Lindner vermisst niemand. Aber dass dem Land eine starke liberale Stimme gut täte, merkt man schon jetzt. Ob die FDP die jemals wieder wird, ist allerdings auch nach ihrem Parteitag, auf dem sie einen Neuanfang ankündigte, unsicher.
Die Grünen jubelten am Wahlabend trotz eigener Verluste wie viele andere, als klar war, dass die FDP zum zweiten Mal den Einzug in den Bundestag verpasste. Das ist bezeichnend, denn immerhin hatten sie 2021 zuerst mit der Partei von Christian Lindner und erst dann mit der SPD eine Dreier-Fortschritts-Koalition verabredet. Doch die Ampel endete im Desaster – für alle Beteiligten, am schmerzhaftesten jedoch für die FDP. Und daran trägt sie selbst gehörige Verantwortung, die sie erst aufarbeiten muss, bevor sie beanspruchen kann, wieder politisch mitzureden.
Dienstgebäudes des Verfassungsschutzes in Köln Foto: BfV/PR Lizenz: Copyright
Der ominöse Geheimbericht des Geheimdienstes, der sich auf nicht-geheime Quellen stützt, ist nicht mehr geheim. Was darin an Zitaten von AfD-Politikern aufgelistet wird, taugt dazu, die Partei als rechtsextrem einzustufen, nicht aber als verfassungsfeindlich.
Kurz vorm Amtsantritt der neuen Regierung und ihrem eigenen Abtritt ließ die bis dato SPD-Innenministerin Nancy Fieser mit Aplomb das lange zurückgehaltene Dossier des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu AfD veröffentlichen. Fazit der Behörde: Die Partei ist „gesichert rechtsextremistisch“ – und damit ein Fall für ein Verbot. Inzwischen zog das Amt die Einstufung vorläufig zurück, weil die AfD dagegen klagt. Die Wirkung jedoch bleibt. Nur der Bericht war bislang amtlich geheim: „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“.
Die Kommentierung in den klassischen und den sozialen Medien ist mal wieder einhellig: Der Start des neuen Kanzlers ist misslungen, die neue Regierung, ja das ganze Land stehen am Abgrund, die deutsche Demokratie ist in höchster Gefahr. Alles Unsinn.
Für die Journalisten in und um den Reichstag war es ein Schlachtfest. Den ganzen Tag über konnten sie an historischem Ort von einem historischen Tag raunen, das von nicht wenigen von ihnen herbeigesehnte „Scheitern“ von Friedrich Merz genüßlich ausmalen, über die Motive der 12 mutgemaßten „Abweichler“ in Sondersendungen spekulieren mit allerlei Politologen und sonstigen „Experten“, und am nächsten Morgen in ihren Blättern höhnisch „Zweite Wahl“ titeln wie die „Süddeutsche“ oder „Bauchklatscher mit Ansage“ wie die taz.
Wen Ostdeutsche mehrheitlich am meisten mögen. Foto: Antje Jelinek
Das Bild ist bekannt: Der Osten ist blau. Man kann auf Direktmandate schauen, man kann auf die Zweitstimmen schauen – egal welche Betrachtungsebene man wählt, sieht man wieder: Ostdeutschland sehnt sich nach Moskau, und es ist eine Mehrheit der Ostdeutschen, wenn man beide Putin-Parteien zusammenzieht.
Es stellt sich die Frage: wie lange sollen die Städte im Westen noch die selbst erklärten Vororte Moskaus finanzieren?
Das ist nicht Lena, und Lena heisst auch nicht Lena. Weil wir die Persönlichkeitsrechter einer 14jährigen schützen. (Bild: Sebastian Bartoschek/ Midjourney)
Lena ist 14. Wählen darf sie nicht, aber politikinteressiert ist sie trotzdem. Politik ist für sie kein abstraktes Erwachsenenthema, sondern ein fester Bestandteil ihres Alltags. In der Schule, im Freundeskreis, auf Social Media – überall stößt sie auf Wahlplakate, Nachrichten und Debatten. Sie nimmt bewusst wahr, was um sie herum passiert.
Vor der Europawahl fand bei ihr an der Schule an einer Jugendwahl teil. Eine Wahl mit Wahlkabinen, Zetteln und Listen – nur ohne Konsequenzen. „Ich habe es ernst genommen“, sagt sie. Manche Mitschüler nicht. „Einige haben einfach zwei Kreuze gemacht oder Quatsch geschrieben.“ Das Ergebnis überraschte sie: CDU, Grüne und AfD vorne.
Die meisten politischen Informationen begegnen ihr zufällig. Wahlplakate in der Stadt, Nachrichten in der Schule, Gespräche mit Familie und Freunden. Am präsentesten ist aber TikTok. „TikTok ist keine Vertrauensplattform“, sagt sie entschieden. Sie sieht, wie dort politische Inhalte inszeniert werden, besonders von der AfD. Alice Weidel erscheint in ironischen Edits oder locker-lässigen Clips, in denen sie tanzt, Bücher signiert oder sich mit Jugendlichen fotografieren lässt. „In den Videos wirkt sie nett. Aber man sollte sich trotzdem mit der Wahrheit auseinandersetzen.“
April 2022: Thomas Mahlberg, Peter Ibe und der damalige CDU-Generalsekretär Mario Czaja in Duisburg (Foto: Peter Ansmann)
Es ist Wahlkampf in Deutschland und dieser ist, seitdem ein Antrag der CDU durch die (eher woke) FDP, die rechtsradikale AfD und die Putintruppe BSW unterstützt wurde, jetzt doch noch spannend geworden. Ein Gespenst geht um in Deutschland, das Gespenst einer Machtergreifung durch die AfD, mit Hilfe der Unionsparteien, zumindest wenn man sich aktuell Demonstrationen in Deutschland ansieht oder zuviel in den sozialen Medien liest.
„Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben.“ Dieses Mantra des langjährigen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef-Strauß ist aktuell obsolet. Andere „erfolgreiche“ rechte Parteien gab es schon vor der AfD: Die NPD hatte ihren Höhenflug in den 60er Jahren, der damalige Bundesverteidigungsminister Gerhard Schröder (CDU) kassierte in der Bundesversammlung bei der Wahl des Bundespräsidenten auch die Stimmen der NPD. Geholfen hat dies nicht: Gustav Heinemann (SPD) wurde Bundespräsident. Nach dem verpassten Einzug der NPD in den Bundestag bei der Bundestagswahl 1969 wurde die rechtsextreme Gruppe, die damals ein wesentlich biederes Image hatte als die NPD der 2000er Jahre bzw. deren Nachfolgepartei „Die Heimat“, marginalisiert.
Ebenso ging es den sogenannten „Republikanern“, Fleisch vom Fleisch der CSU: Gegründet von CSU-Mitgliedern, die wegen des Milliardenkredites an die DDR – eingefädelt durch Franz-Josef Strauß – enttäuscht waren. Erfolge hatten die REP nur kurz: Bei einer Wahl in West-Berlin im Jahre 1989 schockierte der Einzug der Rechtsextremisten die damalige Bundesrepublik. Es folgte auch der Einzug ins EU-Parlament. Diese Erfolge konnten nicht wiederholt werden, nur im Ländle hielt sich die rechtsradikale Partei relativ lange im Landtag: Von 1992 bis 2001 gab es eine Fraktion der „Republikaner“ im Landtag von Baden-Württemberg. Das „weichere“ Image zahlte sich für die Kleinstpartei nicht aus: Gegenüber rechtsextremen Partei wie der NPD und DVU verlor die Partei an Bedeutung. Die Hoffnung auf einen Durchmarsch bei den ersten Wahlen in den neuen Ländern erfüllte sich nicht.
Annäherungsversuche an diese rechte Partei und rechtsradikale Gruppierungen gab es durch vereinzelte CDU-Mitglieder: Heinrich Lummer, dem – wegen antisemitischer Aussagen – 1998 die Einreise nach Israel verweigert wurde, ist hier zu nennen. Noch 2001 setzte er sich gegen die Entlassung von Götz Kubitschek aus der Bundeswehr ein.
Den rechtskonservativen Rand bediente in der CDU die „Stahlhelm-Fraktion“, deren bekanntester Vertreter wohl Alfred Dregger, langjähriger Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagstagsfraktion, war.
Ein AfD-Plakat aus 2018; passt jetzt – aber anders.
Mit den Stimmen der AfD brachte die CDU gestern einen Antrag zum Thema Zuwanderung durch den Bundestag. Es wird noch viel darüber zu sprechen und zu schreiben sein.
Was mich gerade beschäftigt: Wie viele Freunde und Bekannte mich diese Woche kontaktiert haben, weil sie Angst haben. Teils eine aufgebrachte, teils aber auch eine sehr kühle abwägende Angst, die keiner von uns bisher so kannte. Unsere Angst aber nimmt die Politik nicht Ernst.
Es sind Menschen, die entweder als Kinder von Ausländern geboren wurden oder mit einem Ausländer zusammen sind. Und auch aus meinem weiteren Umfeld höre ich ähnliche Berichte. Sie machen sich Sorgen, sie haben Angst, sie arbeiten an einem Plan B.
Es geht um Schweden, Amerikaner, Israelis, Perser – und mit Blick auf mich um einen Polen.
Demo gegen Rechts im Januar 2024. Foto: Robin Patzwaldt
Anfang des Jahres war es landauf landab angesagt sich in Demonstrationszügen gegen Rechts und für Vielfalt und Toleranz stark zu machen, politisch Flagge zu zeigen. Auch ich, der ich eigentlich kein regelmäßiger Demonstrationsteilnehmer bin, habe mich damals bei mir vor Ort an einer ebensolchen Veranstaltung beteiligt. Das tat mir gut und fühlte sich richtig an, wie ich auch hier im Blog geschildert habe.
Nun aber, gut sechs Monate später, muss ich feststellen, mehr als persönliches Wohlbefinden scheinen diese Demos offenkundig nicht gebracht zu haben. Die immensen Erfolge der AfD am vergangenen Sonntag bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben sie auf jeden Fall nicht verhindert. Ganz im Gegenteil: Die Wahlen sind so ausgegangen, als hätte es die Demos in den vergangenen Wochen und Monaten gar nicht gegeben. Jedenfalls ist der Effekt an der Wahlurne, falls es denn überhaupt einen gab, nur sehr gering ausgefallen. Das macht nachdenklich.
Verfolgt man die Nachberichterstattung zur Wahl, dann werden als Gründe für das gute Abschneiden der AfD, insbesondere in Ostdeutschland, häufig Frust bei den Wählern, das Gefühl von Minderwertigkeit, Perspektivlosigkeit, eine Behandlung als ‚Deutsche 2. Klasse‘ und eine grundsätzliche Unzufriedenheit mit ‚denen da oben‘, genannt. Wirklich nachvollziehen kann man das nicht.
Grüne gegen Blaue? (Symbolbild. Quelle: Sebastian Bartoschek/ Midjourney)
Seit dem ersten Tag der Ampelkoalition schallt es durch Deutschland: Die Ampel ist schuld an den Ergebnissen der AfD! Genauer: Die Grünen sind es! Dabei schaffen es die Grünen angeblich nicht nur, die Bundesregierung zu leiten – unabhängig von der FDP und der SPD – vielmehr sind sie, egal wie die dortige Zusammensetzung ist, auch schuld an allen AfD-Ergebnissen in den Kommunen, Landtagen und bei der Europawahl. So richtig vermag das nicht zu überzeugen. Einziger Lichtblick: Für die Wahlergebnisse in anderen europäischen Ländern werden die Grünen – derzeit! – noch nicht verantwortlich gemacht.
Die Grünen sind in gewisser Weise eine Fortsetzung von Angela Merkel, denn auch die war, wir erinnern uns an #DankeMerkel, schuld an der AfD, zumindest wurde das so verbreitet. Merkel wie Grüne, im weiteren Sinne die Ampelkoalition, sind dabei das Feigenblatt, mit dem sich der Deutsche bedeckt, wenn er Rechtsextreme wählt, sich aber nicht als Rechtsextremer fühlen will. „Ich bin einfach dagegen, dass die Grünen mir alles wegnehmen wollen!“ Nein, bist du nicht! Wenn es darum ginge, gegen die Grünen zu sein, gegen die Ampel, gegen Scholz, gegen Lindner: Dann wähl halt eine andere demokratische Partei!
Um dir ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn du diesen Technologien zustimmst, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn du deine Zustimmung nicht erteilst oder zurückziehst, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional
Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.