitens der Der Partei nochmal umgesetzt?
Richtig – KEINE.
So wird es auch mit diesem Alibigeplänkel werden, das ist nicht mal der Erwähnung wert.

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[…] Stoppt die Zensur! (Ruhrbarone) – Veith Lemmen, designierer neuer Vorsitzender der NRW-Jusos, fordert die SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag auf, der Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) nicht zuzustimmen. […]

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[…] sollen sie dagegen stimmen, so jedenfalls die klare Position der NRW Jusos und vieler anderer Akteure. Deshalb fanden auch die NRW Jusos den Weg in die […]

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