Die FDP fehlt

FDP Wahlplakat Foto: Rufus46 Lizenz: CC BY-SA 3.0

Lindner vermisst niemand. Aber dass dem Land eine starke liberale Stimme gut täte, merkt man schon jetzt. Ob die FDP die jemals wieder wird, ist allerdings auch nach ihrem Parteitag, auf dem sie einen Neuanfang ankündigte, unsicher.

Die Grünen jubelten am Wahlabend trotz eigener Verluste wie viele andere, als klar war, dass die FDP zum zweiten Mal den Einzug in den Bundestag verpasste. Das ist bezeichnend, denn immerhin hatten sie 2021 zuerst mit der Partei von Christian Lindner und erst dann mit der SPD eine Dreier-Fortschritts-Koalition verabredet. Doch die Ampel endete im Desaster – für alle Beteiligten, am schmerzhaftesten jedoch für die FDP. Und daran trägt sie selbst gehörige Verantwortung, die sie erst aufarbeiten muss, bevor sie beanspruchen kann, wieder politisch mitzureden.

Lindner hatte es geschafft, seine Partei und vor allem sich selbst vom Partner in einer neuartigen Regierung, die Aufbruch versprach, zum Bremser und Buhmann zu machen. Die D-Day-Planungen für den Ausstieg aus dem ungeliebten Bündnis waren nur das Tüpfelchen auf die I. Die Ursachen dafür, dass die FDP nun wieder am Rande steht, liegen indes viel tiefer.

Begonnen hat der Abstieg, als Guido Westerwelle sie zur Steuersenkungspartei und reinen Vertretung von Wirtschaftsinteressen machte. Dafür flog sie 2013 zum ersten Mal aus dem Bundestag. Die Beteiligung an der Ampelkoalition schien zwar zu zeigen, dass sie daraus gelernt hatte. Aber das hielt nicht lange. Außer der Cannabis-Freigabe und dem Gesetz zur freien Wahl des Geschlechts – im wesentlichen Grünen-Anliegen und eher Petitessen – blieb nichts an liberalem Geist. Die FDP wurde vielmehr zur Verhinderin.

Wohin der neue Vorsitzende Christian Dürr, der als Fraktionschef an der Misere beteiligt war, die Partei führen will, ist auch nach seiner Parteitagsrede unklar. Will er sie wieder breiter aufstellen und auch das Sozial- und das Bürgerrechstliberale betonen, die beide einst zu ihrem Markenkern gehörten? Oder bleibt es dabei, dass die FDP vor allem freie Entfaltung für Wirtschaftskräfte und Unternehmergeist anstrebt?

Was bedeutet Liberalismus heute?

Das ist zwar durchaus vonnöten angesichts der Überbürokratisierung, einem überbordenden Sozialstaat und der anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation. Aber das ist zuwenig, um für die Bürger und Wähler wieder attraktiv zu werden. Und dafür gibt es schon die CDU, auch wenn sich ihr Kanzler Merz angesichts der Weltlage vor allem auf die Außen- und Sicherheitspolitik stürzt.

Doch was ist das originär Liberale – neben einer Union, die sich ihrer altbekannten Rolle hingibt, pragmatisch und unaufgeregt zu regieren ohne klaren Kompass; einer SPD, die ihren komplett verloren hat und weiter die Sozialarbeiterin der Nation gibt; Grünen, die sich auf ihren früheren Kurs als linke Ökopartei zurückzuziehen drohen; und einer Linken, die ihr Heil in einer Neuauflage des Sozialismus sucht? Von der AfD nicht zu reden – dem völligen Gegenteil von Liberalismus. Auf diese zentrale Frage muss die FDP eine Antwort finden und geben, wenn sie in Zukunft noch eine Rolle spielen will.

Wie wichtig eine kräftige liberale Stimme wäre, zeigte sich schon beim Beschluss zur Aufnahme gigantischer Schuldenpakete. Zwar ist unbestreitbar, dass alle Regierungen seit 1990 Verteidigung und Infrastruktur sträflich vernachlässigt haben. Aber die Finanzierung durch faktische Abschaffung der Schuldenbremse beschneidet die Freiheitsrechte künftiger Generationen, die die Riesenkredite werden schultern müssen. Der schwarz-rote Koaltionsvertrag beinhaltet im Grunde ein Weiter-so. Von den Ambitionen von Merz, eine wirkliche Politikwende einzuleiten, ist nicht viel übrig.

Im Schatten der Extremen und einer verzagten Mitte

Der FDP bleibt jedoch vorerst nichts anderes, als das von der Seitenlinie zu kommentieren und zu kritisieren, ohne dass jemand das groß wahrnimmt. Eine Idee, wie sie es selbst anders machen würde, fehlt. Mehr Digitalisierung zu verlangen wie die neue Generalsekretärin Nicole Büttner, ist wohlfeil. Aber das ergibt noch keine neue Richtung.

Vielleicht ist es einfach so, dass in einer polarisierten Gesellschaft, in der die Rechtsextremen immer stärker werden, Linkspopulisten ebenfalls Zulauf bekommen und die Parteien der Mitte schwächer werden, Liberale keinen Platz mehr haben. Dass zeigt sich auch in der verängstigten Debatte um ein Verbot der AfD. Haben die demokratischen Kräfte kein Zutrauen mehr in sich selbst, an ihnen zweifelnde Bürger zu überzeugen, dass nur eine liberale Gesellschaftsordnung das Beste für Alle gewährleisten kann? Nicht nur da vermisst man eine laute freiheitliche Wortmeldung.

Habeck wollte die Grünen zur auch liberalen Kraft machen – als Ersatz für die verengte FDP. Damit ist er gescheitert. Sein Heizungsgesetz ist dafür das Symbol, der Veggie-Day war es vorher. Den Bürgern nicht vorzuschreiben, wie sie zu leben und zu denken haben, das reicht allerdings nicht. Das fordert, in ganz anderer Weise, auch die AfD. Es braucht schon Gedanken, was Freiheit – nicht nur vom Staat – angesichts ihrer Bedrohungen durch äußere und innere Feinde heute bedeutet.

Lernen könnte die FDP von den Ukrainern. Sie kämpfen unter Aufopferung ihre Lebens für ihre Freiheit. Nicht für die Freiheit vom Lieferkettengesetz. Sondern für die Freiheit, ihr Leben ohne Unterjochung selbst zu bestimmen. Die autoritäre Bedrohung ist auch bei uns groß. Für die Freiheit zu kämpfen, notfalls für sie zu sterben: Das klingt heroisch. Aber das ist der Kern des Liberalismus. Darauf muss sich die FDP besinnen. Sonst wird sie absterben.

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