Storytelling und Narrative: Die Nato spricht über Kommunikation

General Frank Gorenc (Bild: JAPCC)
General Frank Gorenc (Bild: JAPCC)

Die Messe Essen war in den vergangenen Tagen Veranstaltungsort einer Militärkonferenz. Das „Joint Air Power Competence Center“ (JAPCC) hatte zu seiner jährlichen Konferenz geladen. Das JAPCC ist ein „Exzellenzentrum“ der NATO mit Sitz in Kalkar. Es bringt Denkschriften zur Zukunft des Luftkriegs heraus und arbeitet an technischen Problemen. Bei der diesjährigen Konferenz ging es um „strategische Kommunikation“, das Verhältnis zu Medien und um Desinformationskampagnen.

Als der zentrale Veranstaltungstag der JAPCC Konferenz am Dienstagmorgen begann, machte die Meldung vom Abschuss eines russischen Jets durch das NATO-Land Türkei unter den Militärs gerade die Runde. Viele starrten auf ihre Telefone, suchten bei Twitter nach Neuigkeiten und tuschelten miteinander. Immer wieder verließen einige der höheren Offizieren kurz den Raum. Ob sie mit ihren Zentralen sprechen mussten kann, nur gemutmaßt werden. Der Zwischenfall im türkisch-syrischen Luftraum beherrschte auf jeden Fall Gespräche auf der Konferenz. Man war sich weitgehend einig, dass sei eine „ernste Situation“, die Diplomaten hätten nun viel zu tun, aber dieser Vorfall ließe sich bestimmt lösen. Also wurde das normale Programm der Konferenz durchgezogen, dies lieferte schon genug Diskussionsstoff für die NATO-Offiziere, unter ihnen Frank Gorenc, der die US-Airforce in Europa und Afrika befehligt und gleichzeitig Direktor des JAPCC ist.

Herausforderungen

Bei der Konferenz ging es dann mit einer Beschreibung des aktuellen geopolitischen Zustands los. Im Januar 2014 habe man „nur“ darüber nachdenken müssen, wie man mit Afghanistan weiter vorgehen solle, wenige Monate später habe Russland die Krim besetzt und das Problem „Islamischer Staat“ sei immer deutlicher geworden. Neue Herausforderungen für das westliche Bündnis, auf die es sich einstellen müsse. Europa sei umkreist von Gebieten, die politisch instabil seien und Gefahren für die Mitgliedsstaaten darstellen könnten. In diesem Zusammenhang wurde auch ausgeführt, dass es oftmals an politischer Unterstützung für NATO-Projekte mangele. Ein Raketenabwehrschild, mit dem Europa verteidigt werden könne, sei nicht in Sicht. In Politik und Öffentlichkeit fehle es am Bewusstsein für die Notwendigkeit eines solchen Projektes. Die NATO müsse deutlicher kommunizieren, welche aktuellen Gefahren es gebe. Da sei einerseits Russland, andererseits der „Islamische Staat“, und auch in Afghanistan müsse man sich weiter engagieren, damit das Land nicht zerfalle.

Die richtige Geschichte erzählen

Hauptthema der Konferenz war allerdings die „strategische Kommunikation“ (StratCom) des Bündnisses. Hier wurde deutlicher Handlungsbedarf analysiert. Die NATO komme in den Medien nicht gut rüber, ihre Präsenz im Bereich „Social Media“ sei deutlich ausbaufähig. Man müsse gemeinsam ein „Narrativ“ für Operationen entwickeln. Man wisse doch, dass das was man tue, gut sei, also solle man es ehrlich und offensiv vertreten. Als gelungene Beispiele der eigenen Kommunikation wurden z.B. die Ausstattung von Einheiten in Mali mit Kameras genannt, die regelmäßig Videos ihrer Einsätze veröffentlichten. Oder die Geschichte eines Piloten, der einen Angriff in letzter Sekunde abgebrochen habe, weil er Zivilisten erkannt habe. Beim „Storytelling“ müsse die NATO darauf achten, ihre Geschichten mit Menschen zu verbinden. Es gehe nicht darum, nüchtern zu sagen, wir haben „das“ gemacht, sondern aufzuzeigen, warum man eine bestimmte Operation durchgeführt habe. Doch solche Ausführungen führten auch zu Widersprüchen. „Nicht alle müssen die NATO lieben, wichtiger ist, dass unsere Feinde uns fürchten“, hieß es.

Die Debatte über „strategische Kommunikation“ scheint bei der NATO noch in den Kinderschuhen zu stecken. Erst seit 2009 hat man eine StratCom Policy, ob diese zu einer Doktrin führt, ist derzeit unklar. In Afghanistan habe man das Fehlen einer gemeinsamen Linie bemerkt. Jedes Land habe für sich gesprochen und Einschätzungen getroffen, für die Medien war unklar, wer ihr Ansprechpartner sei, und wie sehr sie diesem vertrauen können. Zu oft reagiere man nur auf Berichte und gehe nicht mit eigenen Einschätzungen in die Öffentlichkeit. Viele NATO-Vertreter fühlen sich von den Medien missverstanden. Es gebe deutliche „kulturelle Unterschiede“. Zusätzlich bestehe das Problem, dass zum Beispiel durch Russland massive Desinformationskampagnen betrieben würden. Tausende Bilder und Videos, die von dort verbreitet würden, machten es für die Medien in der westlichen Welt schwer, zwischen echten Informationen und Propaganda zu unterscheiden.

Konferenzteilnehmer (Bild: JAPCC)
Konferenzteilnehmer (Bild: JAPCC)

Medien und Desinformation

Und so wundert es nicht, dass der medialen Berichterstattung über die NATO in den Ländern USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien eine eigene Studie des JAPCC gewidmet wurde. Wissenschaftler analysierten Berichte seit den 1990er Jahren, in denen es um Luftschläge ging. In Großbritannien und den USA genieße das Militär relativ viel Vertrauen in Öffentlichkeit und Medien, in Frankreich seien Stimmung und Berichterstattung ambivalent. Italien und Deutschland seien schwierigere Länder für das Militär. In Deutschland herrsche, von den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs geprägt, noch immer eine grundsätzlich skeptische Stimmung. Projekte der Bundeswehr wie die eigene Drohne ernteten übermäßige Kritik. Deutsche Medien trügen oftmals zur „Desinformation“ über das Militär bei.
Die NATO und „wir“

Die NATO und die Medien haben ein durchaus schwieriges Verhältnis. Zu lange haben die Militärs die Berichterstattung über sie vernachlässigt und für nicht relevant betrachtet. Jetzt im „Internetzeitalter“, und dadurch, dass jeder in der westlichen Welt Informationen aus allen Quellen beziehen kann, die er möchte, ist das nicht mehr möglich. Das Internet ist eine „Waffe“, mit der die NATO noch fremdelt. Die Medienkampagnen des „Islamischen Staats“, und mehr noch russische Projekte, haben in diesem Punkt zu einem Umdenken geführt. Die NATO hat oftmals eine gute Botschaft zu vermitteln, ihre Armeen kämpfen für die Interessen demokratischer Staaten. Also ist eine offenere Kommunikation der eigenen Pläne angebracht, um der demokratische Öffentlichkeit ein besseres Bild vom Militär zu machen. Doch auch mit der eigenen Öffentlichkeit fremdeln die Militärs noch. Wenn Berichte in „normalen“ Medien bei der Konferenz unter dem Stichwort Desinformation besprochen werden, dann ist das ein Schlag ins Gesicht für jeden kritischen Journalisten. Wenn die NATO in die öffentliche Debatte eintreten will, dann muss sie auch damit rechnen, mal verbal verprügelt zu werden. Das gehört dazu. Sollte man weitere Konferenzen zu ähnlichen Themen planen, dann sollte man auch stärker darüber nachdenken, wie man wirklich mit Medien ins Gespräch kommt und nicht über sie. An dieser Stelle sei aber auch eine Ohrfeige für „die Medien“ erlaubt. Wenn 200 Militärs aus zig Ländern über „strategische Kommunikation“, Medien und Desinformation sprechen, dann sollten „wir“ Präsenz zeigen. Nicht etwa, um uns mit den Positionen der Offiziere gemein zu machen, sondern um zu verstehen, welche Kommunikationsstrategien diese für die Zukunft planen. Denn „wir“ wollen doch auch nicht auf mögliche „Desinformationskampagnen“ der NATO hereinfallen.

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Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

"..für die Medien war unklar, wer ihr Ansprechpartner sei, und wie sehr sie diesem vertrauen können".

Auf deutsch: "Hilfe Hilfe, wir haben ein exorbitantes "StratCom"-Problem!!! Keiner redet mit unserm eigens trainierten und gebrieften Pressesprecher, heul!! Und Keiner will mehr "embedded journalist" werden, wäääh!"

ich schätze, die haben eher ein Riesenproblem mit der Verarbeitung der jüngeren Geschichte der Kriegsberichterstattung.

Helmut Junge
Helmut Junge
9 Jahre zuvor

Wie heißt es in der Berichterstattung über Krisengebiete oft sehr schön? Die Nachrichten können von keiner unabhängiger Stelle überprüft werden.
Also, da gibt es eine Marktlücke zu füllen. Die Nato wäre sicher ein besonders neutraler Berichterstatter. Also keine Hemmungen, meine Herren. Ach so, eine Frau auf Platz 1 natürlich. Vielleicht sogar in Zivil, damit das nicht so militärisch streng wirkt.
Trotzdem bin ich erfreut, daß sich Sebastian Weiermann dieses Thema angenommen hat, denn so ganz ohne Informationen aus den militärischen Zusammenhängen fehlt mir was. Damals während des Vietnamkrieges bekamen wir noch jeden Abend in der Tagesschau die wichtigsten Erfolge der US- Armee zum Abendessen serviert. Brennende Menschen, brennende Hütten und so. Kurzfristig hat sich damals in der Jugend eine Abneigung gegen den Krieg und politischer Widerstand gegen das US-hörige "Establishment" ausgebreitet, der bis zum Antiamerikanismus ging. Ach, der Krieg in Vietnam wurde dann trotz ungezählter Erfolgsberichte, irgendwie doch nicht richtig gewonnen. Ob das jemals richtig geklärt wurde, weiß ich nicht mehr. Aber die Berichterstattung war hochprofessionell. Besser als der Krieg selbst.
Und obwohl der Krieg nicht so ausgegangen ist, wie die amerikanische Regierung es sich gewünscht hatte, fahren heutzutage viele Leute dorthin in den Urlaub.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Leider,@ Helmut Junge, war die Berichterstattung etwas einseitig ausgerichtet. Der Vietcong war leider nicht so pressefreundlich wie die US-Army, so dass wir die Sauereien des Vietcong nicht so wirklich mitbekamen, was wohl auch ein wenig zu unserer damaligen "Voreingenommenheit" gegenüber den USA beigetragen hat.

Helmut Junge
Helmut Junge
9 Jahre zuvor

@Thomas Weigle, Berichterstattung von Militärs ist prinzipiell einseitig. Wie soll das auch anders sein?
Heute gibt es das Internet und im Prinzip könnte sich jeder mit Hilfe des Google Translators sogar über vietnamesische Nachrichtensender informieren. Ich bezweifle aber, daß das Viele tun.
Ich glaube auch nicht, daß sich jemand seine Meinung erst bilden muß, der so etwas macht.
Meisten wollen die Menschen nur ihre vorher festgelegte Meinung bestätigt sehen.
Und das Internet ist so groß, daß es alle Meinungen bedienen kann.
Die Metzeleien begeht in diesen darstellungen immer der Gegner. Und die eigene Seite muß sich immer wehren.
Vermutlich ist wegen meiner Ironie im vorigen Kommentar nicht klar geworden, daß ich trotzdem nichts gegen eine Berichterstattung aus erster Hand habe. Aber das hat mit meiner Abneigung gegen die entsetzlich unprofessionelle Berichterstattung durch die staatlichen Medien zu tun. Für die heutigen Journalisten ist die Weltlage einfach zu kompliziert und zusätzlich meiden sie jeden Hauch einer räumlichen Nähe zu den Tatorten. Ist zu teuer, vielleicht auch zu gefährlich, was weiß ich. Wer soll auch schon Spaß daran haben, wie zum Beispiel in Syrien zwischen den inzwischen 300 verschiedenen Terrorgruppen nach Informationen zu suchen. Über 50 Journalisten sind dort bereits gekillt worden. Deshalb gibt es zu Syrien auch fast immer ausschließlich Informationen aus einer Internetseite aus London, die ich auch täglich mehrfach lese. Nur sendet die ARD das meist einen Tag später. Einseitig ist diese Seite übrigens auch. Natürlich gibt es jeweils auch die generische Hompage. Es gibt viele davon. Alle sind jeweils einseitig für eine der Konfliktparteien. Wenn jetzt die Nato dazukäme kann die Berichterstattung wegen der Fachkompetenz nur gewinnen.
Und den Weg zur Meinungsbildung in den Köpfen der Menschen kenne ich nicht. Die kann sich so oder so entwickeln, wie man bei den Aluhüten sehen kann, die doch die gleichen Nachrichtensender sehen, wie andere Menschen. Wenn Nachrichten zur politischen Meinungsbildung führten, gäbe es nur wenige Parteien, die sich voneinder kaum unterscheiden würden.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

@ Helmut Junge ich bin mir nicht so sicher, ob "wahrheitsgemäße" Berichterstattung nicht doch Meinungen "machen kann." So hat bspw. die Berichterstattung über die KZ-Gräuel zumindest zw. das Verhalten vieler westalliierten Soldaten gegenüber der deutschen Bevölkerung beeinflusst. Wie wäre die Geschichte der Studentenbewegung verlaufen, hätte man gewusst, dass der Ohnesorgmörder Kurras nicht nur einer der vielen Stasispitzel, sondern auch konspiratives Mitglied der SED seit Jänner 64 gewesen war.

Helmut Junge
Helmut Junge
9 Jahre zuvor

Thomas, "Wie wäre die Geschichte der Studentenbewegung verlaufen, hätte man gewusst, dass der Ohnesorgmörder Kurras nicht nur einer der vielen Stasispitzel, sondern auch konspiratives Mitglied der SED seit Jänner 64 gewesen war."
Die überwiegende Mehrheit in der damaligen Bevölkerung hätte das so oder so nicht interessiert.
Ein Student eben. Und die, die sich damals angesprochen fühlten, waren eine winzige Minderheit.
Und genau diese Minderheit hätte diesen Zusammenhang nicht geglaubt. Das hätte in deren Denken überhaupt keinen Sinn gemacht. Ich hätte es nicht geglaubt, weil ich damals noch nicht wußte, daß es Menschen gibt, die politisch so breit aufgestellt sein können. Mittlerweile habe ich so viele Leute die Fronten wechseln sehen, zum Teil auch mit dem Versuch, die ursprüngliche Position optisch beizubehalten, daß ich mir alles vorstellen kann. Diese Erkenntnis kommt im Laufe der Zeit.
Klar, der gleiche Thomas Weigle, der du heute bist, würde sich möglicherweise anders verhalten, als der damalige Thomas, der noch jung und vermutlich naiv war. Dann noch was, versuch doch mal, dich an einen populären jungen Rechten zu dieser Zeit zu erinnern. Damals waren alle links, besonders diejenigen, die später in der FDP waren. Also, wo hättest du damals denn hin gekonnt?
Das waren starre Fronten. Die weicht niemand mit einer Pressemitteilung auf.
Zeitgeist ist Zeitgeist. Wir im provinziellen Deutschland gucken nie nach außen. Aber so etwas Vergleichbares wie hier, gab es weltweit. Thomas wir sind nichts Besonderes, wir waren damals und sind heute Teil eines weltweiten Meinungsbildungsprozesses. Damals waren wir schneller als die Anderen, heute sind wir langsamer.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

"Anonymous ersetzt IS-Propagand mit Viagra-Werbung" -lese ich so eben bei T-online-
Ob die " Propaganda-Abeilung der NATO" davon lernen kann, lernen wird, wenn es gegen den IS geht?

Thomas Weigle
Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

@ Helmut Du hast wohl recht, ich habe nun mal ein Faible für "was wäre wenn", nicht nur im Fall Kurras.

Jens
8 Jahre zuvor

Hmm, Ruhrbarone positioniert sich doch eigentlich immer gegen Friedensbewegung und Propagandakritiker, pro Ukraine-Umsturz und westliche Hilfe.

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